Für orthodoxe Spezialisten beider Disziplinen sind die beiden Themenbereiche Kultur und Religion zwei Paar Stiefel,
die, wenn überhaupt, dann nur am Rande etwas miteinander zu tun haben. Und dennoch wird es sich im Verlauf dieser Erörterung herausstellen, dass beider Betrachtung und Integration erforderlich ist, damit der Mensch als kulturelles Wesen sich gesellschaftlich angemessen bewegen kann, ohne eine Hypothek für die menschliche Kultur und Zivilisation zu werden. Vielleicht liegt eben in dieser Trennung, ja selbst dem jeweiligen gegenseitigen Ausschließlichkeitsanspruch der rational-analytischen Kultur, das Crux, das kulturelle Probleme und Prozesse im Laufe der Menschheitsgeschichte unbeherrschbar gemacht hat und all die Holocausts und gesellschaftlichen, nationalen, wie internationalen Katastrophen bedingt hat und dies weiterhin tun wird, solange die natürlich und sachlich und daher auch in Forschungshinsicht interdependenten Bereiche nicht in ihren eigentlichen kausalen Bezug zueinander gestellt werden. Dann werden sie erklärbar und managebar.
Religion und Interkulturalität
Für herkömmliche Spezialisten beider Disziplinen sind die beiden Themenbereiche Kultur und Religion zwei Paar Stiefel die, wenn überhaupt, dann nur am Rande etwas miteinander zu tun haben. Und dennoch wird es sich im Verlauf dieser Erörterung herausstellen, dass beider Betrachtung und Integration erforderlich ist, damit der Mensch als kulturelles Wesen sich gesellschaftlich angemessen bewegen kann, ohne eine Hypothek für die menschliche Kultur und Zivilisation zu werden. Vielleicht liegt eben in dieser Trennung, ja selbst dem jeweiligen gegenseitigen Ausschließlichkeitsanspruch der rational-analytischen Kultur, das Crux, das kulturelle Probleme und Prozesse im Laufe der Menschheitsgeschichte unbeherrschbar gemacht hat und all die Holocausts und gesellschaftlichen, nationalen, wie internationalen Katastrophen bedingt hat und dies weiterhin tun wird, solange die natürlich und sachlich und daher auch in Forschungshinsicht interdependenten Bereiche nicht in ihren eigentlichen kausalen Bezug zueinander gestellt werden. Dann werden sie erklärbar und managebar.
Vielmehr scheint es, dass Wissenschaft und Religion sich gegenseitig ebenso ergänzend zueinander verhalten, wie die beiden interdependenten Räder einer Achse, die wohl synchronisiert sein wollen, wenn das Gefährt, vom der antiken Karre und Streitwagen bis hin zum Marsmodul seinen Zweck erfüllen soll. Sie sind komplementär und die beiden Bereiche sind ebenso untrennbar in soziokultureller Hinsicht. Beide haben das Ziel, der Wahrheit der Schöpfung näher zu kommen und verwenden dabei lediglich verschiedene Sprachen. Erstere verwendet eine auf der Offenbarung basierende normative Sprache, die eher synthetischer Natur ist und durch Ge- und Verbote zum Ausdruck kommt. Sie appelliert zwar an den Glauben, aber eigentlich an eine höhere Form integraler Intelligenz, während die Wissenschaft mit ihren analytischen Methoden, seien es die Geistes, Sozial oder die Naturwissenschaften, an die analytische Intelligenz appelliert. Die analytische und die synthetische Intelligenz ergeben zusammen eine ausgewogene menschliche Erkenntnis. Glaube und Vernunft können sich daher, sofern sie eine authentische Suche nach der Erkenntnis der Wahrheit sind, nicht widersprechen. Das Insistieren des gegenwärtigen Papstes auf der gegenseitigen Nichtausschließbarkeit der beiden Perspektiven der Erkenntnis ist daher verständlich, insbesondere unter dem Blickwinkel der epochalen wissenschaftlich-technischen Zivilisation des Wissens- und Informationszeitalters.
Verwendet man die beiden antagonistisch zueinander, so zeugt das auch von der Nichtinformiertheit über die modernsten harten wissenschaftlichen Paradigmen, die auf Grund ihrer Sophistikation selbst ein Jahrhundert nach ihrer Entdeckung immer noch weitgehend unbekannt oder in ihrer Tragweite als Leadparadigmen noch nicht voll erkannt zu sein scheinen. Doch auch hier werden Dinge aufgrund der vorherrschenden kartesianischen Kultur nicht in ihren rechten Bezug zueinander gesetzt, wenn auch nur als Forschungshypothese. Die Werte unserer Kultur und Zivilisation haben ihre Repräsentanten in Forschung, Politik und Gesellschaft fest im Griff.
Das metaphorische Verständnis des Komplementaritätsprinzips beispielsweise lässt sich dahingehend interpretieren, dass komplementäre Erkenntnisse für das Verständnis von Materie und Energie, also der Natur der Schöpfung erforderlich sind, um sie tiefer zu verstehen und besser zu verwalten („Macht euch die Erde untertan!“) Die Wissenschaft verkörpert gewissermaßen den statischeren Teilchenaspekt des Komplementaritätsprinzips, während die Religion den diese ergänzenden Wellenaspekt verkörpert, könnte man sagen. Eine statischere Partikeloptik und eine dynamischere Wellenoptik ergänzen sich zu einem ganzheitlicheren Bild der Schöpfung und gestatten dem Menschen, diese besser, gemäß dem Auftrag in Genesis nutzbar zu machen und aufgrund des tieferen Verständnisses ihrer Natur diese Erkenntnis auch zu berücksichtigen und im Sinne einer daher plausiblen, existenten Schöpfungsordnung recht einzuordnen und somit eine rationale Basis für den unabdingbaren Respekt der Ordnung des Lebens in den diversen Bereichen der Schöpfung zu schaffen. Deren Bewusstwerdung und Erhaltung sind schließlich mit dem Überleben des Menschen auf dem Planeten aufs engste verknüpft.
Wie sehr das Überleben des Menschen von der Schöpfungsordnung und ihrem Respekt und entsprechenden Management abhängig ist, bekommen wir täglich vor Augen geführt. Ende Oktober, während ich schreibe, wird beispielsweise die führende technisch-wissenschaftliche Nation des Planenden vom Pazifik her von einem, wenn auch geringeren Tsunami und vom Atlantik her von einem - laut Meteorologen - gewaltigen Sturm bedroht. Des Menschen Existenz in der Schöpfungsordnung insgesamt ist prekär und größere Abweichungen von der sie charakterisierenden Ordnung haben schicksalhaften Charakter für das Leben des Menschen.
Und die Schöpfungsordnung im soziokulturellen Bereich ist von einer ähnlich unumstößlichen Ordnung geprägt, deren Respekt es dem Menschen gestattet, als diverse Menschheit in Frieden zu leben.
Betrachten wir nun unter dem Blickwinkel der Komplementarität die Religion und die Sozialwissenschaften, insbesondere die Sozial- oder Kulturantrhopologie mit ihrem interkulturellen Forschungsbereich. Beide sind Regulierungssysteme, insbesondere der Beziehungen der Menschen untereinander, zur Umwelt, zu sich selbst wie auch zum Schöpfer der Ordnung der Dinge der Natur als solcher, jedoch einerseits auf einer ethisch-spirituellen Ebene zeitranszendierender Erkenntnis und auf einer mentalen Ebene in Kategorien der analytischen Erkenntnis und Sprache andererseits formuliert. Letztere übersetzt die transzendente Erkenntnis in linear- analytische Begriffe einer untergeordneten Ebene der Erkenntnis, wenn wann von einer geistig-psycho-somatischen, ganzheitlichen hierarchisierten Struktur des Menschen ausgeht, wie es eine neurophysiologisch-psychologische Analogie nahezulegen scheint. Demzufolge wären beide Ebenen der Erkenntnis, die religiöse und die kulturelle, eine über- und eine untergeordnete Ebene in der geistig- körperlichen, hierarchisierten menschlichen Ordnung und Teil der Schöpfungsordnung insgesamt. Die beiden Bereiche der Erkenntnis sind also dazu da, die Beziehungen des Menschen zu ordnen, denn das Relationale ist ein Kennzeichen der diversen Bereiche der Schöpfung. Mit ihm steht und fällt diese Ordnung und der Dekalog ist daher eine normative Formulierung der Schöpfungsordnung, die wir, so könnte man sagen, in der Zeit wissenschaftlich validieren müssen und diese insbesondere über die Sozialwissenschaften in deren Terminologie Übersetzen müssen.
Das dreifache Gebot der Gottesliebe, der Selbst und Nächstenliebe, woran laut Offenbarung das ganze Gesetz und die Propheten hängen, schützt die Schöpfungsordnung einschließlich der menschlichen Ordnung, deren vornehmlicher Bestandteil letztere ist. Für jemand mit spirituellem Charisma ist dies die Quintessenz, die alle Beziehungsprobleme von einer höheren Warte her klärt. Sie ist Karte und Kompass des Lebens. Und wer auf der religiösen Ebene sensibel und authentisch ist, kann mit dieser umfassenden Erkenntnis höchster Offenbarung und Ordnung die relationalen Bereiche des Lebens entsprechend der Ordnung der Schöpfdung leben und die diesbezüglichen Herausforderungen meistern .Doch dies ist ein hoher Anspruch und erfordert Glauben und Vertrauen auf die Wahrheit dieser Offenbarung. Indes sie wurde von zahllosen Menschen über die Jahrtausende validiert, während die Wissenschaften jung und einem permanenten Paradigmawandel gehorchen und somit keine unumstößlichen Wahrheiten sind.
[...]
- Quote paper
- D.E.A./UNIV. PARIS I Gebhard Deissler (Author), 2012, Religion und Interkulturalität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203896