Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Scheidungsphasen
2.1. Vorscheidungsphase
2.1.1 Auswirkungen der Vorscheidungssituation für die intrapsychische Entwicklung der Kinder in der ödipalen Phase
2.2. Trennungsphase
2.3. Scheidungsphase
2.3.1 Auswirkungen einer Trennung auf die intrapsychische Entwicklung der Kinder in der ödipalen Phase 7-
2.4. Nachscheidungsphase
2.4.1 Auswirkungen der Entwicklungsbedingungen in der Nachscheidungsphase auf die psychische Entwicklung 9-
3. Fazit
4. Quellenverzeichnis
5. Endnoten
1. Einleitung
„ Ich will Dich immer lieben, Du sollst mir einmalig bleiben. Ich will Dir nahe sein, Dich umsorgen und Dir vergeben. Mit Dir will ich träumen und hoffen, für uns und diese Welt. So soll es bleiben, solange wir leben “ 1.
Dieses Versprechen gaben sich in den letzten Jahren immer mehr Paare. Im Jahr 2010 sagten allein in Deutschland ca. 382.0472 Paare „Ja ich will“ zueinander, im gleichen Zug ließen sich aber auch etwa 187.0273 Paare scheiden.
Heutzutage hat dieses Versprechen nicht mehr dieselbe Bedeutung wie noch vor 40 Jahren. Die Solidaritäts-, Pflicht- und Akzeptanzwerte und deshalb auch der Verbindlichkeits- und Verpflichtungscharakter der Ehe haben in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren.4 Des Weiteren machen sich viele Paare auch keine Gedanken darüber, was in einer Scheidung alles mit innbegriffen ist. Es kostet nicht nur viel Geld, sondern meistens leidet mindestens ein Ehepartner darunter und vor allem für die kindliche Entwicklung kann es schwerwiegende Folgen haben. Denn jährlich sind ca. 100.000 Kinder von einer Scheidung betroffen und 1,3 Millionen Kinder leben mit nur einem Elternteil zusammen.5 Deshalb habe ich mir die Frage gestellt „Welche Auswirkungen hat eine Scheidung oder Trennung auf die Kinder während des Scheidungsverlaufes?“. Mein Ziel ist es herausfinden, welche Folgen eine Scheidung auf die kindliche Entwicklung hat und dabei möchte ich mich besonders auf intrapsychische Entwicklung in der ödipalen Phase beziehen.
2. Scheidungsphasen
Die Scheidung der Eltern ist immer ein ganzheitlicher Prozess, welcher in verschiedene Phasen unterteilt wird. Die Unterteilung erfolgt in die Vorscheidungsphase, Trennungsphase, Scheidungsphase und in die Nachscheidungsphase.
In den einzelnen Phasen lassen sich jeweils Ereignisse und Belastungen von Kindern und Eltern beschreiben. Dabei stehen die Anpassungsleistungen an die Lebenssituation und die Reaktionen der jeweiligen Personen im Vordergrund.
2.1. Vorscheidungsphase
In der Vorscheidungsphase, oder auch Ambivalenzphase genannt, kommt es zur Verfestigung der Eheprobleme und die Ehepartner entfernen sich immer mehr voneinander. Sie beginnt mit der Unzufriedenheit der Ehebeziehung und kann von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren dauern. Diese Phase endet meistens mit der endgültigen räumlichen Trennung der Ehepartner. Die Trennung wird in dieser Phase von mindestens einem Partner in Betracht gezogen aber noch nicht vollzogen.6 Die entstanden Probleme werden am Anfang noch abgestritten und verdrängt. Die anhäufenden Fehlschläge führen zu immer häufigeren Streitigkeiten oder zur immer größer werdenden Distanzierung der Partner. Das kann dazu führen, dass man immer weniger miteinander kommuniziert, die Kompromissbereitschaft bei Konflikten abnimmt und die positiven Gefühle zueinander immer geringer werden. Weitere Scheidungsgründe könnten auch die eheliche Untreue, Alkoholmissbrauch, psychische Probleme, Gewalttätigkeiten gegenüber dem anderen Partner oder auch das sich sein Verhalten allgemein verändert hat.7 Durch die ständigen Streitigkeiten der Eltern kann das Kind auch stark belastet sein und befindet sich deshalb in einer Phase der ständigen Verunsicherung. Denn das Kind rechnet immer damit, dass es von den Eltern alleingelassen wird. Durch das hohe Streitpotenzial und der eingeschränkten Verfügbarkeit der Eltern kann sich beim Kind ein kindliches Scheidungstrauma entwickeln. Durch die Ungewissheit, ob es zu einer Trennung der Eltern kommt, zeigen sich beim Kind bereits vor oder spätestens während der Ehekrise kindliche Ängste und ein verunsichertes Verhalten auf. In dieser Phase versuchen die Eltern besonders bei kleinen Kindern den Scheidungsgedanken geheim zu halten. Kinder nehmen die spannungsgeladene Atmosphäre trotzdem wahr. Denn sie merken, dass zwischen den Eltern etwas nicht stimmt und dadurch können sich unter Umständen auch diffuse Ängste bei den Kindern entwickeln. Dadurch, dass sie nicht wissen, was zu der veränderten Familienatmosphäre geführt hat, haben sie Angst, dass sie dran Schuld sind. Das Kind bezieht die sich anhäufenden Kontroversen immer mehr auf sich, weil es nicht mehr weiß, welche Ursachen dem elterlichen Streit angehören. Deshalb fühlt sich das Kind immer mehr für Erhaltung der elterlichen Beziehung verantwortlich. Es können sich dabei auch Koalitionen bilden, bei denen das Kind ein Elternteil ausschließt. In dieser Phase kann das Kind auch zum Partnerersatz für ein Elternteil werden, indem es Geheimnis- und Vertrauensträger wird. Es kann des Weiteren auch zu einem Elternersatz werden, wenn es zum Beispiel Haushaltspflichten oder die Aufsicht der Geschwister übernehmen muss. Wenn das Kind in diese Rolle schlüpfen sollte, muss es Wünschen und Ansprüchen gerecht werden, die sonst nur die Eltern nachkommen können. Die Kinder versuchen bei den Streitigkeiten zwischen den Eltern eine Vermittlerposition einzunehmen. Es gibt auch Kinder, die durch unkompliziertes Verhalten versuchen, dass sich die Eltern wieder versöhnen. Wenn die elterlichen Streitigkeiten strapaziös waren, hat das immer Folgen auf die intrapsychische Entwicklung des Kindes.8
2.1.1 Auswirkungen der Vorscheidungssituation für die intrapsychische Entwicklung der Kinder in der ödipalen Phase
Die frühkindlichen Erfahrungen mit seinen Bezugspersonen, beeinflussen und verinnerlichen den weiteren Umgang mit Beziehungen. Für Kinder, deren ödipale Entwicklung sehr kompliziert verlief, kann die Entstehung neuer Beziehungen zu Kindern und Erwachsenen sehr schwierig werden.
Problematische Beziehungsmuster durch elterliche Ehekonflikte in der Vorscheidungsphase werde ich nun erläutern.
Stark verfeindete Eltern sind oft neidisch aufeinander, wenn es um die jeweiligen Beziehungen zu ihren Kindern geht. Die Eltern versuchen dabei die Kinder auf ihre Seite zu holen und es vom anderen Elternteil wegzudrängen. Dadurch können die Kinder oft in starke Loyalitätskonflikte geraten. Kinder, die durch solche Konflikte belastet wurden, haben es nicht gelernt in einer Dreier - Beziehung zu leben und befinden sich einer großen inneren Dissonanz. Loyalitätskonflikte, welche durch aggressives Verhalten der Eltern entstanden sind, verhindern, dass sich die Kinder in dieser Phase zum gleichgeschlechtigen Elternteil hingezogen fühlen. Wenn sich die Eltern gegenseitig ablehnen, würde es bedeuten, dass die Kinder auch das gegengeschlechtliche Elternteil hassen müssten. Dadurch kann aber die sexuelle Identitätsentwicklung des Kindes drunter leiden. Es kann sich aber trotzdem mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil identifizieren, dabei verinnerlicht es den Hass, welches das eine Elternteil auf das andere hat. Dadurch werden die ödipale Liebesbeziehung und die Heterosexualität stark beeinträchtigt. Durch die Konflikte der Eltern wird die reife Entwicklung einer autonomen Liebesbeziehung zur Mutter und zum Vater beeinflusst. Deshalb können Kinder in dem Umgang mit Dreierbeziehungen und der geschlechtlichen Identität beeinträchtigt werden.
Einige Kinder sind auch psychischen Konflikten ausgesetzt. Sie müssen weitere Belastungen durch die Ehekrise der Eltern mitmachen und dabei können sich neurotische Symptome entwickeln. Diese können sich zum Beispiel in Phobien, Bettnässen, heftige Angstanfälle und in charakterliche Veränderungen (Aggressivität, Ängstlichkeit, Depressionen) verdeutlichen. Die meisten Eltern sehen die Verhaltensweisen oft als Fehlverhalten und nicht als Folgen der Partnerschaftskonflikte.9
2.2. Trennungsphase
Die Trennungsphase beginnt immer mit der räumlichen Trennung der Ehepartner. Diese Trennung kann aber auch nur von kurzer Dauer sein und deshalb sind die Vorscheidungsphase und die Trennungsphase nur schwer auseinanderzuhalten. In dieser Phase versuchen die noch Ehepartner ihr Leben allein und in verschiedenen Haushalten zu bewältigen. Die Eltern müssen vielfältige Aufgaben erledigen, wie zum Beispiel rechtliche, finanzielle, erzieherische und räumliche Fragen klären.10 Mit diesen Angelegenheiten sind Eltern sehr beschäftigt und haben deshalb oft noch weniger Zeit für das Kind. Doch grad zu diesem Zeitpunkt benötigen die Kinder Halt und Unterstützung der Eltern. Aber auch für die Eltern ist dies eine schwierige Phase und deshalb sind auch sie emotional stark belastet. Die Trennung kann deshalb bei jeder Person zu einer Verbesserung oder Verschlechterung der physischen und psychischen Zustandes führen.11 Durch die neue Familiensituation sind die Kinder sehr verstört und deshalb auch oft mit den persönlichen Ängsten und Gefühlen überfordert. Die Kinder nehmen das Familienklima als verfeindet und bitter wahr. Für einige Kinder ist es aber auch eine Erleichterung Es sollten auch das soziale Umfeld über die Trennung informiert werden. Denn nur so können Erzieher oder auch Lehrer auf die möglichen Verhaltensveränderungen passend reagieren. Die Kinder müssen im Falle des Auszugs eines Elternteils auch viele neue Probleme und Aufgaben bewältigen. Sie müssen zum Beispiel die Beziehung zum fehlenden Elternteil neu gestalten, im Falle eines Umzuges muss das soziale Umfeld neu strukturiert werden, die finanziellen Verhältnisse können sich verändern, die Verfügbarkeit der Eltern kann sich einschränken und einige Kinder müssen vermehrt Hausarbeiten übernehmen. In dieser Phase sollten die Eltern auch die Kinder darüber informieren, warum sie sich getrennt haben. Damit soll vermieden werden, dass das Kind sich als Verursacher sieht.12
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