Familienformen im Wandel


Hausarbeit, 2012

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2.Begriffliche Grundlagen
2.1 Definition Familienbegriff
2.2 Familie als Institution, Rolle, Habitus, soziale Beziehungen
2.3 Funktion der sozialen Lebensform Familie

3.Historische Entwicklung der Familienformen
3.1 Die agrarische Familie - das „ganze Haus
3.2 Die bürgerliche Familie
3.3 Die moderne Kleinfamilie
3.4 Familie heute

4.Erklärungsansätze für den Wandel der Familienformen
4.1 Demographische Entwicklung seit der Nachkriegszeit
4.1.1 Zahl der Eheschließungen und Scheidungshäufigkeit
4.1.2 Entwicklung der Geburtenzahlen
4.2 Individualisierung und Wertewandel
4.3 Anforderungen der Arbeitswelt und der soziale Wandel der Frauenrolle
4.4 Deinstitutionalisierung des bürgerlichen Familienmusters
4.5 Pluralisierung der Haushalts- und Familienformen

5.Schlussbetrachtung und Ausblick: Krise?

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Seit Mitte der 1960 Jahre ist die Familie in beiden Teilen Deutschlands wie auch in anderen hochentwickelten Industriegesellschaften ausgeprägten Wandlungsprozessen unterworfen. Nach Ansicht zahlreicher Sozialwissenschaftler machen Ehe und Familie eine Krise durch; vereinzelt ist sogar vom „Tod der Familie“ die Rede. Andere wenden sich gegen das „dauernde Krisengerede“ und betonen die Kontinuität und Stabilität der Familie. Und was die Situation noch schwieriger macht: beide Seiten stützen sich auf empirische Daten. Bevor man ein vorschnelles Urteil abgibt, sollte man bedenken, dass die aktuellen Veränderungen der privaten Beziehungsformen vor dem Hintergrund einer historisch einmaligen Situation gesehen werden müsse. Nie zuvor war eine Form von Ehe und Familie so dominant wie in der Nachkriegszeit bis Mitte der 60 Jahre.“ (Peuckert 2005, S.9) Dieses Eingangszitat von Peuckert (2005) verdeutlicht einerseits die momentane, gesellschaftliche Auffassung des Familienbegriffs und andererseits die Fragestellung, die daraus abgeleitet werden soll:

Wie hat sich die „Familienform“ entwickelt und welche Erklärungsansätze gibt es dafür?Befindet sich „Familie“ wirklich in einer Krise und somit vor dem Ende ihrer Entwicklung? Da in diesem kurzen Beitrag nicht das umfassende Handlungsfeld dargestellt werden kann, konzentriert sich diese Arbeit auf zwei Teilbereiche: Die historische Entwicklung der Familie, verkürzt auf die Zeit vor der Industrialisierung bis in die Gegenwart und auf die Erklärungsansätze für den aktuellen Wandel der Familienformen. Zunächst werde ich im zweiten Kapitel begriffliche Grundlagen nennen, den Familienbegriff erläutern und die gesellschaftlichen Funktionen der „Institution Familie“ darlegen. Im Hauptteil dieser Arbeit, Kapitel Drei und Kapitel Vier, werde ich die historische Entwicklung von Familienformen in Deutschland darstellen und dann Erklärungsansätze für den Wandel der Familienformen seit den 1950er Jahren erörtern. Im vierten Kapitel werden Erklärungsansätze für den Wandel und demographische Entwicklungen mit empirischen Daten dargestellt sowie Veränderungen der Wertestruktur mit der Tendenz der Individualisierung erläutert. Zusätzlich werde ich noch auf den Wandel der Anforderungen der „Wissensgesellschaft“ für die Familie und die „Deinstitutionalisierung“ der Familienform, sowie in diesem Zusammenhang auf die „Pluralisierung“ der Lebensformen eingehen. In der Schlussbetrachtung werde ich die zu Beginn genannte Fragestellung resümieren und Positionen der Autoren bewerten und daraus Folgerungen ableiten.

2. Begriffliche Grundlagen

2.1 Definition Familienbegriff

In der Literatur gibt es eine Vielzahl an Definitionen des Familienbegriffs. Die Sichtweise von Familie ist in Deutschland vom Leitbild der Ehe geprägt, aus der Kinder hervorgebracht werden (vgl.Hermanns/Hille 1987, S.64) und beschränkt sich auf das Modell der „modernen Kleinfamilie“ aus den 50er und 60er Jahren. Doch die gegenwärtige Vorstellung von Familie lässt sich durch einen Blick in die Geschichte nicht bestätigen. Sogar Verwandte, Kinder und Außenstehende werden in einigen Epochen zum „gemeinsamen Haushalt“ gezählt (Großfamilie).(vgl. Hettlage 1992, S.15) Der Begriff „familia“ (die Hausgemeinschaft), der aus dem lateinischen stammt, bezeichnet nicht unsere heutige Vorstellung von Familie, sondern den Besitz des Mannes(„pater familias“). Dazu gehören z.B. seine Ehefrau, Kinder, Sklaven und das Vieh. Der Begriff „familia“ und „pater“ ist also keine Verwandtschafts-, sondern eine Herrschaftsbeziehungen.(vgl. Brockhaus 2000, S.267) Eine aktuelle Definition der Familie lautet: „Familie ist das Ehepaar mit den unselbstständigen Kindern als Einheit des Haushaltes[...]verfassungsrechtlich ist die Familie durch Artikel 6 GG geschützt.“ (Brockhaus 2000, S.267) Spricht man von einem Wandel der Familienformen, so betrifft das auch die Vielfalt der Bindungsmöglichkeiten zwischen Menschen. Es gibt monogame, polygame und polyandrische Eheformen.(vgl. Hettlage 1992, S.16f) Aus dieser Vielfalt der Paarbildungsmöglichkeiten lässt sich nur sehr schwer beweisen, dass es von Anfang an eine ursprüngliche Form der Familie gegeben hat. In der Geschichte der Menschheit gibt es also keine „Urform“ der Familie.(vgl. Hettlage1992, S.18f)

2.2 Familie als Institution, Rolle, Habitus, soziale Beziehung

Die Familie ist als Institution für die Gesellschaft bedeutsam, da sie ein Teil der Sozialstruktur ist. Ehe und Familie geben Rollen und Normen vor und tragen zur gesellschaftliche Ordnung bei.(vgl. Hettlage 1992, S.21f) Das wird durch die Betrachtung der Funktion von Familie ersichtlich. Menschen lernen und entwickeln eigene Handlungsmuster, übernehmen Bräuche, Normen und Werte und grenzen die Welt so ein, dass aus der „Weltoffenheit des Menschen“(Tenbruck 1989, S.24) eine „natürliche Kulturwelt“(Hettlage 1992, S. 24) entsteht. Die soziologische Definition versteht unter Institutionen: „verfestigte Regelmäßigkeiten des Handelns“.(Schwietring 2001, S.165). Im Folgenden werden nun die beiden Begriffe der „Rolle“ und des „Habitus“ im Bezug auf die Familie erläutert. Die Rollentheorie sagt aus, dass eine Gesellschaft aus einem Gefüge von Rollen beschrieben werden kann, z.B im Familienleben (Vater, Mutter etc.). An diese Rollen sind Erwartungen gerichtet.(vgl Schwietring 2001, S. 167) Im Gegensatz zur Rolle, die von außen auf den Mensch wirkt, ist mit „Habitus“ eine soziale Struktur gemeint. „Gesellschaft ist verinnerlicht und auf eine Weise zum Teil des eigenen Selbst geworden, dass sie fortan in der Art und Weise, wie jemand handelt und denkt, zum Ausdruck kommt.“ (Schwietring 2001, S.167) Der erworbene „Habitus“, in der Familie eine wesentliche Rolle spielt, prägt das Denken der Familienmitglieder und ist das Ergebnis von gemachten Erfahrungen.(vgl. Schwietring 2001, S.169) In diesem Zusammenhang ist der Begriff der „sozialen Beziehung“(Max Weber) bedeutsam. Der Sinn einer sozialen Beziehung kann zunächst stark gefühlsmäßig bestimmt sein und bei einem anderen eher wirtschaftliche Motive, z.B. existenzielle Absicherung, eine Rolle spielen.(vgl. Kruse/Barrelmeyer 2012, S.92f) Dass die „soziale Beziehung“ auch für die Entwicklung der Familienformen von Bedeutung ist, werde ich im Kapitel 3.1 erläutern.

2.3 Funktion der sozialen Lebensform Familie

Die Familie als soziale Lebensform erfüllt in unserer Gesellschaft verschiedene Funktionen. Robert Hettlage(1992) nennt zunächst die „äußere Stabilisierungsfunktion“. Die Familie als Institution bewirkt Verlässlichkeit und Stabilität für das Familienmitglied. „Der Mensch benötigt ein geregeltes, dauerndes Zusammenwirken. Er braucht stabilisierende Kräfte, um sich selbst und um sich gegenseitig zu ertragen, etwas, worauf man in sich und anderen einigermaßen zählen kann.“(Gehlen 1969, S. 67) Hettlage nennt als zweiten Aspekt die „Steigerungsfunktion“. Familie als soziale Lebensform ermöglicht den Familienmitgliedern eine gewisse Planmäßigkeit. „Ohne organisierte, planmäßige Weitergabe von Erkenntnissen und Erfahrungen sind weder Erziehung noch Wissenschaft, weder technische Entwicklung noch überhaupt Kultur möglich.“(Hettlage 1992, S.32) Den dritten Aspekt nennt Hettlage in der „Reproduktions- und Sozialisationsfunktion“. Gesellschaften haben ein Interesse an ihrem Fortbestand, da dies in modernen Gesellschaften in die private Entscheidung gestellt ist, bleiben die Möglichkeiten für einen Staat begrenzt. In früheren Zeiten wird teilweise erheblicher Druck ausgeübt, Ehe- und Kinderlosigkeit haben im manchen Epochen kein hohes Prestige. Eine kinderreiche Familie ist dagegen sozial angesehen.(vgl. Hettlage 1992, S.37) Goode (1966, S.33) sieht die „soziale Platzierung“ als ist die wichtigste Familienfunktion.(vgl. Hettlage 1992, S. 37)

Jeder Mensch wird durch Familie geprägt und bekommt Denk- und Verhaltensstile vorgegeben. Die Identität des Menschen wird durch diese sog. „Enkulturation“ (Hettlage 1992, S.38) wesentlich geprägt. „Familiale Herkunft ist statuswirksam, weil sie im leistungsabhängigen Platzierungsprozess moderner Gesellschaften entscheidende Orientierungen, Interessen und soziale Voraussetzungen schafft, die im späteren Wettbewerb um Positionen, differenzierend wirken (Bildung, Vermögen, Lebensstil, materielles, soziales, kulturelles Kapital)“.(Hettlage 1992, S.38f) Hettlage nennt als vierten Aspekt die „Wirtschafts- und Solidaritätsfunktion“. In den Hauswirtschaften früherer Jahrhunderte ist die Produktion im Rahmen der Familie üblich. Heute ist die Produktion meistens räumlich getrennt und die Familie dient nicht nur der materiellen Versorgung der Mitglieder, sondern bekommt auch einen größeren Stellenwert als Rückzugmöglichkeit vom Berufsleben.(vgl. Hettlage 1992, S. 39ff).

3. Historische Entwicklung der Familienformen

Im folgenden Kapitel soll nun ein Einblick in die historische Entwicklung der Familienformen erfolgen, verkürzt auf die Darstellung vor der Industrialisierung bis in die Gegenwart. Somit soll durch diese historische Betrachtung die Entwicklung veranschaulicht werden, wie unsere heutige Vorstellung „der Familie“, von der modernen Kleinfamilie aus den 50er und 60er Jahren, entstanden ist. „Die Entstehung und Ausbreitung dieser Familienform kann als Ergebnis eines langfristigen strukturell-funktionalen Differenzierungsprozesses von Gesellschaft gesehen werden.“ (Peuckert 2005, S.20)

3.1 Die agrarische Familie - das „ganze Haus“

Schon zu Beginn der Industrialisierung gibt es eine große Vielfalt an Familienformen, die auch heute noch existieren: Kleinfamilien, komplexe Familienverbände, Ein-Eltern-Familie, Eltern-Kind-Gemeinschaften, sowie Haushaltstypen, in denen nichtverwandte und verwandte Personen zusammen leben.(vgl. Huinink/Wagner 1998, S.93) Die Familien sind überwiegend Produktionsstätten in der vorindustriellen Wirtschaft, was in der Struktur und Funktion der Familie sichtbar wird.(vgl. Geißler 2006, S.36) Die verbreitetste Form der Familie ist die für die bäuerliche und handwerklich typische Form des „ganzen Hauses“.(vgl. Peuckert 2005, S.21) Diese Form erfüllt gesellschaftliche Funktionen wie Produktion, Sozialisation und Alters- und Gesundheitsfürsorge. Der „Hausvater“ (Peuckert 2005, S.22) ist nicht nur den verwandten Familienmitglieder, sondern auch auch den nichtverwandten Familienmitgliedern wie Knechte, Mägde, Gesellen und Lehrlinge übergeordnet. Diese Art des Familienmenschen ist vergleichbar mit den von Dahrendorf(1977) erschaffenen „homo oeconomicus“ (Dahrendorf 1977, S.15), der rational handelt und Kosten und Nutzen abwägt. Die Sicherung der Existenz steht im Vordergrund und führt zu gefühlsarmen Beziehungen, sowohl zwischen den Geschlechtern als auch zu den Kindern. Ökonomische Kriterien sind ausschlaggebend für die Partnerwahl, die Liebe ist nicht das übergeordnete Kriterium. Die eigenen Kinder werden eher als Arbeitskräfte angesehen. „Die lange Zeit, teilweise heute noch mit dem Bild des „ganzen Hauses“ eng verbundene Vorstellung einer Großfamilie mit Großeltern, Eltern und zahlreichen Kindern (Dreigenerationenhaushalt) als dominanter Familientyp der vorindustriellen Zeit gilt mittlerweile als widerlegt.“ (vgl. Peuckert 2005, S.22)

3.2 Die bürgerliche Familie

Die Form des „ganzen Hauses“ verliert mit der Trennung von Arbeits- und Wohnstätten im Verlauf der Industrialisierung enorm an Bedeutung und die bürgerliche Familie kristallisiert sich heraus. Dieser Wandel vollzieht sich zunächst nur im wohlhabenden Bürgertum ( hohe Beamte, Unternehmer, Kaufleute), wo Frauen und Kinder von der Erwerbsarbeit nicht betroffen sind. Die bürgerliche Familie ist nun eine auf „emotional-intime“ Funktionen aufbauende Familienform und wird zum Vorläufer der modernen Kleinfamilie.(vgl. Peuckert 2005, S.22) Die Unterschiede zwischen der bürgerlichen Familie und der Form des „ganzen Hauses“ bestehen in folgenden, zentralen Punkten:

- Räumliche Trennung von Wohnung und Arbeitsstätte
- Die bürgerliche Familie bildet einen privatisierten, auf „emotial-intime“ Funktionen spezialisierte Familienform. Die Ehe als Intimgemeinschaft wird im Gegensatz zum „ganzen Haus“ aufgewertet. Liebe wird zum zentralen Ehemotiv.
- Geschlechterrollen werden definiert, der Mann bekommt die Rolle des Ernährers, die Frau wird aus der Produktion ausgeschlossen und auf den familialen Binnenraum verwiesen.
- Kindheit wird zu einer anerkannten Lebensphase. Die Erziehung wird zur Aufgabe der Frau.(vgl. Peuckert 2005, S. 22)

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Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Familienformen im Wandel
Hochschule
Hochschule Darmstadt
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
22
Katalognummer
V203989
ISBN (eBook)
9783656304043
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Familie, Wandel, Familienformen
Arbeit zitieren
Philipp Jäger (Autor:in), 2012, Familienformen im Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203989

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