Der Auftrag der Schule in einer demokratischen Gesellschaft ist es unter anderem, den Lernenden zu unterstützen, Verantwortung zu übernehmen, Reflektionsfähigkeit, Solidarität und Toleranz zu üben, selbstbestimmt leben zu können und sich als Persönlichkeit zu entwickeln (vgl. Schulgesetz NRW 2006; Oelke 2005, S. 649 - 654) . Jeder Mensch hat im kritisch-kommunikativen Sinne das Recht auf Bildung in Ausrichtung auf kommunikative Bildungsvollzüge (vgl. Klafki 1999a, S. 13 ff.).
Der klassisch-dirigistische Schulunterricht hat jedoch zumeist ungünstige Auswirkungen sowohl auf das unmittelbare als auch auf das spätere Verhalten von Schülern. So wird das Lernen von Selbstbestimmung, Selbstverantwortung sowie sozial verantwortlichem Gebrauch der persönlichen Freiheit durch häufiges und ausgeprägtes Dirigieren des Lehrers im Unterricht erheblich eingeschränkt (vgl. Tausch/Tausch 1998, S. 332; Krause 2006a; Mader 2006) .
Wer als Schüler im traditionellen Schul- und Bildungssystem Erfolg haben möchte, hat nolens volens einen Weg zu finden, den Ansprüchen der Lehrer gerecht zu werden. Er muss lernen, den Lernstoff so zu präsentieren, wie es die Prüfer hören und lesen möchten, um die Prüfung zu bestehen. Dieses prüfungsbezogene Lernen hat eine lediglich kurze Halbwertzeit und wird den gesellschaftlichen Anforderungen nicht gerecht, da hierdurch die Entwicklung der personalen und soziokommunikativen Kompetenzen marginalisiert wird (vgl. Heyse 1997, S. 116 ff.; Dohmen 1996, S. 1ff.; MSW 1998, S. 44 f.; Klafki 1999b, S. 46f.; Leidhold 2001, S. 429ff.).
Die immensen sozialen, technischen, ökonomischen und beruflichen Veränderungsprozesse machen es jedoch notwendig, dass die Schüler als aktiv und kritisch Lernende in ihrer Handlungskompetenz gestärkt werden. Eine solche Zielsetzung geht mit einer Abkehr vom traditionellen Lernbegriff und von der Belehrungskultur einher und rückt statt dessen die Konzipierung und Umsetzung von Lernsituationen in den Vordergrund, in denen Fragen, Erfahrungen und Probleme der Schüler eine prominente Rolle spielen und die auf den Erwerb von Fähigkeiten und Einstellungen im Sinne umfassender fachlicher und persönlicher Kompetenzen abzielen (vgl. Büscher 2006, S. 10 ff.; Jäger 2006, S. 6 - 39) .
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Das Modell der personenzentrierten Psychotherapie nach Carl Rogers
2.1. Menschenbild und Grundlagen des Konzeptes
2.2. Basisvariablen
2.2.1. Empathie
2.2.2. Kongruenz
2.2.3. Uneingeschränkte Akzeptanz
2.3. Die Rolle des Therapeuten in der Gesprächspsychotherapie
3. Charakteristika des personenzentrierten Lernens
4. Auswirkungen des personenzentrierten Lernens auf den Lehrer und dessen Arbeit
4.1 Auswirkungen auf Selbstverständnis und Rollendefinition
4.2 Aus-, Fort- und Weiterbildung zur Entwicklung der Personalkom- petenz
4.3 Veränderung der Schülerrolle
4.4 Auswirkungen auf den Unterricht
4.5 Schulorganisatorische Auswirkungen
5. Widerstände und Grenzen bei der Umsetzung personenzentrierten Unterrichts
6. Eklektizistisch-integrativer Ansatz aus Personenzentrierung und Lernzielorientierung
7. Resümee, Diskussion und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einführung
Der Auftrag der Schule in einer demokratischen Gesellschaft ist es unter anderem, den Lernenden zu unterstützen, Verantwortung zu übernehmen, Reflektionsfähig- keit, Solidarität und Toleranz zu üben, selbstbestimmt leben zu können und sich als Persönlichkeit zu entwickeln (vgl. Schulgesetz NRW 2006; Oelke 2005, S. 649 - 654)1. Jeder Mensch hat im kritisch-kommunikativen Sinne das Recht auf Bildung in Ausrichtung auf kommunikative Bildungsvollzüge (vgl. Klafki 1999a, S. 13 ff.). Der klassisch-dirigistische Schulunterricht hat jedoch zumeist ungünstige Auswir- kungen sowohl auf das unmittelbare als auch auf das spätere Verhalten von Schü- lern. So wird das Lernen von Selbstbestimmung, Selbstverantwortung sowie sozial verantwortlichem Gebrauch der persönlichen Freiheit durch häufiges und ausge- prägtes Dirigieren des Lehrers im Unterricht erheblich eingeschränkt (vgl. Tausch/Tausch 1998, S. 332; Krause 2006a; Mader 2006)2.
Wer als Schüler im traditionellen Schul- und Bildungssystem Erfolg haben möchte, hat nolens volens einen Weg zu finden, den Ansprüchen der Lehrer gerecht zu wer- den. Er muss lernen, den Lernstoff so zu präsentieren, wie es die Prüfer hören und lesen möchten, um die Prüfung zu bestehen. Dieses prüfungsbezogene Lernen hat eine lediglich kurze Halbwertzeit und wird den gesellschaftlichen Anforderungen nicht gerecht, da hierdurch die Entwicklung der personalen und soziokommunikati- ven Kompetenzen marginalisiert wird (vgl. Heyse 1997, S. 116 ff.; Dohmen 1996, S. 1ff.; MSW 1998, S. 44 f.; Klafki 1999b, S. 46f.; Leidhold 2001, S. 429ff.).
Die immensen sozialen, technischen, ökonomischen und beruflichen Veränderungs- prozesse machen es jedoch notwendig, dass die Schüler als aktiv und kritisch Ler- nende in ihrer Handlungskompetenz gestärkt werden. Eine solche Zielsetzung geht mit einer Abkehr vom traditionellen Lernbegriff und von der Belehrungskultur ein- her und rückt statt dessen die Konzipierung und Umsetzung von Lernsituationen in den Vordergrund, in denen Fragen, Erfahrungen und Probleme der Schüler eine prominente Rolle spielen und die auf den Erwerb von Fähigkeiten und Einstellungen im Sinne umfassender fachlicher und persönlicher Kompetenzen abzielen (vgl. Büscher 2006, S. 10 ff.; Jäger 2006, S. 6 - 39)3.
Dieser Bezug zu biografischen und umfeldbezogenen Erfahrungen der Schüler wird von etlichen Bildungspolitikern seit Jahren gefordert. Jedoch sind Bildungsreformen nur dann erfolgreich, wenn sie von möglichst vielen Beteiligten mitgestaltet und mitgetragen werden (vgl. Bk NRW 1995, S. XIV; Fischer 2001, S. 423; Rau 1995, S. V; Speth/Klein 2000, S. 30 ff.; Breit/Weisseno 1997, S. 295 ff.).
Meine eigene Unzufriedenheit als Lehrer mit dem vornehmlich auf fachliche Effektivität, rigide Durchstrukturierung und operationalisierbare Lernziele zielenden Unterricht macht meine persönliche Motivation deutlich, nach anderen Methoden und Wegen im Unterricht und in der Schule zu suchen.
Das pädagogische Profil einer guten Schule zeigt sich vor allem in den menschli- chen Beziehungsqualitäten zwischen Lehrern und Schülern, die der humanistische Psychologe Carl Rogers mit seinem personenzentrierten Ansatz wissenschaftlich beschrieben und evaluiert hat. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass das gu- te Lernklima einer Schule vornehmlich auf dem Erfahren positiver Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern beruht (vgl. Groddeck 1998, S. 54 ff.; Aurin 1990, S. 76ff.)4.
In dem Konzept von Rogers ist die Pädagogenrolle nicht als die eines Experten und Fachlehrers angelegt, sondern als Lernhelfer, Lernberater, Lernbegleiter und Mitlernender, wobei zugleich die Therapeutenrolle transzendiert wird, die er eher als konkretes personales Gegenüber denn als die eines beziehungsabstinenten Experten konzipiert (vgl. Groddeck 1998, S. 109).
In dieser Bachelorarbeit möchte ich das Werk von Carl Rogers und die Quintessenz seiner Aussagen zur Erziehung, zum Lernen und zum Unterricht in der Schule, die Konsequenzen für den einzelnen Lehrer in seiner Rolle, die Grenzen seiner Um- setzbarkeit und die Möglichkeit der Integration in bereits bestehende Lehr-Lern- Konzepte wie die Lernzieldidaktik darlegen5.
2. Das Modell der personenzentrierten Psychotherapie nach Carl Rogers
2.1 Menschenbild und Grundlagen des Konzeptes
Das Modell der personenzentrierten Psychotherapie und Beratung geht auf den amerikanischen humanistischen Psychologen Carl Rogers (1902 - 1987) zurück. Beeinflusst wurde sein Modell durch die Existenzphilosophie von Soren Kierkegaard und Martin Buber6, die von Kurt Lewin vertretene Gestaltpsychologie und den Freudschüler Otto Rank (vgl. Egger 2006)7.
Insbesondere exponierte Vertreter der Reformpädagogik wie Maria Montessori, Rudolf Steiner und Célestin Freinet befürworteten die Kindzentriertheit und Ermög- lichung von Freiheit im Rahmen von Erziehung und Unterricht ebenso wie Carl Ro- gers (vgl. Montessori 1992, S. 235 ff.; Steiner 1992, S. 252 ff.; Carlgren 1996, S. 263; Freinet 1981, S. 93ff.; Teigeler 1994, S. 114ff.; Röhrs 1994, S. 11f.)8. Wenn auch die Bewegung der humanistischen Psychologie in gewisser Weise als eine legitime Weiterführung der reformpädagogischen Strömungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstanden werden kann, so hätte sich Carl Rogers selbst sicherlich nicht als Reformpädagoge verstanden, zumal ihm diese Tradition nicht explizit be- kannt war (vgl. Groddeck 1998, S. 52; Wallace 1994, S. 141 ff.)9. Ausgangspunkt seines Konzeptes ist ein Menschenbild humanistischer Provenienz, das geprägt ist durch Autonomie, soziale Interdependenz, Selbstverwirklichung, Ziel- und Sinnorientierung und Holismus von Soma, Psyche und Geist (vgl. Wör- mann 2003, S. 65)10.
Der personzentrierte Ansatz kennt keinen gravierenden Unterschied zwischen so genannten gesunden, beeinträchtigten und kranken Personen, wodurch die Anwendbarkeit - im Gegensatz zu anderen Therapieschulen - auch außerhalb der Psychotherapie und des klinischen Bereiches fundiert wurde (vgl. Frenzel 2001, S. 382)11. Eine Grundprämisse des Konzeptes ist die Überzeugung, dass jeder Mensch die Fähigkeit besitzt, eigene Lösungen für seine Probleme zu finden, wobei ihn der Therapeut in einem offenen, nicht vorstrukturierten System protegiert (vgl. Krech et al. 1992a, S. 147; Dörner/Plog 1996, S. 566).
Das Konzept basiert zum einen auf einer Aussage über die so genannte Personen- zentrierte Haltung und über das wirkungsvolle Eingehen auf Klienten, und zum an- deren auf einer Hypothese über die Natur des Menschen, die so genannte Aktuali- sierungstendenz und die Selbstaktualisierungstendenz des Organismus, welche als wichtigste Triebfedern menschlichen Erlebens und Verhaltens angesehen werden. Es sind die Tendenzen des Organismus, sich zu erhalten und zu entfalten. In diesem genuinen Streben ist der Mensch grundsätzlich konstruktiv, sozial und intelligent. Diese Tendenzen bewirken,
- dass der Mensch intrinsisch motiviert ist zu wachsen, und
- dass er seine körperlichen und geistigen Möglichkeiten zu leben und entwickeln sucht (vgl. Rogers 1983b, S. 422 ff.; Schlee 1998, S. 64 - 66)12.
Aus den Erfahrungen mit sich und der Welt entwickelt sich das Ich oder Selbst und die Auffassung von der eigenen Person, das Selbstkonzept. Ziel eines Organismus ist es nach Rogers nicht, nach Lust zu streben und Schmerz zu vermeiden, sondern er ist bemüht, seine eigene Organisation aufrechtzuerhalten und somit seinem Selbstkonzept zu entsprechen (vgl. Biermann-Ratjen et al. 2003, S. 13). Störungen und Probleme entstehen nach Rogers dadurch, dass die Erfahrungen und Gefühle nicht mit dem Selbstkonzept des Betroffenen übereinstimmen und somit inkongruent sind. Diese Gefühle und Erfahrungen können nicht mehr als Richt- schnur für die eigenen Handlungen dienen. Wird eine Erfahrung in dieser Weise als Interferenz für das Selbstkonzept erlebt und kann dieses Konzept nicht modifiziert werden, dann wird eine solche Erfahrung entweder abgewehrt, negiert oder verzerrt. Während bei der Leugnung die Erfahrung und damit der in ihr repräsentierte Teil der Realität vollständig vom Bewusstsein ausgeschlossen werden, kommt bei der Bedeutungsverzerrung diese zwar ins Bewusstsein, jedoch in einer Form, die an das Selbst adaptiert ist (vgl. Schmidtchen 1991, S. 62 ff.; Grabisch 2006, S. 34; Schelp 1985, S. 234)13.
Zu den Wertvorstellungen innerhalb des Selbst oder des Selbstkonzeptes gehören auch solche, welche eine Wunschvorstellung der eigenen Person darstellen. Dieses Selbst-Ideal kann mit dem Selbstkonzept mehr oder minder kongruent respektive diskrepant sein. Das Ausmaß dieser Übereinstimmung oder der Deviation gehört zu den wichtigsten Prozessvariablen in der Beratung (vgl. Rogers 1967c, S. 13 - 28).
2.2 Basisvariablen
Die folgenden drei Basisvariablen (central conditions) charakterisieren die personenzentrierte Haltung und sollen den therapeutischen Prozess positiv unterstützen (vgl. Zimring 2006; Keil 2001, S. 119 ff.):
- Empathie oder Einfühlendes Verstehen der Welt und Probleme des Klienten und seiner Ressourcen,
- Kongruenz, Echtheit, Authentizität der verbalen und nonverbalen Mitteilungen, und
- Uneingeschränkte Akzeptanz und wohlwollende Wertschätzung gegenüber dem Klienten mit seinen Eigenheiten und Schwierigkeiten.
Eine Fülle mehrfach replizierter empirischer Forschungsergebnisse aus dem ameri- kanischen und deutschsprachigen Raum hat eindrucksvoll belegt, dass diese Basis- variablen sowohl in personenzentrierten Einzel- als auch in Gruppenpsychothera- pien bei der Unterstützung des therapeutischen Prozesses signifikant wirksam sind (vgl. Grawe 2000, S. 57; Rahn/Mahnkopf 1999, S. 167; Sachse 1992, S. 406ff.)14.
2.2.1 Empathie
Empathie bedeutet, dass sich der Therapeut darum bemüht, die Gefühls-, Wahr- nehmungs- und Erfahrungswelt des Klienten aus dessen Perspektive zu sehen und ihm das Wahrgenommene möglichst präzise und konkret über aktives Zuhören und Feedback mitzuteilen15. Das aktive Zuhören und Verbalisieren der emotionalen Er- lebnisinhalte des Klienten mit eigenen Worten bieten dem Therapeuten die Mög- lichkeit zu überprüfen, ob er den Klienten verstanden hat. Der Klient kann in dieser Zeit seine Gedanken und Gefühle präzisieren und Missverständnisse korrigieren (vgl. Sachse 1992, S. 39 ff.; Wawrinowski 1997, S. 342; Rogers 1991e, S. 235ff.)16.
Gewöhnlich erleben Menschen ein bewertendes Verständnis durch andere Menschen. Wenn der Therapeut hingegen den Klienten zu verstehen versucht, ohne analysieren oder beurteilen zu wollen, kann ein Klima des Wachsens der Persönlichkeit entstehen (vgl. Rogers 1967d, S. 93)17.
In der Gesprächstherapie bedeutet dies, dass sich der Therapeut bei jeder Äußerung des Klienten vergegenwärtigt, wie die jeweils darin ausgedrückte phänomenale Welt des Klienten aussieht und sich für ihn anfühlt (vgl. Lasogga 1994, S. 58 f.). Rogers meint dazu:
„When the client’s world is clear to the counselor and he can move about in it freely, then he can both communicate his understanding of what is vaguely known to the client, and he can also voice meanings in the client’s experience of which the client is scarcely aware. It is the kind of highly sensitive empathy which seems important in making it possible for a person to get close to himself and to learn, to change and develop.” (Rogers 1961, S. 93)
2.2.2 Kongruenz
Kongruenz bezeichnet die Übereinstimmung der Gefühle und Gedanke des Thera- peuten mit seinen Verhaltensweisen gegenüber dem Klienten. Der Therapeut sollte das, was er erlebt und empfindet, deutlich werden lassen und in die Beziehung zum Klienten mit einbringen, so dass auch für diesen die Situation überschaubar und transparent wird (vgl. Rogers 1976, S. 74). Wenn der Therapeut anderes empfindet, als er sich selbst gegenüber zuzugeben bereit ist, so wird er dies unterschwellig durch Tonfall, Gestik oder Mimik mitteilen. Dadurch bekommt der Klient zum einen die verbale Botschaft, gut verstanden zu werden, und zum anderen die nonverbale Mitteilung von Abwehr, so dass die Kommunikation gestört ist. Inkongruenz liegt also dann vor, wenn eine Person Schwierigkeiten überspielt, anstatt sie an- und auszusprechen, sich defensiv verhält, sich inhaltlich anders ausdrückt, als es ihrem Verhalten entspricht, pseudo-empathisch vorgibt, etwas zu verstehen, eine unsichtbare Mauer aufrichtet und dies negiert (vgl. Schmid 1995, S. 124; Tscheulin 2006). Kongruentes Verhalten in großem Ausmaße zu erreichen ist schwierig. Es bezieht sich nach Rogers ausschließlich auf die eigene Person:
„But this is not nearly as simple as it sounds. To be genuine, or honest, or congruent, or real, means to be this way about oneself. I cannot be real about another, because I do not know what is real for him. I can only tell - if I wish to be truly honest - what is going on in me.” (Rogers 1969, S. 113)
Dieses Diktum ist für die therapeutische Beziehung wichtig, weil es dem Therapeuten die Möglichkeit eröffnet, sich selbst und den Klienten besser zu verstehen (vgl. Rogers 1967b, S. 186; Ripke 1991, S. 219).
2.2.3 Uneingeschränkte Akzeptanz
Uneingeschränkte Akzeptanz bedeutet, dass es keine Bedingungen für das Akzep- tieren des Klienten durch den Therapeuten gibt. Der Therapeut zeigt eine warme, positive und akzeptierende Attitüde gegenüber den Gefühlen und den Gedanken des Klienten und kümmert sich um den Klienten auf eine nicht-besitzergreifende Art (vgl. Biermann-Ratjen et al. 2003, S. 23; Grabisch 2006, S. 32)18. Der Klient hat nicht mehr das Bedürfnis, seine negativen Gefühle verteidigen und seine positiven Gefühle überbewerten zu müssen. In dieser Situation können Ein- sicht und Selbstverstehen spontan zutage treten. Durch die Achtung des Therapeu- ten erlangt der Klient wieder mehr Selbstachtung. Spürt er jedoch, dass er nicht oh- ne Bedingungen akzeptiert wird, stagniert er im Prozess der Selbstexploration (vgl. Rogers 1972, S. 44 f.). Das Gefühl der unbedingten Wertschätzung dem Klienten gegenüber ist auch ein Indikator dafür, dass der Therapeut den Klienten empathisch verstanden hat und dabei kongruent geblieben ist (vgl. Biermann-Ratjen et al. 2003, S. 22; S. 29).
2.3 Die Rolle des Therapeuten in der Gesprächspsychotherapie
In der personenzentrierten Gesprächsführung hilft der Therapeut dem Klienten, sei- ne Probleme selbständig zu erkennen, zu lösen und für sich und seine Problemlö- sung Verantwortung zu übernehmen. Der Therapeut katalysiert den Selbsterfor- schungsprozess beim Klienten, indem er versucht, eine Atmosphäre der Akzeptanz zu generieren, in welcher der Klient es wagen kann, seinen bisher abgelehnten Ge- fühlen zu begegnen19. Der Klient entwickelt sich in Richtung auf ständige Verände- rungsbereitschaft und Flexibilität, auf Unmittelbarkeit der Gefühle und Erfahrung und auf die Bereitschaft hin sie zu akzeptieren. Er verändert sich in Richtung auf ei- ne provisorische Interpretation, auf die Entdeckung eines sich verändernden Selbst in der eigenen, sich verändernden Erfahrung, auf die Wirklichkeit von Beziehungen und auf die Einheit und Integration des Sich-Verhaltens (vgl. Rogers 1976, S. 78)20. Ein kurzer Auszug mag die Auffassungen von Rogers veranschaulichen:
„We have come to recognize that if we can provide understanding of the way the client seems to himself at this moment, he can do the rest. The therapist must lay aside his preoccupation with diagnosis and his diagnostic shrewdness, must discard his tendency to make professional evaluations, must cease his endeavors to formulate an accurate prognosis, must give up the temptation subtly to guide the individual, and must concentrate on one purpose only; that of providing help at this moment by the client as he explores step by step into the dangerous areas which he has been denying to consciousness.“(Rogers 1951, S. 64)
Ein Therapeut muss ausgeglichen, flexibel und sich seiner selbst und seiner Gefühle weitestgehend bewusst sein. Das bedeutet nicht, dass der Therapeut immer mitteilt, was ihn bewegt, wohl aber wichtige Gedanken und Gefühle äußert, welche die In- teraktionen zwischen Therapeut und Klient beeinträchtigen könnten (vgl. Aletter 2006, S. 54; Tausch 2006, S. 19 f.; Rogers 1991c, S. 172f.). Diese so genannte Se- lektive Authentizität trägt dazu bei, die Beziehung durch die Möglichkeit der Äuße- rung negativer Gefühle zu stabilisieren (vgl. Schmid 1995, S. 125 f.). Die relative psychische Gesundheit des Therapeuten ist für jede Psychotherapie günstig, d. h. der Therapeut sollte möglichst wertschätzend, kongruent und empa- thisch sein können21. Der Gesprächspsychotherapeut wird durch Eigentherapie, Selbsterfahrung in Gruppen und Supervisionen auf seine Tätigkeit vorbereitet und begleitet, um die Basisvariablen in möglichst großem Umfang persistierend zu etab- lieren und ihre Ausprägung möglichst zu steigern (vgl. Meier 1998, S. 228 ff.; A- rens 1998, S. 207; Becker 1994b, S. 136; Frank 1999, S. 327ff.)22.
3. Charakteristika des personenzentrierten Lernens
Der personenzentrierte Ansatz der Gesprächspsychotherapie kann auf Erziehung, Lehren und Lernen direkt übertragen werden23. Rogers hat dies selbst demonstriert:
„If the creation of an atmosphere of acceptance, understanding, and respect is the most effective basis for facilitating the learning which is called therapy, then might it not be the basis for the learning which is called education? If the outcome of this approach to therapy is a person who is not only better informed in regard himself, but who is better able to guide himself intelligently in new situations, might a similar outcome be hoped for in education? It is questions of this sort which plague the counselor who is also a teacher.” (Rogers 1951, S. 384)
Traditionell hat jedoch die Schule vorrangig die Aufgabe, fachliches Wissen und Bildung zu vermitteln. Dies gilt insbesondere für die gymnasiale Oberstufe24. Der Profession des Lehrers nicht zugedachte Tätigkeiten wie Beratung und Beziehungs- pflege seien hingegen eher als unprofessionell einzustufen und abzulehnen. Diese Meinung basiert auf der Prämisse der erfolgreich bewältigten Primärsozialisation der Schüler im intakten Sozialraum Familie. Schüler sollen demnach als Lernobjek- te und nicht als Subjekte mit einzigartiger Entwicklung und spezifischen Talenten, Interessen und Problemen gesehen werden. Ähnlich seien auch die Lehrer zu sehen, welche als Fachlehrer systematisch und fachlich-inhaltlich agieren sollen (vgl. Rös- ner 1999, S. 97; Schön 1998b, S. 16 f.).
Rogers meint, dass ein großer Teil der Lehrer vor dem Hintergrund dieses Lehr- Lern-Bildes annehmen, dass Schülern nicht zu trauen sei und deshalb vom Lehrer kontrolliert, motiviert, instruiert, informiert und diszipliniert werden müssten25. Diametral dazu baut der personenzentrierte Ansatz auf einem Grundvertrauen in den Schüler auf. Dieser habe demnach den Wunsch alles zu lernen, was sein Selbst er- hält und erhöht und wachse unter der Bedingung einer günstigen Lernatmosphäre. Die Ausgangsfrage des Lehrers lautet dementsprechend nicht, wie er die Schüler zur Steuerung von Lernprozessen motivieren kann. Der Lehrer versucht stattdessen zu eruieren, wo und wie die Schüler leben und woran sie interessiert sind (vgl. Rogers 1978, S. 18 ff.; Rogers 1983b, S. 372; Rogers 1991a, S. 241).
Ähnlich der Therapie ist auch das personenzentrierte Lehren und Lernen nicht als Technik, sondern als ein System von Einstellungen und Werthaltungen zu verstehen und als solches auch umzusetzen (vgl. Lasogga 1994, S. 61 f.). Der Weg zum anderen Menschen erfolgt nach diesem Ansatz sehr individuell und ist nicht durch eine standardisierte Methode zu erreichen (vgl. Sauter 1999, S. 45)26.
[...]
1 Im Schulgesetzt von Nordrhein-Westfalen steht hierzu u. a. Folgendes: „§ 2 Bildungs- und Erzie- hungsauftrag der Schule ... (3) Die Schule vermittelt die zur Erfüllung ihres Bildungs- und Erzie- hungsauftrags erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen und be- rücksichtigt dabei die individuellen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. Sie fördert die Entfaltung der Person, die Selbstständigkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl, die Natur und die Umwelt. Schülerinnen und Schüler werden befähigt, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten “(Schulgesetz NRW 2006) Im neuen, kommenden Schulgesetz will NRW erstmals einen Rechtsanspruch des Schülers auf individuelle Förderung verankern (vgl. Voss 2006).
2 Näheres ist bei den Studien von Höder et al. (1975), Spanhel et al. (1975), Nickel/Dumke (1970), Joost (1976), Klyne (1976), R. Tausch (1962) und weiteren Untersuchen zu erfahren (vgl. Tausch/Tausch 1998, S. 337 ff.).
3 Entscheidende Faktoren der Veränderungen sind die Wissensexplosion, die rasche Wissensalterung und der nicht prognostizierbare Wissensbedarf. Viele Unternehmen fordern von der Institution Schule, dass sie sich von statischen und rein abprüfbaren Bildungsinhalten verabschieden und pro- zesshaften Vermittlungsmethoden Raum geben, da vernetztes Denken, Problemlösungsstrategien und gesellschaftlich relevantes Wissen zunehmend gefragt seien (vgl. Jäger 2006, S. 6).
4 In diesem Kontext sind vor allem die Studien von Aurin/Schwarz/Thiel (1986), Roeder/Schümer (1986), Roeder (1987), Haenisch (1986) und Fend (1986) zu nennen (vgl. Aurin 1990, 76ff.).
5 Ich werde mich aufgrund der Vorgabe zur Reduktion bei der Abfassung der Bachelorarbeit auf ma- ximal 30 Seiten lediglich auf die weiterführende Schule der Sekundarstufe I und II konzentrieren. Rogers hat sein Konzept auch auf alle weiteren Schul- und Lernbereiche incl. Kindergarten, Grundschule und Universität bezogen.
6 Das Buch „Reden über Erziehung“von Martin Buber ist zu dieser Thematik sehr empfehlenswert (vgl. Buber 1960).
7 Rogers Ansatz steht der behavioristischen Psychologie mit ihren Vertretern wie B. F. Skinner, E. L. Thorndike und J. B. Watson ablehnend gegenüber, da diese annehmen, dass alle auf das Verhalten einwirkende Ursachen außerhalb des Individuums - der „black box“- liegen und Verhalten erst durch externe Stimuli entsteht („Lernmaschine mit zu messenden In- und Outputs“). Im Behavio- rismus, im Positivismus, Determinismus und in der Lerntheorie der operanten Konditionierung kann die ursprüngliche Begründung der Lernzielorientierung im Unterricht gesehen werden (vgl. Rogers 1991d, S. 259; Lloyd/Mayes 1990, S. 708 ff; Funke 2006, S. 156; Kron 1993, S. 256ff.; Sprinthall/Sprinthall 1990, S. 227ff.). Die Humanistische Psychologie der 50er und 60er Jahre kann als Gegenbewegung, als „Dritte Kraft“(Abraham Maslow), zu den beiden damals vorherr- schenden Ausrichtungen der amerikanischen Psychologie, dem Behaviorismus und der Psychoana- lyse eingeordnet werden (vgl. Karmann 1987, S. 18 - 42). Interessant sind Diskussionen über die Nähe der Humanistischen Psychologie zur Theorie der kognitiven Entwicklung von Piaget und zum Konstruktivismus (vgl. hierzu Slavin 2000, S. 256ff.; Eggen/Kauchak 1999, S. 53ff.; Child 1993, S. 167; Kohler 2001, S. 100; Dichanz/Eubel/Schwittmann 1997, S. 152 - 156).
8 Während bei Montessori und bei Steiner ein vielfältig methodisch ausgefeiltes Material entwickelt wurde, das auf der einen Seite Anregung und Wegweisung, auf der anderen Seite aber auch Einen- gung und Dogmatismus bedeuten kann, finden wir bei Rogers diese Systematik und praktische An- leitung nicht (vgl. Sauter 1999, S. 45).
9 Sachse führt hierzu kritisch aus, dass die so genannte Humanistisch-existentialistische Gesprächs- psychotherapie, wie sie vor allem von Rogers in späteren Arbeiten vertreten wird, in dieser Kon- zeption eine Therapieform sei, die den professionellern Rahmen sprenge und Weltanschauungen und alternative Lebensformen einschließe. Das therapeutische Handeln sei als Ausdruck eines Lebensstils aufgefasst (vgl. Sachse 1992, S. 23).
10 Evident sind Parallelen zum transaktionsanalytischen Ansatz von Eric Berne (vgl. ITAA 2006; Ja- noth 2005, S. 49 ff.). Auch sind Gemeinsamkeiten mit anderen Verfahren der Humanistischen Therapie zu nennen, so die Gestalttherapie nach Perls, Gestaltpädagogik nach Goodman, das Psy- chodrama nach Moreno und die Logotherapie nach Frankl (vgl. Karmann 1987, S. 91 - 163; S. 208ff.; Zimbardo/Gerrig 2004, S. 730ff.).
11 Der personzentrierte Ansatz hat mittlerweile eine Vielzahl von Lebens- und Arbeitsbereichen wie Beratung, Supervision, Allgemeinmedizin, Sozialarbeit, Politikwissenschaften, Organisationspsy- chologie, Wirtschaft, Philosophie, Theologie, Sport, Ökologie, psychiatrische Pflege, Heil- und Sonderpädagogik, Jugendhilfe, Hospizarbeit, Ethik und Kunst zum Teil substanziell beeinflusst (vgl. Kleve 2006; Motschnig-Pitrik/Nykl 2006; Sauter et al. 2006, S. 327ff.; Pörtner 2006; Groddeck 2006b; Zoske 2006). In der Psychiatrie ist die klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie insbesondere bei Anpassungsstörungen, Neurosen und zur Krisenintervention indiziert (vgl. Gleixner et al. 2002, S. 321; Olbrich 2003, S. 297ff.).
12 Um mit einer Metapher zu sprechen ist der Berater ein Gärtner, der eine Blumenzwiebel zur Blüte bringen möchte, wobei seine Aufgabe lediglich darin bestehen kann, möglichst optimale Bedin- gungen für das Wachstum der Pflanze mit Licht, Wärme, Erdreich und Feuchtigkeit zu bereiten. Er hat dabei keinen direkten Einfluss auf das Aussehen der Pflanze, wohl aber darauf, wie viel von dem aus der Pflanze werden kann, was schon in ihr an Potential angelegt ist. Werden diese förder- lichen Bedingungen immer wieder angeboten, kann der Gärtner nur mit Geduld abwarten, sollte aber keinesfalls versuchen, auf den Prozess direkt und gewaltsam einzuwirken (vgl. Schmid 1995, S. 102 f.).
13 Illeris sieht hier prominente Gemeinsamkeiten mit den Konzepten des schweizerischen Entwicklungspsychologen Jean Piaget und des dänischen Psychologen Thomas Nissen: „If we maintain the parallel between „significant learning“and accommodation and transformation, this leads to the assertion that changes in the self occur through accommodative and transformative processes concerning the organised, consistent conceptual whole, which structures the individual’s perception of him- or herself and others, and of various aspects of life. This is therefore a specific type of accommodation characterized by the involvement of self-experience and self-relationing, i. e. the individual relates himself to himself…” (Illeris 2004, S. 94f.)
14 Patterson schreibt hierzu: “Research on empathy, warmth and genuineness, known as the core conditions of the counseling and psychotherapy relationship, is voluminous. It constitutes a body of research which is among the largest for any topic of similar size in the field of psychology.”
(Patterson 2006, S. 1) Rogers selbst führt dazu aus: “Keine andere Art von Psychotherapie wurde so gründlich mit Methoden empirischer Forschung untersucht wie die klientenzentrierte Therapie. Die Untersuchungen sind zu zahlreich, als dass sie im Detail aufgeführt werden könnten.“(Rogers 1991b, S. 220ff)
15 Rogers meint hierzu: “It would simply mean that before presenting your own point of view, it would be necessary for you to really achieve the other speaker’s frame of reference - to understand his thoughts and feelings so well that you could summarize them for him.” (Rogers 1961, S. 332)
Die sinnvollen Grundregeln des Feedbacks und ihre Anwendung können bei RECHT nachgelesen werden (vgl. Recht 1995, S. 52).
16 Thomas Gordon - ein psychotherapeutischer Kollege von Rogers an der Universität in Chicago - führt zum Zuhören Folgendes aus: „In work with various groups it has been sobering to observe how little the members attend to what others say. Without attention there can be no understanding and hence no communication. Apparently the act of attending carefully to another person is a difficult task for most people. They are usually thinking what they will say when the speaker stops. Or they focus on some specific point made by the speaker and then fail to attend to the rest because they are thinking up arguments against the specific point.” (Gordon 1951, S. 349) Diese Aussage könnte nach meiner Meinung auch aus der heutigen Zeit entstammen.
17 Das Aktive Zuhören ist eine Kompetenz, die nur schwierig zu erreichen ist, wie Rogers und Farson ausführen: „Active listening is not an easy skill to acquire. It demands practice. Perhaps more important, it may require changes in our own basic attitudes. These changes come slowly and sometimes with considerable difficulty. Let us look at some of the major problems in active listening and what can be done to overcome them. To be effective at all in active listening, one must have a sincere interest in the speaker. We all live in glass houses as far as our attitudes are concerned. They always show through. And if we are only making a pretense of interest in the speaker, he will quickly pick this up, either consciously or unconsciously. And once he does, he will no longer express himself freely. Active listening carries a strong element of personal risk. If we manage to accomplish what we are describing here—to sense deeply the feeling of another person, to understand the meaning his experiences have for him, to see the world as he sees it—we risk being changed ourselves…To get the meaning which life has for him—we risk coming to see the world as he sees it. It is threatening to give up, even momentarily, what we believe and start thinking in someone else’s terms. It takes a great deal of inner security and courage to be able to risk one’s self in understanding another. We are so accustomed to viewing ourselves in certain ways—to seeing and hearing only what we want to see and hear—that it is extremely difficult for a person to free himself from his needs to see things these ways. To do this may sometimes be unpleasant, but it is far more difficult than unpleasant. Developing an attitude of sincere interest in the speaker is thus no easy task. It can be developed only by being willing to risk seeing the world from the speaker’s point of view. If we have a number of such experiences, however, they will shape an attitude which will allow us to be truly genuine in our interest in the speaker.” (Rogers/Farson 2006)
18 Rogers machte die professionelle Distanz in der therapeutischen Beziehung deutlich: „It means a kind of love for the client as he is, providing we understand the word love as equivalent to the theologian’s term agape, and not in its usual romantic and possessive meanings. What I am describing is a feeling which is not paternalistic, nor sentimental, nor superficially social and agreeable. It respects the other person as a separate individual, and does not possess him. It is a kind of liking which has strength, and which is not demanding.” (Rogers 1961, S. 94) Jedoch auch Unprofessionelle können diese Haltung beherrschen: „Certainly one does not need to be a professional to experience this attitude. The best of parents show this in abundance, while others do not.” (Rogers 1967d, S. 95)
19 Die aktuelle Psychotherapieforschung sieht den Sinn von Psychotherapien ähnlich: „Aus einer so- zialwissenschaftlichen Perspektive besteht die zentrale Wirkung einer Psychotherapie nicht in der Heilung von spezifischen psychischen Störungen mit Krankheitswert, sondern in der systemati- schen Erweiterung von Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsmustern im biographischen und sozialen Kontext. Das wesentliche Ziel besteht darin, eine zu Therapiebeginn bestehende Dys- funktionalität … der personalen Schemata auf Wahrnehmungs-, Deutungs- und/oder Handlungs- ebene aufzuheben und dadurch die Fähigkeit zur Veränderung einer bestehenden Lebenssituation sowie langfristig zu einem flexiblen und konstruktiven Umgang mit neuen Lebenssituationen zu fördern. Auf diese Weise werden die Klienten befähigt, die eigenen Ressourcen aktiv einzusetzen und die Rahmenbedingungen ihrer sozialen und natürlichen Umwelt zu gestalten...“(Kühnlein 2002, S. 164)
20 Grawe macht es deutlich: „Ein gutes Therapieergebnis wird in Gesprächspsychotherapien also er- reicht, wenn der Patient das Umfeld der wichtigsten Intentionen, die seine gegenwärtige Lebenssi- tuation bestimmen, ausgiebig reflektiert, und zwar nicht in intellektuell-rationaler Weise, sondern so, dass er sich dabei mit seinen Intentionen identifiziert, was sich darin zeigt, dass er die dazugehörigen Gefühle erlebt.“(Grawe 2000, S. 82)
21 Empathie stellt - nach Rogers - den besten Einzelindikator psychischer Reife dar: „The immature person cannot permit himself to understand the world of another because it is different from his own and therefore threatening. Hence he cannot help but distort the thoughts and feelings of the other to make it less threatening to him. Only the individual who is reasonably secure in his own identity and selfhood can permit the other person to be different and unique, and can understand and appreciate that uniqueness. So I regard empathic ability as an important criterion for these two quite different reasons.” (Rogers 1969, S. 192)
22 An einer anderen Stelle macht Rogers deutlich, wie hoch der Anspruch für den Berater und Therapeuten - gerade bezogen auf die Umsetzung der Empathie - sein kann: „...counselor participation becomes an active experiencing with the client of the feelings to which he gives expression, the counselor makes a maximum effort to get under the skin of the person with whom he is communicating, he tries to get within and to live the attitudes expressed instead of observing them, to catch every nuance of their changing nature; in a word, to absorb himself completely in the attitudes of the other. And in struggling to do this, there is simply no room for any other type of counselor activity or attitude; if he is attempting to live the attitudes of the other, he cannot be diagnosing them, he cannot be thinking of making the process go faster. Because he is another, and not the client, the understanding is not spontaneous but must be acquired, and this through the most intense, continuous and active attention to the feelings of the other, to the exclusion of any other type of attention.” (Rogers 1951, S. 29)
23 Dies verdeutlicht Karmann folgendermaßen: „Therapeutische und pädagogische Prozesse sind trotz äußerer Unterschiede in ihrem Kern wesensmäßig gleich. Sie sind charakterisiert durch das Bemühen von Personen, anderen in ihrem Lernen und bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu fördern.“(Karmann 1987, S. 11)
24 Rösner beschreibt hierzu stellvertretend einen Beschluss der Kultusministerkonferenz von 1995 mit folgender Richtungsentscheidung: „Die allgemeine Hochschulreife bleibt die Abschlussquali- fikation der gymnasialen Oberstufe und berechtigt im Prinzip zum Zugang für alle Studiengänge...
Für die Studierfähigkeit sind insbesondere drei Fähigkeitsbereiche bedeutend: sprachlicher Ausdruck, verständliches Lesen komplexer fremdsprachlicher Sachtexte und sicherer Umgang mit mathematischen Symbolen und Modellen.“(Rösner 1999, S. 97; vgl. auch Bk Bayern 2006)
25 Evident sind Parallelen zum Behaviorismus von Skinner, der dargelegt hat, dass der Mensch nicht frei und entsprechend extern steuerbar sei (vgl. Karmann 1987, S. 35).
26 Rogers verhielt sich bei verschiedenen Personen sehr unterschiedlich. Bei der einen Person hörte er scheinbar nur zu, bei der anderen stellte er viele Fragen, bei der nächsten führte er ein Rollenspiel durch, wobei er bei allen zugewandt schien. Kritisch interpretierend muss Rogers vorgeworfen werden, dass er keine konkrete Leit- und Richtlinie zur Durchführung des personenzentrierten Ansatzes entwickelt und den Lehrern und Therapeuten eine sehr hohe Verantwortung überlassen hat (vgl. Sauter 1999, S. 45f.).
- Arbeit zitieren
- Karsten Hartdegen (Autor:in), 2006, Der personenzentrierte Ansatz von Carl Rogers im Schulunterricht und seine Auswirkungen auf die Lehrerrolle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205117
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