In der vorliegenden Arbeit wird die Entwicklung der deutschen Studierenden-Bewegung in Deutschland, welche allgemein als „68er-Bewegung“ bekannt ist, nachvollzogen.
Die historische Analyse spannt den Bogen von den einsetzenden Debatten über die Kontinuitäten des Nationalsozialismus Ende der 1950er Jahre bis zum Höhepunkt und Niedergang der Studierenden-Bewegung Ende der 1960er Jahre.
Den Ausgangspunkt der Protestbewegung, die im Spagat zwischen Kritischer Theorie und internationalistisch, antiimperialistischer Praxis versuchte die unbewältigte deutsche Nazivergangenheit und ihre Kontinuität zu skandalisieren, bildeten verschiedene Aktionen und Kampagnen in der Bonner Republik. Aus Kontroversen um eine Theorie des Faschismus entsponn sich jedoch bald die Praxis gegen ein vermeintlich „neues 33“ und der Faschismusbegriff reduzierte sich auf eine universalisierte Formel des Antikommunismus, welche die antisemitischen Spezifika des Nationalsozialismus völlig missachtete. Nachvollzogen wird folglich der antizionistische Turn der Bewegung bishin zur militanten Praxis, welche letztlich in einem missglückten Brandanschlag auf die jüdische Gemeinde in Berlin am 9. November 1969 durch linke Aktivisten kulminierte.
Das scheinbare Paradox zwischen dem antifaschistischen Anspruch der Protestbewegung und ihrem Niedergang im antisemitischen Wahn wird anhand der Kritik von Theodor W. Adorno, Jean Améry und anderen Zeitgenosssen gedeutet und in die Tradition der deutschen Erinnerungskultur, welche mit der sogenannten „Vergangenheitsbewältigung“ bis heute fortlebt, gestellt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Studierenden-Bewegung und Neue Linke
- Neue Linke als Protestbewegung
- Theoretische Einflüsse
- Kritische Theorie
- Internationalismus
- Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus
- Unbewältigte Vergangenheit in der BRD
- Die Kontroverse um die „Braune Universität“
- Debatten um eine Theorie des Faschismus
- Nationalsozialismus und Post-Faschismus
- Vom Post- zum Prä-Faschismus
- Faschismus global: Nazis in Vietnam?
- Katalysatoren und Bewegungsschub
- Der Tod von Benno Ohnesorg
- Der Sechs-Tage-Krieg in Israel
- Inflationierung des Faschismus-Begriffs
- Faschismus als Antikommunismus
- Radikalisierung und „Linksfaschismus“-Vorwurf
- Anti-Imperialismus und Anti-Zionismus
- ,,Wahrer Antifaschismus“ und ehrbarer Antisemitismus
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Paradox, dass Akteure der Studierenden-Bewegung der 1960er Jahre in Deutschland trotz ihres antifaschistischen Engagements einen Bombenanschlag im jüdischen Gemeindehaus in Berlin planten. Sie analysiert die Theorie und Praxis der Bewegung im Kontext der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und der Entwicklung einer eigenen Theorie des Faschismus.
- Die Rolle der Studierenden-Bewegung als Teil der Neuen Linken
- Theoretische Einflüsse auf die Bewegung, insbesondere die Kritische Theorie und der Internationalismus
- Die Auseinandersetzung mit der unbewältigten NS-Vergangenheit in der BRD
- Die Entwicklung einer Theorie des Faschismus in der Studierenden-Bewegung
- Die inflationäre Verwendung des Faschismus-Begriffs im Kontext der Radikalisierung der Bewegung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Das Jahr 1968 und seine unterschiedlichen Deutungen als „Chiffre“ für eine globale Revolte werden beleuchtet. Der Fokus der Arbeit liegt auf den Entwicklungen der 1960er Jahre und dem Verhältnis der Studierenden-Bewegung zur NS-Vergangenheit.
- Studierenden-Bewegung und Neue Linke: Dieses Kapitel analysiert die Neue Linke als Protestbewegung und beleuchtet die theoretischen Einflüsse von kritischer Theorie und Internationalismus, die für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bedeutsam waren.
- Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus: Dieses Kapitel untersucht die Reaktion der Studierenden auf die unbewältigte NS-Vergangenheit der BRD und die Entwicklung einer Theorie des Faschismus. Die Kapitel befasst sich mit den Debatten um Nationalsozialismus, Post-Faschismus und Prä-Faschismus.
- Katalysatoren und Bewegungsschub: Dieses Kapitel beleuchtet den Tod von Benno Ohnesorg und den Ausbruch des Sechs-Tage-Krieges in Israel als Katalysatoren für die Entwicklung des inflationären Gebrauchs des Faschismus-Vorwurfs.
- Inflationierung des Faschismus-Begriffs: Dieses Kapitel untersucht den Zusammenhang zwischen der Radikalisierung des anti-imperialistischen Weltbildes der Studierenden-Bewegung und der Verlagerung der deutschen Geschichte nach Israel. Der Anti-Zionismus und die Schuldumkehr mittels israelischer Juden als „neue Nazis“ werden analysiert.
Schlüsselwörter
Studierenden-Bewegung, Neue Linke, Faschismus, Antisemitismus, Nationalsozialismus, Vergangenheitsbewältigung, 1968, BRD, Kritische Theorie, Internationalismus, Anti-Imperialismus, Anti-Zionismus, Israel.
- Quote paper
- Daniel Schuch (Author), 2012, Vom Antifaschismus zum Linksfaschismus? Die deutsche Studierenden-Bewegung der 1960er Jahre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202715