Duale Schule – Mittelstufe geprägt von politischen und gesellschaftlichen Ideologien gestern - heute - morgen in Österreich!


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2012

70 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen

Vorwort

1. Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen eine unvollendete Schulreform der Ersten Republik
1.1 Maria Theresia und eine katholisch-aufgeklärte Reform mit „niederen“ Pflichtschulen und „höheren“ Gymnasien
1.2 Gymnasien moderner Prägung und Bürgerschulen als gehobene Pflichtschulen etablieren die duale Mittelstufe
1.2.1 Reform des niederen Schulwesens in der liberalen Phase des 19. Jahrhundert mit einer modernen Volks- und Bürgerschule als Pflichtschulen
1.2.2 Gymnasium wird modernisiert durch einen Bildungsschub der bürgerlich-liberalen Revolution
1.3 Haupt- und Mittelschulen ein politische-ideologischer Kompromiss normiert die duale Schule bis in die Gegenwart
1.4 Hauptschulen mit äußerer Gliederung wird zur Neuen Mittelschule mit innerer Differenzierung
1.4.1 Schulorganisationsgesetz normiert die duale Mittelstufe der Ersten Republik
1.4.2 Mittelstufe mit reformierten zweizügigen Hauptschulen zu jenen mit drei
Leistungsgruppen in den Hauptgegenständen
1.4.3 Mittelstufe mit außen gegliederten Hauptschulen zu innen differenzierten Neuen Mittelschulen und mit Unterstufen der Gymnasien
1.5 Duale Mittelstufe mit aufgewerteten „niederen“ Pflichtschulen als Neue Mittelschulen und den „höheren“ Gymnasien

2. Modell einer Mittelstufe als „Allgemeine Mittelschulen“ zur Bildungserhöhung aller unabhängig der Herkunft
2.1 Allgemeine Mittelschulen mit innerer Differenzierung zur Bildungserhöhung aller in der Pflichtschulzeit
2.2 Allgemeinbildende höhere Schulen mit einer umfassenden und gehobenen allgemeinen Bildung
2.3 Berufsbildende mittlere und höhere Schulen mit einer gesellschaftlichen Aufwertung der mittleren Fachschulen
2.4 Berufsbildende Fachschulen mit einer gesellschaftlichen Aufwertung der „dualen“ Berufsbildung

3. Literaturverzeichnis

Autor Karl Josef Westritschnig

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Das duale Schulsystem an der Mittelstufe mit den niederen Pflichtschulen und den höheren Gymnasien bleibt aus politischen und ideologischen Gründen bestehen. Talentierten und interessierten Jugendlichen[1] aus niederen Bevölkerungsschichten wird über Berufsbildende höhere Schulen eine berufliche und gesellschaftliche Aufstiegsorientierung ermöglicht. Die niedere Pflichtschule wird durch den Namen Neue Mittelschule im sozialen Status an das höhere Gymnasium herangeführt. Die Absolventen von Gymnasium-Unterstufen haben keine Probleme bei Platzmangel in interessierenden weiterführen höheren Schulen eine Aufnahme zu finden. Das Reichsvolksschulgesetz bringt mit der Bürgerschule eine gehobene Volksschule, vornehmlich für die städtische Bevölkerung hervor. Die Bürgerschule entsteht aus der Realbildung der Hauptschulen. Die Bürgerschule hat mit ihren unvollendeten Entwicklungen das Zweiklassen-Schulsystem an der Mittelstufe bis heute verfestigt. Die Gymnasial-Unterstufe bleibt erhalten, damit wird eine niedere und eine höhere Schule für Zehn- bis Vierzehnjährige politisch-ideologisch bis heute einzementiert. Für den Schulreformer der Ersten Republik Otto Glöckel ist die Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen ein Anliegen. Durch den Wiener Stadtschulratspräsidenten Otto Glöckel wird die Erprobung der Bürgerschule als „Allgemeine Mittelschule“ an der Mittelstufe von Bedeutung. Ein politisch-ideologischer Kompromiss der Sozialdemokraten und Christlich-sozialen in der Ersten Republik setzt die dreiklassige Bürgerschule in eine zweizügige vierklassige Hauptschule um, wobei die Gymnasiums-Unterstufen erhalten bleiben. Die einzügige Bürgerschule wird in eine zweizügige Hauptschule umgesetzt. Eine Verschlechterung ist durch die Einführung des zweiten Klassenzuges der Hauptschule gegeben. E B-Zügler wird man einer Schüler-Randgruppe zugezählt. Die Durchlässigkeit zu weiterführenden Schulen und in das duale Ausbildungssystem mit Betriebslehre und Fortbildungsschule ist beträchtlich eingeschränkt. Die Reformabteilung eine Stabstelle des quasi Unterrichtsministers Otto Glöckels entwickelt die „Leitsätze“ zum Schulaufbau. Der Christlich-soziale Unterrichtsminister Richard Schmitz entwickelt im Jahre 1926 die „Leitlinien“ zum Schulaufbau in Österreich. Die Schulreform wird durch die Leitsätze des Unterrichtsminister Otto Glöckel angeregt, wobei davon nur relativ wenig in das Haupt- und Mittelschulgesetz einfließt. Die „Allgemeine Mittelschule“ wird als einheitliche Mittelstufenform geplant. Die duale Mittelstufe der Ersten Republik wird durch das Schulorganisationsgesetz bis in die Gegenwart verfestigt. Im Jahre 1982 entstehen aus den zwei Klassenzügen drei Leistungsgruppen in den Hauptgegenständen der Hauptschule. Ein parteipolitischer Kompromiss im Jahre 2012 ermöglicht es, dass aus den drei „außen“ differenzierten Leistungsgruppen der Hauptschule, die „innen“ differenzierte Neue Mittelschule als Regelschule entsteht. Diese wird bis zum Jahre 2018 schrittweise flächendeckend in ganz Österreich eingeführt.

Dem Einheitsschulgedanken der auslaufenden Habsburgermonarchie und Ersten Republik wird historisch-pädagogisch nachgegangen. Die Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen ist in Österreich nach wie vor ein extrem politisch-ideologisches Thema. Die duale Schule an der Mittelstufe ist für viele Mitbürger so etwas wie ein Mythos. Die absolutistisch-aufgeklärte Kaiserin Maria Theresia hat das Schulwesen zu einem „Politikum“, zu einer öffentlichen Aufgabe erklärt. Wegen der Aufnahme eines Schulmeisters, welcher zugleich Messner war, gibt es Kompetenzschwierigkeiten mit der katholischen Kirche. In einem Hofdekret vom 13. Oktober 1770 wird die neue Zielrichtung der Bildungspolitik festgelegt.

Die Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen ist seit der Schulreform der Ersten Republik, ein politisches und ideologisches Problem. Durch bildungspolitische Kompromisse wird Schritt für Schritt die duale Schule reformiert. Die Schulreform setzt in Österreich mit der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert ein. Das Schulwesen wird unter Maria Theresia vorrangig ein öffentlich-staatliches, gegenüber einem privaten geistlichem Interesse. Die beginnende Tendenz einer Trennung von Staat, Schule und katholischer Kirche und damit eine Säkularisierung der Schule werden erkennbar. Einheitsschulbefürwortungen und Einheitsschulablehnungen gibt es bereits in der Habsburgermonarchie, wobei diese vor allem die Schulreform der Ersten Republik anspricht. Diese wird nicht unwesentlich von der Ideologie des Austromarxismus und der Weltanschauung des Politischen Katholizismus mitbestimmt. Kontroverse Mittelstufenvorstellungen des Bildungspolitikers Otto Glöckel und des universitären Kulturpädagogen Richard Meister gibt es in der Ersten Republik. Ein wesentlicher Einfluss auf die Schulpolitik erfolgt parteipolitisch durch die Sozialdemokraten und Christlich-sozialen in der Ersten Republik.

Johann Amos Comenius 1592-1670 ein wegweisender Pädagoge der Neuzeit. Comenius ist als evangelisch-freikirchlicher Theologe in der Gemeinschaft der Böhmischen Brüder tätig. Die einsetzende katholische Gegenreformation erfordert auch von Comenius die Aufenthaltsorte ständig zu verändern. Ein Bildungsplan von Comenius sieht sieben „Schulen“ vor: Bei der „Schule des vorgeburtlichen Lebens“ sollen die Eltern sich ihrer werdenden Verantwortung bewusst werden, wobei auf gute Lebensbedingungen geachtet werden muss. Die „Mutterschule“ wird in der frühen Kindheit bis zum 6. Lebensjahr benötigt. Die öffentliche „Muttersprachschule“ dient vom 7. Bis 12. Lebensjahr allen Kindern unabhängig ihres Geschlechtes. Jenen Jugendlichen, welche vom 13. bis 18. Lebensjahr weiter lernen können und wollen, dient zur wissenschaftlichen Vorbildung die „Lateinschule“, die es in jeder Kreisstadt geben sollte. Eine „Akademie“ führt vom 19. bis 24. Lebensjahr das öffentliche Bildungswerk zu Ende, indem diese Lehranstalten in jeder Provinzhauptstadt bestehen sollen. Die „Schule des Mannesalter“ sollte ein ganzes Leben einen Bildungsprozess ermöglichen. Die „Schule des Greisenalters“ sollte in diesem Lebensabschnitt noch eine entsprechende Lebensaufgabe ermöglichen.[2] Ein pädagogisches Grundprinzip von Comenius ist, „allen alles“, entsprechend seiner Begabung und dem Interesse zu lehren. Alles zu lehren bedeutet, praktische und theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten, entsprechend der Fähigkeiten der zu vermitteln. Pädagogisch-didaktische Überlegungen über eine gemeinsame öffentliche Schule für aller Kinder und Jugendlichen entstehen in der Frühaufklärung. Der neuzeitliche Didaktiker Johann Amos Comenius spricht von einer öffentlichen „Muttersprachschule“ aller Sechs- bis Zwölfjährigen. Eine muttersprachliche Schulform könnte dem katholischen Aufklärungspädagogen Johann Ignaz Felbiger als Vorbild gedient haben. Durch die niedere Schulreform Felbigers wird in Österreich die allgemeine sechsjährige Schulpflicht eingeführt. Die „Allgemeine Schulordnung“ 1774 setzt eine Volksbildung in der Habsburgermonarchie allmählich in Bewegung.

1. Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen eine unvollendete Schulreform der Ersten Republik

Der Schulversuch Neue Mittelschule wird als Regelschule 2012 politisch beschlossen. Die Neue Mittelschule wird schrittweise und flächendeckend in Österreich bis 2018 umgesetzt. Das Problem einer frühen Auslese nach der 4. Schulstufe mit zehn Jahren wird nicht gelöst. Die „Allgemeine Mittelschule“ an der Mittelstufe ist ein wichtiger Wiener Schulversuch der Ersten Republik. Parteipolitisch-ideologische Gründe verhindern, dass dieser von der Sozialdemokratie und pädagogisch-fortschrittlich denkenden Menschen nicht umgesetzt werden kann. Die Neue Mittelschule als gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen kann bis in die Gegenwart nicht verwirklicht werden. Die Mittelstufen- Schulform ermöglicht Österreich keinen bildungspolitischen Konsens, da die duale Mittelstufenform ein Mythos ist. Die außen differenzierten zwei Klassenzüge und die später folgenden drei außen differenzierten Leistungsgruppen gehören der Vergangenheit an. Eine Weiterentwicklung der Mittelstufe erfolgt dadurch, dass an der Neuen Mittelschule eine innere Differenzierung vorgesehen ist. Bis in die Gegenwart gibt es nur eine Reform der dualen Mittelstufe durch Aufwertungen der niederen Pflichtschule, von der Hauptschule zur Neuen Mittelschule. Eine innen differenzierte gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjähren ist politisch-ideologisch bis heute nicht zu erreichen.

Durch den üblichen parteipolitischen Kompromiss erfolgt an der Mittelstufe nur eine Minireform. Der Schul- und Kulturkampf der Ersten Republik zwischen den Sozialdemokraten und den Christlich-sozialen setzt sich im Bildungsbereich der Zehn- bis Vierzehnjährigen bei den Nachfolgeparteien bis in die Gegenwart fort. Das Schulorganisationsgesetz 1962 systematisiert das Schulwesen einheitlich. Die „Allgemeine Schulordnung“ 1774 und die „Politische Schulverfassung“ 1806 und das Reichsvolksschulgesetz 1869 erfolgt für das niedere Schulwesen. Das Organisationsstatut 1849 bringt die Reform der allgemeinen Mittelschulen das moderne Gymnasium und die unvollständige Realschule hervor. Durch das niedere Pflichtschul- und das höhere Mittelschulwesen werden zum dualen Haupt- Mittelschulgesetz 1927 zusammengeführt. Das Schulorganisationsgesetz hat die duale Mittelstufe verfestigt und in die neue Schulsystematik eingefügt. Das Reichsvolksschulgesetz baut auf dem liberalen Staatsgrundgesetz 1867 auf. Das Hauptschulgesetz 1927 ist eine Weiterentwicklung der Bürgerschule durch das Reichsvolksschulgesetz. Die Schulversuche der Ersten Republik in Wien sind bestrebt die „Leitsätze“ der Reformabteilung umzusetzen. Die Reformabteilung ist eine Stabstelle des Unterrichtsamtes des quasi Unterrichtsministers Otto Glöckel. In der Zweiten Republik werden vor den Schulversuchen eine Schulreformkommissionen 1969 und 2007 vorangestellt. Diese Kommissionen sind Beratungsorgane des Ministerium und damit des Unterrichtsministers.

1.1 Maria Theresia und eine katholisch-aufgeklärte Reform mit „niederen“ Pflichtschulen und „höheren“ Gymnasien

Der Entwurf einer neuen Schul- und Studienorganisation wird von Graf Johann von Pergen im Jahre 1770 vorgelegt. Diese Schulvorschläge lehnen sich an Bildungsvorstellungen der Pietisten an. In allen Schulen soll der Unterricht in „deutscher“ gelehrt werden. Eine Überfrachtung des Lehrstoffes soll nicht erfolgen. Das Schul- und Erziehungswesen wird in weltliche Hände gelegt. Eine zweijährige Beratung über dieses Schulkonzept führt zu keinem Ergebnis. Pergen wollte die Ordensgeistlichen vollständig aus dem Schulwesen verbannen. Dieses Ansinnen war für einige doch zu radikal und daher erfolgt in der Studien-Hofkommission keine Zustimmung.[3] Ein dreigliedriges ständisch orientiertes Schulwesen ist geplant, wobei dieses aber letzten Endes nicht in die Realität umgesetzt werden konnte.

„`Lateinschulen` [Gymnasien] für junge Edelleute, Söhne vermögender Bürger und für befähigte arme Kinder. `Realschulen` für bürgerliche Kinder, die nicht zum Studium bestimmt sind. `Allgemeine Trivialschulen` für die Kinder auf dem Lande und Leseschulen in den Städten, worin für die bürgerliche Jugend der erste Unterricht erteilt wird.“[4]

Der anonym erschienene Plan von Matthias Hess ist unter der Bezeichnung „Entwurf zur Einrichtung der Gymnasien in k. k. Erblanden“ im Jahre 1774 erschienen. Dies ist ein weit blickender Entwurf eines „Realgymnasium“ als allgemeinbildende Lehranstalt mit Realien. Ein Fachlehrersystem an Gymnasien und eine universitäre Lehrerbildung sollte eingeführt werden. Primär aus religiösen und politischen Gründen kann dieser fortschrittliche Gymnasialplan nicht umgesetzt werden.[5] Der neue Studienplan findet bei der Studien-Hofkommission keine Zustimmung.

„Der neue Lehrplan sah vor, neben Latein auch Griechisch, Deutsch und gegebenenfalls eine andere Landessprache als Fach des philologischen Unterrichts sowie Mathematik bis zur Mechanik und Architektur fortschreitend; Naturwissenschaften bis zur Anatomie und Physiologie des Menschen; Geographie und Geschichte als Pflichtgegenstände und Zeichnen als Freigegenstand in den Fächerkanon aufzunehmen“.[6]

Ein wichtiger Ursprung der niederen Pflichtschulen ist seit dem Hochmittelalter durch die Pfarrschulen gegeben. Aufgrund der „Allgemeinen Schulordnung“ 1774 einer Kaiserin Maria Theresia werden die Pfarrschulen für die ländlich-bäuerliche Bevölkerung als nieder organisierte Trivialschulen bezeichnet. Die deutschen Schreib- und Rechenschulen in den Städten können als der Ursprung der Normal- und Hauptschulen gesehen werden. Der preußisch-schlesische katholische Aufklärungspädagoge Johann Ignaz Felbiger wird Schulberater der Kaiserin Maria Theresia. Der Schulreformer Felbiger wird wegen des mangelnden Pflichtschulbesuchs durch den Reformkaiser Joseph II. 1781 entlassen. Johann Ignaz Felbiger ein Schulreformer mit einer innereuropäischen Breitenwirkung. Dieser stirbt vereinsamt nach der Entlassung durch Joseph II.1788 in Preßburg. Die höheren Mittelschulen haben ihre Wurzeln in den Klosterschulen des Mittelalters und den Jesuitengymnasien, wobei der Orden 1773 wird. In der Neuzeit beginnt sich eine duale Schule herauszubilden. Die niederen Pfarrschulen am Lande und die deutschen Schreib- und Rechenschulen in der Stadt dienen der Volks- und Bürgerbildung. Es entstehen parallel dazu die höheren Gymnasien zur Gelehrten- und Elitebildung.

In der Regierungszeit 1740 bis 1780 Maria Theresias wird die Habsburgermonarchie zunehmend ein absolutistisch-zentraler Behörden- und Verwaltungsstaat. Im Jahre 1757 entsteht die Studienkommission. Diese wird am 22. März 1760 zu einer Studien-Hofkommission für die höhere Gymnasial- und Universitätsbildung in den böhmisch-österreichischen Erbländern. Durch den aufgeklärten Reformkaiser Joseph II. wird die Studien-Hofkommission auch für das Primar- und Pflichtschulwesen zuständig. Der liberal-demokratische gesinnte Kaiser Leopold II., der nur von 1790 bis 1792 regierte, führt im Jahre 1790 die Studien-Einrichtungskommission ein. Der Einfluss des Staates auf das höhere Bildungswesen soll gemildert werden. Eine geplante Neuordnung des Schul- und Studienwesens veranlasst Kaiser Franz II. die Studien-Revisions-Hofkommission 1795-1802 einzusetzen. Die niederen Schulen stehen im Zentrum der Reformüberlegungen. Eine langwierige Diskussion über das niedere Schulwesen bewirkt eine Auflösung der Studien-Revisions-Hofkommission.[7] Die Bildungsreform wird vom Staatsministerium bis zum Jahre 1808 selbst geleitet. Die Studien-Hofkommission nimmt von 1808 bis 1848 wieder ihre Tätigkeit auf. Die Studien-Hofkommission ist die Vorgängerin des „Ministeriums für den öffentlichen Unterricht“.[8]

Das Schulwesen steht bis ins 18. Jahrhundert in der Habsburgermonarchie beinahe gänzlich im Kompetenzbereich der katholischen Kirche. In der Zeit des katholisch-aufgeklärten Absolutismus beschäftigt sich der Staat zunehmend mit dem niederen Schulwesen. Der Einfluss der katholischen Kirche wird im Schulbereich zunehmend eingeschränkt. Die Volksbildung, eine Bildung für alle wird in der Aufklärung wichtig. Der deutschsprachige Unterricht ermöglicht die Bildung der ländlich-bäuerlichen und der städtisch-bürgerlichen Bevölkerung zu heben. Die Schule wird zu einer öffentlichen Aufgabe und damit seit dem Jahre 1770, bis heute zu einem Politikum. Nicht nur durch die katholische Kirche, sondern auch in der Gesellschaft wird ein Widerstand hervorgerufen. Eine enorme pädagogische Aufbruchsstimmung findet in der Aufklärung statt. Die von der katholisch-aufgeklärten Erzherzogin Maria Theresia eingeleitete Reform des niederen Schulwesens, bewirkt eine sechsjährige Pflichtschule zur Volksbildung für alle.[9]

Johann Ignaz Felbiger reorganisiert mit dem „General-Landschul-Reglement“ 1763 das katholische Schulwesen im preußischen Schlesien. Felbiger wird im Jahre 1774 von Maria Theresia als Schulreformer nach Österreich berufen. Die „Allgemeine Schulordnung“ 1774 vereinheitlicht die „deutschen“ Schulen als Normal-, Haupt-, und Trivialschulen. Diese Schulordnung ist das erste umfassende „Schulgesetz“ für das niedere Schulwesen. Die dreigliedrige niedere Schule spiegelt die damalige Standesgesellschaft der Gelehrten, der Bürger und der Bauern wieder. Die 4-klassige Normalschule wird zur Musterschule in einer Provinzhauptstadt, wo sich eine Schulkommission befindet. Die Normalschule dient auch dem beginnenden Pflichtschullehrerunterricht und der gewerblich-zeichnerischen Bildung. Die 3-klassige Hauptschule bietet zur allgemeinen Bildung auch theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten in den Natur- und Haushaltungswissenschaften an. Die 1-klassigen Trivialschulen in den Pfarrorten liefern Kenntnisse und Fertigkeiten in Lesen, Schreiben und Rechnen.[10] Die Allgemeine Schulordnung vermittelt eine standesgemäße Bildung, wobei damals noch kaum eine Aufstiegsorientierung gegeben ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Normalschule, eine Musterschule befindet sich vor allem in einer Provinzhauptstadt und diese vermittelt in sechs Pflichtschuljahren insgesamt 111 Wochenstunden. Es gibt durchschnittlich 18.5 Wochenstunden. Der Unterricht findet zwischen 8 bis 16 Uhr mit jeweils 30 Minuten statt. Es gibt dazwischen Erholungsphasen. Der allgemeine Unterricht beträgt 83, der Präparanden-Unterricht 11 und der gewerbliche Unterricht 17 Wochenstunden. Die Hauptschulen in größeren Städten haben weder einen gewerblichen noch einen Präparanden-Unterricht. Das Bildungsangebot bei Trivialschulen beträgt 30 Wochenstunden. Dies ist nur Drittel des Normalschulunterrichts. Eine dem Stande entsprechende Bildung wird jeweils durch die einzelnen Pflichtschultypen vermittelt.[11] Die Pflichtschulen und die Gymnasien werden als Ganztagsschulen geführt. Bei der Wiener Schulreform trennt sich Otto Glöckel vom geteilten Vormittagsunterricht und damit von der Ganztagesschule. Glöckel glaubt anfänglich noch, die alleinige „Allgemeine Mittelschule“ an der Mittelstufe in einem politischen Konsens durchsetzen zu können. Für Otto Glöckel war ein A- und B- Zug zur Auslese mit 14/15 Jahren der Schüler gerechtfertigt. In diesem Alter sind die Begabungen und Interessen der Jugendlichen bereits ausgeprägter und selbstbestimmter gegeben. Von den „Leitsätzen“ der Reformabteilung wird bis zur gesetzlichen Beschlussfassung im Parlament im Jahre 1927 wenig umgesetzt. Die konservativen politischen Kräfte können die „Einheitsschule“ verhindern, wobei auch die „Ganztagesschule“ bis heute der Vergangenheit angehört.

Die kirchlich-katholisch gefärbte „Politische Verfassung“ der deutschen Schulen, stammt aus dem Jahre 1806. Diese Schulverfassung bildet eine Grundlage der Pflichtschulen als Standesschulen bis zum liberalen Reichsvolksschulgesetz 1869. Die Volksbildung als Grundbildung ist wiederum dreigliedrig, bestehend aus Trivial-, Haupt- und Realschulen. Eine realistisch-gewerbliche Pflichtschulbildung als Volksbildung wird durch niedere Realschulen angestrebt. Die nieder organisierten 1-2 klassigen Trivialschulen dienen weiterhin der zahlreichen ländlich-bäuerlichen Bevölkerung. Der religiös-katholische Unterricht ist neben dem Lesen, Schreiben und Rechnen wichtig. Die 1-2 klassigen Trivial-Mädchenschulen sind in den Hauptstädten für die gebildeteren Stände vorgesehen. Die 3-klassigen Hauptschulen gibt es zumindest in jedem Kreis in größeren Städten. Die Hauptschulen in den Landeshauptstädten haben vier Klassen. Die 4. Klasse besteht aus zwei Jahrgängen, wobei diese vornehmlich der Vorbereitung für den Handwerks- und Kaufmannsstand dienen. Die Normalschulen werden entsprechend der Allgemeinen Schulordnung 1774 durch die Politische Schulverfassung zu Normal- und Musterhauptschulen in den Provinzhauptstädten. Es kommt dadurch zu einer Aufwertung des Schultyps Hauptschule. Die Realschulen sind nach der Politischen Schulverfassung als deutsche Schulen zur Volksbildung vorgesehen. Die unselbständigen Realschulen können als quasi Bürgerschulen in der 4. Klasse in zwei Jahrgängen der Normal- und Musterhauptschulen während der Pflichtschulzeit besucht werden. Neben der allgemeinen Bildung findet eine vermehrte realistisch-gewerbliche Bildung an diesen Realschulen statt. Im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert entstehen dadurch die Unter-Realschulen. Der Besuch einer selbstständigen Realschule kann nach positiver Absolvierung einer 4. Klasse der Hauptschule, meist einer Musterschule, mit 12 Jahren erfolgen.

„Die Realschulen sind theils wegen der Bestimmung eines großen Theils derjenigen Unterthanen, welche sich den höheren Künsten, dem Handel, dem Wechselgeschäfte, den herrschaftlichen und Staatswirtschaftsämtern, den Buchhaltungen widmen wollen, theils weil dahin Jünglinge kommen, deren Seelenkräfte für einen ausgebreiteten und gründlicheren Unterricht schon empfänglich sind, einer besonderen Aufmerksamkeit würdig; doch sind sie [Realschulen] alle Mahl ein Zweig der deutschen Schulanstalten oder des eigentlichen Volksunterrichtes. Derley Realschulen werden einstweilen nur in Wien, Prag und Krakau, statthaben.“[12]

Die dreijährigen selbstständigen Realschulen entstehen in einigen Landeshauptstädten der Habsburgermonarchie. Die Realschulen als „deutsche Schulen“ haben nach der Politischen Verfassung die Erwartungen einer Volksbildung an der Sekundarstufe nicht erfüllt. Diese realen Lehranstalten werden zu Zubringerschulen der Polytechnischen Institute und später der sich daraus entwickelnden Technischen Hochschulen. Den Trivialschülern am Lande, wird in sechs Pflichtschuljahren bei 30 Wochenstunden äußerst wenig an Lehrstoff und damit an Bildung vermittelt. Den Schülern am Lande und in den Märkten wird nach der Pflichtschulzeit ein Wiederholungsunterricht an Sonn- und Feiertagen angeboten. Dieser brauchbare Unterricht wird bis zum 18. Lebensjahr für vornehmlich schulentlassene Trivialschüler eingerichtet. Diesen Sonntagsunterricht benötigen die Lehrlinge ab dem Jahre 1816 zur Freisprechung zum Gesellen, wobei die Teilnahme kaum überprüft wird.[13]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Politische Schulverfassung hat als Grundlage die Allgemeine Schulordnung Maria Theresias. Die Schulverfassung wirkt wegen des zunehmenden Einflusses der katholischen Kirche restriktiv. Die Restauration von 1815-1848 hat einen zunehmenden Einfluss der katholischen Kirche auf die Pflichtschulaufsicht zur Folge. Die Lehrerbildung wird vernachlässigt, da in halbjährigen Präparanden-Kursen wenig methodisch-didaktische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten vermittelt werden. Für die ländlich-bäuerliche Bevölkerung wird das niedere Schulwesen bescheiden erweitert und ausgebaut.[14] Die Politische Schulverfassung ist mit einer Aufwertung der Hauptschulen verbunden. Die Realschule entwickelt sich allmählich zu einer höheren Bürgerschule, die ein eigenständiger realistischer und gewerblicher Bildungszweig an der Sekundarstufe wird. Die gewerblich-theoretische Realschule wird im Jahre 1868 zu einer allgemeinbildenden Mittelschule. Mit dem Mittelschulgesetz 1927 erhält die Realschule acht Klassen und wird damit eine vollständige allgemeinbildende höhere Schule.

„In den Mädchenschulen für gebildete Stände, welche außer den Trivial-Mädchenschulen in den Hauptstädten zu bestehen haben, muß nebst den für Trivialschulen vorgeschriebenen Gegenständen, die deutsche Sprachlehre auf die Art, wie in den 3 Classen der Hauptschulen, gelehret werden, um die Mädchen zur Erlernung fremder Sprachen vorzubereiten“.[15]

Die Allgemeine Schulordnung Maria Theresias spricht bereits von eigenen Schulen für „Mägdleins“. In diesen Schulen soll in Nähen und Stricken, aber auch in anderen, dem Geschlechte angemessene Dinge eine Unterrichtung erfolgen. Gibt es keine Mädchenschulen, müssen diese „gemeine“ Schulen besuchen. Die Mädchen müssen von den Knaben abgesondert werden und in eigenen Bankreihen sitzen. Die Mädchen müssen alles lernen, was für ihr Geschlecht sinnvoll ist.[16]

[...]


[1] Der Lesefluss dieses Buches soll nicht beeinträchtigt werden, daher wird die traditionelle Schreibweise verwendet, wobei das weibliche Geschlecht mitgedacht werden muss.

[2] Vgl. www.comenius.de/comeniuslehrer.cfm.

[3] Vgl. Schermaier, Josef 1990: Geschichte und Gegenwart des allgemeinbildenden Schulwesens in Österreich, S. 103f.

[4] Vgl. Schermaier, Josef 1990: Geschichte und Gegenwart des allgemeinbildenden Schulwesens in Österreich, S. 103f.

[5] Ebenda, S. 104.

[6] Ebenda, S. 104f.

[7] Vgl. Engelbrecht, Helmut 1984: Geschichte des österreichischen Bildungswesens, S. 218-220.

[8] Vgl. Engelbrecht, Helmut 1995: Erziehung und Unterricht im Bild, S. 178.

[9] Vgl. Helfert, Josef Alexander Freiherr von 1860: Die österreichische Volksschule, Bd. 1, S. 617f.

[10] Vgl. Strakosch-Grassmann, Gustav 1905: Geschichte des österreichischen Unterrichtswesens, S. 128f.

[11] Vgl. Engelbrecht, Helmut 1984: Geschichte des österreichischen Bildungswesens, S. 425f.

[12] Politische Verfassung der deutschen Schulen in den k. auch k. k. deutschen Erbstaaten, S. 12f.

[13] Vgl. Scheipl, Josef / Seel, Helmut 1987: Die Entwicklung des österreichischen Schulwesens von 1750-1938, S. 25f.

[14] Vgl. Schermaier, Josef 1990: Geschichte und Gegenwart des allgemeinbildenden Schulwesens in Österreich, S. 47f.

[15] Politische Verfassung der deutschen Schulen in den k. auch k. k. deutschen Erbstaaten, S. 15f.

[16] Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal- Haupt- und Trivialschulen in sämmtlichen Kaiserl. Königl. Erbländern, S. D.

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Duale Schule – Mittelstufe geprägt von politischen und gesellschaftlichen Ideologien gestern - heute - morgen in Österreich!
Hochschule
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Autor
Jahr
2012
Seiten
70
Katalognummer
V204680
ISBN (eBook)
9783656324065
ISBN (Buch)
9783656325604
Dateigröße
654 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Duale Schule, Mittelstufe, Zehn- bis Vierzehnjährigen, niedere Pflichtschule, höheres Gymnasium, Bürgerschule, Reichsvolksschulgesetz, Organisationsstatut, Allgemeine Schulordnung, Politische Schulverfassung, Hauptschule, Klassenzüge, Leistungsgruppen, Neue Mittelschule, äußere Differenzierung, innere Differenzierung, flexible Kleingruppen, Teamteaching, Bildung aller
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. MMag. Dr. Karl Josef Westritschnig (Autor:in), 2012, Duale Schule – Mittelstufe geprägt von politischen und gesellschaftlichen Ideologien gestern - heute - morgen in Österreich!, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204680

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