[...] Die unterschiedlichen Inszenierungen der Expertenrolle im Rahmen der
Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika werden in dieser Arbeit vorgestellt.
Ebenso werden die verschiedenen Experten aus weiteren Sportarten
prägnant dargestellt und die Sonderrolle des Fußballs herausgearbeitet. Diese
Vergleiche dienen der Beantwortung der zentralen Frage dieser Arbeit
nach der kommunikativen Funktion von Fußball-Experten. Es soll dargestellt
werden, welche Rolle der „Experte“ im Fußballsport spielt und wie
seine Funktion aus sprachwissenschaftlicher Sicht zu beurteilen ist. Diese Magisterarbeit soll eine Antwort darauf geben, wie Expertengespräche im
Fußball geführt werden und zumindest ein Verständnis davon geben, wie sie
sich von anderen Expertengesprächen unterscheiden. Zudem soll diese Arbeit
zeigen, welche Experten bei der Weltmeisterschaft eingesetzt wurden
und welche Besonderheiten es gab. Die Gespräche im Verlauf der Fußball-
Weltmeisterschaft 2010 dienen dabei als Analyseobjekt.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Forschungsgegenstand
1.2 Aufbau der Arbeit
1.3 Materialien
2 Die Expertenrolle - Zur Notwendigkeit und Inszenierung der Wissensvermittlung
2.1 Zur Definition des Expertenbegriffs
2.1.1 Spezialwissen und Kompetenz der Experten
2.2 Die Expertise
2.2.1 Die Expertise im Fußball-Expertengespräch
2.3 Prominenz/Bekanntheit als Auswahlkriterium von Experten
2.4 Insiderkenntnisse von Experten
2.5 Zur Unterhaltungsfunktion von Experten
2.6 Der Expertenstatus des Journalisten
3 Die Expertenrolle in der Fernsehberichtserstattung
3.1 Experten in der politischen Fernsehberichtserstattung
3.1.1 Beispiel für ein politischen Expertengesprächs
3.1.2 Ergebnisse
3.2 Experten im Wirtschaftsjournalismus
3.2.1 Beispiel eines Expertengesprächs aus dem Ressort
3.2.2 Ergebnisse
3.3 Experten im Gesundheitsjournalismus
3.3.1 Beispiel eines Expertengesprächs aus dem Ressort Gesundheit
3.3.2 Ergebnis
3.4 Zwischenfazit
4 Experten in der Sportberichtserstattung
4.1 Besonderheiten und Probleme im Sportjournalismus
4.2 Die Expertenrolle in der Berichtserstattung der Fußball-Bundesliga
4.3 Die Notwendigkeit und Bedeutung von Fußballexperten
4.4 Die Geschichte der Experten in der Fußball-Berichtserstattung im Rahmen von Weltmeisterschaften
4.5 Das Expertengespräch in der Fußball-Berichtserstattung: Vorbericht, Halbzeitanalyse und Spielanalyse
4.5.1 Vorberichterstattung
4.5.2 Halbzeitanalyse
4.5.3 Spielanalyse
4.6 Experten in anderen Sportarten
4.6.1 Biathlon
4.6.2 Football
4.6.3 Ski-Alpin
4.6.4 Handball
4.6.5 Skispringen
4.6.6 Formel 1
4.7 Experten der Sportarten im Vergleich - Zur Sonderrolle des Fußballs
5 Die Berichtserstattung im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika
5.1 Die einzelnen Sender im Überblick
5.1.1 WM-Programm ARD
5.1.2 WM-Programm ZDF
5.1.3 WM-Programm RTL
5.1.4 WM-Programm SKY
5.2 Fußballexperten und Moderatoren der Sender
5.2.1 Fußballexperten ARD
5.2.2 Fußballexperten ZDF
5.2.3 Fußballexperten RTL
5.2.4 Fußballexperten Sky
5.2.5 Analyse: Auswahlkriterien von Fußballexperten
5.2.6 Inszenierungen der Expertenrolle in den verschiedenen Sendern
5.3 Experten für die Rahmenberichtserstattung im Rahmen der Fußball- Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika
5.3.1 Expertin für Südafrika in der ARD: Motshegetsi Mabuse
5.3.2 Expertin für Südafrika im ZDF: Jo-Ann Strauss
5.3.3 Experten für Regelfragen ARD: Hellmut Krug
5.3.4 Experten für Regelfragen ZDF: Urs Meier
5.3.5 Fanexperte ZDF: Dennis Wiese
5.3.6 Übersicht aller WM-Experten im Rahmen der Live- Berichtserstattung deutscher Sender
5.4 Experten bei Sender ohne Live-Übertragungsrechte
5.5 Fußballexperten im Vergleich
6 Die Organisation des Expertengesprächs in der Fußballberichterstattung - Eine Analyse
6.1 Zur Analyse von Gesprächen
6.2 Vorstellung der Analysekategorien
6.2.1 Zur Analyse von Fremdwahl und Selbstwahl
6.2.2 Zur Analyse von Redeereignissen über Redeereignisse (Metakommunikation)
6.2.3 Zur Analyse der Themensetzung
6.2.4 Fragen im Gespräch mit Fußball-Experten
6.3 Vorstellung der Fallstudie
6.3.1 Vorstellung des Fußball-Experten Günter Netzer (ARD)
6.3.2 Vorstellung des Fußball-Experten Oliver Kahn (ZDF)
6.4 Zur Analyse der Expertengespräche zwischen Günter Netzer und Gerhard Delling
6.4.1 Analyse 1 (ARD): Spielanalyse des Halbfinals Deutschland gegen Spanien durch Gerhard Delling und Günter Netzer vom 7. Juli
2010 aus dem Green-Point Stadion in Kapstadt
6.4.2 Analyse 2 (ARD): Spielanalyse durch Gerhard Delling und Günter Netzer nachdem Achtelfinalspiel Deutschland gegen England (4:1) aus dem Stadion Bloemfontain
6.4.3 Analyse Spiel 3 (ARD): Spielanalyse des Vorrundenspiels Ghana - Deutschland (0:1) durch Gerhard Delling und Günter Netzer vom 23.10.2010 aus Johannesburg
6.5 Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn
6.5.1 Analyse Spiel 1 (ZDF): Spielanalyse durch Katrin Müller- Hohenstein und Oliver Kahn nach dem Vorrundenspiel Deutschland Australien vom 13. Juni 2010 aus Durban
6.5.2 Analyse Spiel 1 (ZDF): Spielanalyse durch Katrin Müller- Hohenstein und Oliver Kahn nach dem Vorrundenspiel Deutschland Australien vom 13. Juni 2010 aus Durban
6.6 Analyse des Gesprächs zwischen Moderator Steffen Seibert und Experte Oliver Kahn in der „ heute-Sendung“ des ZDF am 3. Juli 2010 nach dem Viertelfinalspiel Deutschland - Argentinien (4:0)
6.6.1 Analyseergebnisse
7 Selbstbild der Moderatoren und Programmverantwortlichen
7.1 Befragungen beteiligter Moderatoren
7.1.1 Interview mit Katrin Müller-Hohenstein
7.1.2 Interview mit Gerhard Delling
7.2 Befragung von Programmbeauftragten
8 Ergebnisse und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht Expertengespräch
Tabelle 2: Übersicht aller Experten in der Fußballberichtserstattung (Weltmeistermeisterschaften)
Tabelle 3: Übersicht aller WM-Experten
Tabelle 4: Analyseergebnisse Netzer/Delling Part1
Tabelle 5: Analyseereignisse Netzer/Delling Teil 2
Tabelle 6: Analyseergebnisse Netzer/Delling Teil 3
Tabelle 7: Analyseergebnisse Müller-Hohenstein/Kahn Teil 1
Tabelle 8: Analyseergebnisse Müller-Hohenstein/Kahn Teil 2
Tabelle 9: Analyseergebnisse Seibert/Kahn Teil 1
Tabelle 10: Moderatoren im Vergleich
1 Einleitung
Die Medienwelt hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine rasante Ent- wicklung genommen. Der technische Fortschritt und die neue Vielfalt an Fernsehkanälen erfordern auch von den etablierten Sendern neue Wege um qualitätsjournalistischen Ansprüchen gerecht zu werden und sich voneinan- der abzuheben. Neben der starken Konkurrenz haben sich die Fernsehma- cher zudem mit einer Entwicklung auseinanderzusetzen, die seit der Entste- hung des Fernsehens anhält. Sie haben die Aufgabe anhand der verfügbaren technischen Möglichkeiten sämtliche relevanten und interessanten Themen- felder aufzugreifen und zu thematisieren. Doch schon bei der Frage, wie eine komplizierte außenpolitische Entwicklung in einer Sendung von einem Journalisten möglichst informativ und unterhaltsam dargestellt werden kann, stehen die Programmverantwortlichen vor einer Herausforderung. Denn selbst gut ausgebildete Fernsehmoderatoren, die sich im Laufe ihrer journalistischen Karriere auf ein Themenfeld spezialisiert haben, sind zum einen nicht in der Lage, sämtliche Positionen oder Sachverhalte eines The- mas erschöpfend zu ergründen und allumfassend darzustellen. Und zum anderen sind Ankerpersonen dazu angehalten, eine kritische aber dennoch neutrale Position zu beziehen. Zur Unterfütterung eines Berichts, eines Nachrichtenbeitrages oder einer Reportage mit durch Fakten belegten Mei- nungen und Problemlösungsvorschlägen werden in der Regel Experten hin- zugezogen. Die Aufgaben dieser Fachleute, die sich meist mit dem Thema über einen längeren Zeitraum intensiv beschäftigt haben, können von Be- reich zu Bereich variieren und sind nicht festgelegt. Experten in der Fern- sehberichterstattung treten in Einzelgesprächen oder Diskussionsrunden auf und äußern ihre Meinung, die durch eine sorgfältige Analyse untermauert ist und an deren Ende das Ergebnis, die sogenannte Expertise steht. Auch in der Sportberichterstattung sind mittlerweile Experten unabdinglich. Zum einen um Taktiken oder spezielle Techniken einer Sportart näher bringen zu können und zum anderen aber auch, um Ansichten zu äußern, die dem Rezi- pienten bei der eigenen Meinungsfindung helfen sollen. Gerade vor großen Fußballturnieren oder den Olympischen Spielen entsteht zwischen den Sen-dern im Vorfeld ein Wettkampf um die besten Experten. Man kann den Ein- druck gewinnen, die Berichterstattung steht und fällt mit dem eingesetzten Fachmann. Das gilt für alle Sportarten, insbesondere für solche, die im Rahmen der Olympischen Spiele übertragen werden und ansonsten geringe Übertragungszeiten im Fernsehen und somit einen Außenseiterstatus haben. Gerade bei diesen Randsportarten bedarf es Erläuterungen aus erster Hand. Der ARD-Langlauf-Experte bei den Winterspielen in Vancouver 2010, Pe- ter Schlickenrieder, sah seine Expertenrolle in verschiedenen Aufgaben be- gründet:
„Mir macht es Spaß, bei dieser Chance für meinen Sport aktiv mitzuwirken, das TV-Programm mitzugestalten und Langlauf so zu transportieren, wie ich es wahr- nehme. (...) Mir ist das insofern wichtig, weil ich gesehen habe, wie der Langlauf bis 2002 gar nicht medial vorgekommen ist. Und wenn doch, wie langweilig mein Sport im Fernsehen dargestellt wurde. Damals habe ich bei jeder Übertragung ge- dacht: Das gibt es doch nicht! Der Sport ist doch viel interessanter als das im Fern- sehen rüberkommt. Und deswegen versuche ich, so große Hebel wie möglich zu betätigen, um das Langlaufen lebendiger darzustellen.“ (ARD-Interview vom 28.02.2010)
Die Aufgaben der Experten sind komplex und unterschiedlich wie ihre Inszenierung. Gerade im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika wurden verschiedene Formen der Inszenierungen von Expertengespräche angewandt und dabei völlig neue Wege eingeschlagen.
1.1 Forschungsgegenstand
Die unterschiedlichen Inszenierungen der Expertenrolle im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika werden in dieser Arbeit vorge- stellt. Ebenso werden die verschiedenen Experten aus weiteren Sportarten prägnant dargestellt und die Sonderrolle des Fußballs herausgearbeitet. Die- se Vergleiche dienen der Beantwortung der zentralen Frage dieser Arbeit nach der kommunikativen Funktion von Fußball-Experten. Es soll darge- stellt werden, welche Rolle der „Experte“ im Fußballsport spielt und wie seine Funktion aus sprachwissenschaftlicher Sicht zu beurteilen ist. Diese Magisterarbeit soll eine Antwort darauf geben, wie Expertengespräche im Fußball geführt werden und zumindest ein Verständnis davon geben, wie sie sich von anderen Expertengesprächen unterscheiden. Zudem soll diese Arbeit zeigen, welche Experten bei der Weltmeisterschaft eingesetzt wurden und welche Besonderheiten es gab. Die Gespräche im Verlauf der FußballWeltmeisterschaft 2010 dienen dabei als Analyseobjekt.
1.2 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist in einen theoretischen und in einen Analyseteil untergliedert.
Zunächst wird in Kapitel zwei der Begriff Experte und Expertise erläutert und definiert. Dabei werden die Kriterien für die Rolle des Fernsehexperten dargestellt, worunter auch Punkte wie die Insiderperspektivierung und Pro- minenz des Experten enthalten sind. Abschließend wird die Rolle des Jour- nalisten, der oftmals selbst ein Experte des Fachs ist, beleuchtet.
Im dritten Kapitel wird die Rolle des Experten in den drei großen Themenfeldern Politik, Wirtschaft und Gesundheit aufgezeigt. Hierbei wird dargestellt, inwiefern Gespräche aus den jeweiligen Themenfeldern ablaufen können und wie diese Expertengespräche organisiert sind.
Die Besonderheiten der Sportberichterstattung werden im vierten Kapitel aufgezeigt, indem auch die Expertenrolle im Sport dargestellt wird. An die- ser Stelle werden einige bekannte Sportexperten und deren Expertenrolle kurz erläutert sowie ein Abgleich zwischen den verschiedenen Sportarten und Fußball vorgenommen. Ziel ist es, die herausragende Bedeutung des Fußballsports in der Medienlandschaft aufzuzeigen und diese auch anhand der gegenüber anderen Sportarten individuell gestalteten Inszenierung der Expertenrolle kenntlich zu machen.
Das Großereignis Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika bietet eine hervorragende Plattform zur Betrachtung der medialen Inszenierung von Experten in der Fußball-Berichterstattung. Im fünften Kapitel werden die von den Sendern eingesetzten Experten vorgestellt und Besonderheiten in der Berichterstattung hervorgehoben. Es erfolgt ein Abgleich bezüglich der Inszenierung der Expertenrolle der Sender, um im darauffolgenden Analyse- teil einen Vergleich hinsichtlich der kommunikativen Funktion zweier Ex- perten, die unter gleichen Voraussetzungen arbeiten, vornehmen zu können.
Die Analyse der kommunikativen Funktion von Fußball-Experten wird im sechsten Kapitel vollzogen. Zunächst werden die Fußballexperten der öf- fentlich-rechtlichen Sender Günter Netzer und Oliver Kahn vorgestellt. Im zweiten Schritt erfolgt die Präsentation der Analysekategorien Selbstwahl-, und Fremdwahl, Themensetzung und Metakommunikation. Dann werden die Gesprächssituationen der beiden Duos anhand dieser Kriterien analy- siert.
Das siebte Kapitel gleicht die theoretischen und die analytischen Erkennt- nisse dieser Arbeit mit den Praxiserfahrungen von Protagonisten ab. In drei Interviews geben die Moderatoren Gerhard Delling (ARD), Katrin-Müller- Hohenstein (ZDF) und die Programmplanerin Swantje Wittstock (ARD) ihr Verständnis von der Expertenrolle ab. Dabei soll das Rollenverständnis und die kommunikative Funktion von Experten aus einem Blickwinkel von Mit- spielern betrachtet werden.
Abgeschlossen wird die Untersuchung mit einem Rückblick auf die bisheri- ge Inszenierung der Expertenrolle und mit einem daraus resultierenden Ausblick für künftige Expertengespräche in der Fußball-Berichterstattung.
1.3 Materialien
Der Expertenrolle im Sport und dabei insbesondere der Fußball- Berichterstattung wurde aus linguistischer Perspektive bislang wenig oder kaum Beachtung geschenkt. Diese Arbeit basiert in erster Linie auf Be- obachtungen der Berichterstattung im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika und den Inszenierungen der Experten- rolle im deutschen Fernsehen. Aufgrund lizenzrechtlicher Vereinbarungen zwischen den Medienanstalten und des Weltfußballverbandes FIFA, der die Lizenzrechte für die Übertragung vor dem Turnier veräußert, war die Be- schaffung von Videomaterial über die Sender nicht möglich. Die in Kapitel sechs genutzten Videomitschnitte zur Analyse von Expertengesprächen sind von öffentlichen Videoplattformen übernommen. Die Quelle ist entspre- chend gekennzeichnet. In Kapitel fünf wird die Berichterstattung über die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika, insbesondere die Experten vorgestellt. Das Datenmaterial sowie Auskünfte über die Experten wurden unter ande- rem von den verschiedenen Fernsehsendern zusammengetragen. Bei der Analyse in Kapitel sechs wurde Fachliteratur zur Bestimmung der Analyse- kategorie Selbstwahl oder Fremdwahl hinzugezogen. In Kapitel sieben wur- den zudem Teilnehmer und Organisatoren des Expertengesprächs zur Rolle des Experten aus ihrer Sicht befragt.
2 Die Expertenrolle - Zur Notwendigkeit und Inszenierung der Wissensvermittlung
2.1 Zur Definition des Expertenbegriffs
Um die Funktion von Experten erschließen zu können, muss im ersten Schritt die Definition des Begriffes Experte erfolgen. Im Duden (vgl. Du- den. Die deutsche Rechtschreibung: Das umfassende Standardwerk auf der Grundlage der neuen amtlichen Regeln: Band 1 von Dudenredaktion; Ge- bundene Ausgabe - 24. Juli 2009) wird Experte als Sachverständiger und Gutachter beschrieben. Michaela Pfadenhauer erläutert, dass das Bild von Experten
„weitgehend der Figur des Professionellen, der seine Kompetenzen über die Erfül- lung formaler Ausbildungsforderungen erlangt und seinen Expertenstatus mittels berufsständisch erteilter Zertifikate auch formal nachweisen kann entspräche.“(Pfadenhauer: 2009, S.108 f.)
Die berufliche Qualifikation gepaart mit einer besonderen Erfahrung auf dem jeweiligen Gebiet ist demnach charakteristisch für den Experten. Er kann seine Kompetenzen durch bereits getätigte Expertisen, herausragende berufliche Erfolge oder wissenschaftliche Forschungen nachweisen. Um als Experte zu gelten, ist eine umfangreiche und sehr intensive Ausbildung un- abdinglich (vgl. Hitzler, 1994: Seite 14). Neben den notwendigen Fach- kenntnissen muss der Experte zudem kommunikative und womöglich didak- tische Fähigkeiten besitzen, um seine Erkenntnisse plausibel darstellen zu können. Vor allem im Fernsehen ist dies von besonderer Bedeutung, da auch Nachrichtensendungen nicht nur den Anspruch haben informativ zu sein, sondern auch die Unterhaltung des Rezipienten eine wichtige Bedeu- tung hat. Der Experte muss also vor einem breiten Publikum in der Lage sein komplexe Zusammenhänge vereinfacht und anschaulich darstellen zu können (vgl. Mölle, 2007: Seite 5). Vor allem beim Blick auf die in dieser Arbeit vorrangig behandelten Sport-Experten fällt auf, dass nicht in jedem Themenbereich wissenschaftliche Kompetenzen notwendig sind. Schon eine langjährige und umfassende Erfahrung kann für die Rolle als TV-Experte ausschlaggebend sein.
„Wir können uns zum Beispiel vorstellen dass es bei einer Untersuchung des Gesundheitssystems nicht nur Ärzte als „Experten im Feld“ interviewt werden, sondern auch Patienten, die zwar im Feld keine Expertenrolle einnehmen, aber über besonderes Wissen über den Umgang von Gesundheitsorganisationen mit Patienten verfügen und deshalb im Interview Experten für diesen Aspekt der Untersuchung sind.“ (Gläser/Laudel, 2009: Seite 139)
Eine dauerhafte Beschäftigung mit einem Thema, ein daraus resultierender Erfahrungsschatz und gute kommunikative Fähigkeiten sind ebenso wie die Attribute Sachlichkeit und Professionalität (vgl. Hitzler 1994: Seite 15) unabdinglich um als Experte gelten zu können.
„Unter einem Experten wird also eine Person verstanden, die auf einem bestimmten Gebiet dauerhaft, also nicht zufällig und nicht nur ein einziges Mal, herausragende Leistung erbringt.“ (Gruber 2005: Seite 5)
Zu den Hauptaufgaben der Experten gehört das Präsentieren einer mit Fak- ten und Argumenten unterlegten Meinung, die Analyse von speziellen Vor- kommnissen und die kritische Auseinandersetzung mit am Prozess beteilig- ter Personen. Oftmals müssen TV-Fachleute auf Nachfrage spontan in der Lage sein, eine klare Stellung zu beziehen. Sheperd (vgl. Sheperd 1981: Seite 129f.) behauptet, dass Wissenschaftler die gefragtesten Experten sind. Für den Fernsehzuschauer ist also jemand Experte, wer sich über einen lan- gen Zeitraum durch intensive Studien neben dem breiten Wissen über einen Fachbereich auch Spezialwissen angeeignet hat und darüber hinaus auch noch in der Lage ist, diese Kenntnisse kompetent und glaubwürdig zu ver- mitteln. Experten verfügen über Schlüsseleigenschaften, die sie von anderen Personen abheben. Demnach sind sie imstande Zusammenhänge zu erken- nen und Ereignisse in eine länger andauernde Chronologie zu fassen. Ein strukturiertes, schnelles und zuverlässiges Arbeiten zeichnet den Experten ebenso aus wie analytische Fähigkeiten (vgl. Chi, Glaser und Farr 1988).
2.1.1 Spezialwissen und Kompetenz der Experten
Der Experte ist „ein Mensch, der über ein spezielles Wissen verfügt, das wir brauchen, aber nicht haben.“ (vgl. Mölle, 2007, Seite 4). Experten müssen sich folglich mit ihrem Wissen über ein Thema von anderen Menschen abheben. Sie verfügen somit über ein Spezialwissen, das für Außenstehende im Ganzen nicht erfassbar ist. Thomas Horky bezieht dieses ausgeprägte Form des Wissens auf den Sport:
„Die Aussagen eines Experten basieren auf dessen Spezialwissen und weisen dem Thema Bedeutung zu, sie dienen der Vermittlung von Kompetenz. Diese Funktion kann durch die Position des Experten im Sportsystem verstärkt werden.“ (Len- hardt, 2007: Seite 64)
Durch den Experten wird ein Thema zudem mit einem Gesicht versehen. Der Zuschauer hält den Experten und dessen Äußerungen für kompetent, weil er seine Aussagen und sein Auftreten im Fernsehen für glaubwürdig und nachvollziehbar ansieht. Er kann seine eigene Meinung mit der des Ex- perten abgleichen und daraus seine eigenen Schlüsse ziehen. Zudem kann er für sich entscheiden, ob die Ausführungen des Experten oder der Experte an sich kompetent sind. Die Notwendigkeit der Vermittlung von Spezialwissen begründet sich auch auf der Komplexität unserer Gesellschaft. Insbesondere in der mannigfaltigen Medienlandschaft, die auch im Zuge der rasanten Entwicklung des Internets zugenommen hat, fällt es dem Rezipienten schwer, alle Themen und Ereignisse zu erfassen und darüber hinaus noch eine eigene Meinung zu bilden. Die mediale Inszenierung der Expertenrolle bietet einem breiten Publikum die Möglichkeit, ein schwieriges Thema aus verschiedenen Sichtweisen zugänglich zu machen.
„Die Gesellschaftsmitglieder entwickeln typischerweise unterschiedliche soziale Kompetenzen und relativ divergente Relevanzstrukturen. Die Gesamtheit des All- gemeinwissens ist für den einzelnen kaum noch überschaubar.“ (Hitzler 1994: 21f.)
Durch das Äußern seiner persönlichen Meinung, gibt der Fachmann den Zuschauern einen Denkanstoß.
Das Spezialwissen von Experten macht sie zu potenziellen Problemlösern und gibt ihnen die Möglichkeit, in den Medien den Entscheidern in dem jeweiligen Fachgebiet Ratschläge zu erteilen. Demnach kommt dem Exper- ten auch die Verantwortung zu, durch seine Aussagen, Meinungen und Ideen aktiv an der Lösung eines Problems mitzuarbeiten. Er kann durch eine Hypothese eine Diskussion anregen, Lösungsvorschläge unterbreiten und seine Erfahrungen in einer Gesprächsrunde direkt an handelnde Personen wie Politiker oder Trainer weitergeben. Dies geschieht auch durch die Ver- mittlung von Expertisen in einem medial inszenierten Expertengespräch. Der Experte wird im Gespräch als solcher gekennzeichnet. Auf die besonde- re Kompetenz des Experten wird meist im Gespräch und durch Einblendung des Namens mit dem Forschungs- oder Fachgebiet hingewiesen.
2.2 Die Expertise
Das Wort Expertise stammt aus dem Französischen und wird im Duden (vgl. Duden. Die deutsche Rechtschreibung: Das umfassende Standardwerk auf der Grundlage der neuen amtlichen Regeln: Band 1 von Dudenredakti- on; Gebundene Ausgabe - 24. Juli 2009) als Gutachten bezeichnet. Eine Expertise ist das Ergebnis einer von einem Experten durchgeführten Unter- suchung. Die von einem solchen Fachmann in einem Expertengespräch ge- äußerten Erkenntnisse, Fakten, Erfahrungen oder Meinungen bilden die Ex- pertisen, die er durch eine Untersuchung oder Studie gemacht hat. Aufgrund der Expertise kann der Experte Lösungsvorschläge für ein Problem anbie- ten. Dabei ist vor allem die Zuverlässigkeit der Problemlösungsvorschläge bedeutend.
„Ein hoher Expertisegrad ist mit einer umfangreichen Wissensbasis, mit reichhal- tiger Erfahrung mit domänspezifischen Aufgabenstellungen, mit großem Problem- löseerfolg, mit Effizienz der Tätigkeit und mit geringer Fehlerquote assoziiert. Ex- pertise wird in der Regel als erlernbar aufgefasst; Ursachen werden in der Erfah- rung, der Praxis oder dem (intelligenten) Erwerb umfangreichen Wissens gese- hen.“ (Gruber 2007: Seite 5)
Der Begriff Expertise ist vor allem in der Rechtwissenschaft bekannt. Es handelt sich hierbei um ein Rechtsgutachten. Der Begriff wird aber mittler- weile auf alle Bereiche angewendet, wo Experten umfassende Ergebnisse präsentierten. Auch im Fußball werden Expertisen erstellt, wie nachstehen- des Zitat aus der Süddeutschen Zeitung vom 11. April 2010 zeigt:
"Die Bayern hatten viele einfache Ballverluste und viele unbedrängte Pässe zum Gegner - das ist ein Zeichen, wenn die Konzentration und die Kondition nach- lässt", lautete Beckenbauers Fußball-Expertise.“ (Süddeutsche Zeitung,11.04.2010)
2.2.1 Die Expertise im Fußball-Expertengespräch
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika besprachen die FußballExperten in der Halbzeitpause gemeinsam mit dem Moderator das Spielgeschehen. Dabei erläuterten sie anhand von technischen Hilfsmittel wie der Zeitlupe und einem Touch-Screen-Monitor, mithilfe dessen eine grafische Darstellung der im Standbild befindlichen Spielsituation möglich ist, die Ursachen, die zu einem Tor oder Gegentor geführt haben.
Nachstehend ein Gesprächsauszug einer Halbzeitanalyse im Rahmen des WM-Spiels Südafrika gegen Uruguay mit Moderator Gerhard Delling und ARD-Fußball-Experte Günter Netzer (vgl. Anhang Seite 124 ff.):
Delling: „Diese ganze Art und Weise auch im Mittelfeld sich quer zu orientieren. Niemals nach vorne den Blick gerichtet zu haben. Das heißt eigentlich müssten sie zumindest da vorne schon welche hinstellen, damit überhaupt welche anzuspielen sind.“
Netzer: „Irgendwen da hinstellen nützt auch nichts. Sie haben einfach die Qualität nicht. Es reicht nicht aus. Jedenfalls in diesem Spiel nicht.“
Experte Netzer fällt das Urteil, dass Maßnahmen nicht greifen. Er sieht keine Möglichkeit, dass die Mannschaft einen Rückstand noch drehen kann. Sein Zwischenfazit ist eine erste Expertise über das Spiel, woraus sich die Prognose ergibt, dass den Südafrikanern die Qualität in diesem Spiel fehlt, um letztendlich gewinnen zu können.
Bei Spielanalysen geben die Experten dann ein vollumfängliches Gutachten ab und ordnen die gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse in einen Ge-samtzusammenhang ein. Nachstehend ein Auszug aus der Spielanalyse der WM-Halbfinalpartie zwischen Deutschland und Spanien (vgl. Anhang Seite 130 ff.):
Spielanalyse Deutschand - Spanien
Gerhard Delling: „Wieder ein 0:1 gegen Spanien wie bei der Europameisterschaft. Trotzdem muss man ganz ehrlich sagen, in diesem Fall glaub ich gibt es auch kein vertun. Die bessere Mannschaft waren die Spanier in diesem Sinne. Gratulation für das Weiterkommen bis ins Endspiel. Und die deutsche Mannschaft zu Recht enttäuscht, weil bei diesem Turnier das Finale tatsächlich drin gewesen ist. Aber nicht enttäuschend über das gesamte Turnier hinweg.“
Günter Netzer: „Nein, eindeutig die bessere Mannschaft die Spanier. Sie haben verdient gewonnen. In fast allen Belangen waren sie besser als die deutsche Mann- schaft heute. Wir haben uns zu passiv bewegt, wir haben viele Bälle verloren, in Balleroberungen waren wir nicht gut. Technisch waren die Spanier auch besser. Was das Turnier betrifft selbstverständlich haben sie eine tolle Leistung gebracht. Das haben wir schon vorher gesagt, dass nicht das heutige Spiel darüber entschei- dend sein kann..
Delling: „Wenn man sieht wie bewegt Philipp Lahm ist in diesem Interview, dann merkt man auch wirklich, das sie auch den Glauben und das Selbstbewusstsein ge- habt haben, dass sie das heute schaffen. Und mit welchem Herz sie bei der Sache gewesen sind.“
Netzer: „Natürlich haben sie den Glauben gehabt. Nur - wie gesagt - wir waren nicht gut genug am heutigen Tag diese wirklich tollen Spanier zu besiegen. Wir haben viele Fehlverhalten gehabt. Kein Spieler hat eigentlich seine Form aus den Spielen England oder Argentinien erreicht. Das lag aber in erster Linie an dieser spanischen Mannschaft, die völlig anders gespielt hat als die anderen beiden Geg- ner. Die haben das zugelassen, dass wir auch so gut gespielt haben. Die heutigen haben nichts zugelassen.“
Nach der 0:1-Halbfinalniederlage der deutschen Mannschaft gegen Spanien analysiert Netzer das Spiel und beschreibt in seiner Expertise, dass die Ta- gesform und die Stärke der spanischen Mannschaft ein entscheidendes Kri- terium für das Ergebnis aus Sicht der deutschen Mannschaft war. Seine Ex- pertise begründet sich in diesem Fall auf seine Fachkompetenz, da Netzer aufgrund seiner Erfahrungen als glaubwürdig gilt. Das Expertengespräch in der Fußballberichterstattung gliedert sich in drei Teile. In die Vorberichter- stattung, die Halbzeitanalyse und die Spielanalyse. In allen drei Bestandtei- len fällt der Experte ein Gutachten, was aufeinander aufbaut und am Ende eine Gesamtexpertise ergibt. Schon im Vorbericht kann der Experte eine Expertise präsentieren. Dann werden die bisherigen Auftritte einer Mann- schaft zusammengefasst und die daraus gewonnenen Erkenntnisse auf das bevorstehende Spiel projiziert. Schon vor dem ersten Spiel einer Mann- schaft in einem Turnier kann der Experte ein Gutachten über die Form oder äußere Begleiterscheinungen einer Mannschaft präsentieren. Im nachste- henden Auszug aus dem Vorbericht des ersten Vorrundenspiels der deut- schen Mannschaft gegen Australien werden durch die ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein und Fußball-Experte Oliver Kahn die Rahmenbe- dingungen untersucht und besprochen (vgl. Anhang Seite 132ff.):
Müller-Hohenstein: „Zahlen sprechen von etwa 1500 mitgereisten deutschen Fans. Wärst Du privat nach Südafrika gefahren, um Dir die WM hier anzuschau- en?“
Kahn: „Eine WM ist immer etwas außergewöhnliches. Jeder der einmal bei einer Weltmeisterschaft dabei war, der weiß, dass man dieses Erlebnis einfach nicht vergisst. Und ich bin heute hier angereist und es war einfach herrlich. Die Lebens- freude der Menschen, die Lockerheit der Menschen. Wie sie sich mit einem unter- halten und wie sie sich freuen auf diese Weltmeisterschaft. Das muss man einfach miterleben. Das ist schon ein tolles Ereignis. Egal wo das auf dieser Welt stattfin- det. Und jedes Land hat natürlich - ganz klar - jedes Land hat seine Eigenheiten. Aber ich denke, da gewöhnt man sich auch sehr schnell dran.“
Müller-Hohenstein: „Nun wird die Mannschaft gleich hier auf diesen Rasen kommen. In nicht mal mehr einer Stunde . Und wir verstehen hier - das muss man mal erklären liebe Zuschauer: wir sind hier in einem fast hermetisch abgeriegelten Studio, ja, und dennoch hat man den Eindruck, dass ständig eine Killerhummel ir- gendwo unterwegs ist oder ein Bienenschwarm. Das ist doch Wahnsinn. Hast du sowas schon mal erlebt?“
Kahn: „Nö. Aber man muss sich an alles gewöhnen. Mentale Stärke ist ja gefragt im Sport.“
Kahn fällt über die für europäische Verhältnisse ungewöhnliche Atmosphä- re, die durch die Vuvuzela-Tröten erzeugt wird, ein Gutachten und analy- siert die möglichen Einflüsse auf die Sportler. Somit hat Kahn bereits vor dem Anpfiff ein Gutachten über die Bedingungen gestellt und zugleich eine eigene Meinung darüber geäußert. Expertisen sind in der Sportberichterstat- tung folglich das Ergebnis von Analysen bestimmter Ereignisse durch einen Sachverständigen. In einem Turnier kann eine Abfolge von Expertisen eine Gesamtgutachten darstellen.
„(...) Diese Analysen basieren auf seinem Fachwissen als Bundesligatrainer und sind für Außenstehende, auch für fachkompetente Journalisten, in dieser Form nur schwer zu tätigen. Gerade Klopp kann somit als typischer Experte gesehen wer- den. Ist dieser Mehrwert durch Fachwissen (in Form von Hintergrundinformatio- nen und Einordnungsarbeit) nicht gegeben oder kann der Experte dieses Wissen (...) nicht vermitteln, verliert das Expertengespräch seine Legitimation. (...) Auch im Fußball gibt es Laien und Experten und folgerichtig auch Abstufungen dazwischen.“ (Lenhart 2006: Seite 85).
Lenhart sieht im Fachwissen einen Mehrwert. Bezüglich der Expertise muss ergänzt werden, dass dieses Fachwissen als Instrument in der Fußballbe- richterstattung auf drei verschiedene Analysegegenstände angewendet wird und dadurch ein multipler Mehrwert entsteht. Der Experte erstellt bereits vor dem Anpfiff seine erste Expertise, in dem er die Voraussetzungen beider Mannschaften aufeinander abgleicht und eine Prognose fällt. In der Halb- zeitanalyse erneuert er diese Expertise aufgrund der Geschehnisse der ersten Halbzeit. Das Ergebnis und alle relevanten Vorkommnisse werden abschlie- ßend komprimiert nach der zweiten Halbzeit in der Spielanalyse zusam- mengefasst und stellen so etwas wie die Gesamtexpertise dar.
2.3 Prominenz/Bekanntheit als Auswahlkriterium von Experten
Viele Experten in der Medienlandschaft sind den Zuschauern bekannt, weil sie entweder häufig zu einem bestimmten Thema im Fernsehen zu Wort kommen, oder weil ihre Prominenz eine Voraussetzung für die Expertenrol- le ist. Vor allem in der Sportberichterstattung ist auffällig, dass bekannte Sportler mit einem erfolgreichen oder besonderen Karriereverlauf in die Expertenrolle schlüpfen.
„Hauptkriterien waren laut Sheperd vor allem der Grad der Prominenz und die Bereitwilligkeit, den Medien Auskunft zu geben, die darüber entscheiden, wer als Experte befragt wurde.“ (Mölle, 2007, Seite 7f.).
Der prominenteste Sportexperte in Deutschland ist Franz Beckenbauer. Der ehemalige Bundesligaspieler vom FC Bayern München war zu seiner akti- ven Zeit auch Nationalspieler, Bundesligatrainer, Nationaltrainer, WM- Organisator, FIFA-Exekutivmitglied und wurde unter anderem Weltmeister als Spieler und Trainer, mehrfach Deutscher Meister und Pokalsieger. Als Werbefigur trat Beckenbauer auch abseits des Fußballplatzes in Erschei- nung und wurde somit auch einem Publikum bekannt, dass sich nicht für Fußball interessiert. Schon als Spieler war Beckenbauer für seine prägnan- ten und klaren Aussagen bekannt. Eine Fähigkeit, die ihn in Kombination mit seinem Fußballsachverstand und seiner Prominenz zum Experten befä- higen. Doch auch in den anderen Bereichen der TV-Berichterstattung spielt die Kameratauglichkeit und die Bekanntheit eine wichtige Rolle.
„The quality of being good on television is a critical criterion that broadcast journalists use in selecting television experts.“ (Steele 1995: Seite 802) Janet Steele sieht die Kameratauglichkeit als ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl von Experten an. Demnach hat nicht nur die bloße Promi- nenz eines Sportlers eine wichtige Bedeutung, sondern auch wie der Befrag- te vor der Kamera wirkt. Es kann davon ausgegangen werden, dass bekannte Menschen mediatisiert sind und ausgeprägte Erfahrungen vor der Kamera haben. Prominente gelten als Personen des öffentlichen Lebens und können somit für ihre Aussagen öffentlich zur Rechenschaft gezogen werden. The- men, Hypothesen und Analysen, die ein Prominenter als Experte einer brei- ten Öffentlichkeit zugänglich macht, können durch eine Anschlusskommu- nikation journalistisch diskutiert werden. Die Prominenz eines Experten kann auch dem Journalisten größere Möglichkeiten in der Gesprächsführung geben.
„Der Experte kann zudem als Türöffner funktionieren, um Zugangsmöglichkeiten zu Informationen oder Personen zu beschaffen, die ohne seine Hilfe den Journalisten verwehrt blieben.“ (Lenhardt 2007: Seite 64)
Somit kann Bekanntheit auch dazu führen, dass die Berichterstattung durch Kontakte des Experten aufgewertet oder die Arbeit des Journalisten erleich- tert wird. Zum Beispiel kann ein Experte dem Journalisten Zugang zu einer geschlossenen Veranstaltung verschaffen oder einen exklusiven Inter- viewpartner vermitteln. Natürlich kann ein bekannter und bei einem breiten Publikum beliebter Gesprächspartner dafür sorgen, dass themenfremde Zu- schauer nur oder vor allem wegen des Experten die Sendung verfolgen.
2.4 Insiderkenntnisse von Experten
Die Bedeutung der Perspektivierung hängt vor allem vom Anspruch der Zuschauer ab:
„Im einzelnen Unterscheiden wir folgende Perspektiven:
- Sachlich berichten (...)
- Ausgewogen berichten (...)
- Engagiert berichten (...)
- Stellung beziehend/parteilich berichten (...)
Als weitere Perspektivekategorien führen wir ein:
- Werten (...)
Abschließend werden vier weitere Kategorien eingeführt, die auf die Zwecke einer perspektivischen Darstellung Bezug nehmen.
- Orientierung geben (...)
- Neue Perspektive eröffnen (...)
- Kritisches Bewusstsein fördern (...)
- Meinung bilden (...)“
(Wachtel, 2000: Seite 734)
Die von Martin Wachtel dargestellten Perspektivekategorien sind auch auf den Experten anzuwenden. So kann die Leistung des Journalisten, eine Wer- tung vorzunehmen, eine Meinung zu bilden und das kritische Bewusstsein zu fördern in einem Expertengespräch auf den Fachmann verlagert werden. Häufig bezieht der Experte Partei und wertet, während dem Journalisten die Aufgabe obliegt, sachlich, ausgewogen und engagiert zu berichten. Das Äu- ßern einer subjektiven Meinung und das Äußern einer Wertung kann durch eine Insiderperspektivierung des Experten gefördert werden. Stephan Len- hardt bezieht sich in „Analysen zum Mediensport“ auf Allmer (vgl. Allmer, 1990: Seite 59 bis 74), der Live-Kommentierungen von Sportereignissen aus psychologischer Sicht betrachtet und in diesem Zusammenhang auf das Verhältnis zwischen dem Journalisten und dem Experten verweist. Dem- nach erkläre der Journalist „als psychologischer Nicht-Fachmann sportliche Leistungen mit der Sportlerpsyche.“ (Lenhardt, 2007: Seite 61 ff.). Aus sei- ner Sicht erschließt der Sportjournalist die Gefühle des Sportlers aus der Beobachtung.
„Der Experte als Gesprächspartner und auch als (ehemaliger) Sportler hingegen besitzt Informationen über die inneren psychischen Vorgänge wie Wahrnehmen,Denken und Fühlen, zu denen der Journalist wenn überhaupt - erst durch subjektive Deutung gelangt.“ (Lenhardt, 2007: Seite 61 ff.)
Die Insiderperspektive ist demnach auch in einem hohen Maße von Erfah- rungen aus dem jeweiligen Fachgebiet geprägt, die für einen Außenstehen- den nicht ohne weiteres wahrzunehmen sind. Ein Journalist muss sich in einen Akteur, über den er berichtet, hineinversetzen können und ist in dieser Hinsicht nur geringfügig in einer anderen Position, wie der Zuschauer. Ge- genüber dem Publikum haben Moderatoren den Vorteil, das Geschehen live im Stadion verfolgen zu können. Somit ist aus Journalisten-Perspektive eine seriöse Einschätzung der Rahmenbedingungen möglich. Die Moderatoren haben direkten Zugang zu den Athleten, zu den meisten Räumlichkeiten im Stadion oder der Sportstätte und auch die Möglichkeit, über Erlebnisse und Gespräche zu sprechen. Was in dem Sportler selbst vorgeht, können sie aber nur vermuten. Daher ist ein Experte, der die Abläufe aus Athletenperspekti- ve kennt, eine sinnvolle Ergänzung in der Berichterstattung.
Müller-Hohenstein: „Ja Oli. Ein verhaltener Bastian Schweinsteiger. Ist er einfach platt?“
Kahn: „Klar bist du platt nach einem solchen Spiel. Aber ich glaube er hätte jetzt ruhig sagen können: ja wir wollen jetzt Weltmeister werden. Das glaube ich kann die Mannschaft jetzt ruhig formulieren und das stimmt auch. Sie spielen - wer weiß was alles passiert...(Müller-Hohenstein unterbricht)
(Expertengespräch Spielanalyse Deutschland gegen Argentinien im ZDF, vgl. Anhang Seite 135f.)
Das oben angezeigte Beispiel dokumentiert die Insiderfunktion von Exper- ten. Experte Oliver Kahn kennt die Situation nach einem anstrengenden Spiel und kann aus seiner Sicht die Mutmaßung der Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein bestätigen und zudem andeuten, dass der Spieler nach der guten Leistung auch etwas selbstbewusster im Interview hätte auftreten können. Dieses Beispiel zeigt auch, dass die Insiderperspektivierung häufig durch Metakommunikation zum Ausdruck gebracht wird. Es wird über Ge- sagtes gesprochen und das mit der eigenen Vorstellung verglichen. Lenhardt sieht die Insiderperspektivierung vor allem im Sport als wesentliches Krite- rium für den Experten an:
„Die Insider-Funktion basiert auf der Vermittlung von Interna aus dem Sportsys- tem seitens der Experten. Dabei kann es sich um sachliche Vermittlung von inter- nen Abläufen, aber auch um Intimkenntnisse aus dem Fachgebiet des Experten handeln. Der Experte gilt somit auch als Recherchequelle.“ (Lenhardt, 2007: Sei- te 61ff.)
Wie bereits angedeutet, wurde insbesondere bei der Berichterstattung über die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika die Bedeutung der Insiderper- spektivierung deutlich. Dort hatten vor allem die öffentlich-rechtlichen Sen- der verschiedene Experten aus unterschiedlichen Themenfeldern beschäf- tigt, die zum Sport aber auch zum Gastgeberland Stellung nahmen. ARD und ZDF setzten neben den Fußball-Experten auch jeweils eine Kulturex- pertin und einen Regelexperten ein. Zudem installierte das ZDF einen Fan- Experten. Alle Experten verfügten in ihrem Sachgebiet über Insiderwissen. Abgesehen vom Fan-Experten, der den durchschnittlichen deutschen Fan repräsentierte, verfügten alle über einen bestimmten Bekanntheitsgrad.
Bezüglich der Insider-Perspektivierung gab es unter allen eingesetzten Fuß- ball-Experten nur eine Besonderheit. Der Großteil bestand aus ehemaligen Profifußballern oder Trainern. Nur der Pay-TV-Sender Sky setzte auch ei- nen zum Zeitpunkt des Turnieres aktuellen Bundesligaprofi ein. In einer Pressemitteilung begründete Sky-Sportchef Roman Steuer die Verpflichtung mit dem besonderen Insiderwissen und der internationalen Erfahrung Met- zelders, der zum Zeitpunkt der Weltmeisterschaft beim spanischen Klub Real Madrid unter Vertrag stand und Mannschaftskollegen in der spani- schen Nationalmannschaft hatte: „Mit Christoph Metzelder haben wir erneut einen Experten verpflichtet, der einen ganz engen Kontakt zu den aktuellen Nationalspielern hat. Seine Erfahrungen in der spanischen Liga werden un- sere WM-Berichterstattung mit Sicherheit bereichern." Metzelder wurde vor allem bei der Analyse von Spielen der spanischen Nationalmannschaft ein- gesetzt.
2.5 Zur Unterhaltungsfunktion von Experten
Experten müssen nicht nur über ein spezielles Wissen verfügen, sie müssen auch in der Lage sein, dieses Wissen durch die Wahl einer korrekten und verständlichen Sprache zu vermitteln. Dabei darf der Unterhaltungsaspekt nicht zu kurz kommen, sodass die Fachleute, neben der Aufgabe Gutachten zu erstellen, auch kommunikative Funktionen haben.
„Experten sind (...) aus dem Grund hilfreich für die Menschen unserer Gesellschaft, weil sie in der Lage sind, uns Zusammenhänge verständlich darzustellen, die wir ohne Hilfe nicht verstehen würden.“ (Mölle, 2007: Seite 5)
Dabei ist das Agenda Setting der Fernsehsender sehr wichtig. Denn die Sender setzen Experten nicht wahllos ein, sondern sehen einen aktuellen Bezug als Voraussetzung (vgl. Mölle, 2007: Seite 5). Aber nicht nur der Experte allein sorgt mit seinen Aussagen für Information und Unterhaltung, vielmehr spielt die massenmediale Konstruktion von Wirklichkeit in diesem Zusammenhang eine bedeutsame Rolle. Nur wenn der Zuschauer mit dem Thema vertraut ist, kann er das Expertengespräch als Zusatz oder als Ein- stieg nutzen und für sich zugänglich machen. Für die Inszenierung des Ex- pertengesprächs und die Präsentation der Fakten ist der Sender zuständig. Der Experte muss (sozusagen) seine Meinung unterhaltend und ohne Ver- klausulierung präsentieren, um ein Echo vom Zuschauer zu erhalten und das Thema populär zu machen. Gerade in der Vermittlung von klarer Meinung liegt eine wesentliche Stärke des Experten, da er durchaus befähigt ist, sub- jektiv zu sein. Lenhardt geht in diesem Zusammenhang auf die Medien ein, die Experten im Mediensport nutzen „um Meinungen zu transportieren. So werden Experten im Gespräch gezielt nach Vermutungen und Bewertungen befragt. Die Vermittlung von Meinung wird vom Journalisten auf den Experten verlagert .“ (vgl.Lenhardt, 2007: Seite 64)
Gerade in Themenfeldern wie Sport und Politik, wo es neben Erklärungen auch darum geht, Parteien und Vereine einzuordnen und deren Handlungen zu bewerten, ist der Journalist dazu angehalten Objektivität zu wahren.
Der Experte hingegen darf kritisieren, Gerüchte kommentieren und mittei- len, wie er die Situation bewertet. Die Form dieses Gespräch muss im Ex- pertengespräch nicht so förmlich interpretiert werden. Wissen muss folglich seitens des Experten medial inszeniert und verständlich aufbereitet werden. Bei Themen wie Sport, Reise, Kultur und Freizeit kann durchaus der infor- mative Charakter mit Unterhaltung vermischt werden. Dies hat bessere Chancen vom Zuschauer angenommen zu werden als ein zu förmliches Ge- spräch (vgl. Gruschwitz, S.8, Anhang C). Gruschwitz sieht einen engen Zu- sammenhang mit der Bekanntheit und der Insiderperspektivierung des Ex- perten mit den Formen der Vermittlung von speziellem Wissen. Mit dem Experten verbindet er in erster Linie Informationsgehalt, der an zweiter Stel- le eng mit dem Unterhaltungsaspekt verknüpft ist.
„Die Forderung von Gruschwitz nach einem Mehrwert aus Informationen in unterhaltender Form beschreiben die ZDF-Gespräche recht treffend, wobei der Mehrwert der Analysen Klopps festzumachen ist. Allerdings ist die Priorität der Information zumindest anzuzweifeln.“ (Lenhardt, 2007: S.84)
Lenhardt in seiner Analyse der Expertengespräche im Rahmen der Fußball- Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland vor allem ausgeprägte Unterhal- tungsaspekte. Nach der Spielanalyse im Spiel um den dritten Platz zwischen Deutschland und Uruguay wurde in der ARD der langjährige Experte Gün- ter Netzer verabschiedet. Dabei wurden in einem Bericht die lustigsten un- terhaltsamsten Momente seiner zwölfjährigen Expertentätigkeit zusammen- gefasst und deutlich, wie wichtig der Unterhaltungsaspekt ist.
„Nicht unwichtig bei der Attraktionsvermittlung des Fußballs im Fernsehen sind entsprechende Persönlichkeiten aus dieser Sportart selbst und vom übertragenden Medium Fußball selbst, vor allem wenn sie die kompetitive Werthaltung dieser Sportart semantisch in die „schönste Nebensache der Welt“ verwandeln können“
(Holtz-Bacha, 2006: Seite 46)
Bei aller Bedeutung des Sports im Allgemeinen liegt der größte Unterschied zu anderen Themenfeldern in der Tatsache, dass es sich lediglich um Emo- tionen handelt. In der Politikwissenschaft, vor allem in der Kriegsberichter- stattung, haben Experten die Aufgabe, Themen aufgrund der Ernsthaftigkeit diskret zu behandeln. Dahingehend ist es schwierig eine diffizile Themenstellung unterhaltend darzustellen. Was für die Expertenrolle im Sport bedeutsam ist, muss also in anderen Bereichen nicht zutreffend sein.
2.6 Der Expertenstatus des Journalisten
In der Definition des Berufsbildes eines Journalisten heißt es beim Deutschen Journalisten-Verband (DJV):
„Durch ein umfassendes Informationsangebot in allen publizistischen Medien schaffen Journalistinnen und Journalisten die Grundlage dafür, dass jede Bürgerin und jeder Bürger die in der Gesellschaft wirkenden Kräfte erkennen und am Pro- zess der politischen Meinungs- und Willensbildung teilnehmen kann. Dies sind Voraussetzungen für das Funktionieren des demokratischen Staates.“ (Mitglieder-satzung Deutscher Fachjournalisten-Verband; Internetquelle:http://www.dfjv.de/ueber_uns/ethik_kodex.html)
Doch das Aufgabenspektrum eines Journalisten ist weitaus größer als die bloße Bereitstellung eines Informationsangebotes. Es gehört zu seinen Auf- gaben zu recherchieren, nachzuhaken, Fragen zu stellen und Ergebnisse in einen Gesamtzusammenhang stellen zu können. All diese Aufgaben stehen vor allem unter dem Grundprinzip der journalistischen Sorgfaltspflicht. Im Expertengespräch fungiert der Moderator wenn er in einem fachfernen Sen- dekonzept einen Experten befragt als reiner Fragesteller. Beispielsweise in Sendungen wie dem ZDF-Morgenmagazin, wo der Moderator innerhalb einer Sendung verschiedene Themenfelder zu bearbeiten hat und gar nicht alle Themenbereiche studiert haben kann. Anders verhält sich das zum Bei- spiel in Wahlsondersendungen wo der Interviewer in der Regel auf ein Stu- dium der Politikwissenschaften oder eine vergleichbare Ausbildung zurück- blicken kann. Er ist somit auch ein Experte für dieses Wissensgebiet. Den- noch besteht ein Unterschied zwischen dem Journalisten und dem Experten, der vor allem Einordnungsarbeit zu verrichten hat und Fachwissen, Erfah- rung und eine klare Positionierung in die eigene Analyse einfließen lässt.
Somit handelt es sich im Sportgespräch, das Gegenstand dieser Arbeit ist, um ein Gespräch zwischen Fach-Experten aus der Theorie und der Praxis.
Lenhart sieht in seiner Analyse der Expertengespräche im Rahmen der Fuß- ball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland vor allem ausgeprägte Unter- haltungsaspekte. Demnach ist der Moderator für eine interessante und un- terhaltende Gesprächsleitung und der Experte für einen unterhaltenden Blick hinter die Kulissen zuständig (vgl. Lenhart, 2007: Seite 82).
3 Die Expertenrolle in der Fernsehberichtserstattung
In der Fernsehberichterstattung werden zu sämtlichen Themengebieten Ex- perten eingesetzt, die im Gespräch mit einer Ankerperson, dem Moderator einer Sendung, oder in einer Gesprächsrunde ihre Perspektive und Eindrü- cke zu einem ihnen vertrauten Sachverhalt oder Themengebiet schildern. Während im Sport meist über ein Ereignis vorab oder reflektierend gespro- chen wird und der Fernsehzuschauer ein Spiel oder einen Wettkampf live verfolgt, haben Experten aus der Wirtschaft oder der Politik eine andere Funktion. Sie müssen komplexe Sachverhalte, die theoretischer oder abs- trakter sind als ein Sportereignis, erläutern und Zusammenhänge verständ- lich erklären. Sie verfügen in der Regel nicht über eine besondere Promi- nenz, sondern sind in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Gesundheit oder Naturwissenschaft oftmals Professoren, Diplomaten oder speziell ausgebil- dete Journalisten. Diese Experten können neben einer speziellen Ausbildung und einem Lehrstuhl an einer Universität oder Ähnliches ihre Erfahrungen einbringen. Ein Beispiel aus der politischen Berichterstattung ist Peter Scholl-Latour, der neben seiner journalistischen Ausbildung vor allem auf eine Menge an persönlichen Erfahrungen aus zahlreichen Reisen und Vor- Ort-Reportagen aus Krisengebieten auf der Welt zurückgreifen kann (vgl. Scholl-Latour, 2004). Auffällig ist, dass bei vielen außenpolitischen Themen ältere Experten gefragt sind, weil der Umgang mit Themen wie dem Nah- ost-Konflikt oder Themen, die im Zusammenhang mit der arabischen Welt stehen, in einen Gesamtkontext gefasst werden sollen, der über die letzten dreißig Jahre hinausgeht. Insofern besteht im politischen, vor allem in Be- zugnahme auf die internationalen politischen Betrachtung durch Experten ein Unterschied zu den anderen Themenbereichen, in denen auch ver- gleichsweise junge Fachmänner durch ihr Wissen und ihre Qualifikation als besonders glaubwürdig gelten. Gegenüber der Sportberichterstattung haben Experten aus anderen Bereichen zusätzliche Aufgaben bezüglich des Trans- ports von Information und Meinung. Der Zuschauer hat nicht die Möglich- keit einen Konflikt in einem fernen Land aus nächster Nähe zu begutachten und ohne die Erläuterung von Beobachtern vor Ort und Kennern der Region oder der Umstände zu erschließen. Im Gegensatz zur Sportberichterstattung, in welcher der Zuschauer das Ereignis präsentiert bekommt und zu den Vorkommnissen eine eigene subjektive Meinung bilden kann, benötigt der Zuschauer in politischen Zusammenhängen Erklärungen und Erläuterungen zur eigenen Meinungsbildung. Ein Fußballspiel wird durch die Spielanalyse, Interviews mit den Beteiligten und eine Eingliederung in den Gesamtkon- text, wie eine WM-Platzierung oder ein Zwischenstand, innerhalb einer Sendung vom Vorbericht bis zur Vorausschau komplett abgehandelt. Das ist bei politischen oder wirtschaftlichen Themen nicht möglich. Dort handelt es sich um Ereignisse, die fortlaufend sind. Der Experte muss sich über Wo- chen, Monate oder sogar Jahre zu ein und demselben Ereignis äußern und gegebenenfalls Entwicklungen und Veränderungen erkennen, sie kommen- tieren und bewerten. Auch deshalb ist der Expertenbegriff als solcher im Sport von anderen Themenfeldern zu differenzieren.
Für alle Themenbereiche gilt
„dass Experten für den Laien dann interessant sind, wenn sie Aussagen tätigen, die das Leben des Laien in irgendeiner Form betreffen.“ (Mölle 2007: Seite 12)
Generell sieht Horky die Live-Gesprächsformen zwischen der Ankerperson und des Experten als „einen kostengünstigen Faktor zur Aufwertung der Berichterstattung.“ (vgl. Lenhardt, 2007: Seite 64). Zudem kehrt Horky die Kompetenzfunktion als wichtiges Kriterium für Experten heraus und unterstreicht die vorgenannte These, dass der Sportjournalismus in Bezug auf die Expertenrolle eine Sonderstellung einnimmt:
„Experten können zudem Sachkompetenz vermitteln, die außerhalb des Berichter- stattungssystems liegt. Im systemtheoretischen Sinne sind die Angehörigen dann Angehörige der Systemumwelt. Dies ist die klassische Expertenfunktion, die aller- dings im TV-Sportjournalismus so gut wie keine Anwendung findet.“ (Lenhardt, 2007, Seite 64)
Experten werden in allen Sendern eingesetzt. Auch der Wetteransager, der in den Tagesthemen die Ursachen von Wetterveränderungen erläutert, ist ein Experte, da der Zuschauer auf diesem Gebiet kein Wissen hat. Horky geht auf die Medien ein, die Experten im Mediensport nutzen „um Meinungen zu transportieren. So werden Experten im Gespräch gezielt nach Vermutungen und Bewertungen befragt. Die Vermittlung von Meinung wird vom Journalisten auf den Experten verlagert (Lenhardt 2007, Seite 64).
Das gilt insbesondere für Experten im politischen Journalismus, da die Sender einer politischen Neutralität verpflichtet sind.
3.1 Experten in der politischen Fernsehberichtserstattung
In der täglichen Berichterstattung kommt der Politik eine starke Gewichtung zu. Vor allem bei wichtigen Themen mit einem besonderen Aktualitätsbezug werden dabei Experten zu Rate gezogen. Hierbei handelt es sich meist um Politikwissenschaftler, die in dem geforderten Fachgebiet über umfangreiche Kenntnisse und Expertisen verfügen.
„Im Ressort Politik wird in der für die Fallstudie ausgewählte Stichprobe bei 44,4 Prozent der Experten auf Personen aus dem Herkunftsbereich Politik zurückgegriffen wird. 14,8 Prozent kommen jeweils aus den Herkunftsbereichen Wirtschaft und Journalismus, jeweils 3,7 Prozent aus den Bereichen Wissenschaft und Kirche, 14,8 Prozent entfallen auf „Sonstige Bereiche“ und bei 3,7 Prozent war der Herkunftsbereich nicht identifizierbar.“ (Mölle 2007: Seite 11)
Im politischen Journalismus hat sich die Expertenrolle in den letzten Jahrzehnten verändert. Experten gab es in diesem Bereich aber schon immer. Aus welchen Teilbereichen der Politikwissenschaft der Experte kommt, ist aber schwierig zu erschließen.
„Zu drei Messzeitpunkten (1961, 1983 und 1987) waren z.B. nur Wahlforscher als Experten zu finden. In anderen Wahljahren kamen Wahlforscher nur zugunsten von journalistischen bzw. publizistischen Experten (2002) oder Wissenschaftlern weite- rer Fachrichtungen (1998) weniger häufig vor. (...) Darüber hinaus wird in einigen Wahljahren ein relativ ausgeglichenes Bild deutlich. So war 1994 die eine Hälfte der Experten Wahlforscher und die andere Hälfte weitere Wissenschaftler. Schließlich ist auffällig, dass nur in den 1970er Jahren Journalisten aus dem Ausland als Exper- ten eingesetzt wurden.“ (Wied, 2007: Seite 66ff.)
Die Auswahl der Experten erfolgt auch vor dem Hintergrund der gegenwär- tigen politischen Situation. Ausländische Experten werden vor allem dann heran gezogen, wenn es um außenpolitische Belange geht. Beispielsweise wird bezüglich deutsch-amerikanischer Verhältnisse oftmals der Amerika- ner und ehemalige US-Botschafter in Berlin, John Kornblum, eingesetzt. In der täglichen TV-Berichterstattung kommen meist Politikwissenschaftler oder Korrespondenten zu Wort, wenn es um die Bewertung und Einschät- zung politischer Themen geht.
3.1.1 Beispiel für ein politischen Expertengesprächs
Der Politikwissenschaftler Professor Udo Steinbach lehrt an der Philipps- Universität Marburg und gilt als Experte für Nahost-Fragen. Im ZDF- Morgenmagazin wurde der Islamwissenschaftler vom Moderator Christian Sievers zur Situation am Gazastreifen befragt (vgl. Seite 114ff.). In diesem Gespräch kam der Moderator insgesamt elf Mal zu Wort. Der Befragte agierte immer auf den Moderator und kam auf zehn Sprechakte. Neben der Begrüßung und der Verabschiedung drehten sich neun Sprechsequenzen um das eigentliche Thema.
Beginn des Gesprächs
Sievers stellte Prof. Steinbach zunächst als Nahost-Experte der Uni Marburg vor und begrüßte ihn, worauf dieser ebenfalls den Moderator begrüßte.
Kern des Gesprächs
Im Kerngespräch wurde die aktuelle Situation am Gaza-Streifen erörtert. Dabei stellte Sievers insgesamt sieben Fragen, die Prof. Steinbach beantwortete. Die Ankerperson unterbrach seinen Experten zwei Mal. Beim ersten Mal stellte er eine Zwischenfrage, die Steinbach auch umgehend beantwortete. Beim zweiten Intervenieren ignorierte Steinbach den Versuch von Sievers und setzte seine Ausführung fort.
Zwei Mal konfrontierte Sievers seinen Gesprächspartner mit Argumenten der Gegenseite, denen Steinbach widersprach.
Beendigung des Gesprächs
Moderator Sievers beendet das Gespräch, bedankt sich bei seinem Experten und leitet zum nächsten Thema über.
3.1.2 Ergebnisse
In diesem Gespräch ist ein interviewtypisches Frage-Antwort-Schema deut- lich zu erkennen. Der Experte wird von dem Moderator mit Fragen und Anmerkungen durch das Gespräch geleitet und antwortet auf seine Fragen. Die Moderatorenfunktion der Gesprächsführung wird nicht nur durch die Begrüßung und die Überleitung zum folgenden Thema deutlich, auch die Themeninhalte des Gesprächs werden durch Sievers gesetzt und von Profes- sor Steinbach kommentiert.
3.2 Experten im Wirtschaftsjournalismus
Interviews mit Wirtschaftsexperten werden oftmals im Zuge der Börsenbe- richterstattung durchgeführt, die beispielsweise in der ARD täglich vor der Tagesschau stattfindet. Es ist allerdings in diesem Ressort schwer zu sagen, welche Vorbildung der Experte haben muss, um als solcher zu gelten.
„Im Ressort Wirtschaft entstammen 20 Prozent der Expertenquellen erstaunlicherweise aus dem Bereich Journalismus, 80 Prozent der Expertenquellen entfallen auf sonstige Bereiche.“ (Mölle 2007: Seite 12)
Gefragte Experten aus diesem Ressort sind unter anderem Norbert Walter (Chefökonom der Deutschen Bank) und der Börsen-Experte Dirk Müller (Börsenmakler, Bankkaufmann und Autor). Vor allem Müller ist einem breiten Publikum als „Mr. Dax“ bekannt. Müller kommentierte die Gründe für seine Rolle als Experte auf einer Internetpräsenz:
„Mein Arbeitsplatz lag fast 10 Jahre lang direkt unter der großen Anzeigetafel mit dem Daxchart, wo ich unter anderem für die Kurse von Allianz, Commerzbank oder auch Daimler verantwortlich war. Den Fotografen war die Kurve alleine zu langwei- lig und da wollten sie eben immer noch ein Gesicht dazu haben. Meins. Als dann in immer mehr Zeitungen und Börsenberichten, TV-Einblendungen und Werbeflyern das immer gleiche Gesicht (wenn auch immer in anderer Gemütslage) zu sehen war,kamen die ersten Anfragen „Wer ist eigentlich dieses -Gesicht der Börse-?“. Die ersten Interviewanfragen kamen, und man erkannte, dass das „Gesicht der Börse“ auch eine klare Meinung und Markteinschätzung hat, die nicht immer mit dem Mainstream übereinstimmten. Und je häufiger der Mainstream sich als falsch herausstellte, desto öfter kamen die Interviewanfragen.“
(http://www.cashkurs.com/Dirk-Mueller.62.0.html)
Demnach resultiert das eigene Verständnis der Expertenrolle auch aus gewagten und unkonventionellen Prognosen und Aussagen, die sich von den Expertisen der Masse abheben und somit auch Gegenstand von einer medialen Anschlusskommunikation sein können.
3.2.1 Beispiel eines Expertengesprächs aus dem Ressort Wirtschaft
Der Finanzexperte Prof. Dr. Wolfgang Gerke ist Professor für Bank- und Börsenwesen und Präsident des Bayerischen Finanz-Zentrums und Honorarprofessor an der European Business School EBS. Im Sender Deutsche Welle TV wurde er von der Moderatorin Anja Heide zur Finanzproblematik des Landes Griechenland befragt (vgl. Anhang Seite 117f.).
Beginn des Gesprächs
Das Gespräch beginnt mit der Begrüßung durch die Moderatorin, die zudem gleich mit der Gesprächseröffnung die erste Frage stellt.
Kern des Gesprächs
Gerke beantwortet alle Fragen Heides zur Griechenland-Krise. Die Modera- torin setzt mit ihren Fragen die Themen und knüpft unmittelbar an die Ant- worten des Experten an. Heide leitet das Gespräch und erweist sich durch ihre Erklärungen ebenfalls als Expertin für den Sachverhalt. Heide kommt im gesamten Gespräch sieben Mal zu Wort. Sie stellt dabei sechs explizite Fragen und hakt einmal in Frageform nach („Wenn ich Sie richtig verste- he!?). Der Experte wird in diesem Gespräch von der Moderatorin durch das Thema geführt und beantwortet die Fragen ausführlich. Dabei fungiert Ger- ke als typischer Experte, der sich in dem Bereich bestens auszukennen scheint und darüberhinaus seine Meinung kritisch äußert. Gerke kommt insgesamt fünf Mal zu Wort, redet aber länger als Heide.
Beendigung des Gesprächs
Heide schließt das Gespräch mit einem Dank an den Experten ab und leitet zum nächsten Thema über.
3.2.2 Ergebnisse
Das Expertengespräch erfolgt nach typischem Frage-Antwort-Schema und wird somit als Interview geführt. Die Moderatorin ist ein „Quasi-Experte“, wie ihre Verständnisfrage zeigt. Sie leitet durch das Gespräch und setzt die Schwerpunkte in diesem Themenbereich. Heide beginnt das Gespräch und beendet es. Die Rollenverteilung ist klar.
3.3 Experten im Gesundheitsjournalismus
Das Ressort Gesundheit ist ein Teilbereich der naturwissenschaftlichen Be- richterstattung und sehr vielfältig in dem Themenspektrum. Oftmals werden Ärzte zu Rate gezogen. Es gibt im deutschen Fernsehen verschiedene Sen- dungen, die sich ausschließlich dem Thema Gesundheit widmen, wie Rat- geber Gesundheit im Hessen-Fernsehen. Viele Gesundheitsthemen werden aber auch in anderen Fernsehsendungen behandelt und es werden Experten eingesetzt.
3.3.1 Beispiel eines Expertengesprächs aus dem Ressort Gesundheit
Der Allgemeinmediziner Dr. Thomas Kurscheid war am 18. Februar 2009 zu Gast im ARD Morgenmagazin und wurde von Moderator Sven Lorig zum Thema Alkohol und dessen Wirkung auf den menschlichen Körper befragt (vgl. Anhang, Seite 118ff.).
Beginn des Gesprächs
In den ersten beiden Sprechakten wird das Gespräch eingeleitet. Moderator Lorig leitet von einem anderen Thema über und begrüßt den Experten mit einer kleinen Bemerkung, die Kurscheid zum Anlass nimmt das eigentliche Thema einzuleiten („Das wird auch notwendig sein in der Karnevalszeit.“) Gleich mit seinem ersten Sprechakt unterbricht der Experte den Moderator.
Kern des Gesprächs
Im Kerngespräch tritt, wie in den zuvor bearbeiteten Expertengesprächen auch, der Moderator als Leiter des Gesprächs auf. Lorig stellt insgesamt elf Fragen, wobei eine einem Missverständnis geschuldet ist:
„Dr. Kurscheid: (...)Nämlich für die prodektive Wirkung... (Lorig unterbricht). Lorig: „Was heißt produktive Wirkung?“
Dr. Kurscheid: „Also für die schützende Wirkung, Herz-Kreislauf-Wirkung, die er ja durchaus hat.“ (vgl. Anhang, Seite 119f.)
Die Rollenverteilung wird durch die Antworten des Experten klar. Dr. Kur- scheid antwortet explizit auf die ihm gestellten Fragen. Er unterbricht nur einmal.
Beendigung des Gesprächs
Lorig schließt das Gespräch ab und verweist auf die Möglichkeit der telefonischen Befragung des Experten. Er leitet zum nächsten Thema über.
3.3.2 Ergebnis
Auch das Gespräch aus dem Bereich Gesundheitsjournalismus folgt dem typischen Frage-Antwort-Muster. Es verläuft in Interviewform.
3.4 Zwischenfazit
In der Gesundheits-, Wirtschafts- oder Politikberichterstattung folgen die Expertengespräche einem klaren Muster. Dabei fungiert der Moderator als Fragesteller und der Experte als Antwortgeber.
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