Führung im Spannungsfeld: Grundüberlegungen zu zentralen Bestimmungsfaktoren


Fachbuch, 2012

156 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Hinführung

Individuum, Führung und Spannungsfelder
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Individuum
Führung
Spannungsfelder
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Gemeinschaftsideologie und übersteigerter Egoismus
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Gemeinschaftsideologische Orientierung
Übersteigerter Egoismus und seine Fixierung
Individualentfaltung und Soziale Rückbindung
Angemessenheit, Machtstreben und Verantwortung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Mittelmaßpräferenz, Normierungsdruck, Entwicklungsphobie
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Mittelmaßpräferenz
Normierungsdruck
Entwicklungsphobie
Resultierende Konsequenzen
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Kurzfrist- und Langzeitperspektive
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Kurzfristorientierung
Langzeitorientierung
Gegenüberstellung
Resultierende Konsequenzen
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Nachgeben und Widerstehen
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Nachgeben als kluger Schachzug
Widerstehen als zwingendes Erfordernis
Das Rechte zur rechten Zeit in rechtem Ausmaß
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Relative Gerechtigkeit zwischen und Einzelfallberücksichtigung
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Absolute und relative Gerechtigkeit
Postulat der Gleichbehandlung
Erfordernis der Einzelfallberücksichtigung
Gratwandung als realistischer Lösungsansatz
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Schein und Sein
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Showmenship und Eindruckslenkung
Reale Substanz als tragfähige Basis
Positionierung als permanente Herausforderung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Menschenbild als entscheidendes Moment
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Begriff, Bedeutung und Auswirkungen des Menschenbildes
Eckpfeiler des bestehenden Spektrums
Entscheidung und resultierende Konsequenzen
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Verantwortung, Professionalität, Legalität und Legitimität
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Handlungstheoretische Verantwortungsstufen
Dilemma eines möglichen Zielkonfliktes
Verantwortungsbildung durch ethische Diskursführung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Seriöse Führung und deren Gegenteil
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Seriöse Führung als Aufgabe
Unseriöse Führung als Gefahr
Stetige Bewährung als Herausforderung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Intrigenspiel und Mobbingverhalten im Gegensatz
zu vertretbarem Führungshandeln
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Managementleitprinzip
Intrigenspiel und Mobbingverhalten
Folgewirkungen
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Unwägbarkeiten, Orientierung, Hilfe
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Zeit und Unwägbarkeit
Individuelle Orientierung
Hilfe und Verantwortung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Christlicher Glaube und Führung
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Kern christlichen Glaubens
Führung aus christlicher Sicht
Christlicher Glaube und Führung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche

Zusammenfassung und Schlußfolgerung

Anhang
Verzeichnis der Abbildungen
Fragen zur Selbstreflexion
Checkliste
Angaben über den Autor

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Wer sich mit der betriebswirtschaftlichen Literatur der letzten Jahre befasst, wird relativ häufig auf das Thema Führung treffen, oft versteckt unter dem Allerweltsbegriff Management, während Leitung keine solche Konjunktur mehr hat. Auch die innerbetrieblichen und externen Seminare zum Füh­rungs­verhalten zeigen, wie wichtig dieses Thema von den Unternehmen und Einrichtungen, aber auch von den Aufsteigerinnen und Aufsteigern, ein­ge­ord­net wird. Gleichwohl dringt in Publikationen immer wieder der Dauer­streit durch, ob und inwieweit Führung erlernbar ist.

Ohne diese Frage explizit zu nennen, kommt der Autor mit seiner doch überwiegend positiven Sicht der Dinge zu dem Schluss, dass jeder, der Füh­rung beansprucht oder erstrebt, sich bei ernsthaftem Bemühen einem richti­gen Führungsverhalten annähern kann. Bewusst verwendet er für seine Kapitel den Begriff Hinführung, wobei schon in diesem Wortspiel die Führung aufscheint. Aber Hinführung ist auch ein vorsichtiger Begriff, der Apodiktisches vermeidet, will sagen, dass keine Patentlösungen angeboten werden, sondern das Individuum berufen ist, einen ethisch vertretbaren Weg zu finden. Damit setzen, wie sich dem Leser rasch erschließen wird, die Ausführungen einen eigenen, persönlichen Akzent in den auch stets mit der Sozialwissenschaft verbundenen Untersuchungen zur Führung.

Die Arbeit setzt sich über Bestimmungsfaktoren mit dem Thema aus­ei­nan­der. Rund zwei Dutzend derartiger Überschriften zeigen, wie komplex Füh­rung zu verstehen ist und in welch vielschichtigem Spannungsfeld sie sich äußert. Es wird auf die Erörterung von Beispielsfällen verzichtet, weil solche Stereotypen von einer Reflexion ablenken. Das Buch ist nun wirklich nicht als Strandlektüre geeignet und ist auch kein Schnellkurs in Führung, weil es eben nicht konsumiert werden will, sondern vom Leser die Bereitschaft zum Nachdenken und Vertiefen abfordert. Sicher wäre es reizvoll, mit Fall­bei­spie­len in die Führungswelt von Chefärzten, Intendanten oder Kapitänen aller Art vorzudringen. Aber diese Einengung würde der Perspektive und dem Men­schenbild des Buches nicht gerecht.

Wenngleich der Verfasser von der Betriebswirtschaft her denkt, so ist doch nicht zu verkennen, dass er auch Erziehungswissenschaftler ist. In seinem ständigen beruflichen Kontakt mit Studierenden geht es ihm nicht nur um Wissensvermittlung und Wissensanhäufung, sondern um Bildung, die in einem Dreiklang von Grundfragen, theoretischen Überlegungen und prak­ti­schen Antworten angeregt wird. Entsprechend gliedern sich die einzelnen Kapitel dieses Buches nach der Hinführung, den Abgrenzungsfragen und Ziel­bestimmungen in einen Theorieteil mit themenspezifischen Unter­glie­derungen. Nach einer Zusammenfassung wird zur Reflexion aufgefordert, die auch den Blick in die Zukunft richtet. Drängende Anfragen mit entspre­chen­den Antwortversuchen beschließen und überprüfen die Gedankengänge. Zu jedem Kapitel gibt es ein Literaturverzeichnis und ein Diagramm mit Pfeil­verbindungen, die verdeutlichen, dass wir bei der Führung im Span­nungs­feld der Antagonismen keine monokausalen Lösungen finden werden.

Das Buch greift auch Fragen auf, um die sich die abendländische Kultur seit ihren antiken Anfängen bemüht, die aber jede Generation neu durchdenken muss. Zu nennen wäre das Kapitel über die Gerechtigkeit oder das Men­schen­bild. Klassische Ergebnisse wie die Kunst des rechten Maßes sind auch aktuelle Antworten. Und doch erfährt der Leser überraschende Akzen­tuierungen, wenn etwa zur Reflexion eingeladen wird, ob der sprichwörtlich Klügere tatsächlich nachgeben soll.

Die Überlegungen schließen mit dem Kapitel „Christlicher Glaube und Füh­rung“. Die Einbeziehung der christlichen Vorstellungen ist schon deshalb redlich und notwendig, weil das Christentum nach wie vor ein starkes Bin­deglied in unserer Gesellschaft darstellt und ohnehin als ein weiterwirkendes kulturelles Erbe präsent ist. Wie beim „rechten Maß“ werden als Zeugen aber nicht nur Benedikt von Nursia, sondern ebenso Aristoteles und Immanuel Kant herangezogen. Der Autor sieht im Christlichen ein Weltbild der Ver­nunft, zu dem die an der Vernunft orientierten philosophischen Lehren nicht im Widerspruch stehen.

Im Zeitalter der Teams oder noch weiland des Kollektivs wird Führung kei­neswegs entbehrlich. Führungsstile von A wie autokratisch bis Z wie ziel­ori­entiert sind in der Fachliteratur alle untersucht und bewertet. Doch er­träg­lich wird die Welt der Hierarchien erst durch das Bewusstsein, dass es sich bei Führung auch um eine Aufgabe unter Ranggleichen handeln kann, dass auch hier die Kardinaltugenden Demut und Mäßigung trotz des alt­väter­lichen Beiklangs zeitgemäß sind.

Prof. Dr. Wolfgang Zeller

Staatssekretär a. D.

Hinführung

Führung steht in vielfältigen Spannungsfeldern. In ihnen hat Führung sich zu bewähren. Dies ist mitentscheidend dafür, ob sich ein Führungserfolg einstellt.

So macht es Sinn, einzelne Grundfragen aufzugreifen, da­rüber vertieft nach­zudenken, praktikable Antworten zu suchen und zu finden. Gerade der Drei­klang des Aufgreifens von Grundfragen, von theoreti­schen Überlegungen hierzu und der Zuordnung praktischer Antworten er­scheint für eine be­ab­sichtigte Hilfe­stel­lung erfolgsträchtig.

So befaßt sich die vorliegende Arbeit mit dem The­men­kreis „Führung im Span­nungsfeld“. In die­sem Rahmen wer­­den Grundüberlegungen zu zen­tra­len Bestim­mungs­­fak­to­­ren angestellt. Sie sollen dazu dienen, Zusammen­hän­ge zu erkennen und Schlußfolgerungen für das eigene Handeln zu ziehen. Das individuelle Wirksamwerden fällt dann allerdings in den Verantwor­tungs­­be­reich des je­weilig Ein­zel­nen.

Im Zuge der aufgeworfenen Themenstellung gehen wir insoweit dem Er­for­dernis nach, zur Positionierung im Rahmen von Spannungsfeldern Stel­lung zu beziehen. Wir be­trachten

- Individuum, Führung und Spannungsfelder
- Gemeinschaftsideologie und übersteigerter Egoismus,
- Mittelmaßpräferenz, Normierungsdruck, Entwick­lungs­­phobie,
- Kurzfrist- und Langzeitperspektive,
- Nachgeben und Widerstehen,
- Relative Gerechtigkeit zwischen Gleichbehandlung und Einzelfallberück-sichtigung,
- Schein und Sein,
- Menschenbild als entscheidendes Moment,
- Verantwortung, Professionalität, Legalität und Legitimität,
- Seriöse Führung und deren Gegenteil,
- Intrigenspiel und Mobbingverhalten im Gegensatz zu vertretbarem Füh-rungshandeln,
- Unwägbarkeiten, Orientierung und Hilfe, sowie
- Christlicher Glaube und Führung.

Die Ausführungen sollen dazu beitragen, den eigenen Stand­­ort zu ermitteln und zu einer gefestigten, in sich schlüssigen indivi­du­ellen Position zu fin­den. Anregungen sind dabei die Basis für eigene Reflexion, eigene Entscheidung und eigenes Handeln. Mögen diese Anregungen helfen, der jeweilig wahrzu­neh­menden Ver­antwortung hinrei­chend Rechnung zu tragen und zu wün­schenswerten Ergeb­nissen zu kommen.

Auch wenn die vorliegende Arbeit nur Stückwerk ist und dies auch nur sein kann, sollte sie in der Lage sein, eine positive Wirkung zu entfalten. Dies wünsche ich dem Buch, den Leserinnen und Lesern und den Nutznießern eines angestoßenen Dialogs.

All Jenen, die mich im Rahmen meiner eigenen Entwicklung bereichert ha­ben und all Jenen, mit denen ich bei der Erarbeitung der vorliegenden Publi­kation im Gespräch stand, sowie Jenen, die – wie auch immer – das neue Pro­jekt unterstützt haben, sage ich an dieser Stelle herzlichen Dank.

Fürth, im Herbst 2012

Prof. Dr. Alfons Maria Schmidt

Individuum, Führung und Spannungsfelder

Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung

Wer ein Werk beginnt, der sollte mit dem Anfang starten. Eine Aus­ei­nan­der­set­­zung mit Individuum, Führung und Spannungsfeldern sollte daher zu­nächst erst einmal diese Begriffe unter die Lupe nehmen bevor sie sich Teilaspekten zuwendet.

Auch wir wollen auf diese Art und Weise vorgehen, sodaß nicht der zweite Schritt vor dem ersten ge­schieht und wir ins Stolpern geraten. Dies er­scheint alleine schon deshalb angezeigt, da die Klärung des Ausgangs­punk­tes hilft, den vorausliegenden Weg abzuschätzen und ihn ge­rüstet in Angriff zu nehmen.

Der Mensch im sozialen Bezug und Entscheidungsnotwendigkeiten ausge­setzt erscheint in einer Zeit der Umbrüche und grundlegender Veränderun­gen als eine naheliegende Thematik, da es – jedenfalls bei seriös Handelnden – darum gehen muß, der jeweilig wahrzunehmenden Ver­antwortung gerecht zu werden.

Unser Bemühen innerhalb des ersten Beitrages ist beschränkt. Es kann kei­ne umfassende Aufarbeitung aller mit der Themenstellung verbundenen Ein­zelaspekte bewerkstelligen. Dieser Anspruch soll insoweit bereits eingangs abgewehrt werden.

In der Selbstbeschränkung liegt aber im Gegenzug die Hoffnung, wesentli­che Voraussetzungen für das gesamte Werk zu schaffen, sodaß sich am Ende ein Beitrag zur Erkenntnis und eine Hilfe zu individueller Festlegung mit nach­folgenden Konsequenzen ergeben.

Bei unserer Ausführung bewegen wir uns im Hier und Jetzt. Die Kontext­ge­bundenheit stellt insoweit eine weitere Einschränkung der Betrachtung dar, die ihrerseits ebenso dazu führen soll, den Betrachtungsausschnitt genauer in den Blick zu nehmen.

Das Bemühen des ersten Beitrages ist darauf gerichtet, den We­senskern von Individuum, Füh­rung und Spannungsfeldern zu erkennen. Er ist darauf ge­richtet, gewisser­maßen Vorarbeit zu leisten, auf denen nachfolgende Aus­füh­rungen aufbauen.

Vorarbeit kennen wir auch beim Hausbau. Ohne das Ausheben der Baugru­be wird das Werk kaum gelingen. Denn ein gutes Fundament verleiht Sta­bi­lität, wenn der Sonnenschein verschwindet und Stürme toben, wenn eine gefestigte Basis Sicherheit zu geben hat.

So gehen wir im Folgenden vom Individuum aus. Es ist Dreh- und Angel­punkt im Rahmen unserer Gesamtbetrachtung. Mit dem Phänomen der Füh­­rung beziehen wir das soziale Umfeld mit ein. Schließlich betrachten wir ausge­wählte Spannungsfelder, in denen sich die Führungskraft positio­nie­ren muß, um nicht wie ein kleines Boot auf hoher See, gewissermaßen als Spiel­ball der Gewalten, bewegt zu werden.

Abbildung 1:

Bezugspunkte

Quelle: selbst erstellt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Individuum

Jeder Mensch ist ein Individuum, eine mit unveräußerlicher Würde ausge­stat­tete Persönlichkeit. Diese Würde erwächst aus der geschenkten Ver­nunft­begabung und aus dem Glauben, nach Gottes Ebenbild geschaffen zu sein. Dies räumt uns im Rah­men der Schöpfung eine Sonderstellung ein­.

Ihr Rechnung zu tragen ist nicht nur eine Forderung des Glaubens, sondern auch der Vernunft. Schließlich ergibt sich im wechselseitigen Austausch der Individuen nicht nur die Chance der Maßstabgewinnung, sondern auch eine wechselseitige Bereicherung und damit von Fortschritt.

Menschen als Individuen zu kennzeichnen bedeutet, diese als moralische Subjekte zu erkennen und anzuerkennen, daß sie Träger von Rech­ten, Ver­ant­wortungen und Pflichten sind (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Indivi du­­um). Dies ist ein hoher Anspruch, dem es tagtäglich gerecht zu werden gilt.

Dem Individuum kommt eine Subjektstellung zu. Es ist mehr als eine be­lie­bige Manövriermasse, als ein bloßes disponibles Objekt. Daraus ergeben sich erhebliche Konsequenzen für den wechselseitigen Umgang. Sie liegen nicht zuletzt in philosophischen und theologischen Über­le­gun­gen begründet und führen zu resul­tie­ren­den Antworten auf Grundfragen.

Ob wir aus dem Glauben heraus die Stellung des Menschen definieren oder vernunftmäßig dem kategorischen Imperativ Kants folgen, bleibt an dieser Stelle unberücksichtigt. Doch bleibt in jedem Falle die Forde­rung an den Einzelnen, den individuellen Erkenntnissen hinreichend Rech­nung zu tra­gen.

Subjektstellung bedeutet schließlich, daß ein Recht zu autonomer Existenz besteht und sich insoweit die Notwendigkeit ergibt, im sozialen Bezug einen vernünftigen „Modus vivendi“ zu finden, mit dem jeweilig Interagierende le­ben kön­nen.

Menschsein gelingt nur im sozialen Bezug. Diesen zum Dreh- und An­gel­punkt beim Verständnis des Individuums zu machen, liegt daher nahe. Denn der Einzelne ist in gleicher Art und Weise auf die Gemeinschaft ange­wiesen, wie er auf seine Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung hin pro­gram­miert ist.

Gerade die Rückbindung wird über die Auseinandersetzung mit anderen zur Triebfeder, zu einer entfaltungsfördernden Si­cherheit, die Individualität zu ih­­rer Blüte bringt und damit über das personale Wirken des Einzelnen wie­de­rum die Ge­mein­schaft bereichert, sofern hinreichend Rücksicht auf deren Erfordernisse ge­nom­men wird.

Krasser Egoismus auf Kosten der Gemeinschaft dürfte längerfristig hingegen zur Ver­ein­samung und sozialer Äch­tung führen. Dies kann letztlich weder im Inte­resse der Gemeinschaft, noch des Einzelnen liegen.

Führung

Wenn wir den Wesenskern von Führung erfassen wollen, so sind wir gehal­ten, das Beziehungsverhältnis von Menschen mit unterschiedlicher Funktion und unterschiedlicher Macht im alltäglichen zielgerichteten Zusammenwir­ken näher zu be­trach­ten.

Dabei können wir die klassische Sichtweise von Führung überschreiten, die jenes Phänomen an die Person der Führungskraft bindet. Schließlich wissen wir um die Differenzierung hinsichtlich der Positionsmacht, der aus der Kom­­petenz und Erfahrung resultierenden Macht, sowie der Macht aus der Per­sön­­lichkeit, die sich idealtypisch in der Person der Führungskraft ver­bin­den.

Seriöse Führung geschieht als interaktiver ziel- und zukunftsgerichte­ter Pro­zeß, bei dem Personen mit und ohne Führungsfunktion ihren Beitrag zum gemeinsamen Erfolg leis­ten, um diesen ringen und damit die Ziel­er­rei­chung mehr oder minder stark befördern.

Führung ist insoweit eine permanente Herausforderung, ein dauerhaftes Feld der Be­währung. Gerade wenn wir den sich ergebenden Wandel in die Über­legun­gen einbeziehen, stehen wir tagtäglich vor neuen Gegebenheiten und zu bewäl­ti­genden Situationen.

Da die Welt nicht stillsteht, wird dies auch künftig so sein. Denken wir in diesem Zusammenhang nur an

- die vielfältigen Veränderungen, die sich wechselseitig überlagern,
- die Dynamik der Entwicklung,
- an Globalisierung und Wissensexplosion, aber auch
- an sich verändernde Erwartungen und Einstellungen.

Insoweit bedarf es der Offenheit und Flexibilität, sowie der Bereitschaft, sich auf die Suche zu begeben. Über sie gilt es angemessene Lösungen zu finden. Dabei wissen wir, daß das Bessere der Feind des Guten ist und das Bewähr­te Bestand hat, solange nichts Besseres gefunden wurde.

Wie jedes Handeln ist Führung individuell zu verantworten, auch sind die aus dem Wirken resultie­renden Konsequenzen zu tragen. Auf das un­tilgbare Schuldrisiko zu verweisen, mit dem wir uns an anderer Stelle er­neut be­fas­sen werden, erscheint daher geboten.

Verantwortung bedeutet Antwort geben und gerade stehen für Tun und Un­terlassen. Es bedeutet, sich der Kritik zu stellen, sich zu rechtfertigen und notfalls Sanktionen zu erdulden sowie eigenes Versagen – ein Zurückbleiben hinter dem zu Leistenden – aufzuarbeiten.

In diesem Zusammenhang kommt die ethische Diskursführung im Vorfeld zu treffender Entscheidungen ins Spiel, die sich um eine Folgenabschätzung bemüht und mögliche Auswirkungen bei auftretenden Risiken zu mini­mie­ren sucht.

Spannungsfelder

Damit sind wir beim Begriff Spannungsfelder angelangt. Sie umfassen The­menbereiche mit einem Spektrum alternativ mög­li­cher Verhal­tens­wei­sen. Bei den bestehenden Alternativen zeigen sich dabei sowohl positiv wie negativ zu Buche schlagende Konsequenzen, die es abzu­wägen gilt.

Bestehende Möglichkeiten können dabei durchaus mit differierender Reali­sie­­rungs­­wahrscheinlich­keit verbun­den sein. Dies kann

- an den Möglichkeiten selbst liegen,
- an der Person des Ausübenden der Wahlhandlung, aber auch
- an den Umständen, Einflüssen und Begleiterscheinungen, in denen Stel­lung zu be­ziehen ist.

Insoweit sind Möglichkeiten mehr oder weniger realistische Optionen. Sie sind chancen- oder risikogeneigte potentielle Ausrichtungen mit partiell vor­ge­zeichneten Auswirkun­gen – auch wenn man bei chancengeneigter Aus­richtung Pech und bei risikogeneigter Ausrichtung Glück haben kann.

Spannungsfelder zeigen uns Eckpfeiler auf, die ein Ent­schei­dungs­feld be­gren­­zen. Sie stellen uns vor alternative Möglichkeiten, die nicht gleichzeitig gewählt werden können. Wenn wir beispielsweise verreisen möch­­­ten, so kön­nen wir uns eben nicht gleichzeitig nach Hamburg und Mün­chen in Be­wegung setzen. Ebenso wenig wird es gelingen, auf anderen Gebieten das Posi­tive alternativer Mög­lichkeiten gleichzeitig zu realisieren.

Individuelle Reife nötigt uns ab, dies anzuerkennen. Sie nötigt uns ab, zu realisieren, daß wir uns innerhalb der jeweiligen Gebiete mit umgrenzten Hand­lungsmöglichkeiten zu bewegen haben, sofern sich nicht ein Auf­bre­chen und Überschreiten von Spannungsfeldern durch neue grenzenüber­schrei­tende kreative Vorgehensweisen anbietet.

Überschaubare Handlungsmöglichkeiten sind in diesem Zusammenhang nicht grundsätzlich als negativer Tatbestand zu werten, grenzüberschrei­ten­de Vorgehensweisen nicht als ein in jedem Falle bestehender Gewinn. Denn Begrenzung erleich­tert die Auswahl, Grenzenlosigkeit erschwert die Orien­tie­rung und Abschätzung.

Im Rahmen bestehender Spannungsfelder wird uns eine Positionierung ab­gefordert, werden uns Entschei­dun­gen verlangt. Diese sind Festle­gun­­gen, die eine Auswahl treffen und uns zukunftsbezogen binden. Damit sind wei­te­re Schritte vorgezeichnet und alternative Möglichkeiten verwor­fen.

Tagtäglich sind wir gehalten, Position zu beziehen – im Kleinen, wie im Gros­sen. Mögen auch die Konsequenzen von unterschiedlicher Tragweite sein, so führt die eingegangene Festlegung doch dazu, die Ausrichtung künftigen Handelns vor­zunehmen und damit ein Verharren in der Ambiguität zu ver­hin­dern.

Bezugspersonen gegenüber zeigen sich getroffene Entscheidungen als Klä­rungen, die Perspektiven eröffnen. Sie zeigt sich als Tatbestände, zu denen in positiver oder negativer Weise Stellung bezogen und resultierendes Ver­halten gezeigt werden kann.

Als Individuen finden wir uns letztlich wieder im konkreten sozialen Be­zug. Wir finden uns wieder inner­halb sozialer Gebilde und unterschied­licher Span­nungsfeldern, die uns um­geben und zum Teil gegen­sätzliches von uns fordern. Wir finden uns wieder in multifaktoriell bestimmten, komplex ge­stal­teten Ver­hält­nissen.

Abbildung 2:

Beziehungsgefüge

Quelle: selbst erstellt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick

Im Zuge des vorliegenden Beitrages haben wir uns mit dem Individuum, mit Führung und Spannungsfeldern auseinander gesetzt. Wir haben uns darum bemüht, den Wesenskern dieser Begriffe zu erfassen und deren Problematik zu beleuchten.

Dabei ist uns klar geworden, daß bei den drei Begriffen Differenziertheit und Vielschichtigkeit gegeben ist. Letztlich muß es uns im Alltag gelingen,

- als Individuum Selbstentfaltung und Rückbindung zu anderen unter ei­nen Hut zu bringen,
- Führung als permanente Aufgabe zu begreifen, die andere auf dem Weg zum Ziel mitnimmt und sie in ihrem Bemühen um Erfolg unterstützt und
- Spannungsfelder als Herausforderungen zu sehen, bei denen klare Ent­scheidungen anstehen, sodaß die Orientierung stimmt.

Auch wenn wir im Einzelfall abirren und angesichts menschlicher Schwäche den rechten Weg verlieren, sollte doch im großen Ganzen die richtige Rich­tung beibehalten werden, damit Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit kon­zediert werden kann.

Dies reflektierend kommen wir zum Schluß, daß es unsere Aufgabe ist, nach hinreichender Abwägung Festlegungen zu treffen und nachfolgend den ge­wählten Weg zu verfolgen, soweit nicht neue Informationen eine Modifikation der einmal getroffenen Entscheidungen nahelegen oder aber Änderungen er­zwingen.

Angesichts des grundsätzlichen zukunftsbezogenen Risikos können wir nur nach besten Wissen und Gewissen handeln. In der Zukunft verfügbares Wis­sen steht uns im Entscheidungszeitpunkt nicht zur Verfügung und insoweit stehen Entscheidungen unter Vorbehalt der Richtigkeit der ihnen zugrunde gelegten Annahmen.

Das Vollkommene zu leisten ist also mehr Wunschtraum als Wirklich­keit, das Streben nach dem Richtigen eine nie endende Aufgabe. Wohl dem Ent­scheidungs­träger, bei dem im Zeitverlauf die Kluft zwischen dem sich als rich­tig Erweisenden und dem vollkommen Erscheinenden nicht zu groß wird.

Immerhin bleibt die Zukunft offen. Immerhin liegt es am Einzelnen, sich zu entscheiden. Werden wir da nicht auf einen über zweitausend Jahre alten Text gestoßen, der sich im Buch der Weisheit findet und vom Kampf des Bösen gegen das Gute spricht, vom Kampf der „Frevler“ gegen die „Gerech­ten“, derjenigen, die sich der Ver­derbt­heit, dem Eigennutz und dem Macht­miß­brauch verschrieben haben, ge­­gen jene, die auf Sanftmut, Geduld, und Angemessenheit setzen? (vgl. http://erzabtei-beuron.de/schott/schott_anz. php?datum=2012-9-23 (Weish 2))

Literatur

Frank F.(2009): Führungsethik im Spannungsfeld von Erfolgs- und Hu­man­­verantwortung, GRIN Verlag

Jeske B.(2011): Personal Branding im Spannungsfeld postmoderner Identi­täts­bildung, GRIN Verlag

Lüdke N./Matsuzaki H.(Hg.) (2011): Akteur – Individuum – Subjekt : Fra­gen zu „Personalität“ und „Sozialität“, VS Verlag für Sozialwissenschaften

Neuberger O.(1976): Führungsverhalten und Führungserfolg, Duncker & Humblot GmbH

Neuberger O.(1984): Führung : Ideologie – Struktur – Verhalten, Ferdinand Enke Verlag

Neuberger O.(2002): Führen und führen lassen : Ansätze, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung, UTB GmbH, 6. Aufl.

Ritsert J.(2012): Soziologie des Individuums : Eine Einführung, WBG (Wis­sen­­schaft­li­che Buchgesell­schaft)

http://erzabtei-beuron.de/schott/schott_anz.php?datum=2012-9-23

http://de.wikipedia.org/wiki/Individuum

Anfragen

Frage 1:

Das Individuum ist eine eigene Welt für sich. Doch es steht in der Zeit und in Beziehung zu anderen. Wie läßt sich dieser bestehende Spagat fassen und interpre­tie­ren?

Frage 2:

Führung stellt sich uns als Versuch dar, andere zielgerichtet zu beeinflussen und im Miteinander erfolgreich einen ge­meinsamen Weg zu gehen. Wem gegenüber besteht dabei letztlich Verantwortung?

Frage 3:

Spannungsfelder sind zahlreich wie die Sterne am Himmel. Sie gestalten sich als Herausforderungen und Entscheidungsnotwendigkeiten. Was erwächst aus der Weigerung, den erkennbaren Erfordernissen hinreichend Rechnung zu tragen?

Frage 4:

Im Heute unterliegen wir der Beschränkung der bestehenden Erkenntnis und Erfahrungen. Bei Zunahme von Erkenntnis und Erfahrungen relati­vie­ren sich aktuell ein­genommene Positionen, auch wenn diese zunächst als richtig eingeschätzt wur­den. Befinden wir uns damit aktuell auf dem fal­schen Dampfer?

Frage 5:

Das Morgen ist ungewiß. Ist es da nicht angemessen, vertrauensvoll das Mor­gen einfach auf sich zukommen zu lassen?

Antwortversuche

Antwortversuch zu Frage 1:

Der Spagat zwischen Individuum und Bezug zu anderen gestaltet sich so­wohl für den Einzelnen, als auch für soziale Gebilde als eine stetige He­raus­forderung. Denn es gilt, sowohl dem jeweilig Einzelnen, als auch den sozia­len Gebilden hinreichend Rechnung zu tragen.

Wir können den Spagat als eine Triebfeder betrachten, als Ansporn, den un­terschiedlichen Erfordernissen und Interessen hinreichend gerecht zu wer­den. Dabei werden wir zwangsläufig immer wieder auf der einen oder ande­ren Seite hinter dem zu Leistenden zurück bleiben.

Und doch ergibt sich für uns keine sinnvolle Alternative dazu, sich der He­raus­­forderung zu stellen und nach besten Wissen und Gewissen Indivi­dua­lität zu wahren und soziale Rückbindung zu gestalten.

Antwortversuch zu Frage 2:

Verantwortung besteht gegenüber der Profession, dem Gemeinwohl und dem Gewissen. Anders ausgedrückt ist dies eine Verantwortung gegenüber Gott, den Mitmenschen und der eigenen Person. Wenn wir Einfluß ausüben, so hat dieser insoweit den legitimen Interessen und Bedürfnissen hinreichend Rechnung zu tragen.

Dies erwächst aus der Rationalität, der Würde des Menschen und der Wah­rung individueller Persönlichkeit. Würde und Persönlichkeit stehen dabei nicht nur der Führungskraft, sondern jedem Menschen zu. Insoweit zeigt sich Machtmißbrauch als unethisches Handeln, welches künftige soziale Be­zie­hung in aller Regel belastet.

Vernunftgesteuertes Handeln berücksichtigt diese Tatsache jedenfalls dann, wenn bei der Führungskraft eine lang­fristig angelegte Ausrichtung vor­liegt.

Antwortversuch zu Frage 3:

Aus der Weigerung, den Erfordernissen hinreichend Rechnung zu tragen, er­wächst eine zeit- und bedarfsunangemessene Positionierung des Einzelnen. Sie läßt ihn hinter die bestehenden Erfordernisse zurückfallen. Sie ist ver­bunden mit dem Versuch, überholte Lösungsansätze auf aktuelle Heraus­forderungen anzuwenden und damit zwangsläufig Antworten an den Not­wen­digkeiten vorbei zu geben.

Ein solches Verhalten erscheint tragisch – gerade bei Personen, die in der Vergangenheit positive Spuren hinterlassen haben, die sich in früheren Zeit­abschnitten bewährt haben. Hier hilft nur die Erkenntnis, daß die Zeit nicht stehenbleibt. Wer sich nicht den immer wieder neuen Herausforderungen und Entscheidungsnotwendig­keiten stellt, dessen aktueller Beitrag erscheint zu­mindest fragwürdig, denn es hilft nicht weiter zu sagen: „Was nicht ins Weltbild passt, das nehmen wir noch nicht einmal nicht zur Kenntnis“.

Antwortversuch zu Frage 4:

Wir können nur im Heute handeln und sind auch dazu berufen. Wenn im Morgen tiefer und weiter gehende Erkenntnisse und Erfahrungen vorliegen werden, so hilft uns dies in der aktuellen Situation letztlich nicht weiter. Da­mit sind wir – auch wenn wir die künftige Entwicklungsstufe noch nicht er­reicht haben – keineswegs auf dem falschen Dampfer.

Denn es ist unsere Aufgabe, ausgehend von der Vergangenheit die Gegen­wart zu meistern und Zukunft zu gestalten. Wenn wir im Zuge künftig um­fassenderer Klarheit zu neuen Schlüssen kommen werden, so bleibt uns die immer noch Möglichkeit, getroffene Entscheidungen zu modifizieren oder zu revidieren.

Im Wissen um unsere Begrenztheit steht es uns insoweit gut an, Vorsorge da­­für zu treffen, daß unser Wirken zukunftsbezogen keine unvertretbaren Wirkungen entfaltet und somit uns, nachwachsende Generationen und die Umwelt in unvertretbarer Weise belastet. Insoweit muß ethische Diskurs­füh­rung, Reflexion der Folgewirkungen und Achten auf Nachhaltigkeit mehr als ein verbales Postulat sein.

Antwortversuch zu Frage 5:

Im Wissen darum, daß das Morgen ungewiß ist, rechtfertigt sich nicht, ein­fach das Morgen unbedarft auf sich zukommen zu lassen. Zwar ist Ver­trauen in die Bewältigungskompetenz künftiger Herausforderungen nicht ab­zulehnen, doch entbindet uns dies nicht der Notwendigkeit, im Hier und Jetzt das vorsorgend zu Leistende auch zu leisten.

Erst das Zusammenspiel des aktiven zukunftsgestaltenden Handelns, sowie der Offenheit und des sich Einlassens auf die Ungewißheit des Morgen läßt je­ne Zuversicht gerechtfertigt erscheinen, dieses Morgen zu meistern. Din­ge treiben zu lassen würde unweigerlich zu Zufallsergebnissen führen. Das in den Tag hinein leben machte uns zum Spielball widerstreitender Kräf­te. Wir würden in diesem Zusammenhang darauf verzichten, im Rahmen des Mög­li­chen gestal­tend Einfluß auszuüben.

Gemeinschaftsideolog­ie und übersteigerter Egoismus

Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung

Entscheidend für das Führungsverhalten ist die Grundorientierung der Füh­rungskraft, deren Prägung und wertmäßige Ausrichtung. Diese ist sowohl an­lage- als auch umweltbedingt. Da mit einer Führungsfunktion Gestal­tungs­macht und Einflußmöglichkeit verbunden ist, erscheint eine nähere Betrachtung jener Grundorientierung und deren möglichem Spektrum an­ge­zeigt.

Auch wenn wir die jeweilige konkrete Ausprägung nicht einfach einer ge­wissen Entwicklungsstufe zuordnen können, besteht doch bei der Angemes-senheit der Ausprägung ein gradueller Unterschied. Bedeutsam erscheinen in diesem Zusammenhang die Angemessenheit hinsichtlich

- der Adressaten,
- der bestehenden Aufgaben,
- der Rahmen­bedingungen, sowie
- der zeitlichen Erfordernisse.

Dies erscheint Grund genug dafür zu sein, sich mit der Frage der Grundori­entierung der Führungskraft zwischen Gemeinschaftsideologie und überstei­ger­tem Ego­ismus näher auseinander zu setzen. Dabei stoßen wir unwei­ger­lich auch auf das Phänomen des Machtwillens, seiner jeweiligen Begründung und Aus­­prägung.

Bei der Betrachtung eines so umfassenden Themenbereiches sind wir ge­zwungen, Abgrenzungen vorzunehmen. Sie beziehen sich sowohl auf den Geltungsbereich der gemachten Ausführungen wie auf den gegebenen Grad an Konkretheit.

Unsere Betrachtung ist kontextgebunden, auch wenn die Möglichkeit einer partiellen Über­tragung auf andere Zeiten und Umstände nicht grundsätzlich verneint wird. Unsere Betrachtung ist des Weiteren auf metatheoretischer Ebene an­gesiedelt. Abstriche bei der unmittelbaren Transferierbarkeit auf das opera­tive Feld sind daher zwangsläufig.

Und doch bietet der aufgezeigte Rahmen Orientierung. Er bietet ein Raster, an dem konkrete Ausprägungsformen der Grundorientierung einer Ein­schät­zung unterworfen werden können. Auch wenn wir hier nur Stückwerk bie­ten können, erscheint das an dieser Stelle Leistbare der aufgewandten Mühe wert.

So setzen wir uns nachfolgend mit der Grundorientierung der Führungs­kraft zwischen Gemeinschaftsideologie und übersteigertem Egoismus auseinan­der. Wir un­ter­neh­men den Versuch, einen differenzierten Blick auf die je­wei­ligen Prä­gungs­­varianten zu werfen und zu einem abgewogenen Urteil über die zeit­gemäße Ausgestaltung der Grundorientierung zu gelangen.

Zu diesem Zweck befassen wir uns zunächst mit gemeinschaftsideologischer Ausrich­tung, mit egomanischer Ausrichtung und mit der Ausrichtung auf Selbstent­faltung und Rückbindung. Dies bildet die Voraussetzung dafür, hilf­­reiche Schlußfolgerungen treffen zu können.

Im Ergebnis soll dies dazu verhelfen, die eigene Grundorientierung zu hin­ter­fragen, deren Angemessenheit abzusichern und damit angestrebten Füh­rungs­erfolg, an dem das Verhalten der Führungskraft gemessen wird, zu be­günstigen.

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]Gemeinschaftsideologische Ausrichtung auf vermeintliche

Orientierung Interessen des Gemeinschaft

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]Individualentfaltung und sozialverantwortliches Handeln,

soziale Rückbindung Ringen um bestmögliche Lösung

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]Übersteigerter Egoismus Ausrichtung auf das subjektiv

(Egomanie, Egozentrismus) empfundene Eigenwohl

Abbildung 3:

Orientierungsalternativen

Quelle: selbst erstellt

Gemeinschaftsideologische Orientierung

Das Wesen einer gemeinschaftsideologischen Orientierung ist die Präferenz für die Gruppe und deren vermeintliche Erfordernisse. Diese Präferenz reicht bis hin zu einem unhinterfragbaren Absolutheitsanspruch, der Gefolgschaft einfordert. Sie ist nicht zuletzt Resultat einer empfundenen Notgemeinschaft und eines überzogenen Schutzbündnisses.

Im Zuge dieser Orientierung findet eine Überhöhung der eigenen Ge­mein­schaft gegenüber anderen Gemein­schaf­ten statt. Verknüpft ist dies nicht sel­ten mit der gewaltsamen Durchsetzung der verfolgten Ideologie. Abweichun­gen der eigenen Gemeinschaft werden positiv gewertet, Abweichungen ande­rer Gemeinschaften negativ eingeschätzt.

Dies läßt ein Elitebewußtsein wachsen, das sich im Bewußtsein einer Höher­wertigkeit auf Abgrenzung stützt – unabhängig davon, ob und wenn ja in wel­chem Ausmaße dieses gemessen an intersubjektiv nachvollziehbaren Kri­te­rien gerechtfertigt er­scheint.

In der Vergangenheit traten in Europa drei Ausprägungsformen der Gemein­schafts­ideologie auf und entfalteten eine unheilsame Wirkung – der Natio­na­lismus, der Nationalsozialismus und der Kommunismus. „Der Natio­na­lismus bezeichnet Weltanschauungen und damit verbundene soziale Bewe­gun­gen, die die Herstellung und Konsolidierung eines souveränenNational­staats und eine bewusste Identifizierung und Solidarisierung aller Mitglieder mit der Nation anstreben. Historisch erreichten nationalistische Ideen erst­mals im ausgehenden 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem ameri­ka­nischen Unabhängigkeitskrieg und der Französischen Revolutionmas­sen­motivie­ren­de praktische Auswirkungen.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalismus)

Der Nationalsozialismus „ist eine radikal antisemitische, rassistische, anti­kom­munistische und antidemokratischeWeltanschauung und politische Be­we­gung. Er entstand nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland.“ (http:// de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialismus)

Beim Kommunismus handelt es sich schließlich um eine entwickelte Lehre und eine darauf gestützte Bewegung, die zuerst die Gütergemeinschaft und im weiteren Sinne die klassenlose Gesellschaft zum Ziel hat. Das gesell­schaft­­liche Leben soll dabei rational und gemeinschaftlich geplant und durch­­geführt werden. (vgl.http://de.wikipedia.org/wiki/Kommunismus)

Hinter der Gemeinschaftsideologie steht letztlich ein einseitiges Menschen­bild, das mit der gegebenen Realität nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Weder lassen sich jenseits der Grundsicherung übereinstimmende Stre­bungen verpflichtend festschreiben, noch Individualität und Selbstentfaltung auf Dauer ausschließen (Wachstumsbedürfnisse).

Heutige gemeinschaftliche ideologische Verirrung in den Vereinigten Staa­ten und Westeuropa ist gekennzeichet durch

- Überbewertung von „Haben“ gegenüber dem „Sein“,
- Präferenz von „Showmenship“ gegenüber „inhaltlicher Substanz“,
- Vorrang des „sich nicht erwischen Lassens“ gegenüber der „Seriosität“,
so­wie einer
- Tendenz zu „Oberflächlichkeit“ gegenüber dem „Tiefgang“.

Wessen Lebenssinn im „Haben“ liegt, geht der nicht am eigentlichen Leben vor­bei? Wer Eindruckslenkung präferiert, macht der sich und anderen nicht nur etwas vor? Wer dem Vorrang des „sich nicht erwischen Lassens“ folgt, be­findet der sich nicht gewissermaßen in einer Seifenblase, die jederzeit plat­zen kann? Und wer sich Oberflächlichkeit und ein unreflektiertes Hinein­leben in die Zukunft leistet, torpediert der nicht seine eigene Zukunftsfähig­keit?

Die vorgenannten und damit aufgezeigten Gegensatzpaare sind sicherlich je­weils Eck­pfeiler bestehender Spektren. Und doch zeigen sie uns, daß in der kulturellen Wirklichkeit unserer Gesellschaft gemeinschaftsideologische Ge­fah­­ren sind und auch künftig bleiben werden.

Übersteigerter Egoismus und seine Fixierung

Wenn wir uns nun vor der Betrachtung des Gleichgewichtes zwischen in­di­vi­dueller Entfaltung und sozialer Rückbindung dem übersteigerten Egoismus und der mit ihm verbundenen Fi­xie­rung zuwenden, so ist dies der Tatsache geschul­det, daß dieser einen Ge­genpol zur Gemeinschaftsideologie darstellt. Nicht die Grup­pe zählt hier, sondern das individuelle Wohl – und sei es auf Kosten der All­ge­meinheit.

Übersteigerter Egoismus steht hier für eine einseitige krankhafte Ausrich­tung am „Eigen­nutz“, an „Ich-Bezogenheit“ und „Ich-Sucht“. Im Rahmen die­ser Ego­­­manie ist für den jeweilig Anderen nur insoweit Platz, wie dieser dem eigenen Wohle zu dienen in der Lage ist. Die Maßlosigkeit individueller An­sprü­che wird hier zum aus­lö­senden Faktor des Handelns, die Instru­men­ta­li­sie­rung des Ge­genübers zum allenfalls subjektiv gerechtfertigt er­schei­nen­den „Nor­malfall“.

Mit einem übersteigerten Egoismus wird die erfor­der­li­che Rück­bin­dung des Men­schen zu sozialen Gebilden beiseite gedrängt. Es wird dabei letztlich ver­kannt, daß der Bezug zu anderen erst individuelle Entfaltung und Selbstver­wirk­li­chung in vollem Umfange ermöglicht.

Übersteigerter Egoismus, Egomanie oder Egozentrismus ist insoweit mit ei­ner Beschränkung auf das eigene „Ich“ verbun­den. Bereicherung durch an­de­re findet nichthinreichend statt. Und dies ist eine bewußt oder unbewußt in Kauf genommene Verar­mung, die sich in qua­litativer Hin­sicht auf das Ge­schehen auswirkt.

Denn wer nur im eigenen Saft kocht, ist weit von der Fülle der Möglichkeiten entfernt, wer nur das „Ich“ sieht, der übersieht das außer ihm Existierende, die bei Mitmenschen vorhandenen Erkenntnisse und Erfahrungen, poten­ti­ell ge­gebene Bereicherungsmöglichkeiten und Synergieeffekte.

Nicht über den Tellerrand hinaus zu blicken erscheint insoweit als eine Be­schränktheit. Sie erscheint als eine Überschätzung der eigenen Bedeutung und der individuell vorhandenen Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Er­fahrungen.

Übersteigerter Egoismus zeitigt Auswirkungen auf das Sozialgefüge, auf Ge­mein­schaft und Ge­sellschaft insgesamt. Denn Aktionen führen zu Reaktio­nen, Verhalten zu Konsequenzen – und dies nicht nur unmittelbar, sondern auch hinsichtlich der künftig vorherrschenden Kultur beim sozialen Um­gang.

In diesem Zusammenhang können wir festhalten, daß eine sich ausbreitende Ego­­­ma­nie gemeinschafts- und gesellschaftszerstörende Wirkung entfaltet. Denn wer möchte schon auf Dauer ausgenutzt und ausgebeutet werden; wer möch­te schon auf Dauer einen fairen Interessenausgleich vermissen müs­sen?

In letzter Konsequenz zerstört der krasse Egoist mithin die Grundlagen sei­nes eige­nen langfristigen Wohlbefindens. Und dies erscheint nicht nur wi­der­sinnig, sondern auch aus ethischer Sicht höchst frag­würdig.

Individualentfaltung und Soziale Rückbindung

Wenn wir auf den Ausgleich zwischen Individualentfaltung und sozialer Rück­bindung setzen, so anerkennen wir, daß der Mensch sowohl Indivi­du­um, als auch Gemeinschaftswesen ist. Es ist seinem Wesen immanent, nach eigengesteuerter Entwicklung zu streben. Dabei bieten soziale Gebilde dem Einzelnen

- erforderliche Maßstäbe,
- erforderlichen Rück­halt und
- erforderliche Sicherheit.

Solidarität bietet in diesem Zusammenhang ein Netz bei Schicksalsschlägen und individuellem Schei­tern und Subsidiarität gewährleistet jenen Freiraum, der die Entfaltung der jeweiligen Individualität ermöglicht. In Verbindung mit der Anerkennung der Würde des Menschen zeigt sich uns so eine trag­fähi­ge Basis, die Vertrauen schafft und Perspektiven bietet.

Wieder einmal liegt die Lösung in der goldenen Mittel, sie liegt im wohl erwo­ge­nen Ausgleich bestehender legitimer Interessen und Bedürfnisse. Dies er­fordert Abstriche sowohl beim Einzelnen, als auch bei sozialen Gruppierun­gen, wobei beiderseits durchaus „No-goes“ bestehen können und auch beste­hen müs­­sen.

Die Vorzüge eines globalen Gleichgewichts erschließen sich dem Betrachter un­mittelbar. Denn

- es wird weder die Möglichkeit zur Entfaltung der individuellen Persönlich­keit und zur Wahrung der menschlichen Würde verletzt,
- noch die erforderliche Rücksichtnahme, sowie die Bezogenheit zu und die Einbindung in soziale Gruppierungen vernachlässigt.

In der Tat ist ein wechselseitiges Geben und Nehmen Garant für langfristig erfolgreiches Wirken. Und diese Langzeitorientierung gewährt jene – über den Tag hinaus reichende – Sicherheit, ohne die eine kontinuierliche posi­tive Ent­wick­lung nicht zu gewährleisten ist.

Gleichgewicht zeigt sich uns dabei in aller Regel als ein relatives Gleichge­wicht. Um dieses Gleichgewicht gilt es zu ringen; dieses gilt es möglichst zu bewahren.

Erst im Gleichgewicht öffnen sich uns – abgesehen vom unwägbaren Glück –

wünschenswerte Perspektiven. Sie erwachsen aus den gebotenen Rücksicht­nahmen und sind insoweit nicht stillschweigend als gegeben anzunehmen und vorauszusetzen.

Diese wünschenswerten Perspektiven lassen sich als ein har­monisch zielge­rich­te­tes Bemühen mit Erfolgswahrscheinlichkeit zusammenfassen. Und dies ist mehr, als die bestehende Alternative. Garantien gibt es in diesem Zu­sam­menhang allerdings nicht.

Wir werden nicht gefragt, ob uns dies genügt. Wir werden nicht gefragt, ob wir damit zufrieden sind. Wir sind hineingestellt in gegebene Herausforde­rungen, Rahmenbedingungen und Möglichkeiten. Letztere zu nutzen ist un­sere Aufgabe.

Angemessenheit, Machtstreben und Verantwortung

Wenn wir nun auf die Angemessenheit der Ausprägung näher eingehen, so sind wir gehalten, in unsere Überlegungen

- die jeweiligen Merkmale der Zeit,
- die gegebenen Rahmenbedingungen,
- die gestellten Aufgaben und
- die agierenden Beteiligten einzubeziehen.

Erst dann werden wir in der Lage sein, den bestehenden Erfordernissen hin­reichend Rech­nung zu tragen und zu tragfähigen ganzheitlichen Lösungen zu gelangen. Sie zu erreichen setzt unweigerlich Offenheit und Flexibilität vo­­raus und verbietet ein zu starres, formalistisch geprägtes Agieren.

Angemessenheit ist allerdings gebunden an eine hinreichende Abwägung und diese hängt an Werten und Bewertungsmaßstäben, die in der heutigen Zeit nicht mehr so ohne weiteres als einvernehmlich feststehend charakteri­siert werden können.

Hinsichtlich der angemessenen Ausprägung des Machtstrebens läßt sich keine allgemein­ver­bindliche Empfehlung geben. Denn es sind wiederum die Be­stim­mungsfaktoren der konkreten zeitgebundenen Herausforderung, die Rah­men­­bedingungen und Beteiligten, welche die intersubjektiv nachvoll­zieh­bare An­gemessenheit bestimmen.

Immerhin läßt sich eine Nähe von übersteigertem Egoismus und ausgepräg­ter Machtorien­tie­rung feststellen und eine Nähe von Gemeinschaftsideologie und Unterord­nung. Immerhin läßt sich global betrachtet eine mittlere Aus­prägung von Machtstreben – bei einzelfallbezogenen Variationen – als erfolg­versprechende Orientierung vermuten.

Denn ein zu wenig an Machtstreben führt zu fehlender Durch­setzungs­fä­higkeit und Führung, ein zu viel zu überzogener Dominanz und Ausblen­dung der Kompetenzen und Erfahrungen der Beteiligten. Beides ist dem je­weilig unterstellten Erfolgsstreben nicht zuträg­lich.

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]Unterordnung unter fremd-

bestimmte Vorgaben

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ausgeprägte

Machtorientierung

Abbildung 4:

Erweiterte Orientierungsalternativen

Quelle: selbst erstellt

Schließlich ist im Zusammenhang mit der Grundorientierung zwischen Ge­meinschaftsideologie und übersteigertem Egoismus auf Verantwortung ein­zu­gehen. Sie bindet das Handeln an ethische Maßstäbe.

Diese Bindung tut Not. Denn sie gewährleistet den Grundkonsens der Inter­agierenden und damit die langfristige Bewahrung der unverzichtbaren Ver­trau­ensbasis. Ohne sie

- stünde das Beziehungsverhältnis der Akteure auf tönernen Füßen,
- wäre eine hohe Ausprägung bei Fürsorgepflicht und Treuepflicht fraglich,
- dürfte eine konstruktive zielgerichtete Zusammenarbeit nicht gewährleis­tet sein und
- gäbe es beidseits keine wünschenswerte relative Sicherheit.

Nicht umsonst gewinnt die Wertbindung des Handelns und die Auseinander­setzung mit dem Themenkreis Verantwortung gerade in heutiger Zeit, der Zeit mit einer Normenfülle und gleichzeitiger Relativierung des Normenhori­zonts, wieder an Bedeutung.

Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick

Im Zuge unserer Ausführungen sind wir zunächst auf Gemeinschafts­ideo­lo­gien, auf übersteigerten Ego­ismus und auf die Ausgewogenheit von Selbst­entfaltung und sozialer Rückbindung eingegangen. Diese grundlegend unter­schiedli­chen Aus­prägungs­formen der möglichen Grundorientierung einer Füh­­rungs­kraft zeigten uns das gegebene Spektrum auf.

In einem zweiten Schritt war daraufhin die Angemessenheit der Grund­ori­en­tie­rung zu hinterfragen. Dies führte uns zur kontextgemäßen Ausprägung, zur Ausprägung des Machtstrebens und zum Themenkreis Verantwortung. Damit haben wir gleichzeitig sozialethische Aspekte berührt.

Schließlich gilt es nun die gewonnenen Erkenntnisse einzuordnen, sie einer eingehenden Reflexion zu unterziehen und Schlussfolgerungen für das eige­ne Führungshandeln im jeweiligen konkreten Kontext zu ziehen. Dieser letz­te Punkt zeigt sich uns als dauerhafte Aufgabe, sofern wir unsere jeweilige Führungsverantwortung ernst nehmen.

Wir sind dabei darauf verwiesen, ein flexibles Gleichgewicht zu schaffen und zu bewahren. Dieses ist sowohl abhängig von den Herausforderungen, Rah­men­bedingungen und Beteiligten. Fortlaufend sich ergebende Veränderun­gen führen zu Anpassungserfordernissen, die sich heute wohl nur im Rah­men einer positiven Unternehmenskultur und eines sich Einbringens aller Beteiligten konfliktarm bewältigen lassen.

Bei einer tendenziellen Ausrichtung auf Kooperation, Interaktion und Aus­gleich und mittelstarker Ausprägung der Machtorientierung, die Orientier­ung gibt, aber auch Freiraum läßt, zeigt sich dann über die Zeit betrachtet jene permanente Optimierung, die Zukunft sichern hilft.

Daß hierzu Offenheit, Flexibilität und Wandlungsbereitschaft erforderlich ist, sei der Vollständigkeit halber angemerkt. Denn nichts ist beständiger als der Wandel; auf nichts läßt sich gerade heute sicherer bauen, als auf diese Er­kenntnis.

Weder Untertanenmentalität noch übersteigerte, machtgestützte Ich-Sucht ge­­ben und si­chern langfristig Zukunft. So kommen wir nicht umhin, bei be­stehender Langfristorientierung ein verantwortungsbewußtes Handeln zu ge­währ­leisten.

Dieses ist einzig in der Lage, jenes Fundament konstruktiver zielgerichteter Zusammenarbeit zu gewährleisten, das

- Verlässlichkeit aufweist,
- Kontinuität sichert,
- Vertrauen schafft,
- positive Entwicklung fördert,
- eine Zufriedenheit vermittelnde Kultur etabliert und dadurch
- Leistungs- und Einsatzbereitschaft erzeugt.

Sorgen wir also dafür, daß die Grundorientierung der Führungskraft den Füh­­rungserfolg begünstigt und diesen nicht verhindert. Sorgen wir also da­für, daß wir mit aufbauen und nicht einreißen, daß wir Führung als Auftrag begreifen, Mitarbeiter in einer formalen Organisation, unter gegebenen Um­weltbedingungen und bei Wah­rung humaner Ansprüche dazu zu bewegen, Aufgaben zu übernehmen und erfolgreich auszuführen. (vgl. Neuberger 1991)

Literatur

Beyer H./Fehr U./Nutzinger H.G.(1995): Vorteil Unternehmenskultur : Partnerschaftlich handeln – den Erfolg mitbestimmen, Verlag Bertelsmann Stiftung, 5. Aufl.

Emter St./Kluge N. (Hg.)(1995): Unternehmenskultur in der Praxis : Aspekte und Beispiele einer Neuorientierung, Verlag Bertelsmann Stiftung

Etzioni A.(1997): Die Verantwortungsgesellschaft : Individualismus und Moral in der heutigen Demokratie, Campus Verlag

Felber C.(2009): Kooperation statt Konkurrenz, Zsolnay Verlag

Heidbrink L./Hirsch A. (Hg.)(2008): Verantwortung als marktwirtschaft­liches Prinzip : Zum Verhältnis von Moral und Ökonomie, Campus Verlag

Löhner M.(2005): Führung neu denken, Campus Verlag

Neuberger O.(1991): Besser führen, Institut Mensch und Arbeit München, Robert Pfützner GmbH München

Nuber U.(1996): Die Egoismus-Falle : Warum Selbstverwirklichung so oft einsam macht, Kreuz Verlag, 4. Aufl.

Staehle W./Conrad P./Sydow J.(1994): Management : Eine verhaltens­wis­sen­­schaftliche Perspektive, Vahlen Verlag, 7. Aufl.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kommunismus

http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalismus

http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialismus

Anfragen

Frage 1:

Ein Absolutheitsanspruch grenzt Freiheit aus und zementiert kontraproduk­tive Einseitigkeit. Warum kann in unserer heu­tigen Zeit darin keine trag­fä­hi­ge Lösung gesehen werden?

Frage 2:

Übersteigerter Egoismus läßt nur das eigene „Ich“ gelten. Als verhaltens­steu­erndes Prinzip kann dieses nicht den Erfordernissen gerecht werden. Warum ist dies so?

Frage 3:

Ausgewogenheit von Selbstentfaltung und sozialer Rückbindung zeigt sich uns als erfolgversprechende Option. Wie ist diese im Lichte von Verantwor­tung und sozialethischer Diskussion einzuschätzen?

Frage 4:

Machtfülle und Machtgebrauch gehen nicht unbedingt einher. Auch lassen sich unterschiedliche Arten von Macht differenzieren. Wie ist das mit der Macht­fülle und dem Machtgebrauch?

Frage 5:

Offenheit, Flexibilität und Wandlungsbereitschaft sind heute notwendige Be­gleit­phä­nomene des Führungshandelns. Ohne sie wäre ein Bestehen nicht zu leisten. Warum ist dies so?

Frage 6:

Mit den im vorliegenden Beitrag vorgetragenen Inhalten ist die Vorstellung ei­ner Langfristorientierung des Führungsver­haltens verbunden. Welche Er­kenntnis steckt hin­ter dieser Festlegung?

Antwortversuche

Antwortversuch zu Frage 1:

Einseitigkeit ist mit Unausgewogenheit verbunden. Einzelaspekte werden über­betont, andere vernachlässigt. Auch wird es unterlassen, nutzbare Bei­träge anderer im Zuge eines Ringens um bestmögliche Lösungen zu integrie­ren. Man bleibt mithin hinter dem Leistbaren zurück und setzt in Selbst­über­schätzung auf subopti­males Vorgehen.

Durch ideologische Ausrichtung werden im Übrigen Denkverbote auferlegt und Entwicklungen blockiert. Gerade in der heutigen Zeit können wir uns dies nicht ernsthaft leisten.

Es erscheint dem gegenüber vielmehr angezeigt, Orientierung zu geben, ein­zu­binden und wechselseitige Ergän­zung vorzusehen. Denn der Erfolg ist ein gemeinsamer Erfolg – unabhängig vom jeweiligen individuellen Anteil.

Antwortversuch zu Frage 2:

Würde Jede und Jeder nur auf sich schauen und das eigene subjektive Wohl­befinden verfolgen, so würde weder das individuelle Wohl sich einstel­len, noch das menschliche Miteinander funk­tionieren. Denn

- der Mensch braucht das Korrektiv durch soziale Rückbindung und
- dieses gibt Orientierung, signalisiert Wert, Angemessenheit und Gren­zen.

Wer sich diesem Korrektiv nicht stellt, vereinsamt und kocht im eigenen Saft. Entsprechende Gegenreaktionen der Bezugspersonen sind zu erwarten. Der Egomane hat zumal angesichts heutiger Verhältnisse kaum die Chance, auf der Höhe der Zeit zu bleiben und damit zukunftssichernd wirksam zu wer­den. Insoweit torpediert er seinen möglichen Erfolg.

Antwortversuch zu Frage 3:

Ausgewogenheit von Selbstentfaltung und sozialer Rückbindung trägt best­mög­lich den ge­gebenen Erfordernissen Rechnung. Sie sorgt dafür, daß so­wohl die berechtigten Interessen und Bedürfnisse des jeweils Einzelnen als auch die berechtigten Interessen und Bedürfnisse sozialer Gruppierungen hinreichend Berücksichtigung erfahren.

Zwar wird es nicht zu einer Erfüllung aller Wünsche kommen, doch im Rin­gen um einen verständigen Ausgleich steckt die Kraft zu bestmöglichen Lö­sungen. Voraussetzung hierfür ist allerdings genügend Zeit, diese zu finden.

Ausgewogenheit im Lichte von Verantwortung und sozialethischer Diskussi­on wirkt friedensstiftend und konsensfördernd. In ihr liegt die Chance zu ei­ner positiven Entwicklung und zur Vermeidung von Widerstand.

Antwortversuch zu Frage 4:

Macht kann aus der eingenommenen Position herrühren, aus der vorhande­nen Kompetenz und Erfahrung kommen oder durch die überzeugende Per­sönlichkeit begründet sein. Idealtypisch verbinden sich diese drei Quellen bei einem mit Führungsaufgaben betrauten Funktionsträger. Positionsmacht ist in aller Regel die schwächste Form von vorhandener Macht.

Die kluge Führungskraft geht behutsam mit dem Phänomen Macht um, denn überzeugen ist allemal besser, als ein direktives Vorgehen. Immerhin läßt sich mit Hilfe der Macht notfalls bestimmender Einfluß ausüben, da Macht mit dem Recht zur Belohnung erwünschten Verhaltens bzw. zur Sanktionierung eines unerwünschten Verhaltens ver­knüpft ist.

Antwortversuch zu Frage 5:

In einer Zeit vielfältiger Veränderungen, einer wechselseitigen Überlagerung von Wandlungsprozessen

- sichert Offenheit eine undogmatische Unvoreingenommenheit,
- zeigt Flexibilität die Fähigkeit zu einem angemessenen Eingehen auf sich verändernde Gegebenheiten,
- zeitigt Wandlungsbereitschaft die innere Einstellung, den erkannten Er­for­dernissen hinreichend Rechnung zu tragen.

Damit wird zwischen schwärmerischer Fortschrittseuphorie und grundsätz­li­cher Rückwärtsgewandtheit eine Position eingenommen, die das Bewah­rens­werte bewahrt, dieses aber zeitgemäß fortentwickelt.

Antwortversuch zu Frage 6:

Ein Führungsauftrag ist langfristig orientiert, denn nur so macht dieser Sinn. Schließlich bezieht es sich auf eine prozesshafte soziale Interaktion, die nicht statisch, sondern dynamisch verläuft und eine positive Entwick­lung bewirken soll.

Das Positive bezieht sich dabei nicht nur auf das intendierte wirtschaftliche Ergebnis und die Qualität der erbrachten Leistungen, son­dern ebenso auch auf das Niveau der sozialen Beziehungen, die Zufriedenheit von Adressaten usw.

Kurzfristorientierung könnte eine permanente Optimierung letztlich nicht be­werkstel­li­gen. Aufwand und Ergebnis stünden in keinem angemessenen Verhältnis zueinander.

Mittelmaßpräferenz, Normierungsdruck, Entwicklungsphobie

Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung

Haben wir uns nicht alle schon darüber geärgert, daß Mittelmaßpräferenz, Nor­mierungsdruck und Entwicklungsphobie mögliche positive Entwicklun­gen be- oder verhindert haben, daß wir uns von unbegründet erscheinenden Wi­derständen genervt veranlaßt sahen, uns anderen Themenkreisen und He­­­­rausforderungen zu­zu­wen­den? Liegt darin die gebotene Lösung, oder ist die­ses Verhalten eine Notlösung zum Selbst­schutz?

Der Betrachter wird rasch erkennen, daß eine Auseinandersetzung mit dem aufgeworfenen Themenkomplex Sinn macht. Er wird erkennen, daß darüber hinaus im Interesse des Gemeinwohls die Notwendigkeit zu angemessenen Handlungsstrategien besteht, die

- sowohl den bestehenden Erfordernissen,
- den gesellschaftlichen Interessen und Bedürfnissen, sowie
- den persönlichen Präferenzen hinreichend Rechnung tragen.

Dies ist Grund genug, sich mit dem gewählten Thema näher auseinander zu set­zen. Es ist Grund genug, über jene Phänomene, über deren Zusam­men­hänge und Auswirkungen nachzudenken und Verhaltensweisen zu entwik­keln, die ne­ga­tiven Konsequenzen zu verhindern oder zumindest einzudäm­men in der Lage sind.

Im Zuge unserer Betrachtung befassen wir uns mit dem angesprochenen Themenkreis auf metatheoretischer Ebene. Der Transfer auf die Ebene des Konkreten bleibt insoweit ausgeblendet. Und doch erscheint die grundlegen­de Erkenntnis als Basis für zu ziehende konkrete Konsequenzen.

Daß wir von Kontextgebundenheit auszugehen haben, sei der Vollständigkeit halber angemerkt. Sie bindet die gemachten Ausführungen an Ort und Zeit und läßt eine Übertragbarkeit offen.

Insoweit können nachfolgende Ausführungen als eine erste Annäherung an den angesprochenen Themenkreis interpretiert werden, die weitergehende differenzierte Auseinandersetzung erfordert und insoweit nicht abgeschlos­sen ist.

So soll der vorliegende Beitrag in erster Linie den Phänomenen Mittelmaß­prä­ferenz, Nor­mie­­rungsdruck und Entwicklungsphobie nachspüren. Er soll de­ren Wesens­inhalt und deren Konsequenzen aufzeigen und damit das Be­wußtsein dafür schär­fen,

- was Verhinderungsstrategien unter dem Strich anrichten,
- welcher Schaden entsteht und
- welche Folgewirkungen sich darüber hinaus ergeben.

Diese Klärung soll helfen, eine bewußte Positionierung gegenüber strenger Mittelmaß­präferenz, Normierungsdruck und Entwicklungsphobie einzuneh­men und da­mit ein gebotenes Maß an Verantwortungsbewußtsein an den Tag zu le­gen.

Dem Einzelnen steht es dann zu, in seinem individuellen Handeln ent­spre­chende Konse­quenzen folgen zu lassen und dafür Rechenschaft abzulegen. Dies entzieht sich allerdings der Aufarbeitung innerhalb des vor­liegenden kur­­zen Beitrages.

Abbildung 5:

Zusammenhänge und Gefahren

Quelle: selbst erstellt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mittelmaßpräferenz

Talent und Intelligenz sind normalverteilt. Die Mehrheit der Mitbürger sind da­her dem Mittelmaß zuzurechen. Sich zum Mittelmaß zu bekennen ist kei­nes­wegs eine Schande. Man bewegt sich schließlich in bester Gesellschaft. (vgl. http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/wider-den-exzellenz-kult-es-lebe-das-mittelmass-a-748287.html)

Mittelmaßpräferenz orientiert sich am Scheitelwert der Normalverteilung und gewichtet dabei die Durchsetzungs- und Umsetzungsfähigkeit von Maßnah­men hoch. In diesem Zusammenhang sind jeweils Abwägungen vorzuneh­men, die Spitzenmaß allerdings nicht blindlings ausgrenzt, dieses aber re­la­tiviert. Hoch­begabtenförderung, Exzellenzinitiative und Leistungseliten kön­nen sich schließlich nur auf einem breiten Fundament entwickeln und ent­falten.

Insoweit erscheint nicht Mittelmaßpräferenz angezeigt, sondern Mittelmaß­präferenz mit Spitzenmaßoption. Mittelmaß bedeutet dabei keineswegs Still­stand und es bedeutet auch nicht Mittel­mäßig­keit. Eine hohe Leistung im Rahmen des Mittelmaßes beabsichtigt schließlich organisches Wachsen und keine Überforderung, ein Mitnehmen und kein Ab­hängen. Befruchtung des Mittelmaßes durch das Spitzenmaß wird damit nicht ausgeschlossen.

Um es an der Intelligenz festzumachen weist „die große Mehrheit der Men­schen .. einen IQ zwischen 85 und 115 auf. Genies und geistig völlig Min­derbemittelte gibt es nur sehr wenige; Ex­perten setzen den Anteil auf jeweils zwischen zwei und fünf Prozent an.“ (ebd.)

[...]

Ende der Leseprobe aus 156 Seiten

Details

Titel
Führung im Spannungsfeld: Grundüberlegungen zu zentralen Bestimmungsfaktoren
Autor
Jahr
2012
Seiten
156
Katalognummer
V204216
ISBN (eBook)
9783656302186
ISBN (Buch)
9783656302674
Dateigröße
2043 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Mit Vorwort von Prof. Dr. Wolfgang Zeller
Schlagworte
Führung, Spannungsfeld, Bestimmungsfaktoren, Herausforderung, Bewältigung
Arbeit zitieren
Prof. Dr. Alfons Maria Schmidt (Autor:in), 2012, Führung im Spannungsfeld: Grundüberlegungen zu zentralen Bestimmungsfaktoren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204216

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