Der große Versöhnungstag - Die Funktion des Yom Hakippurim im irdischen und im apokalyptischen Heiligtumsdienst


Seminararbeit, 2012

35 Seiten, Note: 1


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Levitikus
2.1. Die Grundlagen der levitischen Gesetzgebung,
2.2. Struktur

3. Heiligtumsdienst
3.1. Die Schlachtopfer
3.1.1. Brandopfer
3.1.2. Sündopfer
3.2. Yom Hakippurim
3.2.1. Die Vorbereitung (Lev. 16,1-10)
3.2.2. Der Ritus am Versöhnungstag (Lev. 16,11-28)
3.2.3. Bestimmungen zum Verhalten am Versöhnungstag (Lev. 16,29-34)
3.3. Die Funktion im irdischen Heiligtumsdienst
3.3.1. Das Gericht
3.4. Die Funktion im apokalyptischen Heiligtumsdienst
3.4.1. Christi Heiligtumsdienst
3.4.2. Gericht

4. Schluss

5. Ausgewählte Bibliographie

1. EINLEITUNG

Mit den Worten „Wir leben in der Zeit des großen Versöhnungstages“[1]leitet Ellen G. White einen Abschnitt im Kapitel „Erweckungsaufrufe“ ein. Ich als Siebenten- Tags-Adventist bin davon überzeugt, dass dieses Aussage ihre Richtigkeit und vor allem ihre Wichtigkeit hat, gerade im 21. Jahrhundert. Doch warum ist das so? Warum spielt das Thema des großen Versöhnungstages für uns als Kirche eine so große und zentrale Rolle? Was genau verbirgt sich hinter diesem „große Versöhnungstag“ und welche Funktion hat er? Damals für Israel und heute für uns. Ellen G. White schreibt im selben Kapitel: „1844 ging unser Hoherpriester [Jesus] in das Allerheiligste des himmlischen Heiligtums um mit dem Untersuchungsgericht zu beginnen.“[2]Welche Rolle spielt das Datum 1844 in Verbindung mit dem großen Versöhnungstag? Was geschah 1844 im himmlischen Heiligtum? Dies sind die führenden Fragen dieser Arbeit. Als erstes werde ich den Fokus auf die Funktion des Yom Hakippurim im irdischen Heiligtumsdienst legen und anschließend den Transfer zum apokalyptischen Heiligtumsdienst vornehmen. Die Lehre vom Heiligtum ist das Herzstück des adventistischen Glaubens,[3]weil das Verständnis vom Heiligtum entscheidend für das Verständnis von Erlösung, Sühnung und von Jesus selbst ist. Denn das Heiligtum ist das System Gottes der Erlösung, ein System der Wahrheit.[4]

Der deutsche Komponist Johann Sebastian Bach wußte, dass Gott uns letzten Endes die Kraft zu allem Guten schenken muss. Er schrieb häufig über seine Kompositionen: „J.j.“, die Abkürzung für lateinisch „Jesu juva“ was übersetzt „Jesus, hilf“ heißt. So möchte auch ich, diese Arbeit unter Gottes Führung stellen.

2. LEVITIKUS

Levitikus 16 ist in Bezug auf den großen Versöhnugstag das zentralste Kapitel der Bibel. In diesem Abschnitt möchte ich kurz das Buch Levitikus einleiten um so die Grundlage für das Verständnis vom großen Versöhnungstag zu legen.

Die Tora gab dem Buch den Namen arpyi (wajjiqra), was mit „Und [er] rief“ wiedergegeben wird, und bezieht sich damit auf das erste Wort des Buches. In der LXX wird das Buch Leuitikon („die Leviten betreffend“) bezeichnet. Eben dies ist auch das zentrale Anliegen des Buches. „Im Wesentlichen betont dieses Vorschriftenkompendium für Priester die Heiligkeit Israels als Volk, das für den Dienst und die Verherrlichung Gottes abgesondert ist.“[5]Eine besondere Stellung wird der vorschriftsmäßigen Darbringen der Opfer geboten (Kapitel 1-7).

Ein kurzer Exkurs: Warum legt Gott so großen Wert darauf, dass die Darbringung der Opfer so „penibel“ genau eingehalten wird?[6]Vielleicht liegt es an unserem viel zu vereinfachten Verständnis von Sünde, welche die Grundlage für diese Frage bietet. Nach Jesaja führt Sünde zu einer Scheidung zwischen Gott und uns.[7]Für Johannes ist Sünde Gesetzlosigkeit.[8]Eine Aussage von R. W. Dale bringt es auf den Punkt. Er sagt: „Dass wir nicht glauben, dass Sünde den Zorn Gottes hervorruft, liegt teilweise daran, dass Sünde unseren eigenen Zorn nicht hervorruft.“[9]Sünde ist mehr, als dass „die Ehre Gottes angetastet ist“, sie ist ein Angriff auf die moralische Weltordnung, die ein Ausdruck des moralischen Willens Gottes ist. Sünde ist in den Augen Gottes so schwerwiegend, dass er (aus lauter Gnade) penibel genaue Anweisungen zur Verfügung gibt um Zugang zu Vergebung und zur Sühne zu ermögliche. So schrieb P. T. Forsyth: „Gottes moralische Ordnung verlangt Sühne.“[10], denn „Vergebung ohne Sühne wäre ein Verstoß gegen Logik, Recht und Ordnung.“[11]

2.1. Die Grundlagen der levitischen Gesetzgebung

Die Frage nach der Grundlage der Gesetzgebung klingt banal, spielt aber im Vergleich zu anderen Semiten des Altertums eine wichtige Rolle, da es zwischen den Bestimmungen in Levitikus und den Kultpraktiken anderer Völker allgemeine Ähnlichkeiten und Analogien gibt. Was aber auffällt ist, dass die Bestimmungen in Levitikus frei sind von „entarteten und abergläubischen Elementen, die den Kult der heidnischen Völker zur Zeit des Alten Testamentes charakterisierten.“[12]Beim genauen Lesen des Buches fallt eine Phrase immer wieder auf „Und der HERR redete“. Diese Phrase wird in Levitikus an 34 Stellen angeführt.[13]Die meisten Stellen finden sich aber in Numeri.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Was diese Statistik über die Grundlage der Gesetzgebung sagt ist, dass das gesamte Opfersystem keine Erfindung des hebräischen Volkes war (weder in den Tagen Moses noch im Verlauf späterer Jahrhunderte), sondern als Grundlage die unmittelbare Offenbarung Gottes besitzt.

2.2. Struktur

Spannend ist auch die Struktur, die beim Studieren des Pentateuchs auffällt. So nimmt das Buch Levitikus eine zentrale Stelle in der Tora ein. Auf der einen Seite stehen Genesis und Exodus, auf der anderen Seite Numeri und Deuteronomium. Levitikus steht im Zentrum. So wie das Heiligtum der Mittelpunkt der Anbetung in Israel war, so enthält Levitikus den Kern der Anweisungen in Bezug auf die richtige Anbetung.[14]Die Struktur innerhalb von Levitikus sagt somit viel über die Rolle des großen Versöhnungstags aus (Lev. 16). So schlägt William H. Shea vor, die gesamte Struktur von Levitikus als einen großen Chiasmus zu sehen dessen Höhepunkt Kapitel 16, der Yom Hakippurim, ist.[15]

(A) Kultische Rechtsordnung (Kap. 1-7)

(B) Geschichte der Priester (Kap. 8-10)

(C) Personenbezogene Gesetze der Unreinheit (Kap. 11-15)

(D) Der große Versöhnugstag (Kap. 16) (C‘) Personenbezogene moralische Gesetze (Kap. 17-20)

(B‘) Rechtsordnung der Priester (Kap.23-25)

(A‘) Kultische Rechtsordnung (Kap. 23-25)

Konklusion (Kap. 26-27)

Diese Struktur lässt uns klar erkennen, welch zentrale Rolle der große Versöhnugstag hat. Wenn wir sagen, dass das Buch Levitikus das Zentrum des Pentateuchs ist, so muss auch schlussfolgernd gesagt werden, dass der große Versöhnugstag den Climax, der ersten fünf Bücher der Bibel bildet. Versöhnung ist das zentrale Thema. Alles läuft darauf hinaus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein letzter Struktureller Aspekt, der ebenfalls auf die zentrale Stellung des Yom Hakippurim hinweist, sind die Einleitungssprüche in Levitikus. So kommt im gesamten Levitikus der Einleitungsspruch ΠΤίΓ “13ΤΊ („Und der HERR redete“) an 35 Stellen vor.[16]Bei der Zählung fällt auf, dass 17-mal diese Einleitung vor Kapitel 16 genutzt wird und 17 mal danach. Im Zentrum dieser Einleitungssprüche steht nun Lev. 16,1. Dieser Einstieg hebt das Kapitel und somit das Thema besonders hervor. Es wird wichtig, es wird persönlich, und es geht um Leben und Tod. Durch die Struktur wird eines sehr deutlich, nämlich welche fundamentale Rolle, welche Wichtigkeit der große Versöhnugstag besitzt. Mit diesem Hintergrund, ist es nun möglich in die Thematik einzusteigen.

3. HEILIGTUMSDIENST

3.1. Die Schlachtopfer

„Ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung“ so heißt es im Hebräerbrief in Kapitel 9,22. Das Prinzip, das allen Schlachtopfern (Π3Τ) zugrunde lag, war die Versöhnung (“S3) durch das Prinzip der Stellvertretung[17], die Opferung eines unschuldigen Lebens für den Schuldigen. Als Zeichen der Stellvertretung legte derjenige, der das Opfer darbrachte, seine Hand auf den Kopf des Opfers (Lev. 1,4), um sich dadurch mit ihm zu identifizieren. Um seine Bereitschaft, die gerechte Todesstrafe anzunehmen, schlachtete derjenige, der das Opfer darbringen wollte, sein Opfer selbst (Lev. 1,5.6) und gab es dann dem Priester, der den Ritus zu Ende führte. Das Wort “23 kommt in der gesamten Bibel an 102 Stellen vor. Doch die meisten Vorkommnisse sind im Buch Levitikus zu finden. An 49 Stellen ist in Levitikus von “123 die Rede. In Kapitel 16, unserem Fokus, kommt das Wort “23 im Vergleich zu den anderen Kapiteln innerhalb von Levitikus, am häufigsten vor, nämlich an genau 16 Stellen. Es ist interessant welchen Stellenwert Levitikus 16 dadurch erhält. Kein anderes Buch der Bibel spricht so oft von rpk, der Versöhnung, wie Levitikus 16. Dazu eine kleine Grafik:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es wird ersichtlich, welch zentrale Rolle das Opfersystem einnimmt. In den ersten sieben Kapiteln von Levitikus werden sechs[18]verschiedene Schlachtopfertypen erklärt. Ich greife jedoch nur zwei Opfer, nämlich das Brandopfer und das Sündopfer, heraus, da diese auch im Kontext des großen Versöhnungstages vorkommen.

3.1.1. Brandopfer

Das Wort hlo heißt soviel wie „es steige nach oben“ und war ein freiwillig gegebenes Opfer (Lev. 1,3). Zweck des Opfers war die Sühnung von Sünden im Allgemeinen (V. 4), ein Mittel, durch das sich unheilige Menschen dem heiligen Gott nahen konnte. Es konnten nicht nur ein Rinder, sondern auch ein Schaf oder eine Ziege dargebracht werden, oder je nach Besitzstand auch Turteltauben oder Jungtauben (V. 10.14). Es musste jedoch in jedem Fall ein fehlerloses Tier sein, und sofern es sich nicht um Vögel handelte, immer ein männliches Tier. Das Brandopfer sollte Gott ganz ( Ikh) dargebracht werden (V. 9.13). Es gab keinen Anteil vom Opfer weder für den Priesters noch für den Opfernden. Die Brandopfer waren die charakteristischsten aller Opfer, denn in ihnen war die Sinngebung aller anderen Opfer vereint. Interessant ist, dass Hiob für seine Kinder Brandopfer darbrachte, denn er dachte „Meine Söhnen könnten gesündigt und Gott abgesagt haben in ihrem Herzen“ (Hiob 1,5). Brandopfer konnten allein geopfert werden, aber es war üblich, dass man sie zusätzlich zu Sühn- oder Schuldopfer darbrachte. Welches Opfer auch immer man gab, es war angemessen ein zusätzliches Brandopfer zum Zeichen der Hingabe darzubringen. Der Opfernde hielt nichts zurück. In Kombination mit anderen Opfern ist es interessant zu beobachten, dass zuerst das andere Opfer (meistens das Sündopfer) dargebracht wurde und danach das Brandopfer (Lev. 5.8; 9,7.15.16).[19]

3.1.2. Sündopfer

Das Sündopfer (Dtff Π) sthet in einer so engen Verbindung zur Sünde, dass nach hebräischem Verständnis ein Wort für beides ausreicht - für Sünde und für das Sündopfer. Das Sündopfer wird das erste Mal bei der Priesterweihe von Aaron und seinen Söhnen erwähnt (Ex. 29,14). Die Sündopfer waren nur bei Sünden, die versehentlich begannen wurden, angebracht (Lev. 4.2). Sowohl beim Einzelnen wie auch bei der ganzen Gemeinde Israel (V. 13.27). Ein Sündopfer betrifft Sünden, die dadurch geschahen, dass jemand von einem Fehler übereilt wurde, voreilig handelte und sich seines sündigen Verhaltens zum Zeitpunkt nicht bewusst war, sich dessen aber später bewusst wurde. So mussten die gesalbten Priester und die ganze Gemeinde Israel bei Fehlverhalten ein jungen Stier opfern (Lev. 4,3.4.13-21). Sündigt ein Stammesfürst so muss dieser einen Ziegenbock darbringen. Wobei ein gewöhnlicher Israelit bei Sünde eine „weibliche Ziege“[20]opfern sollte (Lev. 4.27-35). Alles Fett, auch an den Eingeweiden, die beiden Nieren, die Leber und das Fett an den Lenden war der Anteil Gottes (Lev. 4,8-9). Jedoch gib es in der Blutapplikation zwischen dem Sündopfer des geweihten Priesters und eines gewöhnlichen Israeliten Unterschiede. Beim Sündopfer des Einzelnen gelangt nichts vom Blut des Opfers in die Stiftshütte, nichts von dem Blut wurde siebenmal vor den Vorhang gesprengt (Lev 4,5-6), nichts von dem Blut gelangte an den Räucheraltar (Lev. 4,7) und das Sündopfer für den Einzelnen wurde - abgesehen vom Fett (Lev. 4,31.35) - vom Priester gegessen (Lev. 6,19)[21]. So ist zu sehen, dass das Priestersündopfer und das Gemeindesündopfer die einzigen Tieropfer sind, bei denen etwas vom Opfertier ins Innere des Heiligtum getragen wurde. Das Sündopfer, so heißt es in Lev. 4,31, ist ein „wohlgefälliger Geruch für den Herrn“. So darf man daraus schließen, dass wohl alle Sündopfer zum „wohlgefälligen Geruch für den Herrn“ dienten. Das heißt letztendlich, dass sie alle die Wiederherstellung der Gemeinschaft von Gott und Mensch um Ziel hatten. Bei diesem Opfer spielt das Blut die wichtigstes Rolle. Diese Blutapplikation unterstreicht wesentlich und offensichtlich den Sühnewert des Blutes. Eine wichtige Aussage in Bezug auf die Entsühnung durch das Blut ist in Lev. 17,11 zu finden. Dort heißt es:

Denn die Seele des Fleisches ist im Blut, und ich selbst habe es euch auf den Altar gegeben, Sühnung für eure Seelen zu erwirken. Denn das Blut ist es, das Sühnung tut durch die Seele [in ihm].

Es ist nicht das Blut an sich, das entsühnt, sondern das Leben, das im Blut ist. Denn „ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung“. Oft gerät man in die Versuchung zu sagen, dass es die Leistung des Menschen ist, die Gott „beschwichtigt“. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass Vergebung auf zwei grundlegenden Prinzipien basiert. So haben wir 1. das Prinzip der Stellvertretung und 2. die Tatsache, dass Gott der Handelnde ist.

Das Ritual des Sündopfers möchte ich noch konkretisieren. Wenn einer aus dem Volk sündigte und sich dessen bewusst wurde, so sollte er zum Opfer eine Ziege bringen die ohne Fehler war, seine Hand auf den Kopf des Sündopfers legen und es an der Stätte des Brandopfers schlachten (Lev. 4, 28-29). Nach dem Schlachten beginnt der Dienst des Priesters, der dann das Blut auf die Hörner des Altars streicht. Das Blut steht in diesem Fall für die Übergabe des sündigen Lebens, das geopfert wird, damit dem Gesetz Gottes Genüge getan ist. „Das Gesetz [nun] bindet das Blut des Sünders bis an den großen Versöhnugstag, an dem die Erlösung vollendet wird.“[22]Denn bei der Blutapplikation wurde der Altar mit den Sünden verunreinigt. Dadurch wurde es notwendig, einmal im Jahr Versöhnung herbeizuführen, am Yom Hakippurim.

3.2. Yom Hakippurim

Der Yom Hakippurim war und ist bis heute noch der höchste der jüdischen Feiertage. Er ist der heiligste und feierlichste Tag des jüdischen Jahres, ein рЛЗф tbV „hoher Sabbat“ (Lev. 23,32). Es ist ein Feiertag, der das ganze Land betrifft. Jeder in Israel war aufgerufen ihn einzuhalten, auch die Fremden (Lev. 16,29), denn schließlich wird an diesem Tag Sühne für ganz Israel gewährt. Nichts und niemand im Lande soll die Heiligkeit dieses Tages stören, denn er ermöglicht durch Versöhnung die Beibehaltung des Gottesdienstes und dadurch Leben gewährende Gottnähe. Gefeiert wurde der Yom Hakippurim am 10. Tishri, dass ist der 10. Tag des siebten Monats (Lev. 23,26-32).[23]Die ersten zehn Tage des Monats galten unter dem Volk zu den zehn bußfertigsten Tages des Jahres. Sie dienten dazu, eine Umwandlung der Herzen zu bewirken und die Israeliten zu „neugeborenen“ Menschen werden zu lassen. Den Höhepunkt fand diese Zeit der Buße im Versöhnungstag, im Yom Hakippurim. Die jüdische Vorstellung vom großen Versöhnungstag war, die, dass Gott der Herr auf seinem Weltenthron sitzt und richtet. Dabei ist er gleichzeitig Richter, Verteidiger und Zeuge. Der große Versöhnugstag ist ein Gerichtstag. Wir sollten im Hinterkopf behalten, dass Versöhnung immer mit Gericht zusammenhängt. Der Begriff Yom Hakippurim (^“ВЭЛ QT) ist die biblische Bezeichnung dieses Tages (Lev. 23,27). Der Name des Feiertages leitet sich von dem Verb “23 Pi. ab. Seine Grundübersetzung lautet „entsühnen“ (hergeleitet von arab. kafara „bedecken“, bzw. koranisch-arab. kaffara „entsühnen“; s.a. akkadisch kuppuru „kultisch reinigen“)[24]. Es ist der Sühnetag, der Versöhnungstag. Es fällt auf, dass Yom Hakippurim eine Pluralform ist. Übersetzt wird Yom Hakippurim oft mit „großer Versöhnugstag, eine bessere Übersetzung wäre aber „Tag der Reinigungen“. Dies drückt aus, dass an diesem Tag mehrere Reinigungen stattfanden, Priester, Volk und Heiligtum. Die heute gebräuchliche Bezeichnung Yom Kippur wird in den biblischen Texten nicht genannt. In der Mischna[25]ist uns viel über den großen Versöhnungstag überliefert. Der Name des Traktates ist mit „Joma“ wiedergegeben und heißt eigentlich nur „[Der] Tag“.

3.2.1. Die Vorbereitung (Lev. 16,1-10)

Um die Funktion des großen Versöhnungstages zu verstehen, ist es notwendig sich vor Augen zu halten wie dieser Tag gefeiert wurde. Die Vorbereitungen auf diesen besonderen Tag, auf diese „heilige Versammlung“, so die Bezeichnung Gottes für diesen Tag (Num. 29,7), begannen schon sieben Tage im Voraus. So brachte man den Hohenpriester aus seinem Haus vor die Mitglieder des Richterkollegiums um ihm einen anderen Hohenpriester als Ersatzmann zuzuordnen, für den Fall, dass der ausgewählte Hohepriester sich verunreinigen sollte. Ihm wurde sogar für diese Zeit eine zweite Frau zur Seite gestellt, falls seine Frau stürbe, denn wie es in Lev. 16,6 heißt, soll der Hohepriester für sein Haus sühnen und so heißt es in der Mischna „,sein Haus‘ ist seine Frau.“[26]Da der große Versöhnugstag auch ein Tag des Fastens war, hielt man den Hohepriester während der Vorbereitungswoche bis zum Joma vom Essen und vom Trinken nicht zurück. „Am Abend vor dem Versöhnungstag, wenn es dunkelte, ließ man ihn nicht viel essen, weil das Essen müde macht.“[27]In der Nacht vor dem großen Versöhnungstag durfte der Hohepriester nicht schlafen, damit er nicht von einer Verunreinigung übereilt würde. So wurde ihm zum Wachhalten viele Male aus Hiob, Esra, Chronik und auch aus dem Buch Daniel vorgelesen. Zur Vorbereitung auf den großen Versöhnungstag gehört auch die Reinigung der Geräte. So fanden zwei wichtige Auslosungen statt, jedoch nur unter den Priestern! Mit der erste Auslosung wurde das Freiräumen des Brandopferaltars bestimmt. Die zweite Auslosung bezog sich darauf, „wer schlachtete, wer sprengte, wer den inneren Altar von Fettasche reinigte, wer den Leuchter von Fettasche reinigte und wer die Opferstücke auf die Rampe brachte.“[28]Ein zentraler Punkt, auch bei der Vorbereitung für den großen Versöhnungstag, ist das täglich Opfer (T^Qt)[29]· Auch am großen Versöhnungstag wurde das TQt dargebracht (Lev. 29,11)·

Für die besondere Begegnung mit Gott im Allerheiligsten musste sich der Hohepriester mit Wasser reinigen. Es reichte jedoch nicht aus nur Hände und Füße zu waschen (Ex. 30,18-21). Der Hohepriester musste ein Tauchbad nehmen um sich ganz zu reinigen (Lev. 16,4). So berichtet uns die Mischna, dass der Hohepriester an diesem Tag fünf Tauchbäder und zehn Waschungen (der Hände und Füße) vor seiner Weihung durchzuführen hatte.[30] Dies drückt die enorme Vorbereitung für diesen besonderen Tag aus, für die besondere Begegnung mit Gott. Nach dem Waschen zog sich der Hohepriester seine Leinengewänder an, die für diesen besonderen Anlass abgesondert wurden (Lev. 16,4).[31] Anschließend begann der Hohepriester mit dem Ritus.

3.2.2. Der Ritus am Versöhnungstag (Lev. 16,11-28)

Am großen Versöhnung standen alle früh auf. Der Hohepriester selbst brachte das tägliche Morgenopfer dar, das an diesem Tag wie immer stattfand. Wenn dieser Dienst erledigt war, begann der besondere Gottesdienst. Zu Beginn seines Dienstes opferte der Hohepriester erst sein eigenes Sündopfer, einen Stier (Lev. 16,11).[32] Nachdem der Stier geschlachtet wurde und noch bevor eine Blutapplikation durchgeführt werden durfte, musste der Priester „eine Pfanne voll Glut vom Alter nehmen, der vor dem Herrn steht, beide Hände voll zerstoßenen Räucherwerks und es hinein hinter den Vorhang bringen.“ (Lev. 16,11-13). Dieses Räucherwerk sollte er aufgehen lassen. Die daraus entstandene Wolke war ein Schutzmechanismus für den Priester vor Gottes glorreicher aber tödlichen Präsenz, indem sie die kapporet (ГПЭЭ), die goldene Deckplatte der Bundeslade, bedeckte. Denn über diese kapporet („Gnadenthorn“ oder „Ort der Vergebung“) schwebte Gottes Gegenwart (Exo. 25,17.21-22; Num. 7,89). Erst danach ist es dann soweit, dass der Hohepriester das Blut des Stieres nimmt und mit seinen Fingern einmal auf und siebenmal vor den Gnadenthron sprengen darf. Doch noch bevor der Stier als Sündopfer dargebracht wurde, gab es noch das Ritual der „Losung für den Herrn“. So heißt es in Lev. 16,8-9:

Und Aaron soll Lose werfen über die zwei Ziegenböcke, ein Los für den HERRN und ein Los für Asasel. Und Aaron soll den Ziegenbock herzubringen, auf den das Los für den HERRN gefallen ist, und ihn als Sündopfer opfern.

Die Lose[33]für die Tiere befanden sich in einer Urne. So berichtet uns die Mischna, dass diese Urne geschüttelt wurde und man zwei Lose heraus nahm. Auf dem einen war geschrieben „für den Herrn“, und auf dem anderen stand geschrieben „für Asasel“[34]. Man legte die Lose auf die beiden Böcke und bestimmte, wer nun als Sündopfer für den Herrn ausgewählt wurde. Um die zwei Böcke unterscheiden zu können, band man einen karmesinroten Streifen an den Kopf des Bockes, der fortgeschickt werden sollte.[35]Denn „für die zwei Böcke des Versöhnungstages galt das Gebot, dass sie beide gleich sind im Aussehen, in der Größe und im Preis und zu einer Zeit gekauft wurden.“[36]Der Ziegenbock für den Herrn aber wurde als Sündopfer dargebrachte. Der Hohepriester legte seine beiden Hände auf ihn, und sprach das Sündenbekenntnis[37]. Der andere Bock wurde lebendig vor den Herrn gestellt. Der Hohepriester vollzog an ihm die „Sühnung“; dann wurde er als Sündenbock in die Wüste geschickt (Lev. 16,9-10). Doch beide Böcke musste Aaron zunächst „nehmen und vor den Herrn stellen an der Tür der Stiftshütte“ (Lev. 16,7). Das heißt, dass die beiden Tiere an eigens dafür vorgesehenen Ringen vor dem Eingang der Stiftshütte angebunden wurden und dort stehen mussten, während der Opferdienst mit dem Stier stattfand. Nachdem der Hohepriester wieder aus dem Allerheiligsten kam, wo er die Blutapplikation des Stieres ausgeführt hatte, schlachtete er den Ziegenbock „für den Herrn“, der als Sündopfer für das Volk ausgelost wurde. Mit diesem Blut ging der Hohepriester ein zweites mal in das Allerheiligste und sprengte das Blut ebenfalls auf und vor den Gnadenthron (Lev. 16,15). Damit erwirkte er die Entsühnung (“Bk)[38] des Heiligtums, das wegen „der Verunreinigung der Kinder Israel und wegen ihren Übertretungen, mit denen sie sich versündigt haben“ (Lev. 16,16), notwendig war. Roy Gane schreibt dazu:

In other words, by sprinkling on and in front of the ark, the high priest was to remove ritual impurities and two kinds of moral faults - transgressions and sins - that had belonged to the pristly and lay communities from the area of the inner sanctum, including the ark located there.[39]

Dasselbe Ritual, diese Reinigung, fand anschließend auch im Heilgen statt und zog sich bis zum Vorhof, bis zum Brandopferaltar. Diese Prozedur war notwenig um das Heiligtum und somit auch das Volk von Sünde zu befreien. So schreibt Gane, dass es auch notwenig war das Heiligtum zu entsühnen. Über das Jahr wurden die Sünden durch Sündopfer vom Schuldigen entfernet und diese wurden durch die Blutapplikation in das Heiligtum getragen. Derjenige, der das Sündopfer darbrachte war frei. Ihm wurde vergeben bzw. er erlangte „physical cleansing“[40]. Am großen Versöhnugstag wurden, durch die speziellen Sündopfer, die Sünden die im Heiligtum „lagerten“ entfernt. An diesem Tage erlebte das Volk „moral cleansing“. So sagt Gane: „What goes in must come out!“[41] Das Heiligtum wurde so mit dem Blut des Sündenbockes von innen nach außen gereinigt und somit wurde das Volk entsühnt (ПЭЛ), und das Heiligtum gerechtfertigt (pdxn)42. Schritt für Schritt wurde die Sünde von der Bundeslade hinweg beweget. Hinaus in die Wüste. Das Heiligtum wurde gerechtfertigt. Die Blutapplikation war wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Auf die Bundeslade (1x besprengen) - (ГПЭЭЛ Lev. 16,14-15

2. Vor die Bundeslade (7x besprengen) - (ГЛЭЭЛ 4?1)

3. Auf den Räucheraltar (1x besprengen)

4. Vor den Räucheraltar (7x besprengen)

5. Auf dem Brandopferaltar (jeweils 1x auf die Hörner streichen)

6. Auf dem Brandopferaltar (7x besprengen)

Diese Reinigung von innen nach außen ergibt absolut Sinn, denn so wurde die Sünden entfernt und alles, die Stiftshütte, das Priestertum und das Volk, vollständig gereinigt.[42]

Hier in großen Zügen der ganze Ablauf der Ereignisse:

1. Der Hohepriester nimmt ein Tauchbad (V. 4).

2. Er legt die Leinengewänder an (V. 4).

3. Er stellt die fünf Opfertiere bereit (V. 3-7):

a. Ein Stier zum Sündopfer für sich selbst und die Priester,

b. zwei Ziegenböcke zum Sündopfer für das Volk,

c. ein Widder zum Brandopfer für sich selbst und die Priester

d. ein Widder zum Brandopfer für das Volk.

4. Er wirft das Los über die zwei Ziegenbö style="margin:0in 0in 13pt 43pt;text-indent:-0.25in;line-height:13.3pt;background:transparent;">5. Er schlachtet den Sündopferstier (V. 11).

6. Er betritt zum ersten Mal das Allerheiligste um zu räuchern (V. 12-13).

7. Er betritt zum zweiten Mal das Allerheiligste, um mit dem Blut de Stieres für sich selbst und die Priester Sühne zu schaffen (V. 14).

8. Er schlachtet den Sündenopferbock für das Volk (V. 15).

9. Er betritt zum dritten Mal das Allerheiligste, um mit dem Blut des Bockes für das Volk Sühne zu schaffen (V. 15-16).

10. Mit dem Blut entsühnt er nach dem Allerheiligsten auch das Heilige (V. 16).

11. Er entsühnt auch den Räucheralter (V. 18-19).

12. Er lädt Israels Sünden auf den lebenden Sündenbock und schickt ihn zu Asasel in die Wüste (V. 20-22).

13. Er legt die Leinengewänder ab (V. 23).

14. Er nimmt ein Tauchbad (V. 24).

15. Er zieht die normalen Hohepriestergewänder an (V. 24).

16. Er opfert die Brandopfer für sich und das Volk (V. 24).

17. Er lässt die Fettstücke der Sündopfer in Rauch aufgehen (V. 25).

18. Der Sündopferstier und der Sündopferbock, deren Blut ins Allerheiligste gebracht wurde, werden draußen vor dem Lager verbrannt (V. 27).

19. Der Mann, der den Sündenbock zu Asasel brachte, reinigt sich (V. 26).

20. Der, der die Sündopfertiere verbrannte, reinigt sich ebenfalls (V. 28).

3.2.3. Bestimmungen zum Verhalten am Versöhnungstag (Lev. 16,29-34)

In den letzten Versen (Lev. 16,29-34) des Kapitels, folgen nun die Schlußbestimmungen für das Volk. In erster Linie geht es um das Fasten und um die Festruhe. Die Bestimmung sich zu demütigen (ЛПО)[43], auch im Zusammenhang mit dem großen Versöhnungstag, bedeutete Fasten (Ps. 35,13; Jes. 58,3). In Levitikus 16 wird das Verb ЛПО mit dem Nomen Vpn (Seele) in Verbindung gebracht. Die Seele umfasst den ganzen Menschen. So drückt das ЛПО VSn, die „Kasteiung“ (so Luther), das „sich selbst demütigen“ des ganzen Menschen vor Gott aus. Das Fasten ist ein Ausdruck der Anerkennung Gottes. So ist uns auch in der Mischna folgendes überliefert:[44]

Am Versöhnungstag ist es verboten zu essen, zu trinken, sich zu waschen, zu salben, die Sandalen anzulegen und das Bett zu benutzen[45]. [...] Kleine Kinder brauchen am Versöhnungstag nicht zu fasten, aber weist sie ein oder zwei Jahre vorher ein, damit sie sich an die Gebote gewöhnen.[46]

Die anderen Feste Israels waren Freudenfeste, nur der großen Versöhnungstag war „ein Tag des gemeinsamen Fastens und nicht des Festens“. Damit wurde der tiefe Ernst des Geschehens unterstrichen. Wer an diesem Tag nicht fastete bzw. sich demütigte, wurde ausgerottet. Zu dem Fasten war das Volk angewiesen keinerlei Arbeit zu tun. Auch derjenige der dieses Gebot übertrag, wurde ausgerottet. In Lev. 16,29 wird die Verpflichtung sogar ausgedehnt auf jeden „Fremden der in euerer Mitte wohnt“. Das Fasten dauerte bis zum Abend, und begann schon am Abend des neunten Tages (Lev. 23,32). Die Begründung für diese Anordnungen des Fastens und des (völligen) Ruhens (Lev. 16,30) sind ausdrücklich mit dem Geschehen der Entsühnung verbunden (Lev. 16,30). Die Wichtigkeit des großen Versöhnungstages wird noch ein mal in Lev. 16,30 durch den Ausdruck „Sabbat der vollständigen Ruhe“ (]iD3V tbV) deutlich gemacht. Im Deutschen könnte man diesen Ausdruck auch mit „Sabbat der Sabbatfeier“ übersetzen. Klar ist, dass es sich um einen besonders hervorgehobenen Feiertag handelt. An dem Tag, an dem Gott das Höchste schenkt, nämlich die Befreiung von Sünden, soll der Mensch nichts anderes tun, als Gottes Wort zu hören, zu beten und zu danken. Dies, heißt es weiter, sei eine „ewige Ordnung“ (olio tqj)[47] wodurch Gott festhalten will, dass Israel diesen Festtag nicht mehr abschaffen darf.

3.3. Die Funktion im irdischen Heiligtumsdienst

Den ausführlichen Ritus haben wir schon bearbeitet. Doch die Funktion des großen Versöhnungstages sollten wir gesondert betrachten. Der große Versöhungstag war für die Israeliten ein Tag des Gerichts. Dies ist uns auch deutlich in der Mischna überliefert. Während des ganzen Jahres erschienen Tag für Tag Sünder am Heiligtum um dort Vergebung zu erlangen. An diesem großen Versöhnungstag unterzog Gott diese Sünden nochmals einerBetrachtung. In Hebräer 10,3 heißt es: „Doch in jenen [Opfern des großen Versöhnungstages] ist alljährlich ein Erinnern an die Sünden“. An diesem Tag übergab sich jeder treue Israelit dem Herrn aufs neu und bestätigte seine Reue. Die Folge war, dass ihm vergeben wurde und er sogar von seinen Sünden entsühnt, gereinigt war. „Denn an diesem Tag geschieht eure Entsühnung, dass ihr gereinigt werdet; von allen euren Sünden werdet ihr gereinigt vor dem Herrn“ (Lev. 16,30). Jedes Opferblut, dass beim Tamid oder beim Sündopfer angewandt wurde, war Symbol für begangene Sünden. Auch das Blut an den Hörnern des Altars und auch am Rauchopferaltar, das der Priester darbrachte, stand für vergebene Sünden. Am großen Versöhnugstag wurden die Sünden derer, die bereits Vergebung erlangt hatten, nun völlig ausgelöscht und aus dem Heiligtum entfernt. Das Entsündigen, Reinigen und Sühnen dient dazu, Gegenstände oder Personen der Heiligkeit Jahwes anzupassen. Auf diese Weise wurde das Heiligtum von aller „niedergeschriebenen“ Sünde gereinigt, die sich im Laufe des Jahres dort angesammelt hatte. Die Sünde war nicht länger dort vorhanden um gegen den Sünder zu zeugen. Die Versöhnung hatte stattgefunden und die Menschen wurden nicht mehr verurteilt. Im theologischen Sinn verstehen wir unter Versöhnung den Vorgang, bei dem ein Sünder mit Gott versöhnt oder in ein rechtes Verhältnis zu ihm gebracht wird. Um an diesen Punkt zu kommen, benötigt es ein Gericht, einen juristischen Akt. Deswegen stellt der große Versöhnungstag ein Gericht dar, das in erster Linie nicht verurteilen soll, sondern frei sprechen. Deswegen ist der Yom Hakippurim eine Freudenbotschaft.

3.3.1. Das Gericht

Der Gottesdienst am großen Versöhnungstag diente dem Volk zur Belehrung über die Bedeutung von Versöhnung. Die Sündopfer, die dargebracht wurden, dienten Gott nur als Vertreter, denn eine vollkommene Versöhnung brachte das Blut der Opfertiere nicht. Das Blut und dessen Anwendung im Heiligtum dienten jedeglich als Mittel, mit dem die Sünde auf das Heiligtum übertragen wurde. Mit der Darbringung von Blut bestätigte der Sünder die Autorität des Gesetzes, dass den Tod des Sünders forderte. Am großen Versöhnungstag lud der Priester, in seiner Funktion als Mittler, nach dem Reinigen und dem Verlassen des Heiligtums die Schuld Israels auf sich. An der Tür der Stiftshütte legtet er seine Hände auf den Bock für Asasel und bekannte dann über ihm „alle Missetaten der Kinder Israels“ indem er seine Hände auf den Kopf des Bockes legte. Erst, nachdem der mit den Sünden beladene Bock in die Wüster fortgebracht worden war, erlangte das ganze Volk wahre Errettung. An dieser Stelle greift das Verursacherprinzip. Der große Versöhnungstag ist ein Tag des Gereichtes über den Verursacher der Sünde. Im irdischen Heiligtumsdienst repräsentierte „Asasel“ diesen Verursacher, daher auch „Bock für Asasel“. Indem die Sünden des Volkes aus dem Heiligtum entfernt wurden und auf den Bock übertragen, fiel ein Urteil. In Henoch 13,1-2 heißt es:

And Enoch said to Azael: “Go, you will not have peace. Great judgment came against you, to bind you, and there will be no forbearance and request (for leniency) for you, because you revealed unrighteous things because of all the impious deeds and the unrighteousness and the sin, that you taught to humans.”

Das Volk, dass ernsthaft ihre Sünden bekannte, sich demütigte und sich durch Fasten abhängig von Gott machte, wurde freigesprochen. Asasel wurde „gerichtet“ indem ihm, dem Symbol des Verursachers der Sünde, alle Sünden „zurückgesandt“ wurden, damit wurde er zur Verantwortung für die Sünden gezogen und letztendlich damit zum Tode verurteilt. Mit dem großen Versöhnugstag endetet der Jahreszyklus der Gottesdienste.[48]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eines der stärksten Indizien dafür, dass der große Versöhnungstag auch ein Tag des Gerichtes war, ist das Fest, das am ersten Tag des Monats Tischri eingeleitet wird (Num. 29,1). Der „Tag des Lärmblasens“ (HOWIF) QT), das als Neujahrsfest gefeiert wurde. Was der Sabbat für die Woche, ist der siebte Monat für das Jahr, nämlich ein besonders herausragender Festmonat, in dem auch der Yom Hakippurim und das Laubhüttenfest gefeiert wurden. Dieser hohe Festmonat wurde nun durch den Tag des Lärmblasens eingeleitet. Das Lärmblasen, üblicherweise mit dem Schofar, einem gekrümmten Widderhorn, ausgeführt, dient dazu, Aufmerksamkeit zu erregen.[49]Aufmerksamkeit auf den Tag des Gerichtes, auf den Yom Hakippurim. Die Rabbiner erkannten, dass der große Versöhnungstag das Gericht inkludiert. So heißt es im babylonischen Talmund:

R. Keruspedaj sagt im Namen R. Johanans: Drei Bücher werden am Neujahrsfeste aufgeschlagen: eines für die völlig Gottlosen, eines für die völlig Frommen und eines für die Mittelmäßigen. Die völlig Frommen werden sofort zum Leben aufgeschrieben und besiegelt, und die Mittelmäßigen bleiben vom Neujahrsfeste bis zum Versöhnugstag in der Schwebe; haben sie sich verdient gemacht, so werden sie zum Leben verschrieben, haben sie sich nicht verdient gemacht, so werden sie zum Tode verschrieben.[50]

Die zehn Tage zwischen Rosch ha-Schana[51]und dem Yom Hakippurim waren dem Volk als Zeit der Buße und der Selbstprüfung gegeben. Eine Zeit der eigenen Demütigung, Buße und Vorbereitung. Wenn sie bereuten, so die Tradition, sollten sie mit den Gerechten aufgeschrieben werden, wenn nicht, sollten sie mit den Ungerechten aufgeschrieben werden. Dies rückt den „Tag des Lärmblasens“ in ein anderes Licht. Ein Tag an dem das Volk zur Buße aufgerufen und vor dem Gerichtstag gewarnt wird.[52]Am großen Versöhnugstag wurde dann „Gericht gehalten“. Hier spielen zwei Begriffe eine wichtige Rolle, nämlich “12k (sühnen) und t“k[53] (abschneiden). Es geht im Grunde um Loyalität, Loyalität Gottes Geboten gegenüber. Auf der einen Seite gab es die, die schamlos sein Gesetz brachen oder die Rituale grob vernachlässigten, die er ihnen als Zeichen ihrer Loyalität anbot. Diese wurden verdammt (ΓΠ2) wenn sie diese Sünden begingen (Lev. 20,3). Auf der anderen Seite gab es die, die nicht mutwillig oder aus Trotz die Gebote Gottes brachen und den Ritualen Gottes folgten und somit Sühnung (“2k) und Vergebung erfuhren und von ihrer Unreinheit gereinigt wurden. Sie waren „vorläufig“ (durch die Opferrituale) loyal und für eine Zukunft berechtigt, die dann am großen Versöhnugstag, dem Tag des Gerichtes, wahre Sühnung (“2k) erfuhren. Aber am großen Versöhnugstag selbst gab es noch die Möglichkeit Loyalität zu beweisen, indem man sich vor dem Herrn demütige und die Arbeit ruhen ließ (Lev. 16,29.31). Jeder Israelit der geeignet für die Sühne (“2k) am großen Versöhnugstag war, sich jedoch nicht selbst vor dem Herrn demütigte oder den Sabbat brach, auch dieser wurde dann am Ende des Tages ausgerottet (Lev. 23,26-32). Gott wollte Menschen die ihm loyal gegenüber waren und blieben. Das alleinige halten der Gebote im Vorfeld war nutzlos ohne die Demut vor dem Herrn. Der Gehorsam Gott gegenüber, während der Hohepriester seinen Dienst am großen Versöhnugstag vollzieht, war essentiell um Erlösung zu empfangen. Aber eines war sicher nämlich, dass eine Unterscheidung zwischen loyalen und illoyalen Israeliten gemacht wurde. So gab es am Ende des großen Versöhnungstages zwei Gruppen von Israeliten (nicht wie drei, wie der Talmud sie aufteilt): 1. die Übrigen die moralisch „rein“ waren, das heißt, bei denen kein Hindernis in der Beziehung zu Gott existierte (Lev. 16,30) und 2. die, die keine Zukunft mit Gott und seinem Volk hatten, die die ausgerottet (r“k) wurden (Lev. 23,29-30). So lag es in der Hand jedes einzelnen Israeliten sich entweder für “12k oder für t“k zu entscheiden. Es wird deutlich, dass die Loyalität die Grundlage ist. Am großen Versöhnugstag wurde die Loyalität geprüft. Die einen führte ihre Loyalität zur Sühnung (“2k) die Illoyalität der anderen führte zu ihrer Ausrottung (t“k). An diesem Tag wurden die Konsequenzen derer entschieden, die für oder gegen Gott waren. Es wird zwar sehr stark die Reinigung am großen Versöhnungstag betont, aber es war ein ernster Anlass. Wie bei diesem Gericht vorgegangen werden sollte, wird nicht beschrieben und war auch vermutlich nicht ein Teil der Zeremonie, sondern die Zeremonie selbst war das Gericht. Immerhin hing das Wohlergehen des Volkes von der Versöhnung für das Heiligtum ab. Ohne dieses Geschehen würden sie aufgrund ihrer Unreinheit und ihrer Übertretungen unter dem göttlichen Gericht zum Tode verurteilt werden. Das Heiligtum und sein Dienst spielen eine bedeutende Rolle für das Gericht. Wir stellen fest, dass das irdische Heiligtum der Ort ist, von dem aus Gott richtet. Dies gilt für die Stiftshütte (Num. 14,10-16), für den Tempel in Jerusalem (Ps. 9,1-8) und für das himmlischen Heiligtum (Ps. 11,4). Das interessante bei Gottes Gericht ist, dass sein Gericht die frommen Leidenden wieder aufrichtet, den Gottlosen aber straft. Niels-Erik Andreasen[54]spricht über das göttliche Gericht im Alten Testament und zeigt als Schlussfolgerung sieben Punkte auf:

1. Das göttliche Gericht ist Teil der täglichen religiösen Erfahrung und reicht in alle Sphären des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens hinein.
2. Das göttliche Gericht wird innerhalb der göttlichen Gerechtigkeit vollzogen, deren Absicht es ist, Gottes Grundsätze in der ganzen Schöpfung festzulegen und zu erhalten.
3. Das göttliche Gericht gründet sich auf die ethischen Forderungen, die in dem Bundesverhältnis niedergelegt sind. Das göttliche Gericht kann nicht verstanden werden, wenn nicht vorher moralische und religiöse Verantwortung übernommen wird.
4. Das göttliche Gericht ist weder willkürlich noch unberechenbar, sondern es wird vor Zeugen in einer beratenden Versammlung durchgeführt; Anhörungen und die Beurteilung der Schuld, der Verantwortung und der „milderen Umstände“ finden statt.
5. Die göttliche Gerechtigkeit ist nicht „blinde Justiz“, d.h. sie wird nicht ohne Anteilnahme verwirklicht.
6. Sowohl das Heiligtum als auch das himmlische wie auch das irdische, ist der äußere Rahmen für das Gericht. Erstens stellt es Gottes Wohnstätte dar und zweitens beginnt das göttliche Gericht mit Gottes Volk, d.h. es gehört zur Glaubenserfahrung.
7. Das Endgericht gehört zur Erlösung. Sein Zweck ist es, die Unschuldigen und die Gerechten zu schützen, indem die Schuldigen verurteilt werden. Damit soll die gerechte Herrschaft Gottes bestätigt werden.

Die Zeremonie der Reinigung und des Gerichts bildet den Hintergrund zu Daniel 8,14. Es geht dabei nicht um den Wiederaufbau des Heiligtums, sondern um eine Wiederherstellung seines Dienstes und seiner Funktionen nach einer Zeit der Schädigung. Das Heiligtum erfährt Reinigung, die Schänder Gericht und die Anbeter Versöhnung. Dieses Gericht aus Daniel 8,14 ist Teil des apokalyptischen Heiligtumsdienstes, dem wir uns nun zuwenden.

3.4. Die Funktion im apokalyptischen Heiligtumsdienst

Nach Hebr. 8,5 wissen wir, dass Gott Mose beauftragte, ihm ein Heiligtum zu bauen nach dem Bilde das Mose gezeigt wurde. Das tat Mose und als die Arbeit vollendet war, „sah er dies ganze Werk an, und siehe sie hatten es gemacht, wie der Herr geboten hatte“ (Ex. 39,43). Gott gab nicht nur genaue Anweisungen, wie die Stiftshütte gebaut werden sollte, sondern er selbst wählte auch die Priester aus, die ihm dienen sollte und leitete ihre Ausbildung für den heiligen Dienst, den sie versehen mussten. Gott selbst gab genaue Anweisungen für die Salbung der Stiftshütte und für die Reinigung des Heiligtums und allen Einrichtungsgegenständen mit dem Blut. Die Einweihungszeremonien waren dem Ritual des großen Versöhnugstag sehr ähnlich (Lev. 16,19), denn auch zur Einweihung des Heiligtums wurden dies und die Einrichtungsgegenstände entsühnt (Lev. 8,10-15). Da das irdische Heiligtum nach einem Abbild geschaffen wurde stellt sich, in Bezug auf den großen Versöhnugstag, die Frage ob, auch das himmlische Heiligtum einer Reinigung bedarf?

3.4.1. Christi Heiligtumsdienst

Apostelgeschichte 1,9 schildert uns die Himmelfahrt Jesu. Dies war die offizielle Heimkehr Jesus gewesen. Bevor er die Krone der Herrlichkeit und das königliche Gewand in Empfang nehmen konnte, wollte er die Zusicherung seines Vaters, dass nicht nur er allein, sondern die ganze Menschheit von ihm angenommen war. So schildert Ellen White:

Als Christus zu den Toren des Himmels eingegangen war, wurde ihm der Thron übergeben, wobei ihn die Engel anbeteten. Sobald diese feierliche Handlung beendet war, kam der Heilige Geist in reicher Fülle auf die Jünger herab. So wurde Christus in der Tat mit jener Klarheit verklärt, die er von Ewigkeit her beim Vater gehabt hatte. Durch die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten teilte der Himmel mit, dass die Einsetzung des Erlösers geschehen war. Er hatte den Heiligen Geist vom Himmel gesandt zum Zeichen, dass er nun als Priester und König alle Gewalt im Himmel und auf Erden erhalten habe und der Gesalbte über sein Volk sei.[55]

Zu diesem Zeitpunkt war die Einsetzung Jesus vollendet, und er war damit offiziell zum Priester und König ernannt. Das ist das himmlische Gegenbild zu der Einsetzung des Hohenpriesters im irdischen Heiligtumsdienst. So wie Aaron auf der Erde gekrönt wurde mit der „heiligen Krone aus reinem Gold“ (Ex. 39,30), so wurde Christus im Himmel gekrönt. So wie Aaron in sein heiliges Amt eingesetzt wurde, so ernannte Gott Jesus zu „einem Priester nach der Ordnung Melchisedeks“ (Hebr. 5,10). Wie Aaron zum Leiter des königlichen Priestertums ernannt wurde, so wurde Christus zum Hohepriester und König gekrönt. So erklärt Paulus nach sieben Kapitel in Hebr. 8,1-2 was die Hauptsache aller seiner Rede ist, nämlich:

Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät, als Diener des Heiligtums und des wahrhaftigen Zeltes, das der Herr errichtet hat, nicht ein Mensch.

So wie Mose bei der Einsetzung von Aaron Salböl und Blut nahm „und sprengte es auf Aaron und seine Kleider, auf die Söhne und ihre Kleider, so weihte er Aaron und seine Kleider, seinen Söhne und ihre Kleider“ (Ex. 8,30). So schildert Ellen White, dass auch Jesus vom Blut der Versöhnung nahm und im Allerheiligsten auf den Gnadenthron und auf seine eigenen Kleider sprengte.[56]So wie Aaron seinen Dienst im irdischen

Heiligtum begann (Lev. 9,23), so begann auch Christus seinen Mittlerdienst im himmlischen Heiligtum. Hier müssen wir aber zwischen zwei verschiedenen Phasen unterscheiden. So wie der Hohepriester im irdischen Heiligtumsdienst unter dem Jahr diente so diente Jesus im himmlischen Heiligtum für uns als Mittler indem er mit „sein eigen Blut ein für allemal in das Heilige eingegangen [ist] und hat eine ewige Erlösung erworben“ (Hebr. 9,12). Ellen White schreibt dazu folgendes:

Achtzehn Jahrhundert hindurch wurde dieser Dienst im ersten Teil des Heiligtums fortgeführt. Das Blut Christi legte Fürbitte für reumütige Gläubige ein und gewährte ihnen Vergebung und Annahme beim Vater, doch standen ihre Sünden noch immer in den Büchern verzeichnet.[57]

So wie der Dienst im irdischen Heiligtum „Abbild und Schatten der himmlischen Dinge“ war so war dies sinnbildlich für den Versöhnungsdienst im himmlischen Heiligtum. Nach seiner Himmelfahrt begann Jesus seinen Dienst als Hohepriester. Paulus schreibt: „Denn Christus ist nicht eigegangen in das Heilige, das mit Händen gemacht ist, welches ist ein Gegenbild des wahrhaftigen Heiligtums, sondern in den Himmel selbst, um jetzt zu erscheinen vor dem Angesicht Gottes für uns“ (Hebr. 9,24). Der Dienst des Priester, der das ganze Jahr hindurch in der ersten Abteilung des Heiligtums, hinter dem Vorhang, stattfand, stellte den Dienst dar, den Christus mit seiner Himmelfahrt angetreten hat. So wie der Priester im irdischen Heiligtum das Blut des Sündopfer und den Weihrauch vor Gott darbrachte, so ist auch der Dienst Jesus im himmlischen Heiligtum zu sehen. Ellen White beschreibt dies folgendermaßen:

So machte Christus vor dem Vater sein Blut für die Sünder geltend und bringt mit dem köstlichen Wohlgeruch seiner eigenen Gerechtigkeit auch die Gebete der reumütigen Gläubigen vor Gott. Das war der Dienst in der ersten Abteilung des himmlischen Heiligtums.[58]

Diest stellt die erste Phase des Dienstes Jesu im himmlischen Heiligtum dar. Daniel 8,14 schildert uns die zweite Phase des Dienstes. Der Gegensatz zwischen dem irdischen und dem himmlischen Heiligtumsdienst besteht darin, dass der Hohepriester jedes Jahr in das Allerheiligste ging, Jesus aber nur einmal. Obwohl es „notwenig“ war, dass die himmlischen Dinge gereinigt wurden, war es nicht erforderlich, dass dies wie im irdischen Dienst jährlich einmal stattfand. Jesus musste dies nur einmal vollbringen, am

Ende seiner Aufgabe im Heiligen, nachdem er dort seinen Dienst versehen hatte. Er ging 1844 in das Allerheiligste und verrichtete nun dort seinen Dienst, der dem entsprach, der der Hohepriester auf Erden im Allerheiligsten verrichtete. Daniel 8,14 bildet in diesem Punkt die Basis. Also können wir sagen, dass Jesus 1844 in die zweite Phase seines Dienstes eingetreten ist. 1844 begann der große Versöhnugstag. Ellen White bekräftigt dies, indem sie sagt:

Wie im irdischen Heiligtum am Ende des Jahres ein Versöhnungsdienst stattfand, so muß, ehe Christi Aufgabe für die Erlösung der Menschen vollendet werden kann, ein Versöhnungsdienst stattfinden, durch den die Sünden vom Heiligtum entfernt werden. Dies ist der Dienst, der am Ende der zweitausenddreihundert Tage begann. Zu jener Zeit trat, wie vom Propheten Daniel vorhergesagt wurde, unser großer Hohepriester in das Allerheiligste, um den letzten Teil seines feierlichen Werkes, die Reinigung des Heiligtums, zu vollziehen.[59]

Dies zeigt, dass es im Himmel nicht nur ein Heiligtum gibt, sondern dass dort auch etwas geschieht, wofür der Opferdienst im irdischen Heiligtumsdienst symbolisch war, nämlich der zwei Phasen Dienst des Hohenpriesters. Wenn wir den Herbst des Jahres 457 v. Chr. als Ausgangspunkt nehmen, enden die 2300 Tage (Jahre) im Herbst des Jahres 1844.[60]Die biblische Lehre vom Heiligtum wurde der Schlüssel um die Enttäuschung des Jahres 1844 verstehen zu können. Erwartet wurde die Wiederkunft Jesu nach den 2300 Tagen aus der Weissagung von Daniel 8,14. Was jedoch nicht beachtet wurde, war, dass das Heiligtum ab diesem Zeitpunkt gereinigt wird. Sowohl die Weissagung aus Daniel 8,14 und die Botschaft nämlich des ersten Engels aus Offenbarung 14,6-7, wiesen auf Jesu Dienst im Allerheiligsten hin, auf das Untersuchungsgericht. Die Funktion des Yom Hakippurim im apokalyptischen Heiligtumsdienst ist das Untersuchungsgericht, das mit 1844 eingeleitet wurde. So schreibt Ellen White:

Der Eingang Jesu Christi, unseres Hohenpriesters, in das Allerheiligste um das Heiligtum zu reinigen, wie es in Daniel 8,14 dargelegt ist, sowie das Kommen des Menschensohnes zu dem Hochbetagen, auf das in Daniel 7,13 hingewiesen, sind Beschreibungen ein und desselben Ereignisses. Diese Prüfung [das Gericht, der Yom Hakippurim], die Entscheidung darüber, wer für das Reich Gottes bereit ist, ist das Untersuchungsbericht, das abschließende Werk im himmlischen Heiligtum. Wenn diese Untersuchung beendet ist und nach sorgfältiger Prüfung über einen jeden entschieden ist, der vorgab ein Nachfolger Christi zu sein, dann und nicht eher wird die Prüfungszeit zu Ende gehen und die Gnadentür geschlossen werden.[61]

Wenn der himmlische Yom Hakippurim abgeschlossen wird, gibt es, wie auch im irdischen Heiligtum nur zwei Gruppen von Menschen. Diejenigen, die entsühnt (“12k) und die, die ausgerottet (mk) werden. Wie im irdischen Heiligtumsdienst ist der große Versöhnungstag ein Tag der Reinigung des Heiligtums. So ist auch der apokalyptische Versöhnungstag ein Tag der Reinigung des Heiligtums. So wie alle Sünden des Volkes aus dem irdischen Heiligtum hinausgetragen, auf den Bock für Asasel übertragen und aus dem Lager gewiesen wurden, so wird auch das himmlische Heiligtum von allen Sünden gereinigt. Der erste Bock war ein Symbol für Jesus Christus, der am Kreuz die Versöhnung unserer Sünden schuf. Der andere Bock versinnbildete Satan, der nicht nur die Verantwortung für seine eigenen Sünden zu tragen hatte, sondern auch Mitschuld hat an all den Sünden, zu denen er sowohl Gerechte als auch Gottlose verführte.[62]Das Verursacherprinzip im irdischen Heiligtum wird erst beim betrachten des himmlischen Heiligtumsdienstes am Yom Hakippurim richtig verständlich. Den in Satan hat die Sünde ihren Ursprung. Ein wichtiger Punkt ist, dass der Ritus mit dem Bock für Asasel erst nachdem die Versöhnung abgeschlossen war, vollzogen wurde.

3.4.2. Gericht

Mit 1844 ging Jesus in die zweite Phase seines Dienstes über. Der Abschluss der Versöhnung wurde eingeleitet, welches auch ein Gericht, das Untersuchungsgericht impliziert. Seit 1844 leben wir in der Zeit des Untersuchungsgerichtes. So wie im irdischen Heiligtumsdienst der Yom Hakippurim ein Tag des Gerichtes war, so wird im apokalyptische Heiligtumsdienst, mit dem Yom Hakippurim, das Untersuchungsgericht eingeleitet. So wie im irdischen Heiligtumsdienst nur diejenigen Anteil am Dienst des Versöhnungstages hatten, die zu Gott kamen um ihre Sünden zu bekennen und zu bereuen, und deren Sünden durch das Blut des Sündopfers auf das Heiligtum übertragen worden war.

So betrifft auch der abschließende Dienst der Versöhnung und des Untersuchungsgerichts nur diejenigen, die sich zum bekennenden Volk Gottes zählen. Das Gericht über die Heilsverächter ist davon gesondert und wird zu einem später Zeitpunkt stattfinden.[63]

Das Ziel des Yom Hakippurium ist die totale Versöhnung! So wie im irdischen Heiligtum am großen Versöhnungstag alle Sünden aus dem Lager entfernt wurden, so ist das Ziel im himmlischen Heiligtumsdienst dasselbe. Die totale Versöhnung! Daniel 7,10 berichtet uns, dass sich das Gericht setzte und die Bücher aufgeschlagen wurden. Offenbarung 20,12 schildert uns ein ähnliches Bild. Daniel 12,1 sagt: „Zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch des Lebens geschrieben stehen“. Maleachi spricht von einem „Gedenkbuch“ Gottes (Mal. 3,16). Ellen White schreibt:

Im Gedenkbuch Gottes wird jede gerechte Tat festgehalten. Jede bestandene Versuchung, jeder überwundene Übel, jedes Wort herzlichen Mitgefühls ist dort gewissenhaft berichtet; wie auch jede aufopfernde Tat und alle Leiden und Schmerzen, die um Christi willen ertragen wurde. [...] Ebenso wird dort Bericht über die Sünden der Menschen geführt.[64]

Jede Tat des Menschen geht durch das Gericht und wird entweder als treu oder untreu befunden. Dies ist die Funktion des Yom Hakippurim im apokalyptischen Heiligtumsdienst. Die Reinigung des Heiligtums durch die Vergebung der Sünden. So schreibt Ellen White weiter und sagt:

Doch bei den Namen derer, die ihre Sünden aufrichtig bereut und das Blut Christ im Glauben als ihr versöhnendes Opfer angenommen haben, wird die gewährte Vergebung in den Himmelsbüchern vermerkt. Da sie Teilhaber der Gerechtigkeit Christi geworden sind und ihr Wesen in Einklang mit den Geboten Gottes stand, werden ihre Sünden ausgetilgt uns sie selbst des ewigen Lebens für würdig erachtet.[65]

Dies ist ein juristischer Akt. Die Sünden müssen offen dargelegt werden um ein gerechtes Gerichtsurteil fällen zu können. So unterscheidet sich die Funktion des typologischen Yom Hakippurims im apokalyptischen Heiligtumsdienstes, dass nach Daniel 8,14 im Jahr 1844 begann, im groben nicht von dem Yom Hakippurim des irdischen Heiligtumsdienstes. Die Notwenigkeit des Yom Hakippurims in der Eschatologie kann man an sieben Punkten festmachen: 1. Der Yom Hakippurim drückt die Liebe und die Gerechtigkeit Gottes aus. Das Heiligtum, ein System der Vergebung, stellt Gottes Liebe dar. Der Yom Hakippurim ist ein juristischer Prozess der Erlösung. 2. Es geht im Yom Hakippurim um die Rechtfertigung Gottes. 3. Der eschatologische Yom Hakippurim dient zur Abwehr der Aktivitäten des kleinen Horns aus Daniel 7-8. Es geht um die Wiederherstellung des wahren Heiligtumsdienst, der wahren Erlösung. 4. Auch das himmlische Heiligtum wird von allen Unreinheiten gereinigt werden. 5. Der Yom Hakippurim bietet den Bewohnern Sicherheit, denn der Charakter Gottes wird an diesem Tag verteidigt. 6. Der Verkläger aus Offenbarung 12,10 wird nun zum schweigen gebracht. Er kann keine Anklage mehr erheben. 7. Die Anwendung des Verursacherprinzips.

4. SCHLUSS

In dieser Arbeit haben wir gesehen, welche zentrale Stellung Levitikus 16 und damit der Yom Hakippurim im Pentateuch einnimmt. Wir haben uns kurz den Heiligtumsdienst gewidmet und in diesem Rahmen zwei Opfertypen, dem Sündopfer und dem Brandopfer. Wir haben gesehen, wie der Yom Hakippurim im irdischen Heiligtumsdienst vorbereitet wurde, wie er ablief und wie das Volk sich bei diesem besonderen Gottesdienst, dem Höhepunkt verhielt. Wir haben untersucht welche Funktion des Yom Hakippurim im irdischen, typologischen Heiligtumsdienst hatte. Er war ein Gerichtstag an dem Sühnungen und Reinigungen stattfanden. Er war ein Tag der totalen Befreiung von Sünde. Ein Tag der totalen Wiederherstellung. Anschließend haben wir uns den apokalyptischen Yom Hakippurim zugewandt, der nach Daniel 8,14 mit dem 22. Oktober 1844 begann. Wir haben gesehen, welche Parallelen es zwischen dem irdischen und dem himmlischen Heiligtumsdienst gibt und das auch der apokalyptische Yom Hakippurim ein juristischer Prozess ist, an dem Gott, sein Heiligtum und sein Volk gerechtfertigt werden. Satan, der Verursacher der Sünde, wird zur Verantwortung gezogen. Mit dem Ende des apokalyptischen Yom Hakippurims findet eine totale Annihilation der Sünde im himmlischen Heiligtum, des unbekehrten Sünders und des Verursachers statt. Doch eine Frage habe ich bewusst an das Ende gestellt: Welche Bedeutung hat nun der Beginn des apokalyptische Yom Hakippurim für mich, der ich im 21. Jahrhundert lebe? Diese 10 Punkte sind an Mervyn Maxwell angelehnt.[66]

1. 1844 ist äußerst bedeutsam, weil an diesem ganz bestimmten Datum die Weissagung der 2300 Tage aus Daniel 8,14 zu Ende ging. Weil 1844 das Ende der 2300 Tage ist, setzt damit auch die Endzeit ein. Das Gericht wurde feierlich eröffnet und der himmlische Versöhnungstag begann. Somit stellte 1844 den Startschuss für die Verkündigung der dreifachen Engelsbotschaft aus Offenbarung 14 dar. Diese wiederum verknüpft das ewige Evangelium mit der alarmierenden Nachrichten, dass das Endgericht begonnen hat.

2. 1844 klärt uns darüber auf, was Jesus macht, während wir auf ihn warten. Er tritt für uns nach wie vor als Hohepriester und als Mittler ein (Hebräer 7,25). Darüber hinaus richtet er nun auch alle, die je an ihn geglaubt haben und reinigt die lebenden Gläubigen von allen ihren Sünden.

3. 1844 zeigt, warum wir Adventisten sind. Nämlich, weil das Endgericht bereits begonnen hat. Das ist der Grund, warum wir an Jesu baldige Wiederkunft glauben, wohl wissend, dass wir es nicht errechnen können.

4. 1844 ist ein zusätzlicher, aktueller Anlass, den Sabbat zu halten. Den Jesus befindet sich seitdem im Allerheiligsten, wo die „Lade seines Bundes“ aufbewahrt wird. Noch wichtiger als der Glaube an die Tatsache des Untersuchungsgerichtes, die uns 1844 liefert, ist das Ausleben des Lebensstils, zu dem er uns einlädt.

5. 1844 überzeugt uns, wie Jesus zu leben und zu lieben. Unser Streben nach Jesu-Ebenbildlichkeit wird immer mehr Menschen zu Jesus ziehen. 1844 fordert uns auf, durch die Wiedergeburt eine neue Einstellung zu entwickeln. So werden wir uns durch den Glauben an Jesus dem Volk anschließen, das Gottes liebevolle Gebote wirklich hält.

6. 1844 zeigt uns, dass wir nicht mehr viel Zeit für die Seelengewinnung haben. Um so dringender brauchen die Menschen um uns herum ein Spiegelbild. Wir sollten Jesu Charakter Wiederspiegeln um so die Menschen für ihn zu gewinnen.

7. 1844 erinnert uns daran, uns selbst in Reue zu demütigen. Denn es richtet unsere Aufmerksamkeit auf den heutigen, großen Versöhnungstag. Das motiviert uns, unser Herz vor verderblicher Unterhaltung und Bitterkeit zu schützen, und dort, wo wir anderen Unrecht getan haben, Wiedergutmachung zu leisten. Auf dieses Weise werden wir in das „besondere Werk der Reinigung auf Erden“ hineingezogen, das parallel zu Jesu Reinigung des himmlischen Heiligtums vollzogen wurde.

8. 1844 fordert uns auf, aus allem, was „Babylon“ verkörpert, „hinauszugehen“ und einsatzfreudig, aktive Glieder der Gemeinde der Übrigen, der Siebenten-Tags- Adventisten, zu werden.

9. 1844 lässt uns an den Sabbat denken und ihn von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang heiligen. Denn wahre Anbetung äußert sich im Gehorsam; wer dagegen in der Endzeit Gott nicht gehorcht, erhält kein Urteil zum Leben.

10. 1844 beweget uns dazu, die Bibel viel gründlicher zu studieren, als es die meisten Christen tun. Denn bald bricht die Trübsalszeit an, in der Satan mit der verführerischsten Täuschung aufwartet, die er je ersonnen hat.

1844 schenkt uns lebendige Hoffnung, viel versprechende Orientierung und ein Gespür für die Dringlichkeit dieser Zeit. Wenn wir den Geist der Reue und der Demut erlangen, wird uns 1844 bewusst machen, dass wir in der Zeit leben, in der unsere Sünden vollständig ausgelöscht werden, um nie wieder erwähnt zu werden. Jesus, der nun im Allerheiligsten dient, hat ein Werk begonnen, das uns die Heiligkeit schenken soll. Deshalb dürfen wir sicher davon ausgehen, dass wir durch seine Gnade unsere Sünden überwinden und in sein Ebenbild verwandelt werden können. So unerlässlich die Auswirkungen von 1844 vor über 167 Jahren waren, so entscheidend sind sie gewiss heute. Denn Jesu herrlicher Wiederkunft, sowie den ihr vorausgehenden Prüfungen und Versuchunge, sind wir nun über 167 näher als damals. So schreibt Maxwell:

Die große Enttäuschung von 1844 war für alle Beteiligten wie ein schwarze Wolke. Aber der helle Silberstreif, der sie säumte, hat aus dieser Enttäuschung für all jene eine herrliche Enttäuschung gemacht, die ihre wahre Bedeutung erkannt haben. Dieser Silberstreif ist, wie könnte es anderes sein, Jesus und sein großartiger, neuer Gerichts- und Versöhnungsdienst im Himmel sowie sein Dienst der Sammlung und „Generalüberholung“ seines Volkes hier unten auf Erden. Ja, 1844 bleibt auf herrliche Weise, was es in den Tagen war, als William Miller es entdeckte - eine einmalige und aktuelle Botschaft über Jesus. ,Die Heilige Schrift wurde mein Freund‘, sagte Miller, ,und in Jesus fand ich einen Freund.[67]

Möge 1844 und der Beginn des apokalyptischen Yom Hakippurim uns nicht ängstigen, sondern uns helfen Jesus ganz neu und herrlicher den je zu entdecken, als unseren ewigen Freund, Mittler und Richter. So ist:

Die Bibelstelle, die vor allen andern die Grundlage und der Hauptpfeiler des Adventglaubens war [und ist], die in Daniel 8,14 gegebene Erklärung: ,Bis zweitausenddreihundert Abende und Morgen um sind; dann wird das Heiligtum wieder geweiht werden/[68]

[...]


[1]Ellen G. White, Für die Gemeinde geschrieben, Band 1 (Hamburg: Advtent-Verlag, 1991), 131.

[2]Ibid., 132.

[3]Ellen G. White spricht von unserem adventistischen Lehrgebäude als einem „system of truth“, bei der die verschiedenen Wahrheiten untereinander eng verbunden sind wie die Speichen eines Rades. Die alles zusammenhaltende Nabe ist die Heiligtumslehre. Sie steht im Zentrum, und alle anderen Lehren sind direkt mit ihr verbunden. Und Jesus selbst ist das Zentrum des Heiligtums.

[4]Ellen G. White, Der große Kampf (Hambrug: Advent-Verlag, 1999), 425. So heißt es: „Das Heiligtum war der Schlüssel zu dem Geheimnis der Enttäuschung vom Jahre 1844. Ein vollständiges System der Wahrheit (wörtl. ,a complete system of truth’), harmonisch miteinander verbunden, wurde sichtbar und zeigte, dass Gott die große Adventbewegung geleitet hatte.“

[5]G.L. Archer, Einleitung in das Alte Testament, Band 2 ( Bad Liebenzell: VLM, 1989), 93.

[6]„Und dies ist das Gesetz des Schuldopfers. Es ist ein Hochheiliges.“ - Lev. 7,1.

[7]Jesaja 59,2.

[8] 1. Johannes 3,4.

[9]John Stott, Das Kreuz: Zentrum des christlichen Glaubens (Kevelar: Verlag der Francke, 1986), 138.

[10]P. T. Forsyth, Cruciality of the Cross (Coromadel East, South Australia: New Creation Publication, 1994), 137.

[11]John Stott, 156.

[12]Archer, 95.

[13]Roy Gane sagt sogar, dass Levitikus mehr göttliche direkte Rede beinhalten als irgend ein anderes biblisches Buch. In: Roy Gane, Leviticus, Number, The NIV Applicaion Commentary Series (Grand Rapids, Michigan: Zondervan, 2004), 23.

[14]Francis D. Nichol, Hg., „Genesis to Deuteronomy“, The Seventh-day Adventist Bible Commentary 1 (Washington, D.C.: Review and Herald Publishing Association,1976), 695.

[15]William H. Shea, „Literary Form and Theological Function in Leviticus“, in F. Holbrook, Hg., The Seventy Weeks, Leviticus, and the Nature of Prophecy, DARCOM 3 (Washington, D.C.: Biblical Research Institute, 1986), 131-168, dort 149.

[16]Lev. 4,1;5,14; 5,20; 6,1; 6,12; 6,17; 7,22; 7,28; 8,1; 10,8; 11,1; 12,1; 13,1; 14,1; 14,33; 15,1; 16,1; 17,1; 18,1; 19,1; 20,1; 21,16; 22,1; 22,17.26; 22,26; 23,1; 23,9; 23,23; 23,26; 23,33; 24,1; 24,13; 25,1; 27,1

[17]Der Gedanke der Stellvertrung ist, dass ein Mensch (oder ein Tier) den Platz eines anderen einnimmt, besonders, um seinen Schmerz auf sich zu nehmen und den Menschn so davor zu bewahren. Es ist also nicht überraschend, dass Gott selbst dieses allgemein verstandene Prinzip der Stellvertrung auf die Opfer anwandte. Abraham „opferte ... anstelle seines Sohnes als Brandopfer“ den Widder, den Gott ihm sandte (Gen. 22,13).

[18]Brandopfer, Sündopfer, Schuldopfer, Friedensopfer: 1. Dankopfer, 2. Opfer aufgrund eines Gelübdes und 3. Freiwilliges Opfer.

[19] So schreibt John Stott auf Seite 172: „Sodann wird Gott in den Opfer auf der einen Seite als Schöpfer geoffenbart [im Brandopfer], von dem das physische Leben des Menschen abhängt, und auf der anderen gleichzeitg als der Richter, der Sühne für Sünde verlangt, und als der Erlöser, der sie leistet [Sündopfer]. Ferner war man sich bei diesen beiden Opferarten darüber im klaren, dass die leztere [Sündopfer] insofern die Grundlage für die erstere [Bandopfer] ist, als die Versöhnug mit unserem Richter noch vor der Anbetung unseres Schöpfers geschehen muss.“ Hervorhebung nicht im Orginaltext.

[20]Im Wesentlichen wird das Sündopfer für den einzelnen in gleicher Weise vollzogen wie das Fürsten- Sündopfer. Das Opfertier ist jedoch billiger als das des Fürsten. Für den einzelnen genügt nämlich „eine weibliche Ziege“. Man kann hier beobachten, dass keineswegs nur männliche Tiere zum Opfer zugelassen waren (Lev. 1,14; 3,1.6; Num. 19,1). Doch der Grundsatz der Fehlerlosigkeit ersteckt sich jedoch über alle Opfertiere.

[21]In Lev. 10,16-18 ist die Geschichte von Eleaser und Ithamar, Aarons Söhnen zu lesen. Aaron und seine Söhne hatten einen Fehler begangen, indem sie das Fleisch des Sündopfers nicht gegessen hatten, wie Gott es befohlen hatte (Lev. 6,19). Mose war ärgerlich und wies sie zurecht. „Ihr solltet das Fleisch gegessen haben [...], damit ihr die Schuld der Gemeinde wegnehmt und sie vor ihm entsühnen sollte.“ Dieser Vorfall zeigt, dass der Priester, indem er das Fleisch aß, die Sünde des Volkes auf sich nahm. Das zeigt deutlich, dass die Übertragung der Sünde von einer Person auf die andere möglich ist. Das ist eine fundementale Frage des Christentums. Denn wenn Sünde nicht übertragen werden könnte, hätte Christus unsere Sünde nicht auf sich nehmen können.

[22]M. L. Andreasen, Der Heiligtumsdienst (Königsfeld: Edelstein-Verlag, 1988), 121.

[23]Im westlichem Kalender befindet sich der Monat Tishri im September/Oktober.

[24]http://www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/37028/cache/

22839dea5ca366d5bc1734b97085fa95/ (Stand: 09.10.2011).

[25]Die Mischna ist ein Werk, das um das Jahr 200 n. Chr. erschienen ist und vor allem Traditionsstoff der vergangenen Jahrhunderte enthält. Sie ist die erste größere Niederschrift der mündlichen Tora und als solche eine der wichtigsten Sammlungen religionsgesetzlicher Überlieferungen des rabbinischen Judentums. Zur Zeit der Besetzung Judäas durch römische Truppen, insbesondere nach der Zerstörung des Tempels in Jerusaelm im Jahre 70 n. Chr., erkannten die Rabbiner die Gefahr einer Zerstreuung der Juden in die Diaspora. Dementsprechend sah man die Notwendigkeit, auch diese Überlieferung schriftlich festzuhalten.

[26]Die Mischna: Das grundlegende enzyklopädische Regelwerk rabbinischer Tradition (Wiesbaden: Marix Verlag, 2005), 220.

[27]Ibid.

[28]Ibid., 222.

[29] Laut K. M. Byse, „TOD“, in G. Johannes Botterweck und Helmer Ringgren Hg., Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Band VIII (Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH, 1995), 680-683, dort 680: Wird die Redeweise „Tamid“ als Ausdruck für das tägliche, ständig dargebrachte Brandopfer verwendet. Das Talmud-Traktat zum Tamid in Lazarus Goldschmid, Der babylonische Talmud, Band XII (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 41996), 293-315 beschreibt die einzelnen Vorgänge der Vorbereitung und des Vollzugs des Tamid-Opfers, wobei mehrfach das Wort tamid benutzt wird. Zudem wird diese These bestätigt da es im letzten Abschnitt (S. 315) heißt: „Dies ist die Ordnung des beständigen Opfers beim Dienste in unserem Gotteshaus“. Aus diesem Traktat geht hervor, dass das Tamid-Opfer am Morgen und am Abend vollzogen wurde, wie es den Anweisungen von Num. 29,28 und Num. 28,4 entspricht. Roy Adams schildert, dass das tägliche aus drei Elementen besteht. So schreibt er auf S. 34: „The daily service constisted of three main elemets: the morning and evening burnt offering, the offering of incense on the golden altar located in the holy place, and the special offerings for the personal sins (see Ex. 39,38-42; Num. 25:3-8; Ex. 30:6-8, 34-38; Lev. 4).“ Die Beschreibung des Tamid-Opfers und der zugehörigen Bestandteile findet sich in Num. 28,3-7. Wichtig beim Tamid ist, dass es täglich stattfand und zwar jeden Morgen und jeden Abend und an jedem Tag.

[30]Die Mischna, 223: „Man spannte ein Byssustuch zwischen ihm und dem Volk. Er zog sich aus, stieg hinab und tauchte unter, stieg wieder herauf und trocknete sich ab. Sie brachten ihm die goldenen Kleider und er zog sie an und wusch seine Hände und Füße. Sie brachten ihm das tägliche Ganzopfer. Er schnitt ihm den Hals durch, und ein anderer führte an seiner Statt die Schlachtung zu Ende.“

[31]Auch Engel werden in der Bibel in Leinen bekleidet erwähnt (Hes. 9,2-3; 11; 10,2; Dan. 10,5; 12,6-7).

[32]Die Mischna, 224: „Er trat neben seinen Stier. Und sein Stier stand zwischen Halle und Altar, sein Kopf nach Süden, das Gesicht nach Westen (gerichtet) und er legte seine beiden Hände auf ihn und sprach das Sündenbekenntnis. Und so sagte er: ,Ach Herr, ich habe mich vor dir vergangen, Verfehlungen, Versündigungen, mit denen ich mich vergangen, verfehlt, versündigt habe vor dir, ich und mein Haus, wie geschrieben ist im Gesetzbuch des Mose, deines Knechtes: ,Denn an diesem Tag wird man euch Sühne erwirken (Lev 16,30)‘. Und die hinter ihm [Stehenden] antwortete ,Gesegnet sei der Name der Herrlichkeit seines Reiches immer und ewig‘“

[33]Das Losen war in der Theokartie ein Weg über den Gott seinen Willen dem Volk kundtat.

[34]Wichtig ist, dass der Bock für Asasel ist kein Sündopfer ist! Er stirbt wegen den ihm aufgelegten Sünden. Das Wort Asasel (1)W0) kommt in der Bibel nur an drei stellen vor (Lev. 16,8.10.26). In außerbiblischer Literatur gibt es jedoch einen Hinweis darauf, wer Asasel ist. In Henoch 9,6 gibt es den Hinweis: „Asasel ist der, der alle Ungerechtigkeit auf Erden gelehrt hat“. Weiter heißt es in Henoch 10,8: „Auf ihn führen alle Sünden zurück.“ In Lev. 16 wird ein ganz klarer Gegensatz aufgebaut. Auf der einen Seite gibt es den Bock

„für den Herrn“ (ΠΙ/ΤΊ) und auf der anderen Seite den Bock „für Asasel“ (Itaiol). Gane zeigt auf, dass die Konstruktion IzaiO + l als besitzanzeigend („possessive meaning“) fungiert. Daher kann übersetzt werden: „der Bock, der zu Asasel gehört“.

[35] Starb ein Bock nach der Auslosung, so musste ein anderes neues Paar beschaffen werden und wie beim ersten Mal das Los über sie geworfen werden.

[36]Die Mischna, 228.

[37]Die Mischna, 225: „Ach Herr, ich habe mich vor dir vergangen, verfehlt, versündigt, ich und mein Haus und die Söhne Aarons, dein heiliges Volk. Ach Herr, vergib doch die Vergehen, Verfehlungen, Versündigungen, mit denen ich mich vergangen, verfehlt, versündigt habe, ich und mein Haus und die Söhne Aarons, dein heiliges Volk, wie geschrieben ist im Gesetzbuch des Mose deines Knechtes: ,Denn an diesem Tag wird man euch Sühne erwirken, euch zu reinigen, von allen euren Sünden vor dem Herren werdet ihr rein‘ (Lev 16,30).“

[38] Laut B. Lange, „“Bk“ in G. Johannes Botterweck und Helmer Ringgren Hg., Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Band IV (Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH, 1984), 303-318, dort 304 und 311, kann man das Verb kippaer mit arab. kafara „bedecken“ in Verbindung bringen welches den Sühnvorgang als Zudecken der Schuld veranschaulicht. Das Verb kommt 197 mal im ganzen AT vor. Es wird außer in Gen. 6,14; 32,21 sowie in Spr 16,14 immer für Sühne Gott gegenüber gebraucht. Was in die Gegenwart Gottes kommt, bedarf der Sühne. Das Entsündigen, Reinigen und Sühnen dient dazu, Gegenstände oder Personen der Heiligkeit Jahwes anzupasen. Im theologischen Sinn verstehen wir unter Versöhnung den Vorgang, bei dem ein Sünder mit Gott versöhnt oder in ein rechtes Verhältnis zu ihm gebracht wird.

[39]Gane, 272.

[40] Gane, 278.

[41] Ibid.

[42]Aus Daniel 8,14 wissen wir, dass das Heiligtum „gerechtfertigt“ wird. Das Wort рЛХП stammt von der Wurzel pdX und kann mit gerecht sein, schuldlos sein, im Recht sein, Recht haben und Recht schaffen, Reinigen wiedergeben werden. In der Nif. Form hat es die Bedeuteung, das jmd. oder etwas zu seinem Recht gebracht wird. So auch am großen Versöhnungstag. An diesem Versöhungstag wurde der ursprüngliche Zustand des Heiligtums wieder hergestllt.

[43] Die Wurzel ЛПО-II bedeutet so viel wie gebeugt sein, sich demütigen. Das Wort heißt in der Grundbedeutung gebeugt sein, geduckt sein, wie ein Löwe, der sich vor dem Jäger zusammenkauert (Jes. 31,4).

[44] Siehe z.B. Gen. 2,7; 17,14

[45] „Das Bett zu benutzen“, damit ist der Beischlaf gemeint.

[46]Die Mischna, 231-232.

[47] Diese Phrase kommt in der ganzen Bibel an genau 23 Stellen vor. Levitikus sticht hier mit 12 Stellen sehr ins Auge. An fünf Stellen ist diese Phrase in Exodus und Numerie zu finden und an einer Stelle außerhalb der Tora, nämlich in Hesekiel 46,14, aber auch da im Zusammenhang mit einem Opfer.

[48]Nach dem großen Versöhnungstag findet vom 15.-22. Tag des Monats das Laubhüttenfest (Sukkot) statt. Mit Lev. 23,39-43 wird erstmals die Wüstenwanderung Israels als Begründung für die Feier des Laubhüttenfestes genannt und das Wohnen in Laubhütten zur Festzeit gefordert, denn „in Laubhütten wohnten die Israeliten während ihres Auszuges aus dem Lande Ägypten“ (Lev. 23,43). Jahresbeginn und kultischer Neuanfang werden über die Feste und die Festdaten miteinander verbunden. Am Yom Hakkipurim wird Sühne für das Volk erwirkt und die Reinigung des Heiligtums vollzogen. Umfassende Sühne und Reinigung sind Voraussetzungen für die bleibende Präsenz Gottes im Heiligtum, auch im neuen Jahr. Denn mit der Tag- und Nachtgleiche im Herbst kommt das Jahr zu seinem Ausgangspunkt zurück und beginnt aufs Neue. Erst danach kann das Volk zur Fröhlichkeit von Sukkot übergehen und sich vor und über seinen Gott feiern.

[49]Im Kult: Joel 2,15; Psalm 98,6; 150,3.

[50]Übersetzt von Lazarus Goldschmidt, Der babylonische Talmud, Band III (Bodenheim: Jüdischer Verlag, 1996), 568.

[51]Im Alten Testament wird der Terminus Rosch ha-Schana, der wörtlich „Kopf des Jahres“ bedeutet, noch nicht für das Neujahrsfest verwendet, sondern erst in späterer Tradition. Dennoch ist nach den alttestamentlichen Texten ein Festtag zu begehen, der sich Zeitlich mit Rosch ha-Schana deckt und auf dessen Anfänge verweist. Gemeint ist damit der „Tag des Lärmblasens“.

[52]Gibt es in der Apokalyptik einen „Tag des Lärmblasens“? Vielleicht ist dieser Tag der Warnung in Offenbarung 14,6-7 zu sehen. Ein Aufruf zur wahren Anbetung.

[53] So schreibt G. Hasel, „t“k“, in G. Johannes Botterweck und Helmer Ringgren Hg., Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Band IV (Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH, 1984), 355-367, dort 359, 362-362: „Die Grundbedeutung des Verbums karat kann mit relativer Sicherheit i.S.v. ,schneiden‘ (Jes 18, 5) bestimmt werden und ist durch den Gebrauch in anderen semit. Sprachen gestützt. [...] Ursprünglich scheint der Kreis, aus dem der Übeltäter ausgerottet wird, der Verwandtschaftskreis gewesen zu sein, der sich dann auf die Kultgemeinde und ganz Israel als Bundesvolk erweiterte. Die Vergehen der Betroffenen bestehen aus dem Bundbrechen durch [...] Nichtfasten am großen Versöhungstag (Lev 23, 29). [...] Es steht fest, daß das Endziel der Ausrottung der vorzeitige Tod des Übeltäters ist, was auch im späteren talmudischen Gesetz klar zutage kommt. Das Ausrotten bzw. ,Herausschneiden‘ scheint in der Mehrzahl der Vergegehn zum ,Bann‘ oder zur ,Exkommunikation‘ aus der Kultgemeinde und dem Bundesvolk zu führen.“

[54]Niels-Erik Andreasen, „Theologie des Gerichtes im AT“ in Prophetie und Eschatologie, Teil 2 (Marienhöhe Bibelkonfernz 1982), 457-458.

[55]Ellen G. White, Das Wirken der Apostel (Hamburg: Advtent-Verlag, 1991), 40.

[56]Ellen G. White in „Zeichern der Zeit“, vom 19. April 1905. Eine Frage ergibt sich mir hier an dieser Stelle. Ist hier eine tatsächliche Blutapplikation zu verstehen oder stellt diese Beschreibung eine symbolische Handlung da?

[57]Ellen White, Wir haben einen Fürsprecher (Zürich: Advent-Verlag, 1981), 124.

[58]Ibid., 123-124.

[59]Ellen White, Wir haben einen Fürsprecher, 124.

[60]Daniel 9,24-25 liefern uns den Schlüssel um Daniel 8,14 zu verstehen. Dort heißt es, von den Zeitpunkt an, als das Wort erging, Jerusaelm wiederherzustellen. Dies ist unser Ausgangspunkt in der Geschichte. Nach Esra 6,14 erging ein Erlaß zur Wiederherstellung Jerusalems von Artaxerxes (in der Bibel Arthahsastha gennant) im Jahre 457 v. Chr.

[61]Ellen White, Wir haben einen Fürsprecher, 134-135.

[62]Ibid., 126.

[63]Ibid., 146.

[64]Ibid., 147.

[65]Ibid., 149.

[66]C. Mervyn Maxwell, Die herrliche Enttäuschung: Was 1844 wirklich geschah und seine Bedeutung für heute (Wien: Top Life-Wegweister Verlag, 2000), 193-196.

[67]Ibid., 196.

[68]Ellen White, Der große Kampf, 411.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Der große Versöhnungstag - Die Funktion des Yom Hakippurim im irdischen und im apokalyptischen Heiligtumsdienst
Hochschule
Seminar Schloss Bogenhofen
Note
1
Autor
Jahr
2012
Seiten
35
Katalognummer
V203867
ISBN (eBook)
9783656305378
ISBN (Buch)
9783656306375
Dateigröße
601 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heiligtum, Versöhnungstag, 3.Mose, Versöhnung, Opfer, 1844, Levitikus
Arbeit zitieren
Andreas Weber (Autor:in), 2012, Der große Versöhnungstag - Die Funktion des Yom Hakippurim im irdischen und im apokalyptischen Heiligtumsdienst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203867

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der große Versöhnungstag - Die Funktion des Yom Hakippurim im irdischen und im apokalyptischen Heiligtumsdienst



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden