Inspection Game - Eine ökonomische Analyse


Diplomarbeit, 2011

78 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Motivation / Problembeschreibung
1.2 Vorgehensweise
1.3 Überblick über die Modelle

2 Das Inspection Game als Anwendungsgebiet der Spieltheorie

3 Darstellung ausgewählter Modelle des Inspection Games
3.1 Rekursive Spiele
3.1.1 ModellvonDresher
3.1.2 ModellvonThomas/Nisgav
3.1.3 Erweiterung von Baston/Bostock
3.1.4 Modell von Ferguson/Melolidakis
3.1.5 Erweiterung von Avenhaus/von Stengel
3.2 Nicht rekursive Spiele
3.2.1 Modell von Borch
3.2.2 Modell von Avenhaus
3.2.3 Modell von Biermann
3.2.4 ModellvonFandel/Trockel

4 Ökonomische Analyse und Vergleich der Modelle
4.1 Analyse der Konflikte
4.2 Analyse ausgewählter Parameter

5 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 3.1: Extensiver Spielbaum Modell Dresher

Abbildung 3.2: Bi-Matrix Modell Dresher

Abbildung 3.3: Extensiver Spielbaum Modell Thomas/Nisgav

Abbildung 3.4: Bi-Matrix Modell Thomas/Nisgav

Abbildung 3.5: Extensiver Spielbaum Modell Ferguson/Melolidakis

Abbildung 3.6: Bi-Matrix Modell Ferguson/Melolidakis

Abbildung 3.7: Bi-Matrix Erweiterung Avenhaus/von Stengel

Abbildung 3.8: Extensiver Spielbaum Modell Borch

Abbildung 3.9: Bi-Matrix Modell Borch

Abbildung 3.10: Bi-Matrix Modellerweiterung Borch

Abbildung 3.11: Extensiver Spielbaum Modell Avenhaus

Abbildung 3.12: Bi-Matrix Modell Avenhaus

Abbildung 3.13: Bi-Matrix Modellerweiterung Avenhaus

Abbildung 3.14: Extensiver Spielbaum Modell Biermann

Abbildung 3.15: Bi-Matrix Modell Biermann

Abbildung 3.16: Extensiver Spielbaum Modell Fandel/Trockel

Abbildung 3.17: Bi-Matrix Modell Fandel/Trockel

Abbildung 4.1: Auswirkungen eines Anstieges der Kontrollkosten auf das Nash- Gleichgewicht

Abbildung 4.2: Auswirkungen eines größeren Mußegewinns oder Zeitvorteils auf das Nash-Gleichgewicht

Abbildung 4.3: Auswirkungen eines Anstieges der Strafe oder des Prüfniveaus der Unternehmensleitung auf das Nash-Gleichgewicht im Modell Fandel/Trockel

Abbildung 4.4: Unterschiedliche Auswirkungen einer Erhöhung der Strafe für den Inspizierten zwischen den Modellen von Borch, Biermann und Avenhaus

Abbildung 4.5: Auswirkung einer Erhöhung der Strafe für den Kontrolleur im Modell von Biermann

Abbildung 4.6: Unterschiedliche Auswirkung einer Kostenabweichung in den Modellen von Borch und Fandel/Trockel

Abbildung 4.7: Auswirkung der Erhöhung der Boni für den Disponenten und den Controller auf das Nash-Gleichgewicht im Modell Fandel/Trockel...

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Motivation / Problembeschreibung

Der Anteil menschlicher Arbeit an der Wertschöpfung eines Unternehmens oder unserer Gesellschaft mag mit einer fortschreitenden Automatisierung in vielen Wirtschaftsbereichen immer geringer werden. Dennoch ist der „Menschliche Faktor“ nicht zu vernachlässigen, sind es doch alle am Produktionsprozess beteiligten Faktoren, die den Erfolg eines Unternehmens erwirtschaften.

Jegliche Erfolge oder auch Misserfolge sind in einer geschlossenen, kausalen Kette bis auf menschliches Verhalten und Entscheidungen, die von Institutionen, Organisationen oder auch einzelnen Individuen getroffen wurden, zurückführbar, mit Ausnahme zufälliger, unvorhersehbarer exogener Einflüsse wie Naturkatastrophen. So lässt sich beispielsweise auch eine weitergehende Automatisierung eines Fertigungsprozesses in einem Unternehmen auf die Entscheidung eines Exekutivgremiums wie des Vorstandes, eines Geschäftsführers oder eines persönlich haftenden Gesellschafters, gerade eben dieses Investitionsprojekt in dieser Art und Weise zu realisieren, zurückführen.

Menschen verfolgen jedoch auch immer vielfältige, eigene, persönliche Interessen. Als rational handelnde Individuen versuchen sie, ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Auch die Mitarbeiter eines Unternehmens nutzen ihre Entscheidungsspielräume nicht immer im Sinne der Unternehmensziele. Dadurch treten häufig Situationen auf, in denen das Handeln einer Person durch getroffene Absprachen oder Vereinbarungen festgelegt wird, deren Einhaltung jedoch kontrolliert werden muss. Viele dieser Situationen lassen sich spieltheoretisch untersuchen und mit Hilfe eines Inspection Games modellieren. Die Analyse dieser Konfliktsituation und die gegenseitige Antizipation des Verhaltens liefert Hinweise auf eine mögliche Anreizgestaltung wie zum Beispiel den Einsatz von Strafen oder Boni, um das Verhalten eines Individuums in der Art zu beeinflussen, dass es sich zielkonform verhält und seine persönlichen Interessen mit denen des Unternehmens in Einklang gebracht werden.

Ziel dieser Arbeit ist es, verschiedene Ansätze und Modelle des Inspection Games darzustellen, auftretende Konflikte zu beschreiben und sie dann einem ökonomischen Vergleich zu unterziehen.

1.2 Vorgehensweise

Nach einem kurzen Abriss der in dieser Arbeit behandelten Modelle folgen in Kapitel 2 einige theoretische Grundlagen des Inspection Games, die für die Präsentation der verschiedenen Ansätze hilfreich sind, sowie ein Überblick über die Anwendungen des Inspection Games in der Ökonomie.

Kapitel 3 dient der detaillierten Darstellung ausgewählter Modelle des Inspection Games. In Abschnitt 3.1 werden das rekursive Modell von Dresher, eine grundlegende Arbeit der Spieltheorie im Bereich der Inspection Games, und einige darauf beruhende Modellerweiterungen vorgestellt. Der Abschnitt 3.2 befasst sich mit nicht rekursiven Inspection Games. Diese sollen im Mittelpunkt der Untersuchungen dieser Arbeit stehen, da sie sich durch eine größere Nähe zu und Anwendbarkeit auf wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen und Konfliktsituationen auszeichnen. Bei der Darstellung der verschiedenen Modelle werden die jeweiligen Variablen vereinheitlicht, so dass die Modelle einer anschließenden Analyse zugänglich und leichter miteinander verglichen werden können.

In Kapitel 4 werden die Modelle schließlich einer ökonomischen Analyse unterzogen. Dazu werden zunächst in Abschnitt 4.1 die im Modell enthaltenen Konflikte der einzelnen Spieler identifiziert und beschrieben, bevor dann in Abschnitt 4.2 die Auswirkung einer Veränderung einzelner Parameter wie beispielsweise Strafen und Boni auf das Nash-Gleichgewicht untersucht wird.

Kapitel 5 liefert eine kurze Zusammenfassung und einen Ausblick hinsichtlich möglicher weiterer Modellierungen und Analysen.

1.3 Überblick über die Modelle

Diese Arbeit konzentriert sich auf die fünf Ansätze des Inspection Games von Dresher (1962), Borch (1982), Avenhaus (1997), Biermann (2007) und Fandel/Trockel (2009). Diese werden detailliert dargestellt und einzeln analysiert sowie miteinander verglichen. Des Weiteren werden die Varianten von Thomas/Nisgav (1976), Baston/Bostock (1991), Ferguson/Melolidakis (1998) und Avenhaus/von Stengel (1991), die sehr nah an das rekursive Spiel von Dresher angelehnt sind und dieses in verschiedenen Facetten weiterentwickeln und verallgemeinern, ebenfalls vorgestellt.

Dresher beschreibt die Problematik eines Kontrolleurs, der die Einhaltung eines Waffenkontrollvertrages mittels stichprobenhafter Inspektionen überprüfen soll, jedoch für den betrachteten Zeitraum nur eine begrenzte Anzahl Kontrollen zur Verfügung hat. Dieses Spiel wird von Thomas/Nisgav auf eine Situation zwischen einer Patrouilleneinheit und einem Schmuggler übertragen, wobei der Schmuggler im betrachteten Zeitraum einen Schmuggelversuch unternehmen muss. Diesen Sachverhalt lösen Baston/Bostock konkret für den erweiterten Fall von zwei Patrouillenbooten. Die Möglichkeit mehrfachen illegalen Handelns wird von Ferguson/Melolidakis betrachtet. Dazu projizieren sie das Spiel auf ein Unternehmen, welches Giftmüll zu entsorgen hat und dies entweder illegal in einen Fluss verklappen oder es gegen Gebühr auf legale Weise entsorgen kann. Avenhaus/von Stengel verallgemeinern Dreshers Modell und untersuchen dabei unsymmetrische Varianten für die Auszahlungsfunktion des Kontrolleurs, wodurch sich für diesen eine neue Präferenzreihenfolge ergibt. Borch setzt das Inspection Game in einen betriebswirtschaftlichen Kontext mit den Kontrahenten eines untreuen Buchhalters und dessen vorgesetzten Geschäftsmannes, der seinen Betriebsgewinn zu maximieren versucht. Zusätzlich integriert er einen dritten Spieler, es entsteht ein nachgelagertes Inspection Game zwischen dem Geschäftsmann und einem Versicherungsunternehmen. Avenhaus modelliert Fahrscheinkontrollen im öffentlichen Personennahverkehr als Inspection Game. Sein Ziel ist es, den Einsatz von Kontrolleuren und die Kontrollhäufigkeit derart zu gestalten, dass die verursachten Kontrollkosten durch eingenommene Bußgelder gedeckt werden. Die Suche nach dem optimalen Umfang von Stichprobenkontrollen wendet Biermann auf die Überprüfung von Mitarbeitern hinsichtlich einer fehlerfreien Auftragserfassung an. Ebenfalls untersucht er diesen Sachverhalt als Führerschaftsspiel, bei dem die Kontrollquote den Mitarbeitern im Vorfeld angekündigt wird. Im zuletzt betrachteten Modell untersuchen Fandel/Trockel den Konflikt zwischen einem Disponenten, der optimale Bestellmengen realisieren soll, und einem Controller, der dessen Arbeit überprüft. Beide werden durch eine dritte Instanz, der Unternehmensleitung, überwacht, deren handeln im Modell nicht von persönlichen Zielen beeinflusst wird. Ein besonderer Augenmerk liegt auf der Gestaltung von Strafzahlungen, um das Nash-Gleichgewicht zu beeinflussen.

2 Das Inspection Game als Anwendungsgebiet der Spieltheorie

Unter einem Inspection Game versteht man ein mathematisches Modell, welches eine Interaktion zwischen rational handelnden Parteien, die die Spieler des Spiels darstellen, modelliert.1Es gibt mindestens zwei Spieler, nämlich den Inspizierten und den Kontrolleur. Während der Inspizierte versucht, sich unentdeckt über Regeln oder Verträge hinwegzusetzen, wacht der Kontrolleur durch festgelegte Überwachungs­maßnahmen über deren Einhaltung. Mögliche Verstöße sollen mit möglichst großer Wahrscheinlichkeit entdeckt und gegebenenfalls geahndet werden2. Bei den jeweiligen Spielern kann es sich beispielsweise um einzelne Personen, Behörden, Organisationen oder Staaten handeln3. Die beiden Spieler haben bei Inspection Gamesjeweils nur zwei Aktionsmöglichkeiten. Der Inspizierte kann sich legal oder auch illegal verhalten. Der Inspektor hat die Wahl zwischen Durchführung oder Unterlassung einer Kontrolle.

Das Inspection Game wird zum Bereich der nichtkooperativen Spieltheorie gezählt und gehört dort zu den Diskoordinationsspielen. Einer der Spieler versucht, sich auf ein bestimmtes Verhalten zu koordinieren, während der andere Spieler bestrebt ist, diese Koordination zu verhindern.4

Als Vorläufer des Inspection Game gilt das Spiel „Matching Pennies“, in dem beide Spieler simultan Kopf oder Zahl ansagen müssen. Sind diese Ansagen identisch, gewinnt der erste Spieler eine Einheit des Guthabens des zweiten Spielers. Sind die Ansagen jedoch voneinander verschieden, so verhält es sich umgekehrt.5Es ist offensichtlich, dass es kein Gleichgewicht des Spiels in reinen Strategien gibt. Sind die beiden Ansagen identisch, so hat Spieler zwei einen Anreiz, seine Ansage zu verändern. Spieler eins hat diesen Anreiz hingegen, falls die Ansagen beider Spieler verschieden sind.6Diese Eigenschaft, dass es im Allgemeinen kein Gleichgewicht in reinen Strategien gibt, ist typisch för das Spiel „Matching Pennies“ und die Varianten des Inspection Games.

Das Gleichgewicht und damit die Lösung des Spiels für eine optimale Strategienwahl der beiden Spieler, findet sich meist in gemischten Strategien durch die Methode des Nash-Gleichgewichtes. Eine Strategie Ps ist dann eine Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Aktionsmöglichkeiten As des s-ten Spielers. Die Strategie ordnet demnach jeder möglichen Aktion ast eine positive Wahrscheinlichkeit pst zu. Die Wahrscheinlichkeiten über die zur Auswahl stehenden Aktionen addieren sich zu eins, 'LtPs.t (as,t) = 1.7Dabei ist eine reine Strategie ein Sonderfall, in dem genau eine der Aktionen sicher gewählt wird. Das Nash-Gleichgewicht besagt, dass kein Spieler seine Auszahlung durch ein einseitiges Abweichen von seiner Gleichgewichtsstrategie verbessern kann. Die Gleichgewichtsstrategie jedes Spielers ist eine beste Antwort auf die jeweiligen Strategien der anderen Spieler8. Formal ist das Nash-Gleichgewicht σ* = {P* ..., Ps*,..., P^*} über die Bedingung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(2.1)

für alle Spieler s definiert.9

In den betrachteten Modellen wird die Wahrscheinlichkeit für legales Verhalten des Inspizierten mit pi dargestellt. Die Wahrscheinlichkeit für die Durchführung einer Kontrolle wird mit pk bezeichnet. Dabei geben p* und p* die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten im Nash-Gleichgewicht an. Bei den Auszahlungen der Spieler ist Vi die Auszahlung für den Inspizierten und Vk die Auszahlung für den Kontrolleur. Die Kennzeichnung der Auszahlungen im Nash-Gleichgewicht erfolgt analog zu den Wahrscheinlichkeiten und entspricht Vi* und V**.

Wie durch die in Abschnitt 1.3 beschriebenen Modelle bereits erkennbar ist, bietet sich für das Inspection Game ein sehr großes Anwendungsfeld in verschiedenen Gebieten. Avenhaus et al. heben dabei insbesondere vier verschiedene Anwendungsgebiete und Einordnungsmöglichkeiten för die verschiedenen Modelle hervor.10Das größte und älteste Anwendungsgebiet mit den meisten Veröffentlichungen ist das der Rüstungskontrolle und Abrüstungsverträge. Es lassen sich hierbei drei nacheinander folgende Phasen unterscheiden. Die erste Phase bis 1967, der auch das ursprüngliche Modell von Dresher entstammt, beschäftigt sich mit Modellen zur Kontrolle von verbotenen Atomwaffentests. Daran schloss sich bis 1985 eine Phase an, die unter dem Einfluss des Nicht-Verbreitungs-Vertrages von Atomwaffen stand und auf die Überwachung von spaltbaren Materialien durch die Internationale-Atomenergie­Organisation fokussiert war. Die letzte, bis heute anhaltende Phase, begann nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Hauptgegenstand der spieltheoretischen Analyse in dieser Phase sind verschiedene Abrüstungs­abkommen.11Zu dem zweiten Anwendungsgebiet gehören Modelle, die sich mit wirtschaftlichen Konfliktsituationen befassen. Es finden sich Modelle über Konflikte in den Bereichen Materialwirtschaft, Bilanzierung, Rechnungsprüfung oder Versicherungen12. Viele dieser Konflikte haben eine große Ähnlichkeit mit dem Prinzipal-Agent-Problem13. Die vorgestellten Modelle von Borch, Avenhaus, Biermann und Fandel/Trockel lassen sich diesem Anwendungsgebiet zuordnen. Ein weiteres Anwendungsgebiet von Inspection Games liegt im Bereich des Umweltschutzes. Hier erfolgt die Spielgestaltung zwischen einem Unternehmen, welches Emissionen in die Umwelt einleitet, und einer entsprechenden Überwachungsbehörde.14Das vierte Anwendungsgebiet bezeichnen Avenhaus et al. mit „Miscellanous models“15, worunter sie sämtliche anderen Themengebiete subsumieren. Tatsächlich sind jedoch der größte Teil dieser diversen Modelle Schmugglerspiele zwischen einer Exekutivbehörde und einem Schmuggler oder Spion, die eine entsprechende Anwendung hinsichtlich der Verbrechensbekämpfung ermöglichen. Diesem Anwendungsgebiet lassen sich auch die präsentierten Modelle von Thomas/Nisgav, Baston/Bostock und Fergusaon/Melolidakis zuordnen.16

3 Darstellung ausgewählter Modelle des Inspection Games

In diesem Kapitel werden die ausgewählten Modelle des Inspection Games dargestellt. Dabei wird zwischen rekursiven und nicht rekursiven Spielen unterschieden.

3.1 Rekursive Spiele

Das wesentliche Merkmal der rekursiven Spiele ist der zeitliche Ablauf. Ein Spiel kann in mehreren, aufeinander basierenden, Runden ablaufen. Dabei entscheiden die beteiligten Spieler immer simultan über ihre Strategie für die aktuelle Spielrunde. Die Entscheidung eines Spielers für eine bestimmte Aktionsmöglichkeit beeinflusst die Strategien und erwarteten Auszahlungen in den folgenden Runden. Das Spiel endet nach Ablauf einer gewissen, den Spielern bekannten, Zeitspanne oder ebenfalls in Abhängigkeit der getroffenen Entscheidungen.

3.1.1 Modell von Dresher

Dresher hat 1962 ein Inspection Game formuliert, in dem die Kontrolle mittels stichprobenhafter Überprüfungen von Waffenkontrollvereinbarungen thematisiert wird. Vor dem geschichtlichen Hintergrund des Kalten Krieges kamen Waffenkontroll- und später Abrüstungsabkommen eine große Bedeutung zu. Diese Abkommen wurden in der Regel von Waffenkontrollorganisationen durch stichprobenhafte Inspektionen vor Ort überwacht. Es ist anzunehmen, dass eine Partei, die einem derartigen Abkommen zugestimmt hat, dennoch einen Anreiz hat, das entsprechende Abkommen zu verletzen, um dadurch einen strategischen Vorteil zu erlangen. Diese Situation formuliert Dresher als ein Nullsummenspiel zwischen einem Kontrolleur und einem Inspizierten. In einem Nullsummenspiel entsprechen mögliche Payoffs des einen Spielers den negierten Payoffs des anderen Spielers.17

Dresher geht dabei von folgenden Annahmen aus:

- Innerhalb einer gewissen Zeitperiode gibt es n Situationen, in denen der Inspizierte den Vertrag einmal verletzen kann18.
- Dem Kontrolleur ist es nur möglich, eine begrenzte Anzahl von m Stichprobenkontrollen durchzuführen.
- Die Anzahl der verfügbaren Kontrollmöglichkeiten entspricht höchstens der Anzahl an Situationen, in denen der Inspizierte den Vertrag verletzen kann, d.h. m < n .
- Führt der Kontrolleur eine Kontrolle durch und findet eine Vertragsverletzung statt, so wird er diese sicher entdecken.
- Beide Spieler haben vollständige Informationen über m und n. Das heißt, ihnen sind sowohl die Anzahl restlicher Möglichkeiten für eine Vertragsverletzung als auch die Anzahl der noch möglichen Kontrollen bekannt.
- Das Spiel endet, sobald der Inspizierte sich illegal verhalten hat oder es keine weiteren Möglichkeiten für illegales Verhalten mehr gibt (n = 0). Im ersten Fall bleibt das illegale Verhalten entweder unentdeckt, dann erhält der Inspizierte einen positiven Payoff und der Kontrolleur einen negativen, oder der Kontrolleur führt in diesem Spielzug eine Kontrolle durch und entdeckt das illegale Verhalten mit entsprechend invertierter Auszahlung.19Findet in der laufenden Spielrunde keine Vertragsverletzung statt, so kommt es zu einer weiteren Spielrunde mit einem identischen Teilspiel, jedoch reduzierten n und gegebenenfalls auch m.

Der Spielbaum in Abbildung 3.1 repräsentiert das Inspection Game nach Dresher. Die Auszahlungen an den Endknoten repräsentieren die Auszahlungen des Kontrolleurs.

Die Strategien des inspizierten Spielers bestehen aus der Einhaltung des Vertrages (l), also legalem Verhalten oder der Verletzung des Vertrages (nl). Der Kontrolleur wiederum kann sich entscheiden, ob er eine Stichprobenkontrolle durchführt (k) oder die Kontrolle unterlässt (nk).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.2: Bi-Matrix Modell Dresher

Verhält sich der Inspizierte illegal, so endet das Spiel bei der Durchführung einer Kontrolle mit einer positiven Auszahlung von Vk(m,n) = 1 für den Kontrolleur und einer negativen Auszahlung von Vi(m, n) = —1 für den Inspizierten. Führt der Kontrolleur keine Kontrolle durch, so sind die Auszahlungen entsprechend umgekehrt Vk(m,n) = —1 und Vi(m,n) = 1. Verhält sich der Inspizierte legal, so sind die erwarteten Auszahlungen für die beiden Spieler abhängig von den noch verfügbaren Kontrollen und den ausstehenden Situationen, in denen eine Vertragsverletzung stattfinden kann, sowie den Reaktionen der Spieler in den nachfolgenden Runden. Für den Fall, dass der Kontrolleur keine Kontrolle durchführt, ergeben sich die erwarteten Auszahlungen als Funktionen Vk(m,n) = Vk(m,n — 1) und Vi(m,n) = Vi(m,n — 1) und für den Fall, dass eine Kontrolle durchgeführt wird zu Vk(m, n) = Vk(m — 1, n — 1) und Vi(m, n) = Vi(m — 1,n — 1).

Für den Kontrolleur ergibt sich die folgende Präferenzreihenfolge für die möglichen Auszahlungen aus der Bi-Matrix

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3.1)

da es för ihn garantiert vorteilhafter ist, mehr Kontrollen bei gleicher maximal verbleibender Anzahl an Spielrunden n — 1 zur Verfügung zu haben20.

Für den Inspizierten gilt wegen des Nullsummenspiels die umgekehrte Präferenz für die folgende Spielrunde

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3.2)

da es für ihn vorteilhafter ist, wenn der Kontrolleur eine seiner Kontrollen erfolglos eingesetzt hat.

Des Weiteren ergibt sich aus den Regeln für die Auszahlung bei Ende des Spiels ohne illegales Verhalten V(m, 0) = 0. Dieses Ergebnis gilt auch für den Fall, dass die Anzahl der Inspektionen identisch mit der Anzahl der Situationen ist, in denen eine Vertragsverletzung stattfinden könnte, V(m,n) = 0 fürm = n > 0, denn in diesem konkreten Fall steht dem Kontrolleur für jede Situation eine Kontrolle zu, die er auch einsetzten wird, so dass der Inspizierte sich vernünftigerweise legal verhalten wird. Für den Fall, dass der Kontrolleur bereits alle ihm zustehenden Inspektionen durchgeführt hat, aber noch Möglichkeiten zur Vertragsverletzung bestehen, ergeben sich die Auszahlungen zu Vk(0, n) = — 1 und Vi(0,n) = 1 für n>1, da der Inspizierte die Möglichkeit hat, den Vertrag zu verletzen und mit Sicherheit nicht entdeckt wird21.

Der Wert des Spiels beträgt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3.3)

dieser Wert gibt die Auszahlungen der Spieler im Nash-Gleichgewicht an22. Dieser Ausdruck kann auch auf eine nicht rekursive Art mittels der Formel

berechnet werden.23

Für den Kontrolleur ergibt sich eine erwartete Auszahlung von V£(m,n) = V*(m, n). Für den Inspizierten gilt wegen des Nullsummenspiels weiterhin, dass er die entsprechend invertierte Auszahlung des Kontrolleurs V¿*(m, n) = —Vk (m, n) erhält.

Als Strategievektoren im Gleichgewicht ergeben sich fürn>m

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3-5)

für den Kontrolleur und

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3-6)

für den Inspizierten24.

Folglich beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Kontrolle im Gleichgewicht während der Spielrunde V (m, n) nach Dresher

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.7)

beziehungsweise durch einsetzen von Formel (3.3) in (3.7) für V(m, n) erhält man die durch von Stengel verwendete Darstellung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3.8) 25

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Inspizierte verhält sich im Gleichgewicht mit einer Wahrscheinlichkeit von

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3.9)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3.10)

V(m,n-l) - V(m-l,n-l)+2’

Die för den Kontrolleur in diesem Modell maximal mögliche erwartete Auszahlung beträgt Vk(m,n) = 0, da sich der Inspizierte bei einer för den Kontrolleur theoretisch höheren Auszahlungserwartung legal verhalten wird, um eigene Verluste zu vermeiden.26

Im Anschluss an das vorgestellte Modell diskutiert Dresher einige Spezialfälle von Erweiterungen bzw. Modifikationen seines Modells. So diskutiert er eine Verallgemeinerung des Payoffs (Bk) für den Kontrolleur bei Kontrolle und illegalem Verhalten des Inspizierten für die Spezialfälle, dass lediglich eine Kontrolle m = l verfügbar ist oder die Auszahlung für den Kontrolleur bei Kontrolle und illegalem Verhalten Bk = 0 beträgt27. In einer weiteren Abwandlung des Modells besteht für den Inspizierten die Möglichkeit in jeder Situation eine Vertragsverletzung zu begehen und sich illegal zu verhalten. Dieses Spiel endet bei Entdeckung einer Vertragsverletzung durch eine Kontrolle28.

Dreshers Modell stellt eine grundlegende Arbeit der Spieltheorie dar, auf die viele Erweiterungen und Modelle anderer Autoren aufbauen. So werden auch Dreshers eigene Modifikationen von anderen Autoren tiefergehend diskutiert. 29Die rekursive Formulierung des Inspection Games eröffnet einen zeitlichen Horizont, der für viele praxisnahe Problemformulierungen benötigt wird. Auf diese Weise ist es möglich, das Kontrolldesign bei Verträgen mit langen Laufzeiten und mehreren Inspektionsmöglichkeiten wie beispielsweise Waffenkontrollabkommen, theoretisch zu fundieren.

3.1.2 Modell von Thomas/Nisgav

Thomas/Nisgav modellieren 1976 die Situation zwischen einem Schmuggler und einer Patrouilleneinheit als Inspection Game. Dabei wird die optimale Entsendung von

Patrouillenbooten zur Gefangennahme eines Schmugglers, der innerhalb einer gewissen Zeitspanne sein Schmuggelgut über eine langgezogene enge Meeresstraße in Sicherheit bringen muss, diskutiert.30

Die Autoren modellieren das Spiel zuerst als Nullsummenspiel zwischen einem Schmuggler und einer Patrouilleneinheit, die ein Motorboot zur Verfügung hat, bevor sie dann den Fall, dass gegebenenfalls mehrere Boote eingesetzt werden können, betrachten.

Thomas/Nisgav legen ihrem Modell folgende Annahmen zu Grunde:

- Innerhalb einer gewissen Zeitperiode gibt es n Situationen, in denen der Schmuggler die Meeresstraße überqueren kann.
- Der Schmuggler muss innerhalb dieser Zeitperiode einen Überquerungsversuch wagen, da es sich um vergängliches Schmuggelgut handelt und er später keinen Profit mehr daraus ziehen kann. Dies könnte beispielsweise bei gestohlenen, geheimen Informationen der Fall sein.
- Die Ressourcen der Patrouilleneinheit sind begrenzt, das Patrouillenboot kann nur m mal eingesetzt werden.
- Die Anzahl der verfügbaren Kontrollmöglichkeiten durch das Patrouillenboot ist geringer oder gleich der Anzahl möglicher Situationen, in denen der Schmuggler einen Fluchtversuch unternehmen kann, d.h. m < n .
- Mit der konstanten Wahrscheinlichkeit Bk entdeckt eine durchgeführte Patrouille einen unternommenen Schmuggelversuch. Diese Wahrscheinlichkeit
nimmt direkten Einfluss auf die Auszahlung31.
- Das Patrouillenboot ist schneller als das Boot des Schmugglers, so dass bei Entdecken des Schmugglers dieser mit Sicherheit durch das Patrouillenboot eingeholt und gefangen wird.
- Beide Spieler haben vollständige Informationen über m und n. Das heißt, ihnen sind sowohl die Anzahl restlicher Möglichkeiten für eine erfolgreiche Meeresstraßenüberquerung des Schmugglers als auch die Anzahl der noch möglichen Kontrollbootentsendungen bekannt.
- Das Spiel endet, sobald der Schmuggler einen Fluchtversuch unternommen hat. Ist der Fluchtversuch erfolgreich, so erhält der Schmuggler eine positive Auszahlung und die Patrouilleneinheit eine negative. Ist der Fluchtversuch aufgrund einer Kontrolle nicht erfolgreich, so ergibt sich ein positiver Payoff für die Patrouilleneinheit. Wird in der laufenden Spielrunde kein Schmuggelversuch unternommen, so kommt es bei n>0 zu einer weiteren Spielrunde mit einem identischen Teilspieljedoch reduzierten n und gegebenenfalls auch m.

[...]


1Vgl. Rinderte, K. (1996): S. 1.

2Vgl.Rinderle, K.(1996):S. 1.

3Vgl.Rinderle, K.(1996):S. 1.

4Vgl. Rieck, C. (1993): S. 53-54.

5Vgl. Fudenberg, D; Tirole, J. (2007): S. 16-17.

6Vgl. Fudenberg, D; Tirole, J. (2007): S. 16.

7Vgl. Jost, P.-J. (2001): S. 52.

8Vgl. Rieck, C. (1993): S. 25.

9Vgl. Fudenberg, D; Tirole, J. (2007): S. 11.

10Vgl. Avenhaus, R; von Stengel, B; Zamir, S. (2002): S. 1950-1956.

11Vgl. Rinderle, K. (1996): S. 2-3.

12Für die Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen der Spieltheorie in einzelnen betriebswirtschaftlichen Gebieten siehe auch Jost, P.-J. (2001).

13Der Prinzipal betätigt sich zur Erfüllung einer Aufgabe oder einer Arbeit eines Agenten und gibt eine seinen Nutzen maximierende Auszahlungsfunktion vor. Der Agent passt seine Handlungsweise zur Erfüllung der Aufgaben in Abhängigkeit von der vorgegebenen Auszahlungsfunktion, die seine Entlohnung darstellt, zu seiner eigenen Nutzenmaximierung an. Das Prinzipal-Agent-Problem zeichnet sich durch eine asymmetrische Informationsverteilung aus, da der Prinzipal die Handlungsweisen des Agenten nur bedingt beurteilen kann.

14Vgl. Rinderle, K. (1996): S. 4.

15Avenhaus, R; von Stengel, B; Zamir, S. (2002): S. 1955.

16Vgl. Avenhaus, R; von Stengel, B; Zamir, S. (2002): S. 1956.

17Vgl. Dresher, M (1962): S. III-V.

18Die Annahme, dass der Inspizierte den Vertrag nur einmal in der betrachteten Zeit verletzen kann, wird unter anderen bei Ferguson/Melolidakis oder bei von Stengel modifiziert, so dass ein Spiel entsteht, in dem mehrere Vertragsverletzungen möglich sind (vgl. Ferguson, S.; Melolidakis, C. (1998) und von Stengel, B. (1991)).

19Eine Modifikation dieses Modells als Nicht-Nullsummenspiel mit der Annahme, das illegales Verhalten für beide Spieler zu einer negativen Auszahlung führt und somit auch für den Kontrolleur bei Durchführung einer Kontrolle nicht wünschenswert ist, findet sich bei Avenhaus und von Stengel, siehe auch Abschnitt 3.1.5 (vgl. Avenhaus, R, von Stengel, B. (1991)).

20Vgl. Dresher, M (1962): S. 6.

21Vgl. Dresher, M (1962): S. 5.

22Vgl. Dresher, M (1962): S. 6.

23Vgl. Dresher, M (1962): S. 11.

24Vgl. Dresher, M (1962): S. 6.

25Vgl. von Stengel, B. (1991): S. 6.

26Vgl. Dresher, M (1962): S. 7.

27Vgl. Dresher, M (1962): S. 18-20.

28Vgl. Dresher, M (1962): S. 20-22.

29 Siehe hierzu die nachfolgend dargestellten Modelle und Erweiterungen oder beispielsweise von Stengel (1991).

30Vgl. Thomas, U.; Nisgav, Y. (1976): S. 297.

31Da die Wahrscheinlichkeit für die Entdeckung eines Schmuggelversuchs direkten Einfluss auf die Auszahlung hat, entspricht dies einem Bonus für die Patrouilleneinheit, der ebenfalls mit Bk dargestellt wird. Ein Vergleich mit den Boni der anderen Modelle istjedoch nicht möglich, da Bk in diesem Modell aufgrund der gleichzeitigen Funktion als Wahrscheinlichkeitsangabe maximal eins werden kann.

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Inspection Game - Eine ökonomische Analyse
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
78
Katalognummer
V203050
ISBN (eBook)
9783656320043
ISBN (Buch)
9783656324171
Dateigröße
721 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
inspection, game, eine, analyse
Arbeit zitieren
Torsten Giermann (Autor:in), 2011, Inspection Game - Eine ökonomische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203050

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