Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Filmbildung in der Schule
2.1 Didaktische Ansätze
2.2 Rahmenbedingungen
2.2.1 Verankerung in Richtlinien und Lehrplänen
2.2.2 Rahmenbedingungen an der Ausbildungsschule
3. Medienkompetenz – Eine Schlüsselqualifikation im 21. Jahrhundert
3.1 Zum Begriff der Medienkompetenz
3.2 Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen
4. Intentionen des Unterrichtskonzepts
4.1 Ziele des Konzepts
4.2 Lernausgangslage der Teilnehmer
4.3 Organisatorische Voraussetzungen
4.4 Voraussetzungen der Lehrkraft
4.5 Bezug zu den Lehrerfunktionen
5. Ein handlungs- und produktionsorientiertes Filmprojekt zum Aufbau von Kernkompetenzen der Schüler im Umgang mit audiovisuellen Medien
5.1 Einstieg in die Thematik unter Rückgriff auf die Vorerfahrungen der Teilnehmer
5.2 Einführung in die selbstständige digitale Kameraarbeit auf Grundlage von 22 theoretischen Überlegungen zur Bildkomposition
5.3 Einführung in Schnitt- und Montagetechniken anhand der produktions- orientierten Arbeit mit dem Programm Movie Maker
5.4 Erarbeitung und selbstständige Erprobung von Filmtechniken wie Stop-Motion und Rückwärtsaufnahmeverfahren anhand fantastischer Filme
5.5 Einführung in die Erzähltheorie des Mediums zur Erschließung und eigenständiger Nutzung der spezifischen narrativen Potenziale von audiovisuellen Texten
5.6 Die Grammatik des Films – Vertiefung von Schnitt und Montage anhand erster Projektarbeiten
5.7 Film ab! – Erprobung des Erlernten durch die eigenständige Produktion eines Kurzfilmes
5.8 Thematische Anschlussmöglichkeiten
6. Reflexion des Unterrichtskonzeptes und abschließende Bewertung
6.1 Theoretische Reflexion des Konzepts
6.2 Abschließende Bewertung des Konzepts
Literaturverzeichnis
Softwareverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Der Einsatz von Spielfilmen im Unterricht spaltet im 21. Jahrhundert noch immer die Kollegien deutscher Schulen. Dass die Schüler[1] Kompetenzen im Umgang mit literarischen Texten erwerben sollen, steht außer Frage, im Bezug auf audiovisuelle Texte, die von Kindern und Jugendlichen bereits seit Jahrzehnten quantitativ häufiger rezipiert werden als gedruckte Texte, scheint dieser Kompetenzerwerb jedoch sekundär.
Ob als Verfilmung eines vorher behandelten Romans oder als erläuternde Reportage zu einem Sachthema: Nach meinen Erfahrungen wird das Medium im Schulalltag sehr einseitig eingesetzt. Im Fach Deutsch wird nahezu ausschließlich analytisch und somit rezeptiv mit dem Medium gearbeitet. In aktuellen Schulbüchern wie beispielsweise „Texte, Themen und Strukturen“ (NRW) aus dem Cornelsen-Verlag finden sich qualitativ hochwertige Materialien zu diesem Bereich. Der Produktionsprozess wird jedoch fast komplett ausgeklammert[2]. Auf dieses Missverhältnis geht die vorliegende Arbeit ein. Aufgrund der problematischen Integration in den Regelunterricht, bedingt durch die Komplexität des Themas sowie die curricularen Vorgaben des Faches, ist das vorliegende Konzept für eine Arbeitsgemeinschaft (AG) vorgesehen.
Filme sind audiovisuelle Texte und ein legitimer Gegenstand vieler Schulfächer. Insbesondere für den Deutschunterricht lässt sich im Umgang mit dem Medium eine Vielzahl an gewinnbringenden Einsatzmöglichkeiten bestimmen. Das produktive Arbeiten mit audiovisuellen Texten ist sowohl im Fach Deutsch als auch im Schulalltag jedoch kaum vorhanden. Das Gymnasium zielt auf eine allgemeine Bildung der Schüler ab und darf dabei „das Massenmedium Film [...] nicht ausklammern, weil es schwierig zu handhaben ist“ (vgl. Hildebrand, 2006: 46). Das vorliegende Konzept[3] soll zu einer handlungs- und produktionsorientierten Auseinandersetzung mit dem Medium Film am Gymnasium[4] beitragen. Dabei soll das bislang unausgewogene Verhältnis zwischen Analyse und Produktion verbessert werden. Da die Lage an anderen Schulen vermutlich ähnlich ist, wird dezidiert auf eine Übertragbarkeit des Konzepts Wert gelegt. Mit dieser Arbeit möchte ich einen Beitrag zur Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie zum Schulprogramm meiner Ausbildungsschule liefern.
Die Idee zum vorliegenden Konzept entstand primär durch die Reflexion der eigenen Unterrichtspraxis. Zum Ende des letzten Halbjahres habe ich mit meinem EP-Kurs Deutsch eine Reihe zur Kurzfilmproduktion durchgeführt. Die Schüler haben den Umgang mit einer Videokamera und einem Schnittprogramm gelernt. Außerdem wurde thematisiert, wie das Erzählen im Film konstituiert ist. In einem Abschlussprojekt drehten die Schüler eigene Kurzfilme zu einem vorgegeben Thema. Die Durchführung und Evaluation der Reihe offenbarte, dass die Schüler eine sehr hohe intrinsische Motivation für den Stoff zeigten und dass die technischen Anforderungen sie weder unter- noch überforderten. Dies zeigte sich insbesondere an den eigenständig produzierten Kurzfilmen.
Das Aufbauen von Medienkompetenz im Bereich audiovisueller Texte ist meiner Ansicht nach eine wichtige Aufgabe, die noch stark vernachlässigt wird. Im Studium wird sukzessive vermehrt mit dem Medium Film gearbeitet. In allen drei Fächern (Deutsch, Sport und Pädagogik), die ich studiert habe, bin ich sowohl analytisch als auch produktionsorientiert mit dem Medium konfrontiert worden. Außerdem haben sich die Rahmenbedingungen für die Herstellung eines Films in den letzen Jahren stark vereinfacht. Durch kostenlose Film-Software und eine fast lückenlose Ausstattung mit Kameras und Computern hat nahezu jeder Schüler die Möglichkeit kreativ zu arbeiten.
Bereits vor dem Referendariat konnte ich Erfahrungen im Bereich der produktiven Filmarbeit sammeln. Zwei Halbjahre lang habe ich eine Film-AG im offenen Ganztagsbetrieb einer Grundschule geleitet. Während des Studiums an der Universität Münster habe ich in der Mediothek der Erziehungswissenschaften gearbeitet und dort unter anderem das Filmequitment, den Videoschnittplatz und die Filmsammlung betreut. Des Weiteren habe ich im Rahmen des ersten Staatsexamens diverse Seminare und Vorlesungen zum Thema Film belegt.
Zurzeit absolviere ich den Zertifikatisstudiengang ‚ M edien und I nformationstechnologien in E rziehung, B ildung und U nterricht‘ an der Universität Münster, um mich auf dem Gebiet weiter zu bilden. Da mich das Thema auch privat beschäftigt und ich denke, dass Film im normalen Deutschunterricht unterrepräsentiert ist, war es ein Anliegen von mir, wieder eine produktionsorientierte Film-AG anzubieten.
Das vorliegende Konzept beschäftigt sich im Speziellen mit der Gattung Spielfilm. Andere Gattungen wie beispielsweise der Dokumentarfilm, der Werbefilm oder der Nachrichtenfilm werden nicht im Speziellen behandelt. Die technische Umsetzung dieser Gattungen weicht jedoch nur unwesentlich von der des Spielfilmes ab, so dass sich hier viele Anschlussmöglichkeiten bilden.
Der Aufbau der Arbeit ist so konzipiert, dass im Anschluss an die Einleitung kurz auf die Situation der Filmbildung in der Schule eingegangen wird. Im dritten Kapitel wird der Begriff Medienkompetenz konkretisiert und das Mediennutzungsverhalten der Schüler untersucht. Im vierten Kapitel werden die Intentionen des Konzepts sowie die organisatorischen Voraussetzungen dargelegt, die im darauffolgenden Kapitel fünf mit konkreten Inhalten gefüllt werden. Das fünfte Kapitel stellt somit den Kern der Arbeit dar. Im Schlussteil wird das Konzept theoretisch reflektiert und ein Vorschlag zur Evaluation gegeben.
2. Filmbildung in der Schule
2.1 Didaktische Ansätze
In diesem Kapitel soll ein kurzer Überblick über die didaktischen Werke, welche sich mit dem Thema ‚Film in der Schule‘ beschäftigen, gegeben werden. Dabei rücken Publikationen in den Vordergrund, die sich dezidiert mit der handlungsorientierten Filmproduktion beschäftigen.
Mit einem Blick in die Kataloge der Buchhändler lässt sich schnell feststellen, dass die Publikationen über ‚Film im Unterricht‘ sich beinahe ausschließlich der klassischen Filmanalyse verschrieben haben. Als interessierter Lehrer findet man also viel Literatur über die Analyse eines narrativen Films. Didaktische Fachbücher, die sich dezidiert mit der Filmproduktion beschäftigt, gibt es dagegen kaum. Dies mag auch mit der Tatsache zusammenhängen, dass sich eine produktive Arbeit mit dem Medium Film erst seit dem letzten Jahrzehnt mit relativ geringem technischem und v. a. finanziellem Aufwand umsetzen lässt. Autoren wie Ulf Abraham (2009), der für sich proklamiert, „DIE Didaktik des Films für den Deutschunterricht“ verfasst zu haben, gehen allenfalls nebensächlich auf die Filmproduktion ein. Meiner Ansicht nach muss eine vollständige Filmdidaktik Filmproduktion und Filmanalyse enthalten und diese miteinander verzahnen. Natürlich ist es legitim einen Film oder ausgewählte Filmsequenzen zu analysieren. Ich denke jedoch, dass eine ausschließlich rezeptiv-analytische Arbeit über die gesamte Schullaufbahn nicht ausreichend sein kann.
Bis heute gibt es kein Standardwerk zur Filmproduktion in der Schule. Diesen Missstand hat auch die Länderkonferenz MedienBildung (LMB) wahrgenommen und daraufhin ein bislang einzigartiges kompetenzorientiertes Konzept entwickelt. Dieses Konzept stellt eine wichtige Grundlage für die vorliegende Arbeit dar, daher wird es im Folgenden in seinen Grundzügen vorgestellt. Die LMB (2010: 2) sieht Film als „das narrative Leitmedium für Kinder und Jugendliche“[5]. Als Ziel einer schulischen Filmbildung steht die selbstbestimmte und reflektierte Teilhabe am kulturellen Handlungsfeld Film. Daher ist das gesamte Konzept handlungsorientiert verfasst, da Film sich erst in kommunikativem und kreativem Handeln realisiert. Das Konzept differenziert sich in vier Handlungsfelder: „Filmanalyse“, „Filmnutzung“, „Filmproduktion und Präsentation“ sowie „Film in der Mediengesellschaft“. Die einzelnen Bereiche stehen jedoch nicht für sich alleine, sondern sind mit den anderen inhaltlich vernetzt, so dass sich mannigfaltige Überschneidungen ergeben (vgl. LMB, 2010: 2). Das Kompetenzmodell der LMB ist nach einem kumulativen Prinzip aufgebaut, bei dem grundlegende Fähigkeiten bereits mit dem Abschluss der Grundschule erworben werden. Für die vorliegende Arbeit rückt das Handlungsfeld „Filmproduktion und Präsentation“, welches besonders mit dem der „Filmanalyse“ verbunden ist, in den Fokus. Das kumulative Prinzip kann darüber hinaus für die vorliegende Arbeit keine Rolle spielen, da es sich um eine temporär begrenzte Arbeitsgemeinschaft handelt. Die Inhalte sollen von den Schülern theoretisch erfasst und anschließend praktisch umgesetzt werden. Die Teilnehmer sollen erkennen können, dass es sich bei Filmen um bis ins Detail bewusst gestaltete Werke handelt. Des Weiteren sollen sie narrative Grundstrukturen erfassen und umsetzen. Außerdem sollen sie die Beziehung von Inhalt und Form erkennen und deuten. Die Herstellung eines Films soll als kreativer und dynamischer Gruppenprozess, dem eine Planungsphase vorausgeht, erfahren werden. Dabei entwerfen die Schüler eigene Inhalte und erproben die zuvor kennengelernten filmischen Mittel. Sie artikulieren sich durch die Grammatik der Montage und legen somit ihre Sichtweise auf ein Thema dar. Subliminal wird dabei stets der korrekte Umgang mit den technischen Geräten erlernt und eingeübt (vgl. LMB, 2010: 11f.).
Neben dem Konzept der LMB soll auch kurz das Essay „Kino als Kunst“ (2002) des französischen Filmemachers und Filmtheoretikers Alain Bergala vorgestellt werden. Er stellt den Schaffensprozess entschieden ins Zentrum seiner Pädagogik. Bergala, der das nationale Schulfilmprogramm „Le cinéma à l’école“ in Frankreich leitete, formuliert als Ziel seiner Pädagogik, dass die Schüler dazu in der Lage sein sollen, einen individuellen Filmgeschmack ausbilden zu können, das heißt, dass sie über Filme fundiert diskutieren und ihren Standpunkt argumentativ darlegen können. Dieses Ziel bleibt zwar etwas vage in der Formulierung, ich denke aber trotzdem, dass es erstrebenswert ist, da der subjektive Zugang zum Film im Vordergrund steht. Die Schüler sollen sich die Frage stellen, warum sie fasziniert von einem bestimmten Film oder Regisseur sind. Dieser reflexive Vorgang setzt eine analytische Auseinandersetzung mit dem Werk voraus. Die Analyse ist für Bergala jedoch nicht ohne eigene produktive Erfahrungen denkbar. „Sie [die praktische Arbeit] führt zu einer anderen Art von Wissen, das durch die Analyse allein, so gut sie auch sein mag, nicht erworben werden kann“ (vgl. Bergala, 2006: 116).
Außerdem betont er, dass es eminent wichtig sei, den Film als „gutes Objekt, das heißt als Kunst“ zu vermitteln (2006: 40).
Die beiden vorgestellten Werke stellen eine konsequente Weiterentwicklung der klassischen Filmanalyse dar, trotzdem findet Filmbildung in der Schule nahezu ausschließlich rezeptiv und analytisch statt. Die vorliegende Arbeit versucht daher den von Bergala und der LMB eingeschlagenen Weg zu verfolgen und auszubauen. Die Rahmenbedingungen für dieses Vorhaben werden im Anschluss beschrieben.
2.2 Rahmenbedingungen
In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Rahmenbedingungen für eine produktionsorientierte Film-AG bzw. für die Arbeit mit dem Medium Film beleuchtet. Neben der Verankerung in den allgemeinen sowie schulinternen Lehrplänen werden die strukturellen Rahmenbedingungen der Ausbildungsschule untersucht und dargestellt.
2.2.1 Verankerung in Richtlinien und Lehrplänen
Im Lehrplan Deutsch für die Sekundarstufe II an Gymnasien und Gesamtschulen, herausgegeben vom Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen[6], wird der produktive Umgang mit dem Medium Film an mehreren Stellen aufgeführt.
Die Entwicklung der sprachlichen Kompetenz der Schüler umfasst die Auseinandersetzung mit „sprachlich-visuell vermittelten künstlerischen Ausdrucksformen“ (vgl. MfSW NRW, 1999: 5). Eng verknüpft mit dieser Kompetenz ist die ästhetische Kompetenz: Die Schüler sollen sich neben Analysen und Interpretationen auch gestalterisch mit Literatur und den „ästhetischen Erscheinungen ihres Alltags“ beschäftigen. Sie sollen „ihre gestalterischen Fähigkeiten im Umgang mit Sprache […] weiterentwickeln“ und „eigene Produktionen“ entwickeln (vgl. MfSW NRW, 1999: 6). Unter „Umgang mit Texten und Medien“ ist vermerkt, dass visuelle Medien viele neue Produktionsformen ermöglichen. Spezifiziert auf audiovisuelle Medien wird erwähnt, dass „Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit diesen Medien“ gefördert werden müssen, um die ästhetischen und kommunikativen Potenziale produktiv nutzen zu können. Als Voraussetzung für die theoretische Arbeit mit dem Medium wird der Erwerb eines filmanalytischen Instrumentariums vorgeschlagen. Dies soll anhand „praktischer Übungen gewonnen werden“ (vgl. MfSW NRW, 1999: 19f). Für audiovisuelle Texte wird inhaltlich die Erarbeitung von Raum- und Zeitgestaltung, Figurenverhalten sowie Ereignis- bzw. Konfliktstruktur vorgesehen. Außerdem soll den Schülern ein entsprechendes Fachvokabular vermittelt werden. Weitere Ziele sind der Aufbau von Medienkompetenz zur reflektierten Mediennutzung sowie eine Befähigung zur kulturellen Teilhabe (vgl. MfSW NRW, 1999: 21f). Diese Zielformulierungen überschneiden sich in weiten Teilen mit den bereits vorgestellten didaktischen Modellen vom LMB und Bergala.
An dieser Stelle finde ich erwähnenswert, dass das Bundesland Bremen unter anderem in Kooperation mit der Universität Bremen seit 2007 einen bundesweit einzigartigen Modellversuch initiiert hat: Film wurde zum festen Bestandteil des Zentralabiturs, um zu gewährleisten, dass das Medium besser in den Deutschunterricht integriert wird. Seit 2009 ist die Auseinandersetzung mit Filmen obligatorisch für die Fachprüfung Deutsch (vgl. Vision Kino, 2011).
Im schuleigenen Curriculum des Gymnasiums wird die handlungs- und produktionsorientierte Arbeit mit audiovisuellen Texten nicht ausdrücklich erwähnt. Das Medienkonzept der Ausbildungsschule legt den Schwerpunkt klar auf die Arbeit mit Microsoft Word und Excel, so die ‚Arbeitsgruppe Methodenlernen‘ Gymnasiums. Impulse aus der vorliegenden Arbeit könnten das Medienkonzept sinnvoll um einige Aspekte bereichern und so die Schulentwicklung progressiv voranbringen. Wünschenswert wäre ein fächerübergreifendes, kumulatives Medienkonzept, welches den Schülern sukzessive den sinnvollen Medieneinsatz näher bringt. Die Erweiterung des Medienkonzeptes wäre meiner Ansicht nach ein wichtiges Unterfangen, das helfen würde, die Medienkompetenz ressourcenschonend, fächerübergreifend und koordiniert aufzubauen.
2.2.2 Rahmenbedingungen an der Ausbildungsschule
An meiner Ausbildungsschule hat eine differenzierte Angebotspalette von Arbeitsgemeinschaften bereits eine lange Tradition. Das Einrichten einer Film-AG war ohne weitere Probleme möglich und schloss eine Lücke im ansonsten breitgefächerten AG-Angebot.
Die technischen Rahmenbedingungen an der Schule sind limitiert, aber trotzdem ausreichend. Auf den Rechnern in den Computerräumen ist kein Videobearbeitungsprogramm installiert. Dies zu ändern wäre mit einem hohen Aufwand verbunden, da nur ein externer Dienstleister Zugriff auf das Computersystem hat. Neben einem Klassensatz Laptops stehen eine Digitalkamera, ein Stativ, ein Beamer, ein Lautsprechersystem und diverse Fernsehwagen mit DVD-Spielern und Röhrenfernsehern im Bildschirmformat 4:3 zur Verfügung. Damit ausreichend Kameras und Stative zur Verfügung stehen, die für die AG-Agenda unerlässlich sind, müssen private Geräte von Lehrkräften oder Schülern mitgebracht werden[7]. Dies stellte im bisherigen AG-Verlauf jedoch kein Problem dar.
3. Medienkompetenz – Eine Schlüsselqualifikation im 21. Jahrhundert
3.1 Zum Begriff der Medienkompetenz
Der deutsche Erziehungswissenschaftler Dieter Baacke (1998: 2), der den Terminus Medienkompetenz entscheidend mitgeprägt hat, versucht den abstrakten Begriff operationalisierbar zu machen, indem er vier Dimensionen unterscheidet, die „Reichweite und Umfang des neuen Medienlernens“ definieren. Diese vier Dimensionen sind „Medienkritik“, „Medienkunde“, „Mediennutzung“ und „Mediengestaltung“. Obwohl alle vier Dimensionen von den Inhalten des vorliegenden Konzepts tangiert werden, stehen Medienkunde und Mediengestaltung dezidiert im Vordergrund.
Unter Medienkunde fasst Baacke (1998: 3) zwei Teilbereiche: den informativen sowie den instrumentell-qualifikatorischen. Ersterer befasst sich mit Wissensbeständen rund um die heutigen Medien. Dabei geht es beispielsweise um die effektive Nutzung eines Computersystems für die eigenen kreativen Vorstellungen. Mündige Nutzer sollten wissen, welches Programm für welche Tätigkeit eingesetzt werden kann oder welche Dateiformate die besten Ergebnisse versprechen. Außerdem geht es um Fragen wie beispielsweise: Welche Gattungen und Genres gibt es im Medium Film? Wie arbeiten Filmteams? Welche verschiedenen Arbeitsbereiche gibt es an einem Filmset?
Der instrumentell-qualifikatorische Teilbereich umfasst die praktischen Fähigkeiten im Umgang mit den technischen Geräten, beispielsweise den Umgang mit Videokamera und Schnittprogramm.
Innerhalb der Dimension Mediengestaltung ist für die vorliegende Arbeit wichtig, dass Medien einem ständigen Wandel unterliegen. Dies geschieht laut Baacke (1998: 4) in zwei Weisen: inhaltlich und technisch. Gerade die progressive Softwareentwicklung birgt enorme innovative und kreative Potenziale für die Gestaltung eigener Medienprodukte. Der Partizipationsgedanke spielt auch für Baacke eine wichtige Rolle – ähnlich wie beispielsweise Bergala zielt er auf eine Diskurskompetenz ab, welche die Schüler qualifiziert über vielschichtige Problemstellungen im Bereich der Medien diskutieren lässt. Dabei verweist er unter anderem auf Fragestellungen im technischen, kulturellen, ästhetischen und ethischen Bereich. Die Schüler sollen also beispielsweise beschreiben können, wie die Ästhetik eines Films auf der technischen Ebene (Licht, Spezialeffekte, Kameraeinstellungen etc.) realisiert ist.
Im folgenden Unterkapitel soll das Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen aspektorientiert beleuchtet werden.
Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen
Das Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen wird seit 1998 durch den Medienpädagogischen Forschungsverband Südwest (mpfs) empirisch erforscht. Die KIM[8] und JIM[9] -Studien dokumentieren das mediale Verhalten auch im Bezug auf Film- und Fernsehnutzung. In den folgenden Zeilen sollen die aktuellen Ergebnisse der JIM-Studie 2010 kurz aspektorientiert aufgeführt werden, um die Relevanz des Mediums für die Zielgruppe der AG zu verdeutlichen.
Die empirische Basis der Studie bilden 1208 Befragte im Alter zwischen 12 und 19 Jahren, die als repräsentive Stichprobe für die Grundgesamtheit von ca. sieben Millionen Kindern und Jugendlichen dieser Altersgruppe fungieren (vgl. mpfs, 2010: 3f). Jeder der Befragten hat im Haushalt Zugriff auf einen Computer und ein Handy. 99 % verfügen über ein TV-Gerät und 95 % besitzen mindestens eine Digitalkamera. DVD-Abspielgeräte stehen rund 85 % der Befragten zur Verfügung (vgl. mpfs, 2010: 6). Diese Daten belegen, dass die überwiegende Mehrzahl der Jugendlichen über die nötigen Geräte verfügt, um produktiv und gestalterisch mit dem Medium Film umzugehen. Tatsächlich nutzen diese Möglichkeit nur rund 7 % der Befragten, diese jedoch mehrmals pro Woche. Rezeptiv kommen die Kinder und Jugendliche signifikant häufiger mit filmischen Medien in Kontakt. So stellt das Fernsehen neben dem Internet immer noch ein zentrales Medium dar, das von 88 % mehrmals pro Woche genutzt wird. Davon schauen 61 % täglich Fernsehen. Durchschnittlich beschäftigen sich Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren ca. zwei Stunden am Tag mit dem Fernsehprogramm[10]. 31 % der Befragten schauen sich mehrmals pro Woche Filme auf Datenträgern wie der DVD an. Lichtspielhäuser werden mindestens einmal im Monat von 71 % der Befragten besucht (vgl. mpfs, 2010: 11f). Die Ergebnisse zeigen, wie präsent das Medium Film im Alltag von Kindern und Jugendlichen ist. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die Kinder und Jugendlichen über entsprechende Kompetenzen verfügen müssen, um audiovisuelle Texte nach ästhetischen und inhaltlichen Maßstäben beurteilen zu können. Darüber hinaus sollten sie dazu befähigt werden, selbstständig an diesem Teil der Kultur produktiv partizipieren zu können. Die dazu erforderlichen Basiskompetenzen sollen durch das vorliegende Konzept vermittelt werden.
[...]
[1] Zur besseren Lesbarkeit wird im vorliegenden Text durchgängig die männliche Form (generisches Maskulinum) benutzt. Im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes sind diese Bezeichnungen als nicht geschlechtsspezifisch zu betrachten.
[2] Zum Aufbau und zur Funktion des Drehbuchs finden sich noch am ehesten didaktisierte Materialien.
[3] Der Terminus ‚Konzept‘ bezieht sich im Folgenden auf die Definition des Landesprüfungsamtes für Zweite Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen (2006: 6f.).
[4] Statt des Namens der Ausbildungsschule steht im Folgenden nur der Begriff ‚Gymnasium‘.
[5] Siehe dazu auch Kapitel 3.2.
[6] Zur besseren Lesbarkeit wird das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen im weiteren Verlauf der Arbeit mit „MfSW NRW“ abgekürzt.
[7] Zu Beginn der AG wurde ermittelt, wer welche Geräte zur Verfügung stellen kann, um eine ausreichende technische Versorgung gewährleisten zu können.
[8] KIM steht für „Kinder + Medien, Computer + Internet“.
[9] JIM steht für „Jugend, Information, (Multi-)Media“.
[10] Geschlechterübergreifend lassen sich narrative Serienformate wie Scrubs oder die Simpsons als die beliebteste Gattung bestimmen (vgl. mpfs, 2010: 21).