Schöpferproblematik in Frankenstein von Mary Shelley und James Whale


Seminararbeit, 2012

16 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

1. Die menschlichen Grenzen und deren Übertretung: Schöpfer als Gott

2. Darstellung der Technik

3. Gefährliche Unkontrollierbarkeit des Wissens

Nachwort

Literaturverzeichnis

Learn from me, if not by my precepts, at least by my example, how dangerous is the acquirement of knowledge, and how much happier that man is who believes his native town to be the world, than he who aspires to become greater than his nature will allow. (Frankenstein, 15)

Einleitung.

Das zentrale Thema der vorliegenden Arbeit ist Technik außer menschlicher Kontrolle, oder, anders formuliert, die falsche Nutzung des Wissens. Der Frankenstein-Roman ist ein sehr charakteristisches Werk dafür, wie ein Experiment misslingt, was auch der Grund ist, warum wir bis heute oft einen erfolglosen wissenschaftlichen Versuch mit dieser Romanfigur verbinden. Zuerst habe ich mich mit dem Roman von Mary Shelley beschäftigt, und zwar mit der Version von 1818. Im Roman habe ich zunächst die zentralen Punkte zu meiner Thematik gefunden, und darauf geachtet, wie diese im Text präsentiert sind. Als nächstes habe ich mich mit den Filmen beschäftigt, und zwar mit «Frankenstein» von James Whale (1931), und «Frankensteins Braut» des gleichen Regisseurs (1935), da ich die Thematik der Erotik nicht ausschließen wollte, und interessante Unterschiede zum ersten Film gefunden habe. Die zentralen Aspekte des Romans habe ich versucht im Film wiederzufinden und zu verstehen, warum sie so dargestellt sind.

Als positiv hat sich eherausgestellt, dass der Roman für mich die erste Begegnung mit der Frankenstein-Geschichte war; ich hatte keinen der Filme gesehen, bevor ich mich mit Shelleys Roman beschäftigt habe. Dann gab es manche überraschende Elemente im Film, wie z.B. die zahlreichen Anspielungen auf die Religion und besonders das Thema Auferstehung.

Die Geschichte ist bekannt und muss hier nicht ausführlich ausgebreitet werden; ein wesentlicher Unterschied zwischen Original und Filmfassung(en) ist, dass der Roman im 18. Jahrhundert, also in der Vergangenheit angesiedelt ist, während die Filme in der Gegenwart des 20. Jahrhunderts spielen.

Mein erster thematischer Schwerpunkt ist der Schöpfer und seine Beziehung zur Wissenschaft und zu seiner Schöpfung; da wir es mit einem Schöpfer zu tun haben, der sich wie Gott darstellt, werde ich insbesondere auf Elemente der Thematik Religion und Hybris eingehen. Im zweiten Kapitel wird untersucht, wie und ob Technik in beiden Medien dargestellt wird und die Wahl dieser Darstellung reflektiert. Zum Schluss konzentriere ich mich auf die Unkontrollierbarkeit der Technik und deren Einfluss auf die Gesellschaft.

1. Die menschlichen Grenzen und deren Übertretung: Schöpfer als Gott.

Die Hauptfigur ist Viktor bzw. Henry Frankenstein. In Mary Shelleys Roman erfahren wir alles über seine Herkunft, seine Familie und seine wissenschaftliche Laufbahn bis zum Zeitpunkt des Experiments. Seine Geschichte erzählt er Robert Walton, einem Kapitän, der die gleiche Neugier für das Unbekannte zeigt wie Frankenstein selbst. Nur dass Waltons Lust an Entdeckungen sich auf das Meer und die Reisen richtet, während Frankenstein sich für die mysteriöse Seite der Natur interessiert. Die Geschichte Frankensteins lesen wir in den Briefen Waltons an seine Schwester, und schon auf der Erzählebene zeigt sich die Komplexität des Textes: Walton schreibt seiner Schwester, was ihm Frankenstein erzählt, dessen Erzählung wiederum unterbrochen wird, als das Monster ihm seine Geschichte erzählt. Shelleys Text ist gleichzeitig ein Brief- und ein Reiseroman, der die romantische Erzählung mit Gotik und Horror kombiniert. Shelley stellt ausführlich die idyllische Kindheit Frankensteins dar, Szenen aus einem glücklichen Familienleben im Gegensatz zum Leben des «Monsters»: dieses hat nur einen «Vater», der sich später obendrein von ihm abwendet. Whale beginnt seine Erzählung, ohne sich mit der Vergangenheit und bisherigen Entwicklung Frankensteins aufzuhalten, zu einem Zeitpunkt, als das Experiment bereits in vollem Gange ist.

Für Shelley ist die historische Situation, in der Frankenstein wissenschaftliche Forschung betreibt, von zentraler Bedeutung: er lebt in einer Übergangsphase des wissenschaftlichen Fortschritts, nämlich dem 18. Jahrhundert, als die alchemistischen Schriften verworfen und neue Methoden und Techniken der Aufklärung eingeführt werden (z. B. Blutkreuzung). Im Roman wird die Wichtigkeit der Lektüren betont, also der theoretische Hintergrund, während Whale uns die instrumentale Seite der Wissenschaft zeigt, also die Praxis. Shelleys Frankenstein wird nach eigener Einschätzung von seinen ersten Lektüren stark beeinflusst. An der Universität realisiert er, dass er andere Bücher lesen muss, um den wissenschaftlichen Geist der Zeit zu erfassen. Er trifft zwei Professoren; der eine macht sich über ihn lustig, der andere sieht Potential in ihm. Es ist als ob Frankensteins Identität auf zwei Figuren aufgeteilt sei: es gibt eine Seite von ihm, die auf einen schlechten Wissenschaftler hinweist, weil er z. B. nicht die möglichen Implikationen seines Experiments bedenkt, und eine andere, die fortschrittliches Denken und Kreativität zeigt, er war nämlich der beste Student und hatte in kurzer Zeit schon viel erreicht und die Bewunderung seiner Kollegen und Professoren verdient.

Shelley schafft einen «geborenen Wissenschaftler». Frankenstein zeichnet schon als Kind eine unersättliche Neugier auf die unbekannte Seite des Lebens aus, und im Laufe der Zeit nehmen seine Interessen eine konkrete Form an. Er war nicht zufrieden mit dem Niveau der anderen Techniker oder Philosophen: es reichte ihm nicht zu wissen wie die Sachen sind und was es auf der Welt gibt, vielmehr wollte er herausfinden, warum die Natur so ist. Er begeht den Fehler, seine Experimente nicht verantwortlich und eingehend genug zu überdenken, er ist so enthusiastisch und überzeugt von seiner Erfindung, dass er nicht damit rechnet, etwas könnte dabei schief gehen. Eventuell klingt hier Shelley’s Kritik an den technischen Innovationen ihrer Zeit an, da es um den frühen Kapitalismus geht und gerade die Industrialisierung anfängt. Außerdem hat Frankenstein sich für seine Untersuchungen vor der Welt versteckt, besucht seine Heimatstadt nicht mehr und der Kontakt zur Familie ist abgebrochen. Dadurch entsteht die Frage, ob es nicht paradox ist, einerseits darauf zu arbeiten, Leben zu schenken und gleichzeitig andererseits sein eigenes Leben zu vergessen; man muss sich fragen, ob nun die Technik für die Menschen arbeiten soll oder umgekehrt. Darauf weist uns schon der Untertitel hin: Prometheus hat nach dem Mythos den Menschen erschaffen und der Menschheit das Wissen geschenkt, dagegen bringt Frankenstein, der moderne Prometheus, ein alles zerstörendes Wesen hervor; dies könnte bedeuten, dass der Begriff «modern» hier negativ besetzt ist. Außerdem riskiert Prometheus in der Mythologie nur sein eigenes Leben, und nicht das der Menschen, seiner Gechöpfe: im Gegenteil hinterlässt er der Menschheit als Vermächtnis seine Errungenschaften, von denen die Menschen nach seiner Bestrafung weiterhin profitieren, beispielsweise hat er ihnen er das Feuer geschenkt. Ganz im Gegenteil setzt Frankenstein die Sicherheit seiner Familie und der Gesellschaft aufs Spiel und hinterlässt ein Wesen, das den Menschen nur Negatives bringt. Nur teilweise erklärt sich das Bestreben Frankensteins, jede Krankheit und den Tod selbst besiegen zu wollen durch den frühen Tod der Mutter an einer unheilbaren Krankheit.

Beide Werke heben also die negativen Aspekte der Wissenschaft hervor. Wie wird jetzt der Wissenschaftler selbst präsentiert: wir haben schon die Rolle des «geborenen Wissenschaftlers» bei Shelley erwähnt, wir merken auch, dass Frankenstein sowohl im Roman als auch im Film, sich als «Vater» darstellt. Wenn Henry im Film aus Begeisterung und Stolz «It’s alive!» schreit, steht es im Roman so:

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Schöpferproblematik in Frankenstein von Mary Shelley und James Whale
Hochschule
Αριστοτέλειο Πανεπιστήμιο Θεσσαλονίκης - Thessaloniki
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V205149
ISBN (eBook)
9783656313755
ISBN (Buch)
9783656314776
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schöpferproblematik, frankenstein, mary, shelley, james, whale
Arbeit zitieren
Anastasia Mavridou (Autor:in), 2012, Schöpferproblematik in Frankenstein von Mary Shelley und James Whale, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205149

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Schöpferproblematik in Frankenstein von Mary Shelley und James Whale



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden