„Zuhören – das kann doch jeder, das ist ja nicht weiter schwer, wenn man nur will. Zuhören - so wichtig ist das doch nicht, da gibt es doch viel wichtigere Fähigkeiten für den Erfolg im Leben!“
Wie dieses Zitat exemplarisch zeigt, wird dem Zuhören meist kein hoher Stellenwert zugesprochen. Da Zuhören und Hören zunächst ein mentaler Prozess ist, wird ihre Bedeutung oftmals unterschätzt und ihre Omnipräsenz kaum wahrgenommen. Denn es ist die erste kommunikative Fähigkeit, die wir im Verlauf unserer Entwicklung erwerben, und gleichzeitig die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Sprechen, Lesen und Schreiben erlernt werden kann. Zugleich ist es die Aktivität, die davon am Meisten ausgeübt wird. Daher kann Zuhören und Hören als eine Metakompetenz für alle Bereiche bezeichnet werden.
Sei es aus pädagogischer, psychologischer, kulturphilosophischer oder auch soziologischer Sicht, viele Fachrichtungen weisen daraufhin, dass sich die „Wahrnehmungsfähigkeit verändert, Wahrnehmungsintensität verloren geht und sich Wahrnehmungsgewohnheiten einengen.“ Und gerade die Hör- und Zuhörfähigkeit scheint von dieser Entwicklungstendenz besonders betroffen. Es ist nicht nur viel lauter geworden, auch wird stärker als jemals zuvor mit Hilfe von visuellen Medien kommuniziert. Hinzu kommt, dass das durchschnittliche Hörvermögen in der westlichen Welt im Laufe der Zeit stark abgenommen hat.
Es verwundert nicht, dass in vielen Bereichen der Gesellschaft eine Zuhörfähigkeit konstatiert wird, die es zu fördern und verbessern gilt. Der Vorwurf, dass einem nicht richtig zugehört wurde oder die Bitte, doch endlich zuzuhören werden überall gemacht – in der Liebe, in Beziehungen, in der Politik und auch in der Schule. Die Unfähigkeit zum Zuhören und die Vertreibung der Stille werden allenthalben beklagt. Zuhören wird als etwas betrachtet, was dem Menschen abhanden gekommen sei.
Doch erst seit einigen Jahren wird die zentrale Bedeutung des Hörens und des Zuhörens im Speziellen wiederentdeckt. Denn das Gelingen der zwischenmenschlichen Kommunikation „steht und fällt nicht zuletzt mit dem (guten) Zuhören.“
Aber was ist Hören überhaupt und welchen Stellenwert nimmt es in der Literatur und im Schulalltag ein? Dieser Frage soll im ersten Abschnitt dieser Hausarbeit zum Thema „Hören und Zuhören“ nachgegangen werden. Es wird deutlich gemacht, dass sich zum Thema Hören in der unterrichtlichen Praxis noch vieles verbessern muss. (...)
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Spezifische Merkmale auditiver Wahrnehmung
2. Varianten auditiver Aufmerksamkeit
2.1 Die vier Dimensionen des Begriffs 'Hören'
2.2 Die Varianten Hören, Zuhören, Horchen und Lauschen
3. Zum Stellenwert des Hörens
3.1 Zum Stellenwert des Hörens in der Schulpraxis – kritische Anmerkungen
4. Die Bedeutung des Hörens und Zuhörens für Lernen und Lehren
4.1 Anforderungen an den hör- und zuhörfördernden Unterricht
5. Themenvorschläge und Aufgabenstellungen im Deutschunterricht
5.1 Spektrum einer Hörerziehung und -ästhetik im Deutschunterricht
6. Fazit
1.Einleitung
„Zuhören – das kann doch jeder, das ist ja nicht weiter schwer, wenn man nur will. Zuhören - so wichtig ist das doch nicht, da gibt es doch viel wichtigere Fähigkeiten für den Erfolg im Leben!“[1]
Wie dieses Zitat exemplarisch zeigt, wird dem Zuhören meist kein hoher Stellenwert zugesprochen. Da Zuhören und Hören zunächst ein mentaler Prozess ist, wird ihre Bedeutung oftmals unterschätzt und ihre Omnipräsenz kaum wahrgenommen. Denn es ist die erste kommunikative Fähigkeit, die wir im Verlauf unserer Entwicklung erwerben, und gleichzeitig die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Sprechen, Lesen und Schreiben erlernt werden kann.[2] Zugleich ist es die Aktivität, die davon am Meisten ausgeübt wird. Daher kann Zuhören und Hören als eine Metakompetenz für alle Bereiche bezeichnet werden.
Sei es aus pädagogischer, psychologischer, kulturphilosophischer oder auch soziologischer Sicht, viele Fachrichtungen weisen daraufhin, dass sich die „Wahrnehmungsfähigkeit verändert, Wahrnehmungsintensität verloren geht und sich Wahrnehmungsgewohnheiten einengen.“[3] Und gerade die Hör- und Zuhörfähigkeit scheint von dieser Entwicklungstendenz besonders betroffen. Es ist nicht nur viel lauter geworden, auch wird stärker als jemals zuvor mit Hilfe von visuellen Medien kommuniziert. Hinzu kommt, dass das durchschnittliche Hörvermögen in der westlichen Welt im Laufe der Zeit stark abgenommen hat.
Es verwundert nicht, dass in vielen Bereichen der Gesellschaft eine Zuhörfähigkeit konstatiert wird, die es zu fördern und verbessern gilt. Der Vorwurf, dass einem nicht richtig zugehört wurde oder die Bitte, doch endlich zuzuhören werden überall gemacht – in der Liebe, in Beziehungen, in der Politik und auch in der Schule. Die Unfähigkeit zum Zuhören und die Vertreibung der Stille werden allenthalben beklagt.[4] Zuhören wird als etwas betrachtet, was dem Menschen abhanden gekommen sei.
Doch erst seit einigen Jahren wird die zentrale Bedeutung des Hörens und des Zuhörens im Speziellen wiederentdeckt. Denn das Gelingen der zwischenmenschlichen Kommunikation „steht und fällt nicht zuletzt mit dem (guten) Zuhören.“[5]
Aber was ist Hören überhaupt und welchen Stellenwert nimmt es in der Literatur und im Schulalltag ein? Dieser Frage soll im ersten Abschnitt dieser Hausarbeit zum Thema „Hören und Zuhören“ nachgegangen werden. Es wird deutlich gemacht, dass sich zum Thema Hören in der unterrichtlichen Praxis noch vieles verbessern muss. Denn, dass gelernt werden muss, zuzuhören, nachzufragen und sein Wissen nachfragenden Zuhörern darzulegen, wird nur selten als pädagogische Aufgabe verstanden. Umso erstaunlicher, wenn die Bedeutung des Hörens und Zuhörens für Lernen und Lehren beachtet werden. Dies wird unter Punkt 4 ausgeführt, wo auch versucht wird zu belegen, dass das Hören-Können auch im Deutschunterricht und darüber hinaus eine förderliche Wirkung hat.
Da das Thema dieser Hausarbeit nicht nur für den Deutschunterricht wichtig ist, wird bemerkbar. Ebenso muss erwähnt werden, dass es keine ausdifferenzierte und spezifische Hörerziehung für den Deutschunterricht gibt. Hörerziehung kann als „buntes Mosaik der Konzepte“[6] verstanden werden. Dennoch wird im letzten Kapitel versucht, spezifische Hörerziehungsmethoden für den Deutschunterricht darzustellen.
1.1 Spezifische Merkmale auditiver Wahrnehmung
Die alltägliche Wahrnehmung ist stets ein Resultat aus dem Ensemble unserer Sinneseindrücke. Das Ohr liefert dabei zusätzliche Informationen: So dient es zur Raumorientierung, da das Ohr in alle Richtungen hört. Auch vermittelt es ein anderes Raumgefühl, bei dem der Raum den Menschen umgibt.[7] Im Vergleich zur visuellen Wahrnehmung ist auch die subjektive Empfindung von Nähe und Ferne eine andere, da der Hörkreis in der Regel enger ist als das Gesichtsfeld. Die Klangqualität wird jedoch häufig viel näher gehört, als wir sie sehen. Zwar kann das Ohr nur tönende Dinge ergreifen, dies jedoch weitaus präziser als das Auge. „Mit dieser Hörgenauigkeit und Sensibilität für Nuancen mag es auch zusammenhängen, daß wir über die Stimme, die gesprochene Sprache, schlechter zu täuschen sind als über eine schriftliche Mitteilung.“[8] Anderseits kann eine angenehme Stimme, losgelöst von er Mitteilung selbst, stark beeinflussen.
Vollständigkeit erlangt die akustische Wahrnehmung in der zeitlichen Dauer: Während sich das Auge normalerweise täglich schließt, schläft das Ohr nie.
Spezifisch für die Wahrnehmung des Hörenden ist demnach u.a. die Stellung in einem Raum, der ihn umgibt, die Nähe, die dieser zur Klangquelle empfindet, aber auch die Präzision und Differenziertheit der Wahrnehmung. Ebenso spielt die Haltung der Zuwendung ein Rolle. Denn Hören erfordert eine besondere Haltung, ein der Zuwendung, der Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, des Wartenkönnens und Zeitgebens. Aber auch die Haltung der Diskretion und Schonung muss in einer Hörästhetik und -erziehung ihren Platz finden.[9]
2. Varianten auditiver Aufmerksamkeit
Hören und Zuhören sind Gegenstand vieler Wissenschaftsdisziplinen, so u.a. der Biologie, Physiologie, Psychophysik, Psycholinguistik, Sprachwissenschaft, Kommunikations-wissenschaft, Musik, Psychologie, Pädagogik, Medizin, Soziologie, Ethnologie und Neurowissenschaften.[10] Es gibt in dieser Vielfalt noch keine Einigkeit darüber, wie der komplexe Vorgang des Hörens in seinen einzelnen Elementen begrifflich erfasst werden kann. Auch besteht noch keine zusammenhängende, konsistente Theorie des Zuhörens und Hörens. Dies zu entwickeln wäre Aufgabe einer „komplex verstandenen Kultur-psychologie.“[11]
Hören fungiert zunächst als ein Oberbegriff für die akustische Wahrnehmung, wobei Hören und Zuhören im deutschen Sprachgebrauch häufig synonym verwendet und nicht an eine spezifische Art von Zuwendung gebunden werden. Andere Sprachen sind hier genauer, so unterscheidet das Französische ouír für hören, écouter für zuhören und entendre für das zuhörende Verstehen.[12] Die undifferenzierte Verwendung im Deutschen bezieht sich nicht nur auf eben genanntes, sondern auch auf weitere Hör-Verben wie horchen, gehorchen, lauschen. Dies machen Sätze wie „Hast du schon gehört, dass...?“, „Kannst du mich hören?“, „Wer nicht hören will, muss fühlen.“, deutlich.[13]
2.1 Die vier Dimensionen des Begriffs 'Hören'
In Anlehnung an Kaspar H. Spinner lässt sich der undifferenzierte Oberbegriff 'Hören' zunächst in mindestens vier Dimensionen unterscheiden. So bezeichnet der Oberbegriff zunächst einmal die Hörbereitschaft, die auch schon vorhanden sein kann, bevor etwas tatsächlich akustisch aufgenommen wird. Ebenso bezeichnet Hören den sich ereignenden akustischen Wahrnehmungsakt, also die Gegebenheit, dass etwas an das Ohr gelangt und zum Gehirn weitergeleitet wird.[14] Die angesprochene Hörbereitschaft kann, muss aber nicht Teil des Prozesses sein, da auch entgegen des eigenen Willen etwas gehört werden kann. Weiterhin kann das Hörverstehen und damit auch die kognitiv-emotionale Verarbeitung des Gehörten mit dem Begriff Hören abgedeckt werden. Dieser Prozess schließt zugleich die Interpretation mit ein, so dass auch gehört werden kann, was nicht explizit geäußert wurde. Als letzte Dimension kann das Hör-Erleben herangezogen werden, welches u.a. bei genussvollem Musikhören zum Ausdruck gebracht wird.[15]
Für den Unterricht sind alle vier Aspekte des Hörens relevant, denn Hörbereitschaft ist die Grundvoraussetzung für Unterricht und Vermittlung und hängt von vielen Faktoren ab. Auch die Hörwahrnehmung, eng gekoppelt an das Hörverstehen und dadurch didaktisch nur schwer trennbar, muss bei einer Ausdifferenzierung der akustischen Wahrnehmungs-fähigkeit miteinbezogen werden.[16]
2.2 Die Varianten Hören, Zuhören, Horchen und Lauschen
Ausgehend von der spezifischen Art der akustischen Zuwendung lassen sich weitere Unterscheidungen machen. So definiert Imhof Hören wie auch Zuhören als aktive kognitive Prozesse. Während Hören jedoch eher unspezifischer Art ist, ist Zuhören mit Intentionalität und Zielgerichtetheit verbunden, d.h. die Reize werden bewusst selektiert. Auch werden sie nach Imhof komplexer verarbeitet als beim Hören, um den Sinn zu konstruieren und die Bedeutung des Gehörten zu erschließen. Diese komplexen Vorgänge beanspruchen Konzentration, was wiederum bedeutet, dass Zuhören im Unterschied zum Hören Ermüdungserscheinungen unterworfen und somit zeitlich begrenzt ist.[17] Dies sollte stets beachtet werden, da der Unterricht an Schulen mit 70 bis 80% aus Sprechen und Zuhören besteht.[18] Dies wird jedoch nur selten zum Anlass genommen, das Zuhören gezielt einzuüben. Vielmehr wird Zuhören als 'Bringschuld' der Schüler verstanden, die anders als das Sprechen, Lesen und Schreiben zwar gefordert, aber nicht gefördert wird. Doch Hören lässt sich schulen und die Fähigkeit zum bewussten Zuhören kann entwickelt werden.[19]
Wermke, um eine letzten Vorschlag vorzustellen, unterschiedet die Varianten auditiver Aufmerksamkeit in diejenige, die in einem Kommunikationsprozess zu verorten sind, und in die, die akustische Wahrnehmungen außerhalb von Kommunikationsprozesse beschreiben. Hier unterschiedet die Autorin Hören, Horchen und Lauschen. Die Varianten unterscheiden sich in der Intentionalität, nach den situativen Kontexten und den Hörfähigkeiten, aber auch in den Möglichkeiten kreativer Entfaltung und können Lernziel des Deutschunterrichts sein.[20]
[...]
[1] Stiftung Zuhören: Internetquelle 4.
[2] Auf Hörgeschädigte bzw. Gehörlose wird hier nicht weiter eingegangen.
[3] Hagen 2006: S. 9.
[4] Vgl. Imhof 2003: S. 10.
[5] Stierlin/Schulz von Thun 2006: S. 210.
[6] Bernius 2002: S. 155.
[7] Vgl. Wermke: Internetquelle 6.
[8] Wermke: Internetquelle 6.
[9] Vgl. Ockel 1980: 421f.
[10] Vgl. Hagen 2006: S. 10.
[11] Allesch 2002: S. 30.
[12] Vgl. Winkler 2002: S. 56.
[13] Vgl. Hagen 2006: S. 33.
[14] Vgl. Spinner 1988: S. 17.
[15] Vgl. Spinner 1988: S. 17.
[16] Auf Modellvorstellungen und Auffassungen anderer Teildisziplinen, die die Teilprozesse des Hörens beschreiben, wird nicht weiter eingegangen. Hierzu vgl. Hagen 2006: S. 35-41.
[17] Vgl. Imhof 2003: S. 15f.
[18] Vgl. Kahlert 2006: S. 319.
[19] Vgl. Kahlert 2006: S. 320.
[20] Vgl. Wermke 1995: S. 205.
- Arbeit zitieren
- Nika Ragua (Autor:in), 2007, Hören und Zuhören - Ein vernachlässigter Bereich der Deutschdidaktik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204347