Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Gaston Leroux und die Quellen
III. Fritz Lang und die Quellen
IV. Gustave Le Rouge
V. Fazit
VI. Bibliographie
(Zu Leroux` Quellen ab S.58 ff, zu denen Langs ab S. 78 ff)
Der Autor dankt Stud. Ref.` Vanessa Steinberger und Dr. Bruno Arich–Gerz für freundliche Unterstützung beim Korrekturlesen sowie redaktionelle und sonstige Hinweise.
Michael Tillman sei gedankt für Tipps am Rechner.
Evtl. übersehene Fehler liegen in der Verantwortung des Verfassers.
I. Einleitung
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist, möglichen – bisher nicht erkannten oder beachteten – Zusammenhängen, inhaltlichen Abhängigkeiten bzw. deren Hintergründen (d.h. nicht ausreichend erforschten intertextuellen Verbindungen) sowie Quellenfragen im Werk dreier Schriftsteller, Journalisten oder Drehbuchautoren zwischen 1912 und 1921 nachzugehen. Dabei sollen neue Mosaiksteinchen einen bescheidenen Beitrag zur Toposforschung leisten. In der vorliegenden Studie werden ferner einige wenige sehr versteckte – mögliche – Bezüge zu einem in ganz Europa überaus erfolgreichen Roman Marmontels aus dem Jahre 1777 (Les Incas, ou la destruction de l`empire du Pérou) ans Licht treten.
Gleich zu Beginn einige Sätze von Dieter Wuckel: ,,Die allmähliche Durchsetzung der allgemeinen Volksbildung gehörte zu den bedeutendsten Errungenschaften der bürgerlichen Emanzipations- bewegung. Die gesetzlichen Regelungen erfolgten z.T. schon im 18. Jahrhundert (…), es dauerte aber noch viele Jahrzehnte, bis regelmäßiger Schulbesuch aller Kinder Realität werden konnte. (…) Wichtige Impulse für die Überwindung solcher Schwierigkeiten gaben die Arbeiterbildungsvereine und die sich formierenden sozialdemokratischen Parteien. Diese progressive Entwicklung brachte dem Buchmarkt völlig neue Leserschichten (…). Vor diesem Hintergrund ist die explosionsartige Erweiterung des Buch– und Zeitschriftenmarktes im 19. Jahrhundert zu sehen. (…) Literatur wurde so in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Massenbedürfnis und zur Massenware. (…) Diese Entwicklung führte zu einem Abfall der ästhetischen Anforderungen (…) und zu einem erheblichen Qualitätsverlust in weiten Bereichen der Literatur. (…) In dieser den Marktbedingungen völlig unterworfenen Massenliteratur entwickelten sich (…) Formen der wissenschaftlich– phantastischen Literatur, die bis heute das Gros der Werke in den westlichen Ländern prägen (…). Neben den Fortsetzungsromanen in Zeitungen und Zeitschriften (…) wurde in einigen europäischen Ländern vor allem der Kolportageroman zum erprobten Mittel trivialer Massenbefriedigung, umfangreiche Werke, die in Einzellieferungen vertrieben wurden“ (Wuckel, S. 92–3).
Mit diesen vorwiegend auf Deutschland gemünzten Worten beginnt Wuckel[1] das Kapitel Abstieg in Triviale (S. 92 ff) seiner Literaturgeschichte aus dem Jahre 1986. Der Autor unterscheidet im Folgenden den Kolportageroman mit sentimental–rührseligem Inhalt und die auf Sensationen und Abenteuer gerichtete Variante (S. 93), die beide eine Flucht aus dem als elend empfundenen Dasein ermöglichten. ,,Da brechen literarische Helden dorthin auf, wo einzelne noch etwas wert, wo Mannesmut gefragt ist: in exotische, wenig erforschte, von wilden Völkern, Tieren und von Schurken heimgesuchte Gegenden, auf das weite Meer, und schließlich auch weg von der Erde, in die Luft, ja zu anderen Himmelskörpern. (…) dort herrscht das Faustrecht, der Stärkere setzt sich durch. (…) Je nach den Versatzstücken und den raumzeitlich geprägten Kulissen, die zur Auskleidung der nach Spannungseffekten aufgebauten Handlung eingesetzt werden, führt das zu unterschiedlichen Genres: zum Western, zum Kriminal– und Detektivroman, zur Abenteuergeschichte, zur Seeräuberstory oder eben (…) zu wissenschaftlich–phantastischen Werken“ (ebenda, S. 93–94). In den Industrieländern gab es unzählige Serien dieses Typs von Literatur.
Rudolf Schenda zählt in seinem epochemachenden Werk Volk ohne Buch. Studien zur Sozialgeschichte der populären Lesestoffe 1770–1910[2] folgende Themen der populären Literatur nach 1850 auf: Idole/Helden (z.B. Napoleon), Alltag: Armut und Malheur, Das Pech der Anderen: Grausames Geschick, Lust: Grausamkeit und Sadismus, Extreme Situation: Gewaltverbrechen, Gefangenschaften im Souterrain (speziell: Geschichten von Eingemauerten, S. 363), Exekution: Circenses fürs Lese– Volk, Gerechtigkeit: Rettung in letzter Minute und Triumph der Unschuld, Erotik und Skatophilie (Hahnrei und Merdiana), Patriotismus: Krieg und Soldatenleben.
Im Kapitel Erzähltypen und –motive (S. 379 ff) heißt es ausdrücklich, dass der Themenkreis Sterben, Mord, Tod in der populären Literatur besonders häufig vertreten ist, ferner werden Verkleidung und glückliche Errettung erwähnt. ,,An der Spitze der Lieblingsmotive steht das der Lebenden Leiche oder des Scheintods. (Schenda zählt auf: Kindsmord, Tod im Backofen, Räuberwirtshaus und Mordeltern, Lebende Leichen, Totenschädel, Mädchen als Soldat, Lieber Löwe (der Löwe, wie der Hund, als Freund des Menschen).
Unter die Stereotypen und Requisiten rechnet er (S. 397 ff): Rosige (d.h. berühmte) Räuber, Geister und Gespenster, Findelkinder, Waisen, Savoyarden, Gift–mischerinnen, Einsiedler, Höhle, Mühle, Forsthaus.
Unter Formeln und Schemata (S. 412 ff) fallen der Dualismus der Schwarz–Weißmalerei, Zahlenschemata, Zeiteinteilungen; ein spezielles Kapitel gilt der Parodie (S. 425 ff).
Die vom Verfasser dieser Studie weiter oben unterstrichenen Versatzstücke (sowie einige andere) finden sich mehr oder weniger klar ausgeprägt in den im Rahmen dieser Studie zu behandelnden Werken, insbesondere der Épouse du Soleil:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für Versins – im Artikel Aventures (Roman d`) – sind Abenteuerromane schlicht und einfach ,,une fiction (…) emportant le lecteur au–delà de son expérience quotidienne pour calmer en lui la soif de l`imprévu, du mystère, de l`extraordinaire. En ce sens, le roman historique est son expression naturelle et le roman conjectural son expression extrême.” (S. 82) Eine Wertung wird vermieden. Der Abenteuerroman enthält ,,un certain nombre de récits conjecturaux, voyages extraordinaires, anticipation, science fiction” (ebenda, S. 82) und wurde oft in speziellen Serien und Buchreihen veröffentlicht. Daemmrich (Artikel Abenteuer, S. 4 ff) betont, der Abenteurer vertrete ein ,,naives Rechtsempfinden“, kämpfe ,,gegen negative gesellschaftliche Tendenzen“ und ,,verteidige die Hilflosen“. ,,Um die Erwartung des Lesers zu erhöhen und die Spannung zu steigern, wird die zentrale Figur zu Beginn des Abenteuers entweder einer schwerwiegenden Bedrohung ausgesetzt oder in eine Katastrophe verwickelt“ (ebenda, S. 4). Die ,,Konzentration auf einen bestimmten Weltausschnitt“, ,,Schematisierung der Figuren“, ,,Klischeebildung in der Milieugestaltung“, ,,Verbreitung nationer Vorurteile“ und ,,Stratifikation einiger Motive“ seien weitere typische Kennzeichen der Abenteuerliteratur. (ebenda, S. 5)
Hetzel z.B. publizierte ab 1889 die Reihe Romans d`aventures, Les Récits Mystérieux (ab 1912), andere druckten ab den 20er Jahren La Bibliothèque des Grandes Aventures, Voyages Lointains, Aventures étranges, Les Romans d`Aventures, Le Livre des Aventures, Contes et Romans pour tous, L`Aventure.[3] Es gab auch das Journal des Voyages (ab 1877)[4], und La vie d`aventures (ab 1911), in dem Leroux und Gustave Le Rouge publizierten (S. 478).
Nach einigen Bemerkungen über die sehr unterschiedliche literarische Qualität dieser Produkte (schwankend zwischen echter Literatur und grobem Schund) geht Wuckel näher auf solche Heftserien ein, deren Kosten für ein Einzelheft sehr niedrig waren (sogenannte dime novels). Groschenhefte dieser Art las Fritz Lang in seiner Jugend mit Vorliebe. In ihnen drückte ,,ein Serienheld der ganzen Reihe seinen Stempel“ auf, in jedem Heft wurde ein ,,in sich geschlossenes Abenteuer“ (Wuckel, S. 94) geliefert, was natürlich Folgen für die Struktur der Handlung nach sich zog. ,,Im Kolportageroman wird (ähnlich wie im Zeitungsfortsetzungsroman) meist auf das Ende der Lieferung zu ein Spannungseffekt gesetzt, der neugierig auf den Fortgang des Abenteuers macht und der damit zugleich den Leser zum Kauf des nächsten Teils animiert. Im Serienheft fällt dieses Moment weg, daher muss der Gesamtaufbau so sein, dass man weitere ,,Helden“taten erleben (...) und weitere Serienhefte kaufen möchte. Dabei müssen mit jedem Heft bestimmte Erwartungshaltungen erfüllt werden, so dass sich Stereotype und Klischees herausbilden, die an den jeweiligen Seriennamen gebunden sind.“[5] Ersteres trifft auf die Épouse du Soleil zu. Auch in Die Spinnen wird durch die Ermordung der ,,guten“ Heldin durch die Hand der ,,bösen“ am Ende des ersten Teils (in: Der Goldene See) ein Effekt gesetzt, der den Haupthelden (Kay Hoog) zu weiteren Taten animiert, um seinen Rachedurst zu stillen (im zweiten Teil: Das Brillantenschiff). Zwei weitere Fortsetzungen waren geplant, wurden aber nicht verwirklicht.
Die Verwendung geheimer Schriften, Symbole oder Flaschenpostnachrichten mit geographischen Angaben, Reisen in weitgehend unbekannte Weltgegenden, der Einsatz aller möglicher Fortbewegungsmittel (zu Pferd, auf dem Muli, sogar auf dem Lama – wie in der Épouse – , mit Bahn, Auto, per Schiff – auch per U–Boot – , im Ballon, Flugzeug, sogar zu Fuß), die Einführung bestimmter Personenkonstellationen, die ausführliche Schilderung von Land und Leuten, der scharfe Kontrast zwischen Gut und Böse, die letztlich waltende höhere Gerechtigkeit, die Verwendung wissenschaftlicher Ergebnisse und der Einsatz von wissenschaftlichen Zitaten inkl. Fußnoten zur Steigerung der Glaubwürdigkeit der geschilderten Abenteuer sind häufig typische Versatzstücke von Kolportage – Literatur und auch Leroux (weniger Lang/Le Rouge) hat sich ihrer ausgiebig bedient, um seine Leser zu fesseln. Darüber hinaus klingt in der Épouse du Soleil bzw. in Die Spinnen/Mysteria in leichter Abwandlung das in der Abenteuerliteratur beliebte Motiv der ,,verlorenen Zivilisation“ an, die sich an versteckten, geheimen Orten erhalten hat, neu entdeckt, ggf. bedroht wird. Ideale Schauplätze solch mysteriöser Schilderungen wären etwa die geheimnisvolle Osterinsel Rapa Nui, der unerforschte Amazonas– bzw. Orinocourwald oder die Urwälder Zentralafrikas, einsame Hochtäler der Anden, Tibets (z.B das Kloster Shangri La in James Hiltons Roman Lost Horizon aus dem Jahre 1933) bzw. des Himalaya, die Dschungel Asiens, die eisigen Polarregionen, unbekannte Inseln in der Weite der Südsee und nicht zuletzt das legendäre Thule und Gondwana. Sogar im südlichen Europa existierte – in der Fiktion – als historische Folge der Reconquista jahrhundertelang eine unterirdische ,,verlorene Zivilisation“, wie noch zu zeigen sein wird (siehe hier, S. 26 ff).[6]
Einen solchen geheimnisumwobenen Ort stellen im Fall der Épouse du Soleil die nur eingeweihten Inka–Nachkommen bekannten Höhlensysteme in bzw. um Cuzco und am Titicaca–See hoch in den Anden dar, in denen ein nicht geringer Teil der Handlung spielt. Das Wort INKA hatte schließlich seit dem 16. Jahrhundert eine nahezu magische Anziehungskraft, denn bis heute werden Romane und mehr oder weniger ernst zu nehmende Sachbücher veröffentlicht, die sich mit fiktionalen und/oder historischen Ereignissen im Inkareich befassen.
Die bereits erwähnten dime novels (Fritz Langs Lieblingslektüre als Junge)[7] waren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur in den USA weit verbreitet; ganze Serien wurden oft von einem einzigen Autor bestritten und deren Einfluss auf den europäischen Literaturbetrieb (im Sinne von Massenliteratur) war beträchtlich, denn auch hier schossen ähnliche Heftreihen wie Pilze aus dem Boden. Dabei wurden nicht selten Romane der Weltliteratur plagiiert (z.B. Jules Verne und H.G. Wells)[8] Die dime novels wurden jedoch mit der Zeit von den pulp magazines abgelöst, wie z.B. das Magasin d`Éducation et de Récréation des französischen Verlegers Hetzel. ,,Pulps waren short–story–Magazine, in denen die verschiedendsten Genres von der Liebesgeschichte bis zur wissenschaftlich–phantastischen Erzählung bedient wurden.“ Sie ,,erschienen periodisch und druckten umfangreichere Werke in der von Zeitungen gewohnten Form des Fortsetzungsromans ab“ (Wuckel, S. 98). Genau das trifft auf die Épouse du Soleil zu, denn bei Je Sais Tout handelte es sich um ein solches Periodikum. Bei dieser Art von Unterhaltungsliteratur hatten der große Jules Verne, aber auch A. Conan Doyle, Vorbildcharakter, da beide sehr häufig für solche Magazine arbeiteten (nach Wuckel, S. 98–99).
Rudolf Schenda (S. 473–494) fasst einleuchtend zusammen, was die Leser der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt suchten:
1. ,,Der Leser verlangt primär b i l l i g e L e s e s t o f f e“, um für möglichst wenig Geld möglichst viel Information zu erhalten.
2. ,,Der Leser sucht primär B e k a n n t e s, erst sekundär Neues. Er will zunächst seine Welt wiedererkennen und bestätigt sehen, dann erst seinen Horizont erweitern. Er fordert vom (…) exotischen Abenteuerroman, dass er ihm nur geläufige Situationen schildere (…)“, ,,(…) er fordert Klischees – erkennbare Zeichen – statt neuer Wortkombinationen (…).“ Er will einen ,,Spiegel, in welchem er sich selbst entdeckt“, er sucht ,,möglichst hohe Rekognitionschancen und Identifikationsmöglichkeit“.
3. Der Leser sucht nicht vor allem Unterhaltung, sondern ,,primär I n f o r m a – t i o n“ über spezielle, ihn beschäftigende Themen, über mögliche soziale Konflikte“, z.B. extreme Situationen des Menschen wie Elend, Krankheit, Tod, aber auch Liebe und Hass, ferner über ,,metaphysische Bereiche“, etwa Kontakt mit dem Wunder, dem Numinosen, dem Teuflischen und Heiligen.
4. ,,Der Leser fordert V a r i e t ä t, Abwechslung und deutliche Unterteilung der Lesestoffe. Seine begrenzte Konzentrationsfähigkeit lässt ihn immer wieder zu Druckwerken greifen, die (…) zerstückelt sind: in viele kleine Kapitel, (...) in viele kleine Absätze, der Syntax nach in Kurzsätze.“ ,,Auch der Roman muss in viele Einzelhandlungen zerlegt sein; der Feuilleton–Roman findet darüber hinaus mehr Abnehmer als der Buchroman.“ ,,Der Leser fordert neben der Varietät die D o s i e r b a r k e i t der Lesestoffe.“
5. Der Leser möchte ,,Konzentration, Direktheit und Konkretheit“, eine ,,Ö k o – n o m i e d e r A u s s a g e n, die seinem Zeit– und Geldmangel entgegenkommt.“ Er will ,,konkrete Aktion“ anstelle weitschweifigen Geredes, Er will ,,Ereignisse, nicht Ideen“ (C.S. Lewis), die rasch aufeinanderfolgen sollen.
6. Der schließlich fortgeschrittene Leser fordert eine ,,F l u c h t h i l – f e aus den Grenzen der erfahrenen Realität“, er will verdrängen, eine Scheinwelt aufbauen, sich aus dem sozialen Geflecht von ,,Normen, aus Bindung und Verantwortung“ lösen. ,,Der Leser flieht vor der Gegenwart und fordert eine idealisierte Darstellung des Vergangenen.“ Und damit ,,verbündet sich die Flucht in das Fremde und Geheimnisvolle. Jules Verne (…) kommt ohne diese Flucht um die fremde Welt oder in die geheime Welt nicht aus. James Fenimore Cooper (…), Friedrich Gerstäcker (…), Gustave Aimard (…), Karl May (…), Emilio Salgari (…) und Emil Robert Kraft (…) sind mit ihren Abenteuerromanen die internationalen Bestseller der zweiten Jahrhunderthälfte.“ ,,Robinsone, Seefahrer und Trapper genießen höchstes Ansehen“, ,,fremder Matrosen Leid“ ist ,,leichter ertragbar als das eigene“, aber der Leser fordert auch die Welt des Irrealen, des Mysteriösen, woher sich die Freude am Geheimnisvollen erklärt.
7. Dem Leser liegt aber nicht nur an ,,fiktivem K o n t a k t“, sondern auch an der ,,K o n s o l a t i o n“, an ,,Trostsentenzen“, die aufgrund ihrer Erbaulichkeit den Leser in seiner persönlichen Lage stützen.
8. Die letzte Forderung ist die ,,Ü b e r h ö h u n g d e r W i r k l i c h k e i t.“ Der ,,Denkmalcharakter“ der Helden vieler populärer Lesestoffe, sei es in der Biographie oder im Abenteuerroman, soll die Frustration der eigenen Lebenswirklichkeit wegpolieren.
Die meisten dieser Punkte[9] treffen auf die Épouse – weniger auf Die Spinnen – zu, deren Helden allerdings – außer vielleicht dem tragischen Protagonisten Huascar und ganz im Gegensatz zu den Hauptprotagonisten von Die Spinnen – diese Bezeichnung kaum verdienen.
Die Gliederung der Épouse in der Zeitschriftenfassung (Je Sais Tout 1912, Hefte 86–91) sieht folgendermaßen aus:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Jedes Buch enthält Illustrationen von Orazi und ist durch zahlreiche Zwischentitel gegliedert.
Buch 1: L`arrivée d` un prétendant (S. 150); Ou l`indien Huascar entre en scène (S. 153); La coquetterie des liméennens (S. 155); L`approche de la fête du soleil (S. 159); Trois jeunes filles murées vivantes (S. 163); Qui a offert le bracelet? (S. 165); Une partie de boules avec les crânes (S. 166); Des fantômes sur le balcon (S. 169).
Buch 2: L`ombre du conquérant (S. 283); Un colloque dans la nuit noire (S. 287); Huascar se montre cruelle hantise? (S. 289) Un cadeau d`Atahualpa (S. 292); Laissez passer la vierge du soleil! (S. 300).
Buch 3: Ou l` on retrouve le bon Natividad (S. 471); Sur la piste des punchos rouges (S. 475); On l`assassine! On l`assassine! (S. 477); La ,,señorita“ aux mains des ,,mammaconas“ (S. 481); L`enlèvement du petit Christobal (S. 483); Le scepticisme de François–Gaspard (S. 489).
Buch 4: Je viens trouver le maître du Pérou (S. 591); Rendez–moi mes enfants! (S. 595); La toute – puissance d`Oviedo Runtu (S. 597); Le serment de Huascar. Un pacte solennel (S. 599); Ou l` on retrouve l`oncle Gaspard (S. 603); Dans la maison du serpent (S. 606); L`épouse du soleil revêt la robe nuptiale (S. 609); Le mort va venir. Écoutez! (S. 61).
Buch 5: Sa croupe se recourbe en replis tortueux (S. 733); Les précautions du fou Orellana (S. 736); Le cortège de l`Interraymi (S. 739); Un cri qui vient du ciel (S. 741); Dans le dédale des couloirs de la nuit (S. 743); Regardez, c`est ici le temple de la mort! (S. 747); Le dieu assis dans sa lumière (S. 749); Le serment des enfants du soleil (S. 753); La coya millénaire sur son bûcher (S. 755).
Buch 6: Marie–Thérèse murée vivante (S. 60); La prison de granit s`ouvrira – t –elle? (S. 61); Toutes les tombes se ressemblent (S. 63); Le désespoir de Raymond (S. 63); DERNIER CHAPITRE: dans lequel est prouvé que les amoureux ne doivent jamais désespérer de la Providence. (S 63); Bienheureuse apparition (S. 64); Le grand–prêtre a tenu parole (S. 67); Un serment qui ne compte plus (S. 68); Imaginons que nous avons rêvé! (S. 69); Tragique réalité (S. 70); Épilogue (S. 70).
Auf diese Weise erweist sich die Gliederung der Épouse als ausgesprochen leserfreundlich, da in Form einer groben Inhaltsangabe immer nur kleine Stückchen serviert und Lektürepausen erleichtert werden. Ein Buch von im Mittel fünfundzwanzig Seiten besteht aus fünf bis elf überschaubaren ,,Häppchen“, deren Überschriften den Stoff in noch kleinere Abschnitte gliedern, die vor allem gegen Ende spannungsfördernde oder gar entlastende Hinweise auf den Fortgang der Handlung geben. Die Bestrafung der Bösen (Ermordung Huascars – die Ambivalenz dieses Protagonisten ist zu beachten – versus kleinbürgerliches Ende des ,,Inka–Königs“) und das Wiederzusammenfinden der Guten, der Liebenden, beschließen die dramatische Handlung, wobei der Leser sicherlich Mitleid mit Huascars Schicksal empfinden wird. Im Konflikt zwischen Dankbarkeit bzw. Zuneigung zu seiner Herrin und Inka–Treueschwur hatte er sich scheinbar erst in letzter Minute für Ersteres entschieden.
Mit seiner Épouse du Soleil verfasste der im Titel dieser Untersuchung genannte Gaston Leroux einen solchen Fortsetzungsroman[10], um Wuckels Formulierung zu benutzen, wie man schon an den Zwischenüberschriften der Kapitel (in der Zeitschriftenfassung!) erkennen kann, die in der (gekürzten) Buchfassung fehlen. Die meisten der Forderungen Rudolf Schendas erfüllt Leroux daher geradezu mustergültig. Ähnliches – wenn auch in deutlich geringerem Maße – gilt für den einzigen ,,Roman“ Fritz Langs, der ohnehin eher einem schlichten (schlechten?) Drehbuch ähnelt und dem das typisch Literarische sowie der Reichtum an Details und Beschreibungen fast völlig fehlen.
Allen drei Werken (Epouse du Soleil, Die Spinnen inkl. Mysteria) ist gemeinsam, dass sie auch als Buch erschienen. Die Épouse wurde zuerst in der Zeitschrift Je Sais Tout 1912 abgedruckt, später dann in mehreren Auflagen gesondert publiziert[11], Fritz Langs Die Spinnen erschien fast gleichzeitig mit dem Film in der Werbezeitschrift Filmkurier von 1919, erst Jahrzehnte später als Buch. Bei Le Rouges Mysteria handelt es sich allerdings um einen ebenso merkwürdigen wie bemerkenswerten Sonderfall, wie noch zu zeigen sein wird (S. 74ff).
Volker Klotz (Abenteuer–Romane. Sue–Dumas–Ferry–Retcliffe–May–Verne, München 1979) fügt den bisher erwähnten Kriterien für Abenteuerromane weitere grundsätzliche Aspekte hinzu. Abenteuerromane seien spannend ,,auf ganz bestimmte, geschichtlich begründete Weise“. Diese Spannung beruhe auf ,,begründete(n) Erfahrungen im Leser“: auf ,,Verwirrungen, Schrecknisse(n) und Sehnsüchte(n), gefördert durch die fortentwickelte bürgerliche Gesellschaft im 19. Jahrhundert“ (S. 211). ,,Via Fantasie entschädigt sie (d.i. die Lektüre) den Zeitgenossen für die unansehnlichen und uneinsehbaren Verkehrsformen von Kapital und Industrie, die sein Alltagsleben prägen. Gleich doppelt begegnen die neuen Romane diesen Verstörungen, indem sie Veranschaulichung als einen Prozeß auf zwei Ebenen betreiben. Als Erzählprozeß des Autors und als Handlungsprozeß des Helden“ (ebenda, S. 212). Der Held hat ,,Widersacher“ zu fassen, sie ,,unschädlich zu machen“, ,,Verborgenes ans Tageslicht zu bringen“ und ,,gewaltsam Zerstückeltes ebenso gewaltsam wieder zusammenzufügen“ (ebenda, S. 212). Dabei geht immer der ,,Handlungsanstoß von der bösen Partei aus, die den Status Quo verletzt, woraufhin die gute Partei, reagierend, die Verletzungen wieder heilt“ (S. 213). Dadurch bringt der Böse das ,,abenteuerliche Geschehen“ erst in Gang und ermöglicht, dass ,,etwas Gutes dabei herauskommt“ (ebenda, S. 213). Wichtig ist dabei, dass der Held ,,die Schurken (…) leibhaftig ergreift und beseitigt. Nichts darf von ihnen übrig bleiben.“[12] Die große Schlagkraft und Massenwirkung des Abenteuerromans liege nach Klotz darin, dass ,,er einzig Lebensgefahr gelten läßt; indem er gegenüber dem körperlichen Wagnis psychische, moralische oder religiöse Wagnisse vernachlässigt, wo nicht gar völlig ausblendet“ (ebenda, S. 217).
Unverzichtbar seien in diesen Romanen ein ,,charismatischer Held, der anschaulich und erfolgreich handelt in einer anschaulichen Welt; Polarität zwischen ordentlicher Heimat und außerordentlicher Fremde; Zweiteilung in eine hinterlistig böse Partei, die den ersten Schlag unternimmt, und eine offen zurückschlagende gute Partei, die letzlich obsiegt; Elementarsituationen, worin allgeläufige Extremerfahrungen sich dem Zeitgenossen aktualisieren und ihn jäh ins abenteuerliche Geschehen hineinreißen“ (S. 225). Da sich der Abenteuerroman ,,ganz offensichtlich ans Inventar der Tragödie“ hält, seien ferner charakteristisch der ,,Vorrang heftig bewegter Aktionen“, die ,,Extremlage der betroffenen Hauptpersonen“, die ,,tragische Fallhöhe“, ,,Anagnorisis=Wiedererkennungsszene(n)“ sowie ,,Peripetie = plötzlicher Wechsel von Glück zu Unglück oder umgekehrt“ (S. 226), damit die Spannung im Roman erhalten bleibt oder gar noch gesteigert werden kann.
Auch diese von Klotz herausgestellten Charakteristika des Abenteuerromans finden sich, mehr oder weniger deutlich ausgeprägt, in den zu behandelnden Werken. Es gibt jedoch auch bemerkenswerte Unterschiede.
II. Gaston Leroux und die Quellen
Gaston–Louis–Alfred Leroux (6. Mai 1868 – 15. April 1927), ,,avocat, chroniqueur judiciaire, grand reporter”[13], veröffentlichte seit seinem 1891 erfolgten Eintritt in die Redaktion des Écho de Paris zahlreiche Artikel, die heute wohl zum Teil als investigativer bzw. Sensationsjournalismus bezeichnet werden würden. Er schrieb ebenso für den Matin, u.a. saftige Gerichtsreportagen, befragte 1904 den Forschungsreisenden Nordenskjöld anlässlich einer Polarexpedition, reiste 1906 nach Russland, um aus St. Petersburg zu berichten, verfasste ab etwa 1907 aber auch zahlreiche Romane, die meist im Feuilleton der Zeitungen erschienen, für die er arbeitete.[14] Dabei handelt es sich vorwiegend um Detektivromane in der Art von E.A. Poe und A.C. Doyle, seinen Vorbildern, aber auch um den Schauerroman Das Phantom der Oper, für den Leroux noch heute – schon aufgrund der darauf basierenden modernen Oper gleichen Titels – weltbekannt ist.
1912 erschien L`Épouse du Soleil, ein etwa um die gleiche Zeit in Peru spielender exotisch–historischer Reise– und Abenteuerroman, dessen ausführliche Inhaltsangabe in einem Aufsatz[15] des Verfassers zu finden ist. Um die damalige Zeit war Frankreich neben England die führende europäische Kolonialmacht und somit dürften kolonialpolitische Themen verschiedenster Art bei Lesern aller Bildungsschichten auf großes Interesse gestoßen sein. In dem Roman spielen u.a. der weltfremde, berühmte französische Ethnologe Ozoux (in der gekürzten Ausgabe von 1929 Ozout), dessen Neffe Raymond (ein Bergwerksingenieur, der alte Goldminen reaktivieren soll), seine peruanischen Helfer, seine Braut Marie–Thérèse – eine schöne und sehr geschäftstüchtige Hispanofrankoperuanerin, Tochter des reichen Marquis, Antiquitätensammlers und Hobby–Ausgräbers Christobal (sic) de la Torre aus Lima und einer Französin – sowie ein mysteriöser Peruaner, der für die belgisch–französische Bank von Lima arbeitet[16] und sich im Verlaufe der Handlung als Nachfahre der Inkas, ja sogar als aktueller ,,Inka–König“ (,,Inka“ war in Wirklichkeit der Herrschertitel) entpuppt, wichtige Rollen. Es geht um ein geheimnisvolles, antikes Inka–Armband, vor allem aber um die Entführung und Befreiung der Frankoperuanerin, die, wie andere ,,Sonnenjungfrauen/ vierges du soleil“ vor ihr, anlässlich eines alle zehn Jahre stattfindenden kultischen Interaymi–Festes mit zwei anderen Frauen in einem unterirdischen Tempel auf einer Insel im Titicacasee durch lebendiges Einmauern bzw. Verbrennen dem Sonnengott geopfert werden soll. Es dürfte sich hierbei um die Isla del Sol handeln; solche Tempel existieren allerdings nur in der Fiktion Leroux`. Hinter diesen Menschenopfern und anderen – früher begangenen – Verbrechen steht die grausame Organisation des geheimnisvollen Mannes (und ,,Inka–Königs“ Huayna Capac Runto), der sich im Namen seiner Vorfahren für das erlittene historische Unrecht der Kolonialisierung rächen will und, wie der letzte Inka Hauka(ropora) in Karl Mays Roman Das Vermächtnis des Inka, von einer Renaissance des Reiches träumt.
Siepe (S. 270) weist darauf hin, dass Anfang und Ende des Romans sich im Sinne einer Kreisstruktur entsprechen: beide Male (bei der Anreise nach Peru und bei der Rückkehr vom Titicaca–See) kommt Raymond Ozoux in Callao an und macht sich auf den Weg zu Marie–Thérèses Büro. Die Handlung dazwischen soll eine Art böser Traum gewesen sein, der sich erst durch die Ermordung Huascars in Luft auflöst und als grausame Realität zeigt.[17] Als weiterer Kreis, neben den bereits anfangs aufgezeigten gegensätzlichen bzw. parallelen Strukturmustern des Romans, erweist sich die Tatsache, dass die Helden ein Abenteuer erleiden, ohne selbst Helden zu sein, die sich verändern. Die Wirklichkeit am Ende des Romans besteht gerade darin, dass sich nichts geändert hat. Eine echte Quête mit Läuterung, wie in den mittelalterlichen Epen, findet also nicht statt.
Welche Aspekte des Romans sind, abgesehen von der abenteuerlich–exotischen Kriminalhandlung (klischeetypisch: die Liebenden werden früh getrennt und finden erst ganz zum Schluss wieder zusammen) von besonderem Interesse?
Da wäre zum einen die Schilderung des historisch–wirtschaftlichen Hintergrundes Perus, die großen politischen Spannungen unter der Bevölkerung des Landes, zum anderen die legendär – mythologische religiöse Komponente, das ständige Spiel des Autors mit nicht mehr zugänglichen, versteckten oder verschütteten bzw. zerstörten Inka–Anlagen[18], die berühmten Bautechniken der Inkas[19], etwa erdbebensichere Festungs– und noch immer funktionierende Kanal– und Bewässerungssysteme[20], Terrassenanlagen für den Ackerbau, die sagenhaften (bis heute nicht gefundenen) restlichen Schätze, die im 16. Jahrhundert vor den siegreichen Spaniern in Sicherheit gebracht worden sein sollen und nach denen seit Jahrhunderten Legionen von Archäologen, Grabräubern, Abenteurern und Historikern suchen, die legendenumwobenen historischen Stätten[21], mit denen sich in der Phantasie der Leser seit Generationen Fluch der Niederlage, Verrat, Untergang aber auch der Glanz des Inkagoldes zu einer unauflösbaren Einheit verbunden haben. An diese Spannung und Nervenkitzel vermittelnden exotisch–historischen Plätze führt Leroux die Leser und seine Protagonisten auf ihrer Jagd durch alle Regionen Perus: eine entführte junge und bildschöne Frau mit ihrem kleinen Bruder, die Verfolger, den Vater Marie–Thérèses und deren Bräutigam inklusive Professor und Polizeiinspektor; letztlich aber auch den Indio Huascar, der sich zwischen Inka–Treueschwur und Treueversprechen zu seiner Herrin entscheiden muss und erst in allerletzter Minute rettend eingreift, was ihn wenig später das Leben kosten wird.
Ein deutliches Element der Entspannung, ja der gelegentlichen Komik, verkörpert der freundlich–naive, manchmal bauernschlaue, fast zur Gelehrtenkarikatur geratende Professor Ozoux, dessen anscheinend harmlose, ungewollt provozierende Fragen, Bemerkungen, Diskussionsbeiträge und dessen Profilierungssucht mittels Vorträgen und Konferenzen in Peru und Europa – er verfasst Tagebucheinträge selbst in den unmöglichsten Lebenslagen (etwa auf dem Rücken eines Mulis entlang an gähnenden Abgründen) – von dem inspector superior, und erst recht vom Autor, mit zum Teil beißendem Spott bedacht werden. Besonders zynisch – und im völligen Kontrast zur Dramatik bzw. Tragik der Szene stehend – gerät die Schilderung des kindlich–furchtsamen Professors nach dem Fund der ersten Spuren in der hacienda, wo des Marquis` Diener Libertad, im Sterben liegend – ähnlich in der Opernarie, wenn mit dem Tode ringende Held(inn)en ihr kompliziertes Seelenleben offenlegen – die Hintergründe und den bisherigen Verlauf der Entführung aufdeckt. In diesem Zusammenhang wird auch die unterbrochene Karriere des inspector superior von Callao beleuchtet, der schon vor über zehn Jahren den Spuren solcher religiös motivierter Entführungen folgte und von seinem damaligen Vorgesetzten in Lima, heute Präsident des Landes, zurückgepfiffen wurde. Der inspector superior kann es nicht lassen, seinem ,,éminent interlocuteur“ , dem ,,illustre Ozoux“ zu zeigen, an dessen ,,santé intellectuelle“ er zu zweifeln beginnt, wozu er fähig war, um diese Vorfälle zu klären: er lernte einst gründlich Quechua, Aymara, er parliert aber gleichzeitig im ,,plus pur français“ (S. 483–484). Der mutige, polyglotte Mann offenbart sich dem beeindruckten Leser daher als linguistisches Schwergewicht.
Den ganzen Roman durchzieht, nach Siepe, der Konflikt zwischen Geheimnis und Auflösung, Gut und Böse, wild und zivilisiert, zwischen dem festen Glauben an die noch immer im Verborgenen lebendigen Traditionen (verkörpert insbesondere von den beiden alten Frauen im Hause des Marquis, die sofort wissen, was sich hinter der Zusendung des goldenen Sonnenarmbandes an Marie–Thérèse verbirgt, die die Verbindung mit früheren Todesfällen ähnlicher Art kennen), und der aufgeklärten Skepsis Marie–Thérèses wie auch des Marquis` selbst, der als wissenschaftlich interessiertes Mitglied der Société de Géographie et d`Archéologie Perus, solche uralten Ammenmärchen vehement ablehnt, bis er eines Besseren belehrt wird. Der naive Professor Ozoux wird erst ganz zum Schluss begreifen, in welch realer Gefahr er geschwebt hatte.
Siepe kann daher feststellen: ,,Die Legenden um die weitere Existenz des archaischen Inka–Kults kontrastieren mit der aufgeklärten, von wissenschaftlicher Tätigkeit bestimmten Vernunft des Ingenieurs, des Onkels vom Institut de France und Marie–Thérèse`s (sic) Vater Christobal (sic) de la Torre als Mitglied der Société de Géographie“ (Siepe, S. 266), genauer ,,de Géographie et d`Archéologie“ (Leroux, S. 167).[22],,Abenteuer und Geheimnis“ definieren laut Siepe (S. 297) die Handlung der Épouse du Soleil.
Nach Siepe (S. 13) finden sich ,,mythische Themen und Archetypen (…) vor allem in der Populärliteratur, deren Struktur insgesamt eine mythologische Struktur darstellt“:
,,Tout roman populaire présente la lutte exemplaire entre le Bien et le Mal, le héros et le scélérat (incarnation moderne du démon), et retrouve ses grands thèmes folkloriques de la jeune fille persécutée, de l`amour sauveur, de la protectrice inconnue etc. Dans le roman policier lui–même (…) les thèmes mythologiques abondent”.[23] Dies trifft, mutatis mutandis, auf die Épouse zu, wenn man aus der Beschützerin einen (bis zum Schluss unerkannt bleibenden heimlichen) Beschützer, Huascar, macht.
Nach Eliade (zitiert bei Siepe, S. 15) haben ,,moderne und archaische Mythen (…) die gleiche Daseinberechtigung, beruhen jedoch auf einem anderen Erfahrungshorizont“. Archaische Mythen evozierten oft kosmische Phänomene oder natürliche Ereignisse ,,et dictent une conduite magique, qui tient lieu de technique; die modernen ,,sont liés à des crises d`ordre social ou politique“ und sie würden nicht unter denselben Bedingungen erlebt.“ Die einen wirkten ,,au sein de collectivités monolithiques“, die anderen seien ,,labiles parce qu`ils se développent dans des sociétés diversifiées et en évolution accélérée (...)“ (ebenda, S. 15). Die Strukturen an sich seien in beiden jedoch identisch.[24] In der Épouse kollidieren nun die oben erwähnten archaischen (Inka–)Mythen unter Zuhilfenahme der Darstellung magisch–religiöser Erfahrungen und Praktiken mit der harten Realität der Moderne, dem modernen Peru um 1910, das durch die an der Macht befindliche Kolonisatorenschicht ausgebeutet, seiner Spiritualität beraubt und dessen zu Dreivierteln indianische Bevölkerung wirtschaftlich und rechtlich unterdrückt wird.
In seinem spannenden, materialreichen Werk L`aventure mystérieuse analysiert Lauric Guillaud, nachdem er unter Verweis auf E. A. Poe und Jules Verne die Behauptung Lacassins zitiert, Gustave Le Rouge, Maurice Leblanc und Gaston Leroux seien die wohl besten französischen Autoren dieser Literatursparte, eine Vielzahl von Abenteuer–Romanen (leider fast ausschließlich englischer Provenienz) und gliedert sein Buch in folgende Abschnitte:
,,L`aventure mystérieuse : origines et développement“ unter Verweis auf Poe und seine ,,théorie des Symmes“. Untertitel: ,,A la recherche de la terre creuse“. Es folgen die Analysen entsprechender Werke zum Thema ,,hohle Erde oder hohle Welt“.
Der zweite Abschnitt ist betitelt ,,Les continents fantômes de Haggard et Borroughs“, speziell analysiert werden die Afrikaromane von Burroughs. Ein Unterabschnitt lautet ,,Les terres mythiques de l`ouest“ (S. 106–112), darin La Vierge du Soleil, La Fille de Montézume, Coeur du Monde, Le Jour ou la Terre Trembla. The Virgin of the Sun (1922) von Rider Haggard ist nicht zu verwechseln mit L`Épouse du Soleil von Leroux (1912), obwohl beide im Peru der Inkas spielen.
Der nächste Abschnitt widmet sich ausführlich dem Tarzan–Mythos, der folgende Themen untersucht ,,Contemporains et épigones“, u.a. ,,L`archéologie fantastique“ und es schließen sich an ,,Les détectives de l`étrange Policier et fantastique, Les détectives de l`occulte, Fantastique et croyance“.
Im Gegensatz zu Wucker, der die westliche Trivialliteratur meist aus sozialistisch gefärbtem Blickwinkel betrachtet, nimmt Guillaud diese Literatursorte jedoch ernst und verzichtet auf ideologische Scharmützel.
Das Wesen der Fiktion sei das pure Abenteuer, ,,cet empire énigmatique des possibles“ heißt es zu Beginn bei Guillaud (S. 11) unter Verweis auf Jankélévitch. Laut Lacassin wird der roman d`aventures jedoch schließlich immer mehr zum roman policier (zitiert bei Guillaud, S. 12), was er im Abschnitt ,,Les Détectives de l`étrange“ untersucht.[25] Wer die ideologiefernen, auf stupender Belesenheit basierenden Ausführungen Guillauds zur Kenntnis nimmt, kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass Leroux` Épouse du Soleil eine spannende Mischung der verschiedensten vom Autor als konstitutiv für die aventure mystérieuse bezeichneten Elementen repräsentiert, gleichzeitig aber auch eine deutliche Abweichung von diesem Typ darstellt, weil das Werk im Peru der Gegenwart (um 1910) spielt, das fantastische Element fast völlig fehlt und weil es sich im Grunde nur um einen Entführungsfall vor exotischer Kulisse mit ausgeprägt historisch–politisch–religiösem Hintergrund handelt, der ähnlich in einem Roman vom Typ Les Mystères de Paris hätte geschildert werden können.[26] In der Épouse gestaltet sich die wohlrecherchierte Suche des verzweifelten Protagonisten und seiner Helfershelfer von der Küste ins Innere Perus als meist spannende, stellenweise witzig und amüsant zu lesende Suche nach der Tochter des Marquis, die aufgrund des Wiedererwachens der alten Inka–Religion im Dienste einer revolutionären, rückwärts gewandten Neugestaltung des Landes, in die Fänge eines politisch–religiösen Führers gerät, der sich und sein Volk an der ehemaligen Kolonisatorenschicht rächen will. Das große Abenteuer wird mit wissenschaftlichen Informationen in Form von allerlei Fußnoten authentifiziert und damit abgesichert. Wie einst Pizarro und seine wenigen Mannen dringt die Verfolgergruppe von der Küste ausgehend in das Land ein und gelangt in einer weiten Schleife (siehe die Karte S. 1) über Cajamarca nach Cuzco und an den Titicaca–See, von wo der Protagonist Raymond Ozoux zutiefst enttäuscht, völlig verzweifelt und nur knapp dem Tode entronnen, allein nach Lima/Callao zurückkehrt, um dort seinem nun sinnlosen Leben ein Ende zu setzen. Es handelt sich also gewissermaßen um eine Neuentdeckung Amerikas, ,,bei der die Weißen den Conquistadoren gleichen und (…) sich dabei auch für historische Helden halten.“[27]
So spielt gleich zu Beginn ein Teil des zweiten Kapitels auf unheimlichen, von Grabungslöchern übersäten und schon halb im Dunkel der Nacht liegenden Feldern bei Ancón[28], wo Grabräuber (sogenannte huaqueros) mit gefundenen Schädeln kegeln und gerade drei außergewöhnlich gruselig aussehende Köpfe von Inka–Mumien (aus ,,kosmetischen“ Gründen künstlich deformiert – was auch bei den Inkas häufig vorkam) gefunden wurden (S. 168–169).[29] Diese Mumienschädel von den Feldern, ,,où pendant le jour, les pioches sacrilèges avaient violé les demeures millénaires des morts“ (S. 170), erscheinen wie von Geisterhand wenig später mit leuchtenden Augen auf dem Balkon der Villa des Marquis und erschrecken Marie–Thérèse beinahe zu Tode. (S. 170: ,, Les trois crânes vivants!“ , ,,(…) avec des yeux épouvantables“ (…), ,,appuyés à la vitre de mon balcon“).
Leroux spielt in seinem historisch–archäologischen Abenteuerroman mit den üblichen Qualitäten der Helden, die sich hier allerdings keineswegs als solche entpuppen, weil sie zum Teil komische Züge tragen, zum Teil unfähig sind, denen es daher an der typischen Überlegenheit in moralischer, intellektueller und physischer Hinsicht mangelt. Dass die Entführung wider alles Erwarten ein glückliches Ende findet, verdankt sich letztlich allein dem Verrat (aus Zuneigung und Treue zu seiner Herrin) eines Indio an seinen eigenen politischen Idealen. In Cajamarca, Jahrhunderte zuvor, hatte Pizarro die Indios aus Gold– und Machtgier verraten.
Parallel zu der turbulenten Abenteuerhandlung in weiten Teilen Perus zu Wasser, zu Lande, in unterirdischen Verliesen, Gängen und Tempeln, läuft eine politisch–militärische Auseinandersetzung zwischen dem indiofreundlichen General García, den man den ,,Guten Diktator“ nennt, und dem gewählten Präsidenten des Landes, Veintemilla, durch die das aktuelle parlamentarische System per Staatsstreich beseitigt werden soll. García hilft (scheinbar) den Franzosen, jedoch Huascar, einer der Indio–Anführer, verspricht dem Marquis, entgegen seinem politisch motivierten Treueschwur, sich an der Rettung Marie–Thérèses und ihres kleinen Bruders zu beteiligen. Die beiden Franzosen, die de la Torres und der um seine Karriere fürchtende inspector superior aus Callao werden in diese brisanten politisch–religiösen Konflikte und Kalküle mit hineingezogen und müssen um ihr Leben bangen.
Die mit Rachegedanken und Entschädigung für jahrhundertealtes und neues Unrecht begründete – auch politische – Renaissance der indianischen ,,Rasse“ und Kultur u.a. mittels grausamer Traditionen gehört zu den erklärten Zielen des Peruaners, der sich teils Oviedo, teils Huayna (auch Huagna(c) geschrieben) Capac Runtu nennt.[30] Sein Ziel ist letztlich eine Art Wiederherstellung des Tahuantinsuyu, denn auch aus Bolivien, wo ein kleiner Teil der Handlung spielt, naht militärische Unterstützung, stammen einige der ,,mammaconas“ (sic) und die ,,rabonas“ (d.h. die ,,Schwanzlosen“), Frauen, die die indianischen Soldaten unterstützten.[31]. Nach dem endgültigen Sieg Veintemillas flieht der aufständische General García daher auch zuerst nach Bolivien, von dort aber weiter nach Paraguay, um in die soeben ausgebrochene Revolution einzugreifen.[32]
Auf dem ersten Höhepunkt der Handlung warten die Indios in Cajamarca (vgl. Walle, S. 87), wo am 16. November 1632 Francisco Pizarro den Inkaherrscher Atahuallpa gefangen genommen und am 29. August 1633 ermordet hatte, auf das alle zehn Jahre stattfindende Sonnenfest ,,Interaymi“ und den Beginn des Aufstands.[33],,Die ganze Region ist von einem kultischen Taumel erfasst: das Inkareich scheint wieder zu erstehen bzw. nie aufgehört zu haben“ (Siepe, S. 267). Doch schließlich werden alle gerettet, der Franzose wird seine Peruanerin (streng genommen eine ,,Frankohispanoperuanerin“) heiraten, Huascar, der indianische Diener aus dem Hause des Marquis, wird erstochen (oder begeht Selbstmord?), weil er seinen Schwur gebrochen und den Franzosen geholfen hatte. Für Siepe ist er zu Recht der eigentliche (tragische) Held des Romans. Der Leser erfährt ferner, dass die Truppen des aufständischen Generals von den Regierungstruppen geschlagen und die gestörte politische Ordnung für alle Zeiten wiederhergestellt worden ist (nach Siepe, S. 268).
Dann geht Siepe auf die interessante Figurenkonstellation ein, die sich in einem Gegeneinander von monde civilisé (staatliche Ordnung und Polizei/ die Weißen als Kolonisatoren/ Wissenschaft/ das Neue) und monde sauvage (Revoltierende/ die Indios/ der heidnische Kult/ das Alte) zeigt und die die ,,mythische Opposition von Kultur und Natur“ spiegelt (ebenda). ,,Diese wird aber auch vermittelt durch jene beiden alten Damen der Kolonistenfamilie, die einerseits ganz die ursprünglichen Zivilisatoren repräsentieren (…) und andererseits die einzigen sind, die daran glauben, dass unter der Kruste der Zivilisation das ehemalige politische und religiöse Inkareich weiterlebt; durch Huascar, der einer der Führer der Indios ist, aber durch seine Jugend, seinen Beruf und seine persönliche Beziehung mit der Familie von Marie–Thérèse verbunden; und durch Oviedo Huagna Runtu (sic), der als Bankangestellter und aktueller Inka–König beiden Bereichen gleich zugeordnet ist“ (Siepe, S. 268; vgl. hier, S. 46).
Im Folgenden sollen fünf besonders charakteristische Szenen der Épouse du Soleil untersucht werden: zum einen die Auseinandersetzung zwischen Marie–Thérèse und Huascar zu Anfang des Romans sowie das Gespräch zwischen dem Marquis und Oviedo auf dem Weg nach Cuzco; ferner die dramatische Begebenheit vor dem Palast des Inka in Cuzco zwischen den de la Torres, dem Professor und seinem Neffen, als ein demagogischer Redner die Indios aufpeitscht, indem er die seit der Conquista vergiftete Atmosphäre ausnutzt und deren Gründe erläutert. Schließlich das Aufeinandertreffen zwischen dem aufständischen General García und dem Marie–Thérèse suchenden Personenkreis sowie, als Finale, die Höhlenszene am Titicaca–See, in der sich der ,,Inka–König“ vor dem vermeintlichen Triumph an seine Anhänger wendet.
In allen Begegnungen geht es im Grunde immer wieder – bzw. immer noch – um das gestörte Verhältnis zwischen Indios und (ehemaligen) Kolonisatoren, um die gespannten Beziehungen zwischen den Bevölkerungsgruppen allgemein (offener oder latenter Rassismus unter Indios, Mestizen, ,,Weißen“, Chinesen), um politische Macht, Reichtum, Ohnmacht und um die Ambitionen oder Träume, die mit dem aktuellen Aufbegehren der Indios unter der Leitung des ,,Inka–Königs“ verbunden sind. Darin spielen – aus Indiosicht – Pizarros hinterhältiges Verhalten, ja sein Verrat an Atahuallpa, sowie die missbrauchte Gastfreundschaft der Indios die entscheidende Rolle. Nur dadurch gelang es den Spaniern, unbehelligt nach Cajamarca vorzudringen und den Inka handstreichartig festzusetzen. Indioaufstände gegen die Kolonialmacht wiederholten sich seit dem 16. Jh. immer wieder. Dem blutigen Tupac–Amaru–Aufstand von 1780–1783 folgten nach Erlangung der Unabhängigkeit (1821) weitere zu Beginn des 19. Jahrhunderts und wurden jeweils niedergeschlagen.[34] Ernstzunehmende Aufstände zu Beginn des 20. Jahrhunderts, zur Zeit der Romanhandlung, sind nicht bekannt. Die politisch–religiös motivierte Revolution des Romans ist demnach fiktiv.
[...]
[1] Dieter Wuckel Science Fiction. Eine illustrierte Literaturgeschichte, Leipzig 1986. Mutatis mutandis dürfte dies auch für Frankreich gelten, wo um 1900 der Analphabetismus noch recht verbreitet war. Das Wörterbuch der Literaturwissenschaft, herausgegeben von Claus Träger, Leipzig 1986, schreibt unter dem Stichwort Abenteuerliteratur (S. 13–4), mit der Entwicklung der Unterhaltungsliteratur habe auch der Abenteuerroman ,,besondere Ausprägungen und strukturelle Veränderungen erfahren, woran eine ganze Skala von Phänomenen vom historischen Roman bis zum Western (vgl. F. Cooper, Ch. Sealsfield, F. Gerstäcker, K. May u.a.) beteiligt“ gewesen sei. ,,Vor allem hat im modernen Abenteuerroman eine durchgängige Fabel mit weitem Spannungsbogen, worin der Held eine Kette ausgewählter und aufeinander bezogener Einzelabenteuer, die urspr. allein durch die literar. Figur ausgelöste Folge austauschbarer Abenteuer abgelöst: Das Abenteuer überspielt die Gestalt als Träger bestimmter Ideen, Anschauungen usw., was zugleich die Tendenz einschloß, das Geschehen von den immanenten menschl.–gesellsch. Werten im eskapistischen Sinne abzuheben.“ Ein sozialistischer Autor würde hier mit einer ,,spezifischen Stoff– und Themenwahl, der Figurencharakteristik, der Darstellung der gesellschaftlichen Hintergründe und Kräfte usw.“ bei seinen Lesern neben der reinen Unterhaltungswirkung auch Kenntisse und Einsichten in historische, politisch–ideologische Zusammenhänge vermitteln (ebenda, S. 14), die in den hier zur Diskussion stehenden Werken von Lang und Leroux von untergeordneter Bedeutung sind. Allenfalls bei Leroux finden sich gesellschaftskritische Ansätze, die sich der Leser über die Darstellung bestimmter abstoßender Verhaltensweisen der Protagonisten erschliessen muss. In dieser von Träger formulierten Tradition stehen B. Travens überaus sozialkritische Mexiko–Abenteuer–Romane (verfasst 1925 ff). Zu Travens geheimnisvoller Biographie siehe jetzt vor allem Jan–Christoph Hauschilds quellengesättigtes Buch B. Traven–Die unbekannten Jahre, Zürich 2012. Das Pseudonym ist dank Hauschild wohl endgültig gelüftet: B. Traven/Ret Marut (u.a.) ist identisch mit Herrmann Albert Otto Max Feige aus Schwiebus: Maschinenschlosser, Gewerkschaftssekretär, Schauspieler, Dichter, Schriftsteller.
[2] München 1977 , S. 334 ff. Dazu auch ausführlich R. Jeglin im Karl–May–Handbuch, Hrsg. v. Gert Ueding, S. 11–56: Die literarische Tradition sowie R. Tschape (ebenda): Der literarische Markt im 19. Jahrhundert. Verlags–, Vertriebs– und Verbreitungsformen, S. 39–56.
[3] Versins, S. 82.
[4] Versins, S. 477 ff.
[5] Wuckel, S. 94–95; zu dieser Art von Literatur allgemein siehe Plaul, S. 193 ff, zum Abenteuerroman bis 1940 ebenda, S. 232–233.
[6] Ganz zu schweigen von der Fülle der Atlantis thematisierenden Romane. Der Roman The Lost World (wie Leroux` Épouse 1912 erschienen) von Sir Arthur Conan Doyle spielt im Inneren Südamerikas, wo, auf einem Hochplateau an der Grenze zwischen Venezuela und Brasilien, noch Dinosaurier leben, die von einer englischen Expedition aufgespürt werden. Geht es bei Leroux (häufig) in die Tiefen der Erde, geht es bei Conan Doyle in die Höhe. Verne spielt mit beiden Extremen: z.B. in Reise zum Mittelpunkt der Erde, Reise von der Erde zum Mond etc.
[7] vgl. hier, S. 71.
[8] Zu Verne und Poe ausführlich Wucker, S. 50 ff. Siehe ferner die im Literaturverzeichnis aufgeführte Sekundärliteratur, speziell Versins, Neuschäfer, Klotz und Guillaud.
[9] Unterstreichungen KLL. Zum Trivialroman in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und darüber hinaus siehe auch Gert Ueding, Karl–May–Handbuch, S. 11–38: Räuberroman (S. 24–5), Geheimbundliteratur (S. 25–6), exotisch–ethnographischer Abenteuerroman (S. 27 ff), eurozentrischer Abenteuerroman, Geheimnis– und Kriminalliteratur (S. 35ff). Weitere gängige Topoi der Trivialliteratur der Zeit sind z.B. die Suche nach verschollenen Angehörigen, inbesondere entführte/wiedergefundene Jungfrauen bzw. entführte/wiedergefundene Kinder, ferner rassistische Ausfälle gegen Juden, Schwarze, Chinesen usw.
[10] Genauer dazu Siepe im Kapitel ,,Der Feuilletonroman als Modell“, S. 49 ff.
[11] Siehe dazu hier, S. 18-19, Anmerkung 15.
[12] Klotz, S. 214; unter dem letzten Aspekt allein betrachtet ist die Épouse jedoch kein solcher Roman, da der ,,Oberschurke“ nur unschädlich gemacht und zu lebenslanger, totaler Bedeutungslosigkeit verdammt wird, für ihn die vielleicht schlimmste Strafe überhaupt.
[13] Queffélec , S. 55
[14] Zu Leroux siehe vor allem anderen die einschlägige Monographie von Hans T. Siepe.
[15] Karl–Ludwig Löhndorf, Hergés Comic (…), S. 196 ff. Eine weitere Inhaltsangabe bei Siepe, S. 264–68. Die dem Verfasser dieser Studie gehörende und seinerzeit verwendete stark gekürzte Ausgabe des Romans in zwei Heften mit 95 bzw. 93 Seiten erschien im Jahre 1929 in den Editions Jeanne Gaston – Leroux, Collection Gaston Leroux, dessins inédits de Madeleine Gaston–Leroux und stammte aus dem französischen Antiquariat. Die für diese Arbeit zitierte Originalausgabe, die auch Hans T. Siepe für Abenteuer und Geheimnis. Untersuchungen zu Strukturen und Mythen des Populärromans bei Gaston Leroux, Frankfurt 1988 vorlag, wurde zwischen März und August 1912 ,,in der monatlich publizierten, 1905 von Pierre Lafitte begründeten Zeitschrift JE SAIS TOUT“ abgedruckt (Siepe, S. 263), eine 1914 bei Lafitte, eine weitere 1978 in der Collection Marabout, Paris (ebenda, S. 302). Eine Ausgabe von 1912 und 1913 war im September 2010 über abebooks.fr erhältlich. Die möglicherweise letzte wurde in einer zwanzig Bände umfassenden Ausgabe der chefs–d`oeuvre de Gaston Leroux, Band 20, Paris o.J., bei Levallois – Perret: Cercle du Bibliophile publiziert (ebenda, S. 308). Dieser Band, textgleich mit der Ausgabe 1912, enthält einen Teil der Illustrationen der Ausgabe 1929. Demnach existierten vor 1920 mindestens vier Ausgaben des auf den Geschmack eines breiten Publikums zugeschnittenen Romans. Schon ein flüchtiger Vergleich zeigt allerdings, dass die Ausgaben von 1912 und 1929 in Text und Illustration keineswegs identisch sind, denn in der Originalausgabe der Épouse du Soleil aus Je Sais Tout, Paris 1912, finden sich erhebliche Textteile und wissenschaftliche Fußnoten, die in der Ausgabe 1929 fehlen. Auch der wichtige (wenn auch kurze) Epilog von 1912 fehlt, der den späteren Lebenslauf des ,,Inka–Königs“ und des verliebten Paares andeutet. Die erheblichen inhaltlichen Differenzen zwischen den Ausgaben 1912 und 1929, die sich im Wesentlichen auf fehlende historisch-politische Hintergründe, Details der Familiengeschichte de la Torres, Reiseschilderungen, Gesprächsteile und Beschreibungen verschiedenster Art konzentrieren, werden in dieser Studie nicht thematisiert. Zitate aus der Épouse entstammen der Zeitschriften–Originalausgabe 1912 mit Seitenzahlangabe. – Es gibt einen Roman von Otfrid von Hanstein, Die Sonnenjungfrau. Roman aus dem Kaiserreich Tahuantinsuyu, Stuttgart 1921 sowie einen weiteren von Bruno Tacconi, La vergine del sole, in deutscher Übersetzung Die Sonnenjungfrau bei Bastei Lübbe, 1983. Das Buch von Hansteins spielt am Ende des 14. Jahrhunderts unter dem Inka Yupanqui Pachacutec und schildert, wie in Teilen von Haggards Virgin of the Sun, Streitigkeiten und Liebeshändel unter zwei charakterlich und moralisch grundverschiedenen, um den Thron rivalisierenden Inkasöhnen. Das Werk ist der letzte Band der Trilogie Montezuma`s Daughter (1893) und Heart of the World (1894),die das Schicksal der indigenen Völker Amerikas zum Thema hat. – Das Thema der den Göttern geweihten Indianerin, die kein Mann berühren darf, findet sich auch hier: vgl. Cora/Alonso bei Marmontel (1777), Iracema/Martim in José de Alencars Roman Iracema (1865), Naëla/Kay Hoog bei Lang, in abgewandelter Weise auch Marie–Thérèse/R. Ozoux bei Leroux. Siehe dazu die in der Bibliographie zitierte Dissertation des Autors dieser Studie, S. 197 ff. – Auch in Rider Haggards Roman The Virgin oft he Sun finden sich Parallelen zur Geschichte der Cora in Marmontels Incas, denn die Incas waren ein in England zwischen 1777 und mindestens 1839 vielfach übersetztes, vielgelesenes Werk, und die darin geschilderte Liebesgeschichte von Cora/Alonso inkl. der Sonnenpriesterin – Thematik fand auf der englischen Bühne dank der Vermittlung durch die Kotzebuedramen bzw. deren Sheridanbearbeitungen ein überaus lebhaftes Echo. (Vgl. Karl–Ludwig Löhndorf , Marmontels Incas. Untersuchungen zu ihrer Stellung in der Literatur der Aufklärung, ihrer Aufnahme und Nachwirkung, Diss. Bonn 1980, S. 233–4 und 252 ff bzw. insbesondere zu Letzterem die Studien August von Kotzebues Dramen Die Sonnenjungfrau sowie die Spanier in Peru (…) in ihrem Verhältnis zu (…) Marmontels Romanepos Les Incas (…) sowie Richard Brinsley Sheridans Drama Pizarro (1799) und August von Kotzebues Die Spanier in Peru (…) in Karl–Ludwig Löhndorf, Marmontel als intermediale Quelle. Neues zur Rezeptionsgeschichte von Jean–François Marmontels ,,Bestsellerroman“ Les Incas (…), Frankfurt 2009, S. 103–123 und S. 125–145. – Bei Rider Haggard reist ein junger Engländer in Begleitung eines einst aus Peru verbannten, auf rätselhafte Weise nach Hastings gelangten schiffbrüchigen Sohns (Kari) des Inkaherrschers (Upanqui) im 14. Jahrhundert (nach dem Brand von Hastings 1377) per Schiff/Balsafloß und zu Fuß (wie die mexikanischen Helden bei Marmontel) über den Isthmus von Panama nach Peru, verliebt sich in die schöne Quilla (halb Inka, halb Chanca), die dem Halbbruder Karis (namens Urco) versprochen ist und greift (wie der fahnenflüchtige Spanier Alonso bei Marmontel) in den internen Thronstreit sowie den drohenden Krieg zwischen Inkas und Chancas/Yancas ein. Die historisch verbürgte Geschichte des Inka–Thronstreits zwischen den Halbbrüdern Atahuallpa und Huascar, auf die auch Marmontel zurückgreift, findet hier ihr fernes Echo. Da Quilla Urco vehement ablehnt, wird sie zu ihrer Sicherheit von dessen regierungsmüdem Vater der Sonne (als Priesterin) versprochen, in eine Art Kloster gebracht und dadurch für jeden Mann unantastbar. Ähnlich bei Marmontel, wo Alonso, mit Genehmigung des Inka, letztlich allerdings Cora heiraten darf. Der sich nun unter den Beteiligten (Kari, Urco, deren Vater Upanqui, dem intriganten Inka–Hohepriester Larico, dem König der Chancas Huaracha, dem Engländer Hubert u.a.) wie in den Incas entspinnende politisch–religöse Dauerkonflikt zwischen Familie, Liebe, Moral und Staatsräson, christlicher und heidnischer Auffassung entlädt sich in endlosen, spitzfindig–politischen Diskussionen über Recht und Unrecht dieser Liebe (ähnlich bei Marmontel) und ihre möglichen Folgen, in Krieg und Gemetzel. Auf den letzten drei Seiten des Romans darf der Engländer Quilla für sich beanspruchen, aber beider weiteres Schicksal bleibt offen, weil der Rest des Manuskripts, so die Fiktion Rider Haggards, unleserlich ist. Diese Geschichte voller Anspielungen auf die Eroberung Amerikas und deren Folgen gibt Haggard als Übersetzung eines wohl von Hubert selbst verfassten Dokuments aus, das Haggard selbst in einer alten Kiste – u.a. mit Gegenständen aus Peru – gefunden haben will, die auf ebenso rätselhafte Weise von Peru nach England gelangt ist wie einst der Inka. Es darf folglich zumindest vermutet werden, dass Haggard Marmontels Incas und/oder dessen Rezeption durch die sehr erfolgreichen Übersetzungen der Kotzebuestücke ins Englische bzw. deren Bearbeitung durch Richard Brinsley Sheridan vertraut waren. Inhaltliche Parallelen zwischen Haggards und von Hansteins Roman sind ebenfalls unübersehbar.
[16] Eine Bank dieses Namens gibt es nach Paul Walles Liste in Le Pérou économique, Paris 1912, S. 366–367, nicht. Der Südamerikaspezialist Paul Walle schrieb in der gleichen Weise und etwa um die gleiche Zeit wie Le Pérou économique auch La Bolivie et ses mines, Paris, Guilmoto 1914. Sein Au Brésil (…) erschien 1910 ebenfalls bei Guilmoto in Paris.
[17] Daher verbot der peruanische Präsident dem Professor Ozoux nach bestandenem Abenteuer, in Frankreich darüber zu berichten.
[18] Seien es Tempel, Paläste, speziell das im Roman eine sehr große Rolle spielende und von Walle – laut Leroux S. 163, Anm. 1 – bezeugte weit verzweigte unterirdische Gangsystem; siehe auch Walle, S. 102–103.
[19] Vgl. Walle, S. 99 ff.
[20] vgl. Walle, S. 163 f.
[21] Besonders Cajamarca, Cuzco, der Titicaca–See; vgl. Walle, S. 87, 96, 99 ff.
[22] Zu dieser société siehe auch Walle, S. 144–145.
[23] Mircea Eliade, zitiert bei Siepe, S. 13; Unterstreichungen KLL.
[24] Zur modernen Mythologie Siepe, S. 17 ff, der die wichtige Rolle des Populärromans für die Entwicklung solcher Mythen betont. Siepe verweist hier speziell auf Alexandre Dumas, Sue, Leroux; zu Leroux siehe vor allem S. 22–25, wo Siepe den Forschungsstand referiert.
[25] Siehe dazu Queffélec, S. 49 ff, die die Beziehungen zwischen dem roman exotique, dem roman de science fiction, dem roman criminel–policier und dem roman historique sowie deren Übergängen (im Feuilletonroman) vergleicht, wobei wiederum besonders die Rolle von Leroux und Leblanc betont wird.
[26] Vgl. die deutlichen Parallelen zu Indiana Jones und der Tempel des Todes von 1984: In diesem abenteuerlichen Actionfilm ohne jeden realen historischen Hintergrund geht es um die Entführung aller Kinder eines indischen Dorfes im Dienst der nach Herrschaft strebenden Hindu–Sekte der Göttin Kali, die nicht vor der Opferung von Menschen in ihrem unterirdischen Tempel (mit Bergwerk, das später überflutet wird: siehe Fritz Lang) zurückschreckt und an deren Weiterleben die britische Kolonialverwaltung entgegen vorhandener Hinweise nicht glauben will (wie die vom Staat negierten Inka–Menschenopfer in der Épouse). Auch eine Art betäubendes Nervengift, das in der Épouse Marie–Thérèse willens– und gefühllos macht, wird eingesetzt. Held (hier im klassischen Sinne) ist der intellektuell wie physisch überlegene Archäologieprofessor ,,Indiana“ Jones; für komische Elemente zur Entspannung ist ebenfalls reichlich gesorgt; ,,action“ in exotischem Gewand, eine gewisse rassistische Grundhaltung und Brutalität sind nicht zu übersehen; auf der Basis der Filmhandlung, die in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts spielt, erschien der Roman gleichen Titels.
[27] Siepe, S. 270; Siepe zitiert in diesem Zusammenhang zwei Beispiele: den Professor auf dem Muli, der sich am Anblick Cajamarcas daran berauscht, dass hier Atahuallpa einst Pizarro erwartet hatte, sowie an der ,,lutte des races“, der Niederlage Garcías (d.h. Atahuallpas) mit seinen Tausenden von indianischen Anhängern (Soldaten und Zivilisten) gegen nur fünfhundert spanischblütige Soldaten Veintemillas (d.h. Pizarros). Schmied (in Ueding, Karl–May–Handbuch, S. 153 ff) betont, dass der ,,permanente Raumwechsel“, der Weg vom Flachland ins Gebirge, ,,von der Tiefe in die Höhe“ typisch für Trivialliteratur sei. Das Hochgebirge biete oftmals den ,,Hintergrund für extrem spannungsvolle Zuspitzungen der Handlung“ (S. 154). Für Leroux` Roman heißt dies konkret: von Meereshöhe (Lima) auf 2700 Meter (Cajamarca), auf 3400 (Cuzco) und 3800 Meter (Titicaca–See): ein steter Anstieg (auch der Spannung), und von dort wieder auf 0 herunter, zum völig überraschenden Neubeginn für die Liebenden. Der Kreis schließt sich und alles beginnt erneut.
[28] Vgl. Walle, S. 55–57, siehe auch Wiener, S. 41 ff: ,,nos fouilles à Ancon“. Ancón liegt heute etwa 45 km nördlich von Limas Stadtzentrum.
[29] In diesem sehr speziellen Zusammenhang ( S. 169) verweist Leroux auf die phrenologischen Forschungen der Vorgänger von Gall und einen gewissen Spezhurn, nach denen die Inkas – wie auch die Basken – mittels Schädeldeformierungen bestimmte kriegerische oder intellektuelle Eigenschaften fördern wollten. Ein Dr. Morton, den Leroux in diesem Zusammenhang erwähnt, wird auch bei Wiener (S. 54) angeführt.
[30] Die Umstände dieser Schlacht von Cajamarca – der Verrat Pizarros, der versprochen hatte, den Inka nach Zahlung eines gewaltigen Lösegeldes in Form von Gold und Silber freizulassen, danach aber fürchten musste, von der gewaltigen Übermacht der Soldaten des Inka vernichtet zu werden und ihn nach der Zwangstaufe erdrosseln (nicht auf dem Scheiterhaufen verbrennen) ließ – führten zu einem historischen Trauma, das bis heute nachwirkt. Der Altamerikanist Berthold Riese, Machu Picchu. Die geheimnisvolle Stadt der Inka, München 2004 (S. 37), weist darauf hin, dass es sich bei dem Lösegeld Pizarros um die Summe von 52.000 Mark Silber und 1.626.500 Pesos in Gold gehandelt habe, ,,nach offizieller Währung“: ,,Allerdings hatten die Spanier keinen unmittelbaren Reichtum von diesem Nutzen, denn was sollten sie sich in diesem vom Krieg zerrütteten Land dafür kaufen? Außerdem setzte aufgrund der Edelmetallschwemme eine rasante Teuerung für spanische Waren ein oder, anders formuliert, eine galoppierende Inflation. Ein einfacher Soldat mußte kurz nach der Verteilung der Beute für eine Stoffhose 20 Pesos zahlen. Man könnte also überspitzt sagen, daß die gesamte Beute der Spanier nur einen Gegenwert von 100 000 Stoffhosen einfachster Machart hatte.“ (Hervorhebung KLL.)
[31] Auch in Rider Haggards Roman Prester John taucht ein afrikanischer Priester, eine Art ,,König“, namens Laputa auf, der eine panafrikanische Bewegung anführt, um die Engländer zu vertreiben. Macht und Einfluss verleiht ihm ein Rubinkollier, das schwarze Herrscher seit Generationen getragen haben. Vgl. Das Inka-Armband – mit anderer Funktion – bei Leroux. Auch des ,,Inka–Königs“ Revolution ist zumindest teilweise panamerikanisch (laut Roman gibt es indianische Erhebungen zwischen Venezuela und Peru).
[32] Das seit der Unabhängigkeitserklärung von 1825 bis ans Ende des 20. Jahrhunderts fast im Jahrestakt von Revolutionen und Aufständen erschütterte Bolivien wurde nicht umsonst spöttisch ,,golpilandia“ genannt. Auf grotesk–brutale Vorgehensweisen bolivianischer Präsidenten spielt Leroux in zwei Fußnoten an, die sich auf die (wohl fiktiven) Präsidenten Dara und Melgagero (Lese– oder Druckfehler bei Leroux?) beziehen. Wiener (S. 416) erwähnt nämlich die Präsidenten Daza und Melgarejo. Daten der Präsidentschaft: Hilarión Grosolé Daza 1876–79, José Mariano Melgarejo 1864–71.
[33] Der korrekte Name lautet Intip Raymi, das Fest der Wintersonnenwende, das unter den Inkas am 21. Juni auf dem ,,Platz der Tränen“ in Cuzco gefeiert und 1572 vom spanischen König verboten wurde. Zur Inka–Staatslegende, zu Sonnenkult und –fest sowie zum Sakralherrschertum der Inkas allgemein siehe Lanczkowski, S. 109–115, bes. S. 113–114. Lanczkowski betont, dass Menschenopfer unter den Inkas die absolute Ausnahme darstellten und erläutert den engen mythologischen Zusammenhang zwischen den für die Inkas heiligen Stätten Tiahuanaco und Cuzco, den auch Leroux hervorhebt.
[34] Siehe dazu Alfredo Moreno Cebrián, Ascensión Martínez Riaza Peru, Hochperu, Bolivien in: Walther L. Bernecker u.a. (ed.) Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Band 2, Stuttgart 1992, S. 249–302, bes. S. 260–3 zu Tupac Amaru.