Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Bisherige Studien zur kritischen Periode
2.1 Johnson und Newport (1989)
2.1.1 Teilnehmer
2.1.2 Vorgehen
2.1.3 Ergebnisse
2.2 Flege, Munro und MacKay (1995)
2.2.1 Teilnehmer
2.2.2 Vorgehen
2.2.3 Ergebnisse
2.3 DeKeyser (2000)
2.3.1 Teilnehmer
2.3.2 Vorgehen
2.3.3 Ergebnisse
2.4 Hakuta, Bialystok und Wiley (2003)
2.4.1 Teilnehmer
2.4.2 Vorgehen
2.4.3 Ergebnisse
2.5 Zusammenfassung
3 Diskussion
4 Zusammenfassung/Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Alter bei Beginn des Zweitspracherwerbs und Sprachperformanz (Johnson & Newport)
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Alter bei Beginn des Zweitspracherwerbs und Sprachperformanz (Flege, Munro & MacKay)
Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Alter bei Beginn des Zweitspracherwerbs und Sprachperformanz (DeKeyser)
Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Alter bei Beginn des Zweitspracherwerbs und Sprachperformanz (Hakuta, Bialystok & Wiley).
1 Einleitung
Die Hypothese der kritischen Periode im Spracherwerb wurde in den letzten 45 Jahren umfassend diskutiert. Sie geht zurück auf Penfield und Roberts (1959), wurde von dem Linguisten und Neurologen Eric Lenneberg (1967) aufgegriffen und besagt, dass der Erstspracherwerb nur innerhalb eines gewissen Zeitraums, welcher von der frühen Kindheit bis zur Pubertät reicht, möglich sei bzw. zu einem Muttersprachlerniveau führt. Zahlreiche Studien haben sich diesem Thema vor allem im Bereich des Zweitspracherwerbs gewidmet und dabei sehr kontroverse Ergebnisse geliefert, die entweder für oder gegen die Hypothese der kritischen Periode sprechen.
Trotz dieser Widersprüche stellt die Untersuchung der kritischen Periode im Zweitspracherwerb noch immer ein interessantes Thema in der Forschung dar und greift entweder Aspekte bereits durchgeführter Studien auf oder setzt neue Schwerpunkte in der Forschungsmethodik. Doch nicht nur in der wissenschaftlichen Forschung, sondern auch im Bereich der schulischen (und außerschulischen) Sprachausbildung besteht großes Interesse an Ergebnissen zum Einfluss des Spracherwerbsalters, um zum Beispiel Hinweise darauf zu erhalten, wo der geeignete Zeitpunkt zum Beginn des Sprachunterrichts liegt und in welcher Art und Weise ein späterer Spracherwerb die Gesamtperformanz beeinflusst. Ferner besteht politisches Interesse, da Auskunft darüber gesucht wird, wann Immigrantenkinder mit einer Fremdsprache konfrontiert werden sollten.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob es einen abrupten Grenzwert („Cut-Off Point“) gemäß der Hypothese der kritischen Periode gibt, nach der der Zweitspracherwerb stark beeinträchtigt ist, oder ob vielmehr eine kontinuierliche graduelle Abnahme der Sprachperformanz mit zunehmend späterem Beginn des Spracherwerbs einhergeht. Im Zuge dessen erfolgt an erster Stelle eine detaillierte, chronologische Darstellung vier ausgewählter, im Kontext der kritischen Periode häufig zitierter Studien. Diese werden jeweils im Bezug auf die untersuchten Teilnehmer, das methodische Vorgehen und ihre Forschungsergebnisse präsentiert. In einem nächsten Schritt sollen jene Studien einander gegenübergestellt und dabei ihr Forschungsdesign und ihre Methodik kritisch analysiert und verglichen werden, um letztlich die oben formulierte Kernfrage dieser Arbeit exemplarisch zu diskutieren.
2 Bisherige Studien zur kritischen Periode
Die nachfolgenden Studien stellen, wie bereits erwähnt, lediglich einen Auszug zur gesamten Forschung auf dem Gebiet der kritischen Periode dar. Die Wahl fiel dabei auf die Studien von Johnson und Newport (1989), Flege, Munro und MacKay (1995), DeKeyser (2000) und Hakuta, Bialystok und Wiley (2003), da sie exemplarisch einen Überblick über das Forschungsfeld bieten und im Kontext der „critical period hypothesis“ häufig zitiert werden.
2.1 Johnson und Newport (1989)
Jacqueline S. Johnson und Elissa L. Newport führten im Jahr 1989 eine im wissenschaftlichen Kontext oft herangezogene Studie zur Untersuchung der kritischen Periode durch. Den Ausgangspunkt ihrer Arbeit bildeten zwei Hypothesen, die sogenannte „exercise hypothesis“ sowie die „maturational state hypothesis“ (vgl. Johnson & Newport, 1989: 64). Erstere geht davon aus, dass Menschen in jungem Alter einen überlegenen Vorteil haben, Sprachen zu lernen. Wird dieser Vorteil genutzt, bleibt die Spracherwerbsfähigkeit ein Leben lang intakt, anderenfalls nimmt sie ab oder verschwindet mit der Pubertät. Die „maturational state hypothesis“ hingegen besagt, dass jegliche Spracherwerbsfähigkeiten nach der Pubertät abnehmen – der frühe Erwerb einer Erstsprache bringe hier keinen späteren Vorteil mit sich. Bezüglich dieser Hypothesen formulierten Johnson und Newport (1989) eine ihrer Hauptuntersuchungsfragen (vgl. ebd.: 67): „What is the shape of the function relating age to learning and ultimate performance, and where (if anywhere) does the relationship plateau or decline?“
2.1.1 Teilnehmer
Bei den Forschungsteilnehmern handelte es sich um 46 gebürtige Chinesen oder Koreaner, die Englisch in Form einer Zweitsprache lernten. Die Wahl fiel auf Koreaner und Chinesen aufgrund der hohen typologischen Abweichungen ihrer Sprachen zum Englischen. Voraussetzung bei der Auswahl war, dass die Teilnehmer sich im Einreisealter in die USA unterschieden. Somit ergab sich eine Zeitspanne des Einreisealters von drei bis 39 Jahren. Weiterhin mussten die Teilnehmer, die alle an der Universität von Illinois rekrutiert worden (Studenten, wissenschaftliche Angestellte und Professoren), mindestens fünf Jahre mit der Englischen Sprache konfrontiert gewesen sein. Somit sollte eine weitgehende Homogenität der Spracherwerbsbedingungen sowie sozialen Hintergründe gewährleistet werden (vgl. Johnson & Newport, 1989: 68). Schließlich geschah eine Einteilung der Teilnehmer in frühes und spätes Einreisealter, wobei die Frühankömmlinge (insgesamt 23, davon zwölf männlich und elf weiblich) vor einem Alter von 15 Jahren und die Spätankömmlinge (ebenfalls 23, davon 17 männlich und sechs weiblich) nach einem Alter von 17 Jahren in den USA ankamen. Die durchschnittliche Aufenthaltszeit der Frühankömmlinge in den USA betrug 9,8 und die der Spätankömmlinge 9,9 Jahre (vgl. ebd.: 69).
2.1.2 Vorgehen
Alle 46 chinesischen und koreanischen Immigranten wurden zu ihrem Wissen in den Bereichen Morphologie und Syntax getestet, indem sie 276 auf Tonband aufgenommene englische Sätze auf ihre Grammatikalität hin bewerten sollten. Die Sätze waren zur Hälfte grammatikalisch inkorrekt, die andere Hälfte bestand aus den grammatikalisch korrekten Gegenstücken. Die Abfolge aller Sätze war dabei willkürlich (ein Satzpaar konnte jedoch nicht gemeinsam in der selben Testhälfte auftauchen) und die Bewertung geschah in Form von korrekt-oder-inkorrekt-Aussagen (vgl. Johnson & Newport, 1989: 71). Insgesamt deckte das Untersuchungsmaterial repräsentativ die zwölf Regelformen des Englischen ab, wie etwa „Past Tense“, „Third Person Singular“, „Auxiliaries“ oder Satzstellung (vgl. ebd.: 72). Im Anschluss an den Test wurden die Teilnehmer ca. eine halbe Stunde lang zu ihrem sprachlichem Hintergrund sowie motivationalen und einstellungsbezogenen Aspekten befragt (vgl. ebd.: 71).
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