Feministische Essays: Drei Fragen an Simone de Beauvoir und Judith Butler


Essay, 2009

27 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Im Folgenden stehen dem/der LeserIn zwei Gedankenausflüge zur Verfügung, die auf vielleicht ganz unterschiedliche Weise inspirierend erscheinen könnten.

Ein Blick aus dem Fenster reicht aus, um zu begreifen: Auch heute, im Jahr 2009, besteht die Gesellschaft zur Hälfte aus Frauen und auch heute besteht die Frage der Geschlechter ebenso aktuell, wie vor Jahrhunderten. Auch wenn Frauen nicht mehr für ihre Bürgerrechte aufstehen müssen, wie Olympe de Gouges(1748-1793)es ihrerzeit tat, keine Grundsatzschriften zur Gleichstellung und Gleichberechtigung der Frau zu verfassen brauchen, wie Mary Wollstonecraft (1759-1797)ihren Vorstoß zu formulieren hatte oder die Teilnahme an dem politischen Tagesgeschäft zu erkämpfen haben, wie Louise Otto(1819-1895)es zu tun hatte, um nur einige Beispiele zu nennen[1], ist das Ziel der Gleichberechtigung noch nicht erreicht und steht mitunter vor denselben Problemen, die, zwar weiterentwickelt, dennoch nicht als erledigt betrachtet werden können. Auch wenn die modernen Feministinnen seit 1789 nach diesem Ziel streben, ist dieses bis heute nicht erreicht und in vielen Dingen der Mangel an Gleichberechtigung und somit die Existenz von sozial konstruierten Ungleichheiten zwischen Mann und Frau, aus denen ersterer zu resultieren scheint, nur allzu deutlich.

Rechtlich wird dies ebenso deutlich, wie gesellschaftlich: Frauen verdienen weniger als Männer und sind überwiegend auf dem zweiten Arbeitsmarkt tätig und dabei angehalten für die Erziehung der Nachkommen sorge zu tragen. Darüber hinaus gelten sie übereinstimmend als das ‚schwache Geschlecht‘, das Führung benötigt und diese nicht selbst autonom übernehmen könnte. Deshalb werden sie beispielsweise durch vorherrschende Hierarchiestrukturen vor zu viel Verantwortung in Firmen und Institutionen ebenso geschützt, wie vor einer zu großen Belastung ihrer körperlichen Kräfte, denn schließlich sind sie das ‚schöne Geschlecht‘, das bei allem unentbehrlich bleibt, um die Art zu reproduzieren und das erste Kind bleibt bei allem das schönste Erlebnis im Leben eines Mannes. Gerade weil aber ihre ökonomische und politische Partizipation an der Gesellschaft dabei notwendig bleibt, kann sie heute auch alle Bürgerrechte in Anspruch nehmen, sich darüber freuen vor dem Gesetz gleichgestellt zu sein und jedes politische Amt übernehmen, das sie zu übernehmen wünscht, wenn sie das gegen alle Widerstände nur will.

Es könnte folglich der Eindruck entstehen, dass die berühmte ‚Frauenfrage‘ sich erledigt hätte und jetzt Frieden einkehren könnte zwischen den Geschlechtern. Wenn Frauen politisch und gesellschaftlich jedes Recht haben, sich zu partizipieren und dabei dennoch die Art erhalten können, ist es schließlich möglich, von einem ‚guten Zustand‘ auszugehen, der die Hürden der letzten Jahrhunderte überwunden hat.

Dennoch entstehen bei einer solchen Einschätzung Zweifel, die nicht von ungefähr zu kommen scheinen: Gibt es nicht die gesellschaftlich immanente sozial konstruierte und etablierte Ungleichheit, die sich auch heute noch in vielfältiger Weise explizit und implizit manifestiert? Warum ist es einer Frau nicht möglich, sich, ebenso wie der Mann, als souverän zu setzen und sich als sozial autonome Existenz zu denken? Warum definiert sie sich demgemäß nicht über ihr Handeln, sondern ganz oder teilweise, über ihr Geschlecht? Warum nimmt sie beispielsweise wirtschaftliche Einschränkungen mit der Begründung hin, dass sie ja gebärfähig sei, anstatt sich aktiv ihre Tätigkeit so zu gestalten, dass sie durch ihr Handeln eine souveräne Anerkennung erfährt und deutlich bleibt, dass dieser Umstand mit derselben nicht nur vereinbar, sondern kombinierbar sein muss (wie sie bei dem Mann ebenfalls gestaltet bleibt)? Letzteres müsste möglich sein, damit die Frage als aufgehoben betrachtet werden könnte und dass sie noch gestellt wird, belegt das Gegenteil.

Es erscheint heute, als könne sich eine Frau nicht über ihr Geschlecht hinwegsetzen, während der Mann gar nicht über sein Geschlecht reflektiert und sich über seine weitergehenden Ziele definiert und dadurch ebenso sozial anerkannt, wie wertvoll erscheint. Tut eine Frau selbiges, was heute möglich ist, bleibt sie etwas Besonderes und hebt sich selbst hervor. Vielleicht hat sie dabei sogar noch Kinder: In diesem Fall ist sie eine Vorreiterin, eine, die unbedingt geachtet werden muss, weil sie ihre Aufgabe um eine Dimension erweitert hat, die durch ihre Beschwernis anerkannt ist, und sie dafür umso deutlicher hervorgehoben werden muss. Schließlich hat sie das geschafft, obwohl die Kultur, das Recht und die Ökonomie ihr diesen Weg erschweren und trotz ihrer, gleichsam natürlichen, Reproduktionsaufgabe, die mit einem Mal ebenfalls wieder zu etwas besonderem wird: Etwas ganz besonderem, denn sie hat es geschafft - trotz der durch Männer kreierten und legitimierten Strukturen, die sie strukturell hindern.

Solange dieser Fall nicht gehäuft eintritt, besteht kein Grund die geltenden Regeln zu ändern und erst dann müsste darüber nachgedacht werden, dass die Gleichberechtigung gefördert würde. Selbstverständlich würde kein Mann diesen Umstand so ausdrücken und auch keine Frau, ohne betroffen zu sein, so denken: Die stilistisch richtige Ausdrucksweise eines Mannes wäre, dass diese Frau eine Bereicherung darstellt, die, sagen wir den Expansionsbestrebungen der Firma, sehr zu Gute kommt und ihr Engagement neben der Familie bewundernswert ist.

Andere Frauen betonen das vermutlich genau anders herum, denn dass diese Frau es trotz der Familie schafft so erfolgreich zu sein, sei deutlich bewundernswert.[2]

Das Beispiel erscheint dabei deckungsgleich mit Simone de Beauvoirs (1908-1986)Einschätzung von 1951 in ihrem Werk ‚Das andere Geschlecht – Sitte und Sexus der Frau‘. Auch wenn es 1951 der Frau rechtlich nicht möglich war, derart deutlich selbiges zu tun, wie der Mann, so gab es doch eben diese Frauen, die diese Wirkung erzielten. Hat sich folglich nichts wesentlich verändert? Ist jede feministische Anstrengung derart fruchtlos geblieben, dass das Grundproblem nicht gelöst werden konnte? Existieren tatsächlich mehr sozial anerkannte Legitimationen der weiblichen Unterordnung unter den Mann, als es Frauen gibt und warum akzeptiert Frau diese heute immer noch? Tatsächlich ist grundsätzlich in Frage zu stellen, warum die ‚Frauenfrage‘ aktuell besteht, wie vor Jahrhunderten und wie es sein kann, dass das Problem der Existenz von sozial konstruierten Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sich mit allen Veränderungen nicht verändert zu haben scheint.

De Beauvoir bietet eine existenzphilosophische Erklärung an, die, aufgrund der Nähe der Situationsanalysen, hilfreich sein kann[3]: Ausgehend von der These, dass die Menschheit aus zwei Kategorien besteht, von denen die eine der jeweils anderen ihre Souveränität aufzwingen will, fragt De Beauvoir, welchen Vorteil der Mann hatte, sich gegen die Frau durchzusetzen. Sie fragt, wie es ihm gelang, die Frau dauerhaft in Unterdrückung zu halten und gleichzeitig, warum es nicht dazu kam, dass die Geschlechter sich beide ihre Souveränität erhielten, um, in einer feindlichen bzw. freundschaftlichen Spannung zueinander, miteinander zu leben.

Mit ihrer Erklärung beginnt sie, ähnlich wie Rousseau u.a., in einer ‚vor-ackerbaulichen Zeit‘: Zu dieser Zeit lebten die Menschen, nach ihrer Theorie, als Nomaden in Gruppenverbänden und waren den Einflüssen ihrer Umwelt unmittelbar ausgesetzt. Die Frau war ebenso robust, wie widerstandsfähig wie der Mann, nahm teilweise an Kriegen teil, verteidigte die Gruppe und stand ihm dabei in nichts nach. Belastet wurde sie, im Gegensatz zu ihm, jedoch regelmäßig mit der Fortpflanzung, die sie dabei einschränkte, so dass sie in diesen Zeiten nicht jagen gehen konnte und stattdessen die Beeren sammelte und auf Reisen die Lasten trug, da sie zur Verteidigung durch ihre Belastung nicht taugte.

Menstruation, Schwangerschaft und Niederkunft minderten ihre Kräfte regelmäßig und schlossen sie für mehr oder minder lange von diesen Tätigkeiten aus, so dass sie von Versorgung, Schutz und Verteidigung der Männer mehr oder minder abhängig wurde.

Nun sollte davon ausgegangen werden können, dass diese Phasen auch regelmäßig endeten und dann wieder die Kraft bliebe, die Aufgaben der Gemeinschaft wieder voll zu übernehmen, aber dem konnte nicht so sein:

Da es keine Geburtenkontrolle gab, blieb der Frau durch die ständige Wiederholung dieser Phasen diese Möglichkeit nicht offen. Da gleichzeitig zu viele Kinder die Ressourcen der Gemeinschaft belasteten und die Anstrengung die Gruppe zu verpflegen, für die meist schwangere Frau zu groß war, wurde sie zu ‚der Gebärenden‘ und erledigte neben dieser Reproduktionsaufgabe die häuslichen, weniger kraftbetonten Arbeiten. Sie konnte sich nicht vollständig an der Verpflegung der Gemeinschaft beteiligen, so dass ihre Reproduktionsaufgabe ihre Produktionsaufgabe überwog.[4]

Das hieraus entstehende Ungleichgewicht der gemeinschaftlichen Aufgaben wurde praktisch dadurch ausgeglichen, dass der Mann seine Reproduktionsaufgabe zugunsten der Produktionsaufgabe reduziert: Er übernahm die Sorge um die Verpflegung, die Verteidigung und den Schutz umso deutlicher und überließ die Sorge um die Reproduktion deutlicher der Frau. Ein Ausgleich, der organisatorisch sinnvoll daherkommt und gleichzeitig dazu führt, dass die Frau gerade deshalb in der Lage ist, ihre Aufgaben zu übernehmen, weil der Mann ihr zur Seite steht, so dass das Gleichgewicht erhalten werden kann, aber, intern durch ein Ungleichgewicht, verschoben besteht.

Nun sollte angenommen werden können, dass das Gleichgewicht von Produktions- und Reproduktionsaufgaben sich durch das kollektive Miteinander wiederherstellte, da der Hunger, Kindsmorde und Kriege die Population regulierten und so die Verschiebung aufhöben: Da innerhalb einer Gruppe jedoch Werte und Regeln gebildet werden, die sich in ihrer Idealform auch dann institutionalisieren, wenn sie nicht verschriftlicht werden, blieb es, nach De Beauvoir, nicht möglich, dass dies geschähe. Die Regeln und Werte bedeuteten für die Frau, die ein Kind austrug, dass sie nicht stolz auf ihre Aufgabe sein konnte, da die Lebensgrundlage der Gemeinschaft harte Arbeit blieb und die Erhaltung und Verteidigung derselben die basierende produktive Aufgabe, wobei die Schwangerschaften und die Kinder die Gemeinschaft eher belasteten. Geschwächt durch ihre Umstände und gezwungen, sich leichteren, häuslichen Tätigkeiten zuzuwenden, wurde ihre Leistung geringer geschätzt und sie „erduldete ihr Schicksal“.

Der Mann, damit beschäftigt, die Gemeinschaft zu verteidigen, zu schützen und zu ernähren, genoss demzufolge ein höheres Ansehen, da er nicht nur produktiv seiner Aufgabe nachging und die Frau unterstützte, sondern auch aktiv dafür Sorge trug, dass die Gemeinschaft sich entwickelte. Er machte sich seine Welt autonom tätig zu Eigen, setzte sich Ziele und gestaltete die Zukunft der Gemeinschaft, indem er Fanggründe eroberte oder eine neue Technik entwickelte, für Nahrung zu sorgen.

Sein Handeln diente höheren Zielen außerhalb seiner selbst und war häufig mit Gefahren verbunden, die sein Ansehen noch steigerten, denn da er sich, indem er z.B. auf der Jagd tötete, „über das Leben erhob“, erlangte er eine Macht, die ihn im Ende befähigte, die Frau, die mit ihrer Aufgabe in der Wiederholung immanent gefangen blieb, seinem Willen zu unterwerfen.

Übertragen auf die existenzphilosophische Ebene bedeutet dies (mit De Beauvoir): Der Mensch ist dazu berufen sich außerhalb seiner selbst zu entfalten und seine Welt autonom tätig zu entdecken und sich zu Eigen zu machen, um sich als existent zu begreifen. Er will sich souverän gegenüber seiner Umwelt als Subjekt setzen und erhält durch die Anerkennung des ‚Anderen‘ sein Existenzbewusstsein.

Der Mann hat unter den Nomaden alle Möglichkeiten dies zu tun und erhält dafür nicht nur die soziale Anerkennung, sondern auch ein Existenzbewusstsein. Die Frau entwirft keine Wege, bemächtigt sich nicht autonom tätig der Umwelt und gewinnt keine soziale Anerkennung und oder ein Existenzbewusstsein, da sie unmittelbar durch ihre Umstände daran gehindert wird.

Da jedoch gerade die Entfaltung des Menschen ihm die höchste Anerkennung bringt, so wurde sie zu dem höchsten Statussymbol der Menschlichkeit und der Mann zu dem überlegenen Geschlecht, das seine Anerkennung auch durch die Frau erhielt, die, selbst wissend, dass sie sich entfalten sollte, sich selbst durch ihn erfahren konnte: Als die Andere, die ihm die Möglichkeit gab, ohne selbst einen Anspruch darauf zu erheben.

Es ist festzustellen, dass der Mann hiernach die Vorherrschaft erlangen und die Frau in Unterdrückung halten konnte, weil er den Willen zeigte, sich zu entfalten und die Frau durch die Organisation der Gemeinschaft nicht die Chance bekam, selbiges zu tun. Ihre unmittelbarere Abhängigkeit von der Fortpflanzung ließ darüber hinaus keine Veränderung zu, so dass sie der männlichen Entfaltung, die die Gemeinschaft mit ihren Ergebnissen formte, keine weibliche entgegensetzen konnte.[5]

Zwischen heute und dem Nomadenleben, nehmen wir an, es hätte tatsächlich stattgefunden, liegen jedoch bereits Jahrhunderte: Jahrhunderte, die geprägt sind durch den Umstand, dass der Mensch sesshaft wurde und diese Sesshaftigkeit ausbaute. Die Menschen, respektive die Männer, schufen aus den bereits praktizierten Organisationsstrukturen Recht, Kultur und Normen des Zusammenlebens und institutionalisierten diese.

Zunächst entstanden dabei Gemeinschaften, die die Mutterschaft heilig sprachen und Frau in ihrer ‚wesentlichen Eigenschaft‘ verehrten. Die Religion verehrte sie als Lebensspenderin, so dass sie für das gedeihen der Art, der Ernten und später der Gegenstände, mit denen sie auch Handel trieb, verantwortlich wurde und somit für den Wohlstand der Gemeinschaft sorge trug. Auch wenn ihre Individualität eine biologisch begründete blieb, wurde dieser Status durch die Religion und das Recht legitimiert, führt De Beauvoir aus, um hieraus den Grund für die, für sie aktuellen Verhältnisse, zu entwickeln: Weibliche Macht als ‚Seele der Gemeinschaft‘ sorgte jedoch für eine Anerkennung, die den Männern gefährlich erschien, so dass es zu der rechtlichen Reglementierung der Freiheiten kam, die der Frau zwar nicht ihre Rolle nahmen, sie aber daran hinderten ihre Macht geltend zu machen[6]. Die weitreichende Folge: Das Patriachat entstand und bestimmte die Frau zur Unterlegenen, denn die Vormachtstellung erlaubte es dem Mann, die eigene Entfaltung als die Norm zu setzen. Er manifestierte sie im Recht, in der Kultur, der Ökonomie, der Religion und dem Sozialen u.a.

De Beauvoirs Theorem, das in der anthropologischen Annahme strittig sein mag, dabei aber zur Klärung der Fragen einen produktiven Beitrag leisten kann, zwei entscheidende Hinweise geliefert: Explizit wird deutlich, dass die ‚Grundmuster‘ des aktuellen Zusammenlebens bereits über Jahrhunderte existent und wirksam gewesen sind und sich historisch etablierten. Sie bestehen in jeder Institution und in jeder gemeinschaftlichen Handlung.[7]

[...]


[1] Alle Daten und Kurzinformationen stammen aus: Karsch, Margret: „Feminismus für Eilige“, Aufbau Taschenbuch Verlag, 1.Auflage, 2004

[2] Hiermit soll nicht behauptet sein, dass jeder Mann und jede Frau in ihrer Individualität diese Intention idealisieren würde. „Der Mann“ und „die Frau“ stehen hier für zwei rivalisierende Gruppen, die im sozialen Gefüge zueinander in einer Ungleichheit stehen und sich, ohne es bewusst zu erkennen, ja zu einem großen Teil als ‚natürlich‘ anzusehen, eben so positionieren, weil sie ein Teil der Gesellschaft und ihrer Normen und Werte bleiben, die vielfach nicht realisiert, aber gelebt werden. Diese Verwendung wird auch im Weiteren auf diese Art identisch erfolgen.

[3] Vgl. De Beauvoir, Simone: „Das andere Geschlecht – Sitte und Sexus der Frau“, 6.Auflage, Rowohldt-Verlag, 2006, S.86-94/S.8-22

[4] De Beauvoir nimmt an, dass jede Kategorie (jedes Geschlecht) in einer Gemeinschaft eine Produktions- und eine Reproduktionsaufgabe hat, die sich im Gleichgewicht befinden sollte, um den gleichberechtigten Umgang beider Kategorien in der Gemeinschaft zu erhalten.

[5] Mit diesem Hintergrund wird das Bestreben der Frauen nach Gleichberechtigung und nach einem autonom tätigen Handeln verständlicher, denn der Umstand, dass eine Rechtlosigkeit dazu führt, dass keine Entfaltungsmöglichkeit besteht, kommt an dieser Stelle eindeutig hervor. Heute haben Frauen die Möglichkeit, sich selbst „über das Leben hinweg zu setzen“ und sich selbst zu entfalten: Selbst existent zu werden und tun dies auch sehr deutlich.

[6] Diese Entwicklung vollzog sich über verschiedene Schritte, die hier nicht gezeigt werden können, so dass eine sehr verkürzte und vielleicht zynische Wirkung entsteht.

[7] An dieser Stelle muss unklar bleiben, was von ihrem Ansatz gehalten wird, dass die unmittelbare Abhängigkeit von der Fortpflanzung den Ausschlag gab, die die Frau zu der Unterlegenen machte und die gemeinschaftliche Organisation nur folgte – eine These, die genauer überprüft werden müsste, da gerade letztere die Frau an einer Entfaltung hinderte: Nehmen wir dennoch an, dass bereits die Nomaden ein Problem mit der Geburtenkontrolle hatten, also mit der Verhütung und damit mit der selbstbestimmten Sexualität beider Geschlechter. Nehmen wir auch an, dass sich all ihre Organisationsprobleme, die durch die Häufigkeit der Fortpflanzung zu der Verschiebung im Gleichgewicht führten, aus diesem Problem entstanden. Nehmen wir dazu an, dass unter anderen Umständen eine andere Organisation hätte bestehen können und die Menschen, dazu bereit gewesen wären. Wäre es möglich, dass die Menschen sich anders entwickelt hätten?

Heute besteht eine Welt, die eine Geburtenkontrolle, ja sogar eine Betreuung und Erleichterung der Umstände, ermöglicht: Da die Frauen, die vermehrt erwerbstätig sind (jagen gehen)und sich dabei dennoch in einer patriarchal organisierten Umwelt ihre Wege teilweise hart erkämpfen müssen, kann dies nicht allein der Grund sein, dass der Mann die Vorherrschaft gewinnen und derart deutlich erhalten konnte. Die gemeinschaftliche Zusammenarbeit und gerade die sozialen Strukturen, die daraus entstanden, müssen eine ebensolchen Ausschlag gegeben haben, der tendenziell als ausschlaggebender erachtet werden muss, wenn die Vehemenz, mit der sich der Mann weigert, die Frau als gleichberechtigt anzuerkennen, einbezogen wird.

Nicht nur die Legitimationen, die bis heute entstehen, warum die Frau zu diesem oder jenem rechtlich oder gesellschaftlich nicht in die Lage versetzt werden kann, sprechen sehr deutlich dafür, zeigen aber auch, dass die Frau immanent auf ihr Geschlecht reduziert wird: Schließlich ist es ihr nur schwer möglich Mutter und Erwerbstätige (dabei gar Existierende) zu sein. Etwas, womit der Mann sogar im Recht bleibt, solange er selbst nicht beginnt, seine Reproduktionsaufgabe wieder voll wahrzunehmen, womit bereits eine Strategie der Erhaltung der Vormachtstellung offen zu liegen scheint. Dies im Einzelnen zu analysieren, ist an dieser Stelle nicht möglich und muss ein Ansatz bleiben.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Feministische Essays: Drei Fragen an Simone de Beauvoir und Judith Butler
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
27
Katalognummer
V203575
ISBN (eBook)
9783656303190
ISBN (Buch)
9783656304463
Dateigröße
412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
feministische, essays, drei, fragen, simone, beauvoir, judith, butler, Ungleichstellung, Politik, Sexualität, vertiefende Essays, Feministische Bildung, Existentialismus, Dekonstruktion
Arbeit zitieren
Melanie Johannsen (Autor:in), 2009, Feministische Essays: Drei Fragen an Simone de Beauvoir und Judith Butler, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203575

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