Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I.) Einleitung
II.) Die Bedeutung der Einbildungskraft in der Kritik der reinen Vernunft - ausgehend von der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe
II.1.) Die Kritik der reinen Vernunft im Allgemeinen
II.2.) Das Deduktionskapitel und die zwei Erkenntnisvermögen
II.3.) Die Deduktion und die Einbildungskraft
III.) Martin Heideggers Wurzelthese
III.1.) Die transzendentale Einbildungskraft als drittes Grundvermögen und Wurzel der beiden Stämme
III.2.) Die transzendentale Einbildungskraft und die reine Anschauung
III.3.) Die transzendentale Einbildungskraft und die theoretische Vernunft
IV.) Vergleichende Darstellung - Eine Zurückweisung der Wurzelthese
IV.1.) Zurückweisung der Wurzelthese durch die Form der Einbildungskraft selbst
IV.2.) Die Wurzelfrage im Allgemeinen
V.) Abschließende Betrachtung
Literaturverzeichnis
Eberhard-Karls-Universität Tübingen Philosophisches Seminar
PS: Texte zur Einbildungskraft
Teilnehmerin: Anna-Vanadis Faix
Bachelor Hauptfach: Philosophie, Nebenfach: VWL Sommersemester 2010 (Semesterzahl:2)
Analyse der Einbildungskraft in Kants Kritik der reinen Vernunft Ausgehend von Heideggers Interpretation der Wurzelthese
I.) Einleitung
„Ein Werk ragt unter den Gründungsschriften der modernen Philosophie so weit heraus, daß es >die< Grundlegung bedeutet: Kants Kritik der reinen Vernunft, nach Schopenhauer >das wichtigste Buch, das jemals in Europa geschrieben worden [ist]<.“1
Dies schreibt Otfried Höffe (indem er Schopenhauer zitiert) in seinem Buch über die „Kritik der reinen Vernunft“ und in der Tat hat dieses Werk Kants die Philosophie bis heute nachhaltig verändert und geprägt. Es gibt bis heute unzählige Interpretationen zu diesem Werk Kants und eine der davon bekanntesten und hart umstrittensten, ist die von Martin Heidegger. Martin Heidegger stellt in seinem Kantbuch „Kant und das Problem der Metaphysik“ die Einbildungskraft Kants stark in den Vordergrund und deklariert sie als die Wurzel der reinen Anschauung und des reinen Denkens. Die Funktion und Interpretation der Einbildungskraft bei Kant selber wird kontrovers diskutiert und gilt als „dunkel“, vor allem da Kant diese in der A-Auflage der „Kritik der reinen Vernunft“ behandelt, sie jedoch in der B-Auflage weitestgehend außen vor lässt.
Die Hausarbeit will sich mit dem Thema der Einbildungskraft bei Kant näher auseinandersetzten und eine bessere Einsicht in die Thematik vermitteln, weshalb sie sich auch vor allem auf die A- Auflage der Kritik der reinen Vernunft stützt. Zur genaueren Analyse der Einbildungskraft wird zuerst der Schwerpunkt auf das Deduktionskapitel Kants in der „Kritik der reinen Vernunft“ gelegt, in dem sie vor allem behandelt wird. Danach soll die Interpretation Martin Heideggers zur Einbildungskraft in der Kritik der reinen Vernunft näher beleuchtet werden, um genauer aufzeigen zu können, wie wichtig oder unwichtig die Einbildungskraft bei Kant ist. Heidegger geht hier von einer Anspielung Kants aus, dass die beiden Erkenntnisstämme die reine Anschauung und das reine Denken eine gemeinsame unbekannte Wurzel haben. Und er will dafür argumentieren, dass diese Wurzel in der Einbildungskraft anzutreffen ist und nur durch diese Interpretation der „Kritik der reinen Vernunft“ Kants Werk richtig zu deuten ist. Es soll gezeigt werden, dass Heideggers Wurzelthese bezüglich der Einbildungskraft anhand des Ursprungstextes von Kant zurückzuweisen ist und dabei soll die eigentliche Funktion der Einbildungskraft näher ins Auge gefasst werden. Der hierbei vorgenommene Zurückweisungsversuch bezieht sich vor allem auf die kritische Stelle, in der Heidegger die theoretische Vernunft auf die transzendentale Einbildungskraft zurückführen will.
Um die Funktion der Einbildungskraft in ihrem Kontext genau zu verstehen, soll damit begonnen werden erst die Kritik der Vernunft im allgemeinen in groben Zügen darzulegen, um dann anschließend auf das Deduktionskapitel und die Funktion der Einbildungskraft darin einzugehen. Darauf soll erst Martin Heideggers Wurzelthese zur Einbildungskraft in der „Kritik der reinen Vernunft“ vorgestellt werden, um dann die Fehler dieser Interpretation aufzuzeigen und die Einbildungskraft im Allgemeinen genau abgrenzen zu können.
II.) Die Bedeutung der Einbildungskraft in der Kritik der reinen Vernunft - ausgehend von der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe
„Wir haben also eine reine Einbildungskraft, als ein Grundvermögen der menschlichen Seele, das aller Erkenntnis a priori zu Grunde liegt.“2
Um die Einbildungskraft bei Kant näher untersuchen zu können, werden zuerst im kurzen die allgemeinen Ziele der „Kritik der reinen Vernunft“ erörtert, um dann die Einbildungskraft in diesem Zusammenhang besser einbetten zu können. Diese Grundlage ist für die vorgenommene Betrachtung von großer Wichtigkeit, denn um die Einbildungskraft besser zu verstehen, sollte begreiflich sein, wie Kant überhaupt zu dieser gelangt und welches eigentliche Ziel dahinter steht.
II.1.) Die Kritik der reinen Vernunft im Allgemeinen
In der Kritik der reinen Vernunft stellt Kant sich die Frage, ob Metaphysik überhaupt als Wissenschaft möglich ist. Dies entwickelt Kant in der „Kritik der reinen Vernunft“ erst im Bezug auf die Vernunft als Erkenntnisvermögen (die theoretische Vernunft) im Unterschied zur praktischen Vernunft, welche das Vermögen zu wollen darstellt.3 Kant beschreibt hierzu in seiner Vorrede die tragische Lage, in welcher sich die menschliche Vernunft befindet und welche überhaupt erst die Kritik an sich notwendig macht. Denn die Metaphysik erscheint zum einen als notwendig und zum anderen als unmöglich, denn der Vernunft drängen sich Fragen auf, die sie weder von der Hand weisen, noch beantworten kann.
„Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“4
Die Fragen lassen sich nicht abweisen, da die Vernunft angesichts der Mannigfaltigkeit von Beobachtungen und Erfahrungen nach allgemeinen Grundsätzen handelt und so versucht ein strukturiertes Ganzes bzw. eine Einheit zu finden. Die Metaphysik will das Fragen hier vollständig bis zum Ende durchhalten und dies vollendet sich erst bei letzten, also unbedingten Grundsätzen. Wenn die Vernunft jedoch durch Erfahrung bedingt ist, findet sie nur Bedingtes, kein Unbedingtes und somit scheint die letzte Grundlage der Erfahrung jenseits aller Erfahrung zu liegen.5 Der Versuch unabhängig von aller Erfahrung Erkenntnis zu gewinnen, stützt sich so auf die Vernunft. Man fällt jedoch immer wieder in metaphysische Behauptungen und Aussagen zurück, weshalb sich die Metaphysik auch nicht von der Hand weisen lässt. Kant schlägt hier nun einen neuen Weg ein, um die Metaphysik aus dieser Situation befreien zu können, indem er einen Gerichtshof erstellt und durch einen Prozess die Möglichkeit einer reinen Vernunftserkenntnis unparteiisch prüft.6 Da hierbei die erfahrungsunabhängige Erkenntnis ihren Grund nicht in der Erfahrung haben kann, muss durch die reine Vernunft selbst eine Prüfung vorgenommen werden, weshalb die „Kritik der reinen Vernunft“ eine Selbstprüfung der reinen bzw. erfahrungsunabhängigen Vernunft darstellt. Dieses Vorgehen bezüglich der Erfahrungsunabhängigkeit bezeichnet bzw. begründet Kants philosophische Grundwissenschaft, die Transzendentalphilosophie.
Kant will nun die Metaphysik auf den sicheren Gang der Wissenschaft führen und dies ist nur durch zweckmäßiges Vorgehen möglich. Der Metaphysik fehlt jedoch allgemein eine Methode und die „Kritik der reinen Vernunft“ soll diese begründen. Um eine Wissenschaft zu werden, muss sie jedoch nach eignen Begriffen a priori konstruiert sein. Denn, man begreift nach Kant, „daß die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurfe hervorbringt, daß sie mit Prinzipien ist diese Aspekte der Vernunft bezüglich einer Betrachtung der Kritik der reinen Vernunft, welche eigentlich Kritik der reinen theoretischen oder spekulativen Vernunft heißen könnte, zu trennen. ihrer Urteile nach beständigen Gesetzten vorangehen […].“7
Nach Kant ist die Metaphysik als Wissenschaft jedoch nur durch seine „kopernikanische Wende“8 möglich, die besagt, dass die Erfahrung sich nicht nach den Gegenständen richtet, sondern die Gegenstände sich nach unserer Erfahrung richten. Ohne diese „Wende“ gingen bisher „alle Versuche über [Metaphysik] a priori etwas durch Begriffe auszumachen, wodurch unsere Erkenntnis erweitert würde, […] unter dieser Voraussetzung zu Nichte.“9 Hierzu trennt Kant scharf zwischen Erscheinungen, welche die Gegenstände in unserer Erfahrung darstellen und den Dingen an sich, über die wir überhaupt nichts aussagen können. Im groben nimmt ein erkennendes Wesen vor der Erfahrung die Mannigfaltigkeit der Dinge an sich10 auf, ordnet diese nach den reinen Verstandesbegriffen und erkennt sie dann in der Erfahrung als Erscheinungen.11
Im näheren erläutert Kant die spezielle Wissensart der Metaphysik, welche die reine Vernunftserkenntnis darstellt durch eine genauere Einteilung. Denn Erkenntnisse können entweder a priori oder a posteriori sein und Urteile entweder synthetisch oder analytisch. Damit die Metaphysik nun im erläuterten Kontext eine Wissenschaft darstellen kann, muss es analytische Urteile a priori geben, also Urteile die der Erkenntnis etwas neues hinzufügen, dass vor aller Erfahrung liegt. Ansonsten ist das Gebiet das die Metaphysik betrifft leer bzw. es kann nichts darüber ausgesagt werden.
Um diese Bedingungen für die Möglichkeit der Metaphysik zu konstruieren, muss Kant vor allem aufzeigen, wie Erkenntnis funktioniert. Dabei ist es von großer Wichtigkeit, dass die Erkenntnis sich nicht nach den Gegenständen richtet, sondern der „Prozess“ hier andersherum abläuft. Hierzu ist das Deduktionskapitel ein wichtiger Bestanteil, denn es analysiert die einzelnen Vermögen und Bedingungen, welche die Erkenntnis überhaupt erst möglich machen. Zentral ist es also im nächsten Schritt ungefähr die Ziele des Deduktionskapitels hervorzuheben und dabei die wichtigsten Bestandteile, die zwei Erkenntnisstämme kurz zu erläutern, bevor dann die Einbildungskraft als ihr Verbindungsstück im Deduktionszusammenhang eingegliedert wird.
II.2.) Das Deduktionskapitel und die zwei Erkenntnisvermögen
Die Einbildungskraft spielt nun vor allem eine wichtige Rolle im Deduktionskapitel der „Kritik der reinen Vernunft“, in dem Kant die Existenz der Begriffe, die einen reinen Gebrauch a priori zulassen, bestimmt. Die Befugnis dieser bedarf bzw. benötigt, nach Kant, jederzeit eine Deduktion12, weil für diese Begriffe ein Beweis aus der Erfahrung nicht hinreichend wäre, aber dennoch ein Wissen darüber notwendig ist.
Die Frage die hier gestellt wird ist also: Wie beziehen sich diese Begriffe auf ein Objekt. Die Erklärung hierzu findet sich nach Kant in der transzendentalen Deduktion der Begriffe a priori.13 Eine transzendentale Deduktion zeigt zwei Begriffe verschiedener Art, die aber darin übereinstimmen, dass sie sich völlig a priori auf Gegenstände beziehen. Diese zwei Begriffe sind der Begriff des Raumes und der Begriff der Zeit.14 Eine empirische Deduktion wäre an dieser Stelle nicht möglich, denn wenn die Deduktion der Begriffe nötig ist, muss es sich bei ihrer Betrachtung immer um eine transzendentale Deduktion handeln. Die Deduktion der reinen Verstandesbegriffe a priori muss hierbei, wie schon angesprochen, von der Erfahrung ganz unabhängig sein.15
Kants Ziel ist es die Kategorien als reine Verstandesbegriffe in ihrem Gebrauch zu rechtfertigen16 und durch die Ableitung dieser reinen Verstandesbegriffe aus dem Verstand soll eine Rechtfertigung der reinen Begriffe geleistet werden. Darüber hinaus sollen die Bedingungen der möglichen Erkenntnis dieser Begriffe gerechtfertigt werden. Bevor eine nähere Betrachtung der Einbildungskraft in diesem Zusammenhang möglich wird, ist es kurz notwendig die zwei Erkenntnisstämme gesondert anzusprechen von denen Kant grundlegend ausgeht und die im Deduktionskapitel und für das Verständnis der Einbildungskraft von enormer Wichtigkeit sind. Kant unterscheidet das untere vom oberen Erkenntnisvermögen, die Sinnlichkeit vom Verstand (Vernunft). Das obere Erkenntnisvermögen bezeichnet so gesehen in einem weit gefassten Sinn den Verstand („Begriffe“) und in die Urteilskraft („Urteile“)17 und die Vernunft („Schlüsse“).18 Kant geht davon aus, dass die Erkenntnis dem Zusammenwirken von zwei Erkenntnisstämmen „entspringt/ hervorgeht“, welche die Sinnlichkeit und den Verstand bezeichnen. Beide Vermögen sind hierbei gleichberechtigt und aufeinander angewiesen.
Bezüglich der Sinnlichkeit, ist die unmittelbare Beziehung der Erkenntnis auf Gegenstände und Bezugspunkte des Denkens, die Anschauung. Die Anschauung erfasst ein einzelnes unmittelbar und zu ihr gehört, dass ein Gegenstand gegeben ist.
„Die einzige Möglichkeit, mit deren Hilfe dem Menschen Gegenstände gegeben werden, liegt in der rezeptiven Sinnlichkeit, der Fähigkeit des Gemüts, durch Gegenstände affiziert zu werden, weshalb wir sehen, schmecken und tasten können.“19
Somit ermöglicht alleine die rezeptive Sinnlichkeit dem Menschen Anschauung. In einem gewissen Sinne bildet die Sinnlichkeit das Erkenntnismaterial. Jedoch zeigt sie auch, dass der Mensch auf vorgegebenes angewiesen ist und nie wie Gott unendliche Vernunft besitzen kann. Dadurch ist der Mensch auf die Sinnlichkeit angewiesen, denn ohne die Sinne kann er nicht erkennen. Jedoch schafft das reine Hinnehmen von etwas gegebenen alleine noch keine Erkenntnis, denn in der Erkenntnis geht es nicht nur um das Hinnehmen, sondern auch um das Verarbeiten und hierzu benötigt man Begriffe, die das gegebene der Sinnlichkeit nach Regeln zusammenfasst und ordnet, also den Verstand. Zur Erkenntnis sind jedoch, wie bereits erwähnt beide Stämme notwendig, denn „ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben und ohne den Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe blind.“20
Der Begriff, der nun diese formale und objektive Bedingung der Erfahrung allgemein und zureichend ausdrückt, ist der reine Verstandesbegriff. Hat man diese reinen Verstandesbegriffe kann man einen Gegenstand erdenken, der in keiner Erfahrung gegeben werden kann. Die Begriffe, die a priori reines Denken bei jeder Erfahrung enthalten sind nach Kant an den Kategorien zu finden. Die Erkenntnis ist dabei unmöglich, wenn jede einzelne Vorstellung einer anderen ganz fremd oder gar isoliert wäre, da die Erkenntnis ein Ganzes vergleichender und verknüpfter Vorstellungen darstellt. Dem Sinn wird nach Kant nun die Synopsis beigelegt, weil in seiner Anschauung Mannigfaltiges enthalten ist. Dies führt zu dem Resultat, dass der Sinn jederzeit eine Synthesis korrespondiert und dabei kann die Rezeptivität nur in Verbindung mit Spontanität Erkenntnis möglich machen. Dies führt Kant zu dem Grund einer dreifachen Synthesis, welche notwendig in aller Erkenntnis vorkommen muss: die Apprehension der Vorstellung, die Reproduktion derselben in der Einbildungskraft und ihre Rekognition im Begriffe.21 Die Vorstellungen gehören nun als eine Modifikation des Gemütes zum inneren Sinn und so sind alle Erkenntnisse der formalen Bedingung des inneren Sinnes, der Zeit, unterworfen, weil in der Zeit müssen sie insgesamt geordnet und verknüpft werden. Denn jede Anschauung enthält Mannigfaltiges in sich und dieses würde nicht als ein solches vorgestellt werden, wenn das Gemüt diese nicht nach der Zeit unterscheiden würde. Damit aus diesem Mannigfaltigen nun eine Einheit der Anschauung werden kann, ist ein Zusammennehmen dessen nötig, welches der Handlung der Synthesis der Apprehension entspricht. Diese Synthesis muss a priori ausgerichtet werden, was zum Ergebnis einer reinen Synthesis der Apprehension führt.
Der Einbildungskraft kommt, wie bereits kurz angedeutet, eine weitere wichtige Rolle zu, indem sie in gewisser Weise diese zwei Erkenntnisstämme - den Verstand und die Anschauung - „zusammenführt“. Wie genau dies Kant im Deduktionskapitel erläutert, wird nun besprochen.
II.3.) Die Deduktion und die Einbildungskraft
„Es ist ein und dieselbe Spontanität, welche dort, unter dem Namen der Einbildungskraft, hier des Verstandes, Verbindung in das Mannigfaltige der Anschauung hineinbringt.“22
Die Analyse der Einbildungskraft beginnt nun vor allem im Deduktionskapitel im Abschnitt „Von der Synthesis der Reproduktion der Einbildungskraft“, welches nun als erstes betrachtet und dann in die Verknüpfung mit den folgenden Kapiteln übergeht. Hier geht Kant von der Fragestellung aus, wie nun eine der genannten Vorstellungen einen Übergang des Gemüts zu einer anderen hervorbringt. Dies erfolgt zuerst nach dem Gesetzt der Reproduktion, welches die Voraussetzung beinhaltet, dass die Erscheinung selbst wirklich einer solchen Regel der Verknüpfung unterworfen ist und das im Mannigfaltigen ihrer Vorstellungen eine Folge gewissen Regeln nach stattfindet. Hierbei geht Kant zunächst vom empirischen Gesetzt aus, nach dem sich die Vorstellungen „miteinander vergesellschaften“. Die Regel ist notwendig, da ohne diese die empirische Einbildungskraft niemals etwas zu tun bekommen würde. Also kann ohne Regel, denen die Erscheinungen schon selbst unterworfen sind, keine empirische Synthesis der Reproduktion stattfinden.23
Gesucht wird also etwas, was selbst die Reproduktion der Erscheinungen möglich macht und dadurch etwas, das einen Grund a priori einer notwendigen Synthesis der Einheit derselben ist. Wie bereits angesprochen, sind nun die Erscheinungen nicht die Dinge an sich selbst, sondern nach Kant „ das bloße Spiel unserer Vorstellungen […].“24
[...]
1 O.Höffe, Kants Kritik der reinen Vernunft, S.: 11, Z.: 1-4.
2 Kant, Kritik der reinen Vernunft, A124.
3 Die praktische Vernunft wird von Kant erst in der Kritik der praktischen Vernunft abgehandelt, weshalb es wichtig
4 Kant, Kritik der reinen Vernunft, AVII.
5 Das was die Metaphysik ausmacht, also das Übersteigen der Erfahrung ist somit zugleich der Grund der sie als Wissenschaft unmöglich zu machen scheint. Ihr eigenes Wesen stellt sich ihr sozusagen selbst in den Weg.
6 Die Prüfung bezeichnet hier die Kritik, weshalb die Kritik der reinen Vernunft eine Prüfung der reinen Vernunft nach Kants Verständnis benennt.
7 Kant, Kritik der reinen Vernunft, BXIII.
8 Diese Bezeichnung Kants geht auf Kopernikus zurück, „der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelbewegung nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sterne drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe ließ.“ (Kant, Kritik der reinen Vernunft, BXVI).
9 Kant, Kritik der reinen Vernunft, BXVI.
10 Dies ist nicht genau formuliert, denn eigentlich können wir von den Dingen an sich nichts wahrnehmen, sondern hierbei immer nur von Erscheinungen sprechen, jedoch kommt das Mannigfaltige aus dieser Quelle.
11 Dies stellt vorerst eine grobe Zusammenfassung dar, auf welche im folgenden erst näher eingegangen wird, um die Einbildungskraft in diesen Prozess gleich miteinbeziehen zu können.
12 Den Begriff der Deduktion bestimmt Kant durch eine Unterscheidung von zwei Fragen im Rechtshandel. Zum einen die Frage über das, was Rechtens ist (quid juris) und zum anderen die, die die Tatsache angeht (quid facti). Von beiden wird nach Kant ein Beweis gefordert. Die erste soll die Befugnis oder den Rechtsanspruch dartun und bezeichnet die Deduktion. Dies erfordert jedoch einen Beweis der objektiven Realität, also eine Darstellung des Rechtsgrundes. (Vgl. Kritik der reinen Vernunft, A84.)
13 Eine empirische Deduktion zeigt nach Kant die Art an, wie Begriffe sich durch Erfahrung und Reflexion erworben werden und dies betrifft das Faktum, weil sie dadurch dem Besitz entsprungen sind. (Vgl.: Kritik der reinen Vernunft, A85.)
14 Die Begriffe des Raumes und der Zeit wurden von Kant dadurch schon (durch die transzendentale Deduktion) zu ihren Quellen verfolgt und die objektive Gültigkeit a priori bestimmt und erklärt.
15 Vgl.: Kant, Kritik der reinen Vernunft, A84 - A87.
16 Das meint die Bedeutung des Wortes > Deduktion < (lat.: Ableitung).
17 Kant untersucht später die Urteilskraft als ein weiteres separates Erkenntnisvermögen, welches das Vermögen bezeichnet unter Regeln (Verstandesbegriffen) zu subsumieren.
18 Vgl.: Otfried Höffe, Immanuel Kant, S.74 - 75.
19 Otfried Höffe, Immanuel Kant, S.75, Zeile: 7 - 11.
20 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B75.
21 Dies gibt eine Leitung auf drei subjektive Erkenntnisquellen, welche den Verstand selbst und dadurch alle Erfahrung, als ein empirisches Produkt des Verstandes möglich machen. (Vgl.: Kant, Kritik der reinen Vernunft, A97).
22 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B162 (Fußnote 1).
23 Vgl.: Kant, Kritik der reinen Vernunft, A99 .
24 Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 101.