Märkte in Wien: Historischer Rückblick - Aktuelle Situation - Mögliche Zukunft


Bachelorarbeit, 2011

61 Seiten, Note: 2,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Die Vielfalt der Wiener Märkte
1.2. Aufbau der Arbeit

2. Begriffsabgrenzung
2.1. Markt
2.2. Marktamt
2.3. Marktordnung

3. Historische Entwicklung der Wiener Märkte und des Wiener Marktamtes
3.1. Geschichte der Märkte
3.2. Entwicklung der Wiener Marktordnung und des Marktamtes
3.2.1. Der Erste Weltkrieg (1914 – 1918)
3.2.2. Der Zweite Weltkrieg (1938 – 1945)
3.2.3. Nach dem Zweiten Weltkrieg (ab 1945)
3.2.4. Zwischen 1947 und
3.2.5. Wiener Märkte in den 80er und 90er Jahren

4. Aktuelle Situation der Märkte in Wien
4.1. Bestandsaufnahme
4.2. Das Wiener Marktamt heute und seine Aufgabenfelder
4.2.1. Aktueller Fall: Der EHEC-Keim
4.3. Die Rolle der Märkte als Nahversorger
4.4. Aufwertungsmaßnahmen der Stadt Wien
4.4.1. Beispiel Brunnenmarkt
4.4.2. Beispiel Naschmarkt

5. Entwicklungschancen der Wiener Märkte

6. Conclusio

7. Abbildungsverzeichnis

8. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1. Die Vielfalt der Wiener Märkte

„Märkte sind Schauplätze des Handels und der Werbung, der Unterhaltung und Begegnung,

der Lust des Anbietens und der Lust des Kaufens. Der Markt lebt von der Verführung.

Sein buntes Treiben hat die Künstler aller Zeiten inspiriert, und seine Faszination

lebt heute in jedem Jahr- und Trödelmarkt fort.“

(HARDACH, SCHILLING 1980: Klappentext)

Dieses Zitat aus dem Buch „Das Buch vom Markt“ (HARDACH, SCHILLING 1980) gibt bereits einen guten Eindruck was Märkte für die Gesellschaft bedeuten.

Märkte existieren bereits seit über 8.000 Jahren (vgl. ebd. S. 10f). Auch wenn sich ihre Formen und Funktionen über die Jahrhunderte hinweg verändert haben, behielten sie doch ihre wichtigste Grundfunktion bis heute bei: die Nahversorgung der umliegenden Bevölkerung mit Lebensmitteln.

Die Märkte in Wien sind für das Stadtbild unersetzbar. Mit ihrer langen Tradition und Geschichte gehören sie zu Wien wie beispielsweise der Stephansdom und der Prater.

Im 12. Jahrhundert war der Markt ein sehr ausschlaggebendes Kriterium für die Stadtentwicklung von Wien. Die vorteilhafte Lage Wiens an der Donau lies die Stadt zu einem wichtigen Zwischenhandelsmonopol heranwachsen (LAWSON 1989: S. 18). Die alten Märkte in der Innenstadt verliehen der Stadt Wachstum und Dynamik. Noch heute erinnern alte Straßennamen im 1. Bezirk an die früher, dort stattgefundenen Märkte: Hoher Markt, Neuer Markt, Bauernmarkt, Kohlmarkt und Fleischmarkt.

Märkte waren damals und sind auch heute wichtig für die städtebauliche Entwicklung, vor allem für die umliegenden Bezirke. Die Aufwertung eines Marktes kann sich auf das gesamte umliegende Viertel auswirken, wie zum Beispiel das Ansiedeln neuer Gastronomen. Oft werden auch die umliegenden Häuser saniert und die Infrastruktur verbessert und ausgebaut.

Zusätzlich sind Märkte neben ihrer Funktion als Lebensmittelversorger auch wichtige Orte der Kommunikation und tragen zur Identifikation der unterschiedlichen Stadtteile bei. Auf Marktplätzen wurden früher wichtige Informationen und Neuigkeiten ausgetauscht, Rituale abgehalten und Gesetze bekannt gegeben. Auch heute dienen die Wiener Märkte als wichtige gesellschaftliche Kommunikationszentren. Die multikulturelle Konzentration und das gemeinsame Miteinander auf den Wiener Detailmärkten stellt ein weiteres Charakteristikum dar.

Es ist schwer, die Märkte mit nur einem Wort zu beschreiben. Vielmehr können viele und unterschiedliche Charakteristika genannt werden: bunt, laut, lebhaft, anziehend, pulsierend, fröhlich, anregend, duftend, vielfältig …

All diese verschiedenen Eigenschaften verleihen den Wiener Märkten eine einzigartige und besondere Atmosphäre, die nicht nur von vielen WienerInnen sondern auch von TouristInnen sehr geschätzt werden.

Doch es gibt auch eine andere Seite, die die Schattenseite und Herausforderungen von Wiener Märkten beschreibt. Von Jahr zu Jahr schrumpft die Anzahl der Wiener Märkte, denn sie stehen in einem harten Konkurrenzkampf mit den boomenden Einzelhandelsgeschäften und Einkaufszentren. Zudem fehlt es den Märkten an finanziellen Mitteln, um den Kampf mit dem Einzelhandel bestreiten zu können. Viele Märkte verfallen, Marktstände sind schlecht erhalten, die Gegend ist unattraktiv und es fehlt ihnen an Infrastruktur und Bekanntheit.

Eine wichtige unterstützende Funktion beim Fortbestehen der Wiener Märkte spielen die Stadt Wien und das Marktamt (Magistratsabteilung 59). Sie versuchen diese historisch gewachsenen Vertriebsformen und seine kulturelle Vielfalt durch verschiedenste Aufwertungs- und Belebungsmaßnahmen (siehe Kapitel 4.4. „Aufwertungsmaßnahmen der Stadt Wien“, S. 33) zu erhalten.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, dem Leser die Vielfalt und Buntheit der Wiener Märkte näher zu bringen. Dabei soll nicht nur auf die sicht- und erlebbaren Eigenschaften der Märkte eingegangen werden, sondern es soll auch aufgezeigt werden, mit welchen Problemen die Märkte heutzutage zu kämpfen haben und wie unsicher das Fortbestehen vieler Märkte in Wien ist.

Die Arbeit gibt einen umfassenden Überblick über das Wiener Marktwesen. Dabei stellt sich hier die Frage nach der historischen Entwicklung der Märkte seit dem Mittelalter und wie sich die Nutzung der Wiener Märkte seit damals verändert hat. Die Eingrenzung des Zeitraumes wurde deshalb mit dem Beginn des Mittelalters gewählt, da sich in Wien das Marktwesen erst ab dem 13. Jahrhundert anhand von damaligen Dokumentationen belegen lässt (BAUER 1996: S. 11).

Weiters spielt die Geschichte des Marktamtes beim Entwicklungsverlauf der Wiener Märkte eine entscheidende Rolle. Die Entstehung damals und die Entwicklung des Marktamtes über die Jahrhunderte hinweg, lies es zu jener Organisation heranwachsen, die heute die Wiener Märkte betreibt und leitet.

Die Beschreibung der heutigen Situation und die geänderte Nutzung der Märkte gibt ein differenzierteres Bild des Wiener Marktwesens. Es sollen auch jene sozialen, kulturellen und ökonomischen Faktoren aufgezeigt werden, die auf die Entwicklung der Märkte besonders stark einwirken.

Eine wichtige Rolle spielen ebenfalls jene Institutionen und Organisationen, welche das Marktgeschehen und eventuelle Aufwertungsprozesse steuern. Diese Akteure, wie beispielsweise das Marktamt, und deren Aufgaben werden genau beschrieben, um abschließend einen Ausblick zu gewähren, wie sich die Wiener Märkte in Zukunft weiter entwickeln können.

1.2. Aufbau der Arbeit

Diese Bachelorarbeit basiert auf einer umfassenden Literaturrecherche bestehend aus diversen Monographien, Fachartikeln, Zeitungsberichten sowie einer Onlinemedien-Recherche.

Der Aufbau der Arbeit setzt sich im Folgenden wie folgt fort: Im Kapitel 2 „Begriffsabgrenzung“ werden wichtige Wörter wie „Markt“, „Marktamt“ oder „Marktordnung“ definiert, um ein kohärentes Begriffsverständnis zu sichern.

Anschließend folgt der historische Abriss zu den Wiener Märkten. Im 3. Kapitel „historische Entwicklung der Wiener Märkte und des Wiener Marktamtes“ wird auf die „Geschichte der Märkte“ (Kapitel 3.1.) eingegangen. Es wird beschrieben wo und warum Märkte im Mittelalter entstanden sind und welche Auswirkungen und Funktionen sie bei der mittelalterlichen Stadtentwicklung hatten.

Im nächsten Unterkapitel wird die „Entwicklung der Wiener Marktordnung und des Marktamtes“ (Kapitel 3.2.) dargestellt. Dabei werden auch die Auswirkungen des Ersten und Zweiten Weltkrieges (Kapitel 3.2.1. – 3.2.2.) auf die Wiener Märkte und die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung beschrieben. Die weitere Entwicklung von der Nachkriegszeit bis heute (Kapitel 3.2.3. – 3.2.5.) zeigt einen Wandel der Nahversorgung.

Im nächsten großen Kapitel wird die „Aktuelle Situation der Märkte in Wien“ (Kapitel 4.) beschrieben. Nach einer kurzen „Bestandsaufnahme“ (Kapitel 4.1.) der heutigen Märkte wird „Das Wiener Marktamt heute und seine Aufgabenfelder“ (Kapitel 4.2.) anhand von aktuellen Gesetzen, Zahlen und Beispielen dargestellt.

Anschließend erfolgt eine Darstellung „der Rolle der Märkte als Nahversorger“ (Kapitel 4.3.). Hierbei wird ersichtlich, dass sich die Rolle der Märkte in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat.

Eine wichtige Rolle beim weiteren Fortbestehen der Märkte spielt die Gemeinde Wien. Im nächsten Kapitel (4.4.) werden verschiedenste „Aufwertungsmaßnahmen der Stadt Wien“ angeführt. Anhand des Beispiels „Brunnenmarkt“ (Kapitel 4.4.1.) und des „Naschmarktes“ (4.4.2.) werden diese Aufwertungsmaßnahmen veranschaulicht. Als Abschluss folgt eine kurze Prognose, welche mögliche „Entwicklungschancen der Wiener Märkte“ (Kapitel 5.) beschreiben soll.

Um die Hauptaussagen noch einmal kurz zusammen zu fassen, folgt im Kapitel 6 eine Schlussfolgerung mit Bezug auf die Forschungsfrage (Kapitel 6.).

2. Begriffsabgrenzung

2.1. Markt

Der Begrifft Markt stammt vom Lateinischen „mercatus“ und bedeutet Handel (Brockhaus Online Enzyklopädie: http://www.brockhaus.de).

SCHÄFERS (2006: S. 172) definiert den Begriff Markt als „[…] ursprünglich der Ort, an dem ein organisierter Handel mit Waren erfolgt.“

Heutzutage werden unter dem Begriff Markt auch „[…] nicht-lokalisierbare wirtschaftl. Institutionen objektspezifischer Güter- und Leistungsaustausches […] verstanden“ (ebd.). Darunter versteht Schäfers die “[…] Rohstoff-, Arbeits-, Kapital-, [und] Weltm[ärkt]e“ (ebd.). Jedoch sind diese nicht Bestandteil dieser Arbeit.

Diese Bachelorarbeit handelt vielmehr von organisierten Märkten im institutionellen Sinn, für welche es bestimmte Gesetze und Regeln gibt. Solche städtischen Märkte gibt es in verschiedenen Variationen: Tages-, Wochen-, Jahresmärkte, Saisonale Märkte wie Weihnachtsmärkte, Ostermärkte; Floh- und Antiquitätenmärkte, Straßenmärkte etc.

Das Marktwesen unterliegt den Rechtsgrundlagen der Gewerbeordnung von 1994. Laut dieser werden Märkte wie folgt definiert:

„Unter einem Markt […] ist eine Veranstaltung zu verstehen, bei der auf einem örtlich bestimmten Gebiet (Marktplatz, Markthalle) zu bestimmten Markttagen und Marktzeiten Waren feilgeboten und verkauft werden. Ein Markt darf nur auf Grund einer Verordnung der Gemeinde, in der der Markt abgehalten werden soll, stattfinden. Jedermann hat das Recht, auf Märkten Waren nach Maßgabe der von der Gemeinde hierfür durch Verordnung bestimmten Voraussetzungen feilzubieten und zu verkaufen.“ (GewO §286, Abs. 1: http://www.ris.bka.gv.at/ )

Märkte sind in Europa seit dem Mittelalter ein elementares und stadtbildprägendes Element und waren damals das „[…] Zentrum des täglichen Lebens […]“ (LAWSON 1989: S. 19).

Früher waren die Märkte besonders ausschlaggebend für die Entstehung und den Wachstum von Städten und leisteten einen wichtigen Beitrag „[…] an der bürgerlichen Emanzipation […]“ (SCHÄFERS, KOPP 2006: S. 172). Oft gründeten sich Städte erst um einen bestehenden Markt herum. Entscheidend waren hierbei besonders die Fernhandelswege, welche sich im Laufe der Zeit änderten und wodurch entweder neue Märkte auflebten oder alte Märkte verwahrlosten (HARDACH, SCHILLING 1980: S. 114). SCHÄFERS (2006: S. 172) bezeichnet den Markt „[…] als die früheste Form der Öffentlichkeit im soz. Sinn […]“. Hardach und Schilling (1980: S. 15) schreiben in ihrem Buch „Das Buch vom Markt“, dass sich „[…] die jeweiligen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen […]“ in den „[…] Entwicklungen des Marktes […]“(ebd.) wiederspiegeln.

Besonders wichtig und ausschlaggebend sind der Marktplatz, das Marktrecht und die Marktveranstaltung. Diese drei Aspekte sind die Grundprinzipien der Organisation Markt, welche eine „[…] fundamentale Institution menschlicher Gesellschaft […]“ (ebd.) darstellt.

Voraussetzung für die Märkte ist das Vorhandensein von einer Angebots- und Nachfrageseite. Ursprünglich war auch das Vorhandensein einer Bevölkerung, die sich nicht mit eigens angebauten Nahrungsmitteln versorgen kann und somit auf den Kauf von diesen angewiesen war, nötig. Durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage ergibt sich das Potential einer Tauschbeziehung (vgl. ebd. S. 15f).

2.2. Marktamt

Das Marktamt in Wien gehört zu den ältesten städtischen Institutionen und seine Ursprünge reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Das Wiener Marktamt wurde im Jahre 1839 vom Wiener Bürgermeister Ignaz Freiherr von Czapka, Ritter von Winstetten, gegründet. Es war nun die Aufgabe der Stadt Wien die Märkte zu beaufsichtigen und zu kontrollieren sowie die Versorgung der Bewohner mit Lebensmitteln zu sichern (Bauer 1996: S. 277).

Zum heutigen Marktamt, der Magistratsabteilung 59, zählen weiterhin die Kontrolle der Märkte hinsichtlich der Lebensmittelaufsicht, Preisangelegenheiten, Gewerbewesens, Einhaltung des Konsumentenschutzes und die Durchführung verschiedenster Öffentlichkeitsarbeiten (z.B.: Das „Märktedankfest“ beim Wiener Rathaus, 2009) (Eine genauere Beschreibung des Marktamtes erfolgt im Kapitel 4.2. „Das Wiener Marktamt heute und seine Aufgabenfelder“, S. 27) (MA 59_a: http://www.wien.gv.at/).

2.3. Marktordnung

Die Marktordnung enthält die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Märkte.

Die älteste erhaltene Marktordnung vom Jahre 1250 regelte Preisfestsetzungen, Qualitäts- und Gewichtsvorgaben sowie Strafen für das Vergehen gegen die Marktordnung (Lawson 1989: S. 18).

Die Marktordnung wurde zuletzt im Jahre 2006 novelliert. Sie regelt die Wiener Märkte „im Sinne der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 15/2006“ (Marktordnung 2006, §1 Geltungsbereich).

In der Marktordnung sind folgende Punkte angeführt und genau festgelegt:

- Eine Auflistung der Märkte sowie deren Marktgebiet, Markttage und Marktzeiten
- Marktgegenstände: welche Gegenstände dürfen auf Märkte verkauft werden und welche nicht. Dies kann je nach Markt unterschiedlich sein. Grundsätzlich ist es erlaubt, Waren aller Art zu verkaufen außer „[…] militärischer Kampfausrüstung, Waffen, pyrotechnischen Artikeln, […] lebenden Tieren, ausgenommen Fische, Krusten- und Schalentiere […]“ (Marktordnung 2006, §5 Z1 Einschränkungen der Marktgegenstände).
- Gastronomie: darf auf Marktplätzen betrieben werden, solange die dazu erforderlichen Einrichtungen verfügbar und dafür geeignet sind, diese den Marktbetrieb nicht stören und höchstens nur ein Drittel der Marktfläche für den Gastronomiebetrieb verwendet wird.
- Marktparteien: jene Personen, die dazu berechtigt sind, Waren auf den Märkten zu verkaufen
- Vorschriften zu Vergabe und Verlust von Marktplätzen und Markteinrichtungen: Die Vergabe erfolgt durch Verträge, Zuweisung oder auf Anlassmärkten durch eine/n OrganisatorIn. Der Verlust kann durch Erlöschen, Verzicht oder Widerruf geschehen.
- Gemeinsame Bestimmungen wie zum Beispiel ProduzentInnennachweis
- Marktbehördliche Bewilligungen und Aufträge: regelt Bewilligungspflicht durch die Marktverwaltung, Bedingungen und Auflagen, Instandhaltungen, Wasserversorgungen etc.
- Marktpolizeiliche Bestimmungen: enthalten die Rechte der Marktaufsichtsorgane, Pflichten der Marktparteien, Angaben zur Abfallentsorgung und Strafbestimmungen etc.

(Marktordnung 2006: http://www.wien.gv.at/)

3. Historische Entwicklung der Wiener Märkte und des Wiener Marktamtes

3.1. Geschichte der Märkte

Märkte entstanden vor allem dort, wo die ansässige Bevölkerung sich nicht mit den täglichen Nahrungsmitteln durch Subsistenzwirtschaft versorgen konnte. In solchen Fällen benötigten die Bewohner einer Siedlung einen Ort bzw. Platz, wo sie einen Warenaustausch vollziehen konnten. Zu Beginn fand dieser Warenaustauch nur gegen Naturalien statt, später tauschte man hauptsächlich nur noch gegen Geld.

So wurden Märkte in einer Zeit der ständig steigenden Arbeitsteilung zwischen der Bevölkerung auf dem Land und der Stadt, durch Wirtschaftswachstum, institutionelle Veränderungen und einem stark wachsenden Anteil der im Industrie- und Dienstleistungssektor tätigen Bevölkerung immer wichtiger (Bauer 1996: S.10f und Hardach, Schilling 1980: S. 68). Daher stieg die Wichtigkeit eines regelmäßigen und geregelten Austausches von Waren jeglicher Art. Am Anfang kamen die Bauern an bestimmten Tagen oder Jahreszeiten in die Stadt, um dort ihre Waren zu verkaufen Aber auch um für sich selber verschiedenste Dienstleistungen und Besorgungen zu erledigen.

Durch die wachsende Bevölkerung und die somit steigenden unterschiedlichen sozialen Schichten, stiegen die Wünsche nach bestimmten Luxus- und Prestigegütern, welche meistens nur aus weiter entfernten Regionen bzw. Ländern erhältlich waren (Hardach, Schilling 1980: S. 68).

Die Märkte entstanden daher an jenen „verkehrswichtigen“ und –„günstigen“ (Bauer 1996: S. 10) Orten, wo viele Menschen unterschiedlicher ethnischer und sozialer Herkunft zusammentrafen. Dies war insbesondere an „[…] Schnittpunkten überregionaler Handelsstraßen, an Pässen und Flußübergängen, an Wallfahrtsplätzen oder am Sitz der Stadt- und Gerichtsbehörden […]“ (ebd.). Oft entwickelte sich die Stadt auch erst um einen Markt herum. Deswegen ist der Markt mit seinen Vorrechten wie dem Marktrecht und Marktfrieden (Lawson 1989: S.16) für eine Stadt sehr bedeutungsvoll. Der Markt prägt die „[…] Entwicklung der Stadt als Siedlungs- und Wirtschaftsform […]“ (Hardach, Schilling 1980: S. 114) erheblich. In der Stadt ist der Markt „[…] der Kern des städtischen Wirtschaftslebens […]“ (ebd. S. 120) und hat eine wichtige zentrale Funktion.

Es werden dort verschiedenste Produkte ausgetauscht und gehandelt, wodurch der Markt zum Zentrum des Wirtschaftslebens wird. Besonders durch den Markt und verschiedenste andere kulturelle und politische Raumfunktionen grenzt sich die Stadt vom Umland ab und erhält somit seine zentrale Wichtigkeit (vgl. ebd.).

Wesentlich für die Entwicklung der Märkte war auch der den Käufern und Händlern zugeteilte „Friede und Rechtsschutz“ (Lawson 1989: S. 16), welches für die Sicherheit und die regelmäßige Durchführung wichtig war.

Die Märkte waren auch für die Herrscher in jenem Gebiet von großer Wichtigkeit. Denn dadurch erhielten diese große Mengen an Steuereinnahmen.

Um den friedlichen Verlauf auf dem Markt zu erhalten und auch ausländische Händler anzulocken, erstellte man bestimmte Marktrechte und Privilegien (Bauer 1996: S. 10ff). Für das friedliche Zusammensein galt auf dem Marktplatz der Marktfrieden. Zusätzlich gab es noch Gesetze zum Schutz der Konsumenten, das Stapelrecht (siehe Kapitel 3.2. „Entwicklung der Wiener Marktordnung und des Marktamtes“, S. 12) und das Verbot des Fürkaufs (siehe Kapitel 3.2. „Entwicklung der Wiener Marktordnung und des Marktamtes“, S. 13)

3.2. Entwicklung der Wiener Marktordnung und des Marktamtes

Bauer (1996: S. 11) erwähnt in seinem Buch „Die Wiener Märkte“, dass Wien das erste Mal im Jahr 1137 als „civitas“ (ebd. S. 11) (lat.: Stadt, Gemeinde) (Langenscheidt: S. 93) bezeichnet wird. Es lässt sich schwer beweisen, dass die Stadt Wien davor schon als Marktort galt, doch BAUER (1996: S. 11) vermutet, dass in Wien damals schon ein Markt existierte. Ab dem 13. Jahrhundert ist das Marktwesen anhand von damaligen Dokumentationen belegt und begann zu wachsen.

Im Jahre 1192 gewährte Herzog Leopold V. den Kaufleuten von Regensburg ein Handelsprivileg. Im Oktober 1221 wurden 24 Geschworene mit der Aufgabe, verschiedenste Marktangelegenheiten zu beaufsichtigen, bestimmt. Somit erhob man die Kontrolle des Marktes zu einer der Hauptaufgaben in der damaligen Stadtverwaltung. Auch führten die damaligen Landesfürsten das sogenannte Stapelrecht ein. Durch dieses wurden durchreisende Händler gezwungen, ihre Ware für einen bestimmten Zeitraum der ortsansässigen Bevölkerung zum Verkauf anzubieten bevor sie mit ihren Waren weiter reisten oder mit GeschäftspartnerInnen Handel betrieben (vgl. ebd. S. 11ff). Dieses Gesetz erhob Wien zu einem wichtigen „Zwischenhandelsmonopol“ (Lawson 1989: S. 18), was für das weitere Wachstum Wiens sehr ausschlaggebend war.

Die älteste erhaltene Marktordnung von 1250 regelte die Preisfestsetzungen, Qualitäts- und Gewichtsvorgaben sowie Strafen für verschiedenste Vergehen (vgl. ebd. S. 18). All dies wurde vom Marktaufseher, vergleichbar mit den heutigen Aufsichtsorganen, strengstens kontrolliert. Er bekam als Entlohnung und Motivation die Hälfte des Strafgeldes (Bauer 1996: S. 11ff).

Neben Geldstrafen gab es auch noch andere barbarische Strafen wie Schläge, Arrest, Einziehung der Ware, „[…] schmerzhafte[s] Spannen ans Kreuz und […] Ausstellen auf der Schaubühne […]“ (ebd. S. 15) oder auch die verheerende Entziehung der Gewerbeberechtigung für einige Monate, welche schwere existenzielle Folgen für die MarktstandbetreiberInnen mit sich brachte.

Seit dem Ende des Mittelalters (ca. 16. Jahrhundert) hatte sich die Stadt Wien verändert. Sie wurde „[…] eine Stadt des Adels und der Beamten […]“ (ebd. S. 20f), in der die „[…] Paläste und Behörden die Gärten und Felder fast völlig verdrängt hatten […]“ (ebd.). Auch politisch hatte sich Wien verändert. Die „[…] eigenständige[n] Wirtschafts- und Marktpolitik Wiens […]“ (ebd. S. 275f) wurde von der „absolutistischen Stadtordnung Ferdinand I.“ (ebd.) abgelöst. Von da an vollzog die Regierung die gesamte Stadtverwaltung.

Während des 17. Jahrhunderts entwickelte sich ein neuer Trend im Bereich der Nahversorgung. Hausbesitzer zogen vom Erdgeschoss in den ersten Stock und vermieteten die freigewordenen Räume als Verkaufsräume an Handwerker oder an sogenannte „Greißler“ (ebd. S. 24).

Greißler sind Kleinhändler, welche „[…] auf wenig Verkaufsfläche Lebensmittel aller Art anbieten […]“ (Hatz, Schwarzenecker 2009: S. 272). Das Wort Greißler leitet sich vom „[…] ‚Griesler‘, dem Grießhändler […]“ (Bauer 1996: S. 48) ab.

Die Greißler und die Marktleute standen in Konkurrenz zueinander. Ebenfalls große Konkurrenz boten die fahrenden Händler. Sie verkauften ihre Waren nicht auf festen Standplätzen, sondern zogen mit ihren Körben und Wagen durch die Straßen. Die Nachfrage nach fahrenden Händlern war groß, denn die Märkte lagen oft weit auseinander und es fehlte an öffentlichen Verkehrsmitteln (vgl. ebd. S. 50).

Durch das starke Bevölkerungswachstum kam es zu Versorgungsengpässen. Die kleinen Eigenproduzenten, welche im Stadtumland wohnten, wurden von marktfahrenden Zwischenhändlern vertrieben und Tagesmärkte wurden durch Wochenmärkte ersetzt. Durch den starken Anstieg der Lebensmitteleinfuhren wurde ein Marktrichter eingeführt, um eine bessere Inspektion der Märkte zu gewährleisten. Zu seinen Aufgaben zählten das Abkassieren der Marktgebühren und das Unterbinden des Fürkaufs (vgl. ebd. S. 21).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Markt auf der Freyung im 18. Jahrhundert

Quelle: MA 59_b: http://www.wien.gv.at

Fürkauf bezeichnet einen Zwischenhandel, bei dem die Waren gekauft und dann absichtlich zurückgehalten werden. So wird versucht eine Preiserhöhung zu erzielen (vgl. ebd. S. 12).

Am 24. April 1792 wurde die „Allgemeine Marktordnung für die Haupt- und Residenzstadt Wien und ihre Vorstädte“ (ebd. S. 276) verordnet, welche der genauen Regelung der Marktverhältnisse diente. „Die Kompetenzen und Kontrollfunktionen […]“ (ebd. S. 22) auf den Wiener Märkten teilten sich jedoch auf verschiedenste Ämter auf, von der „[…] Institution eines Marktamtes […]“ (ebd. S. 22) konnte noch nicht die Rede sein.

Die Tätigkeit eines Marktrichters war überaus strapaziös und ging mit viel Korruption einher (vgl. ebd. S. 27f). Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Kontrolle der Märkte in Wien auf mehrere unterschiedliche Beamten verteilt. Die wichtigsten waren der „Marktrichter, die Fleisch-, Fisch-, Mehl- und Brotbeschauer“, die „Metzenleiher“ und der „Krebsenrichter“ (ebd. S. 46). Diese Organisationsstruktur bewies sich nicht gerade als effizient.

Als 1838 Ignaz Freiherr von Czapka, Ritter von Winstetten, Bürgermeister von Wien wurde, gründete er 1839 das Wiener Marktamt. Dadurch wurden schlussendlich die verschiedenen „[…] Marktaufsichtsbehörden zu einer einheitlichen Körperschaft vereinigt […]“ (ebd. S. 277) und die Stadt Wien erhielt „[…] die uneingeschränkte Marktaufsicht und das gesamte Approvisionierungswesen […]“ (ebd.). Zu dieser Zeit zählte Wien ca. „350.000 Einwohner“ (ebd.).

Im Jahr 1845 zog Bürgermeister Czapka die Vororte von Wien in die Zuständigkeit des Wiener Marktamtes mit ein. So wurde die Grundlage der Versorgung für die schnell wachsende Stadt erweitert und gesichert.

Mit dem Zeitalter der Industrialisierung und des starken Bevölkerungswachstums vergrößerten sich auch Aufgabenkreis und Personalstand des Marktamtes. Zur Marktordnung gehörten im Jahre 1884 nachstehende Agenden: Marktpolizei, Marktgebühren, Sanitäts- und Veterinärpolizei, Lebensmittel-, Gewerbe-, Straßen-, Feuer- und Strompolizei.

Im Jahre 1884 wurde auch der Bau des zentralen Viehmarktes in St. Marx fertiggestellt (Lawson 1989: S. 49).

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Bezirke 11 bis 19 eingemeindet. Daraufhin erweiterten sich die Aufgaben des Marktamtes. Zu den wichtigsten Aufgaben zählten nun die Verwaltungstätigkeit, die Marktaufsicht und die Lebensmittelkontrolle. Letzteres legte das Lebensmittelgesetz von 1896 und den „Codex Alimentarius Austriacus“ (Bauer 1996: S. 66) von 1911 fest. Der Codex Alimentarius Austriacus galt als Grundlage für das „[…] strenge[n] österreichische[n] Lebensmittelrecht[s] […]“ (ebd.) und bliebt bis 1975 in der ursprünglichen Form gültig. Der Codex beinhaltete die „[…] Mindeststandards für Lebensmittel […]“ (MA 59_b: http://www.wien.gv.at). Er wurde ab 1975 durch die Einführung des Lebensmittelgesetzes neu überarbeitet und veröffentlicht (vgl. ebd.).

Bevor der 1. Weltkrieg ausbrach, erlangte Wien die Zwei-Millionen-Einwohnergrenze. Zu diesem Zeitpunkt waren 156 Marktbeamte beim Marktamt beschäftigt (Bauer 1996: S. 281f).

3.2.1. Der Erste Weltkrieg (1914 – 1918)

Der Erste Weltkrieg hatte verheerende Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung der Wiener Bevölkerung. Der Krieg führte zu erheblichen Versorgungsengpässen und trieb die Preise extrem in die Höhe. Die Folgen waren eine hungernde und frierende Bevölkerung. Lebensmittel wurden verfälscht und gestreckt. Zum Beispiel fügte man den Würsten „[…] Stärke und Farbe […]“ (ebd. S. 67) hinzu, den Rum färbte man mit Tannin schwarz oder man verwendete Margarine, um die Butter zu strecken (vgl. ebd. S. 67). Der Stadthalter befahl aufgrund der Lebensmittelknappheit eine größere Sparsamkeit beim Verzehr von Brot und anderen wichtigen Lebensmitteln (MA 59_b: http://www.wien.gv.at/).

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Details

Titel
Märkte in Wien: Historischer Rückblick - Aktuelle Situation - Mögliche Zukunft
Hochschule
Universität Wien
Note
2,00
Autor
Jahr
2011
Seiten
61
Katalognummer
V202728
ISBN (eBook)
9783656304197
ISBN (Buch)
9783656306337
Dateigröße
5114 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wiener Märkte, Wiener Markt, Naschmarkt, Brunnenmarkt, Markt, Wiener Marktamt, Aufwertung
Arbeit zitieren
BA Katharina Jutz (Autor:in), 2011, Märkte in Wien: Historischer Rückblick - Aktuelle Situation - Mögliche Zukunft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202728

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