Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Vergleich des deutschen und des polnischen Erbschaftsteuerrechts
A. Erbanfallsteuer
B. Verkehrsteuer
C. Substanzsteuer
D. Subjektsteuer
III. Mögliche Fälle der Doppelbesteuerung
IV. Anwendung der Anrechnungsmethode
V. Fazit
VI. Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vergleichbare Grundtatbestände der Erbschaftsteuer in Deutschland und in Polen
Tabelle 2: Steuerklassen in Deutschland und in Polen
Tabelle 3 Steuerfreibeträge in Deutschland und in Polen
Tabelle 4: Steuersätze in Deutschland und in Polen
I. Einleitung
Die edelsten Vorsätze der Gesetzgeber verifiziert das Leben selbst. Heutzutage steht das Erbsteuerrecht auf dem Prüfstand. Im Lichte der europäischen Vereinigung zeigt es immer noch seine nationalen Züge wie kaum ein anderes Rechtsinstitut. Über Jahre hinweg diente es den nationalen Interessen am Erhalt des Vermögens innerhalb der in ermüdenden europäischen Kriegen erkämpften Grenzen. Das europäische Gericht sieht seine Bedeutung jetzt nur noch im freien Kapitalverkehr.[1] Die Literatur empfehlt den Vermögenden, ihr Vermögen ins Ausland zu transferieren, um im Erbfall das Optimum an steuerlichen Vergünstigungen zu erlangen.[2] Erstaunlicherweise ist jedoch die Darstellung des Todes und dessen Konsequenzen für den internationalen Erbfall ein relativ wenig beliebtes Thema der Publizisten.[3] In Deutschland wird oft der rechtzeitige Wegzug in die Schweiz oder nach Österreich diskutiert. Behandelt werden meistens die sog. westeuropäischen Erbfälle. Richtung Osten fällt kein Blick eines Sachkundigen. Dies mag verwundern, zumal auf Platz vier der meist gewählten Wegzugsziele eben nicht Großbritannien oder Griechenland steht, sondern Polen.[4] Im Rahmen dieser Arbeit soll die Besteuerung von Erbfällen im deutsch-polnischen Kontext erörtert werden. Die Vergleichbarkeit der steuerrechtlichen Erbfolgeregelungen beider Staaten steht im Fokus der Abhandlung. Die Anwendung der nationalen Vorschriften wie auch Gestaltungsmöglichkeiten der Vermögensübertragung im Wege eines Rechtsgeschäfts mortis causa werden angesprochen.
II. Vergleich des deutschen und des polnischen Erbschaftsteuerrechts
Die Internationalisierung von Menschen und Vermögen setzt sich fort und führt selbst nur in bilateralen Staatsbeziehungen zu zusätzlichen steuerlichen Fragestellungen. Am 14.05.2003 unterschreiben die BRD und die RP das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Das Abkommen tritt am 01.01.2005 in Kraft und regelt ab dem Zeitpunkt den Ort der Steuerpflicht im Fall der Einkommens-, Körperschafts- und Gewerbesteuer. Den Wunsch, ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern von der Erbschaft und Schenkung zu schließen, äußern beide Staaten jedoch bis heute nicht. Als Rechtsgrundlage für die Vermeidung bzw. Minderung des Doppelbesteuerungsrisikos gelten folglich nur die jeweiligen nationalen Gesetze. In einem deutsch-polnischen Erbfall lässt sich die Doppelbesteuerung lediglich auf unilateraler Ebene vermeiden. Die Anrechnungsmethode, der zufolge die im Ausland gezahlte Steuer auf die inländische Steuer angerechnet werden kann, ist in diesem Fall eine der wichtigsten Maßnahmen zur Reduzierung der Steuerbelastung. Im polnischen Erbschaftsteuerrecht ist die Anrechnung gemäß Art. 7 GESS herbeizuführen, denn hier muss die ausländische Steuer lediglich als mit dem Nachlass zusammenhängende Last oder Schuld qualifiziert werden. Das deutsche Erbschaftsteuerrecht lässt die Anrechenbarkeit der ausländischen Steuer gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 ErbStG nur dann zu, wenn die ausländische Steuer der inländischen entspricht. Dies sei, so die Literatur, anhand der wesentlichen Merkmale festzustellen.[5]
A. Erbanfallsteuer
Sowohl das deutsche als auch das polnische Erbrecht unterliegen der jeweiligen verfassungsrechtlichen Schutzgarantie. Art. 21 und Art 64 der polnischen Verfassung deklariert den Schutz des Eigentums- und Erbrechts für jeden in gleichem Maße. Einschränkungen dürfen gemäß Art. 64 Abs. 3 Verfassung lediglich im Wege der Gesetzgebung vorgenommen werden. Der polnische Gesetzgeber ist jedoch an das Übermaßverbot gemäß Art. 31 Abs. 3 Verfassung gebunden. Ähnliches trifft auf das deutsche Recht zu. Die entsprechenden Reglungen finden sich in Art. 14 GG. Im Lichte des deutschen und des polnischen Rechts sichert das Erbrecht folglich die Kontinuität des Eigentums. Das Gemeinwohlinteresse verpflichtet jedoch sowohl die polnischen als auch die deutschen Staatsbürger. Dies erklärt, warum die Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland und in Polen nicht an die Hinterlassenschaft des Erblassers sondern an die Bereicherung beim Erben anknüpft. Das Rechtsgeschäft mortis causa kommt dem Erben zugute und die neu erworbene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit führt beim Erben zur Entstehung neuer Pflichten im Sinne der Solidarität. Die entsprechenden Vorschriften finden sich in § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG und Art. 5 GESS.
B. Verkehrsteuer
Die Übertragung vom Vermögen auf Grundlage von zivilrechtlichen Rechtsgeschäften führt zur objektiven Steuerpflicht. Die Anrechnung der ausländischen Steuer in Deutschland ist gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 ErbStG lediglich in den Fällen § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG möglich. Die subjektive Steuerpflicht entsteht jedoch nur dann, wenn die Voraussetzungen der steuerpflichtigen Vorgänge erfüllt werden. Die objektive Steuerpflicht regelt in Deutschland § 1 Abs. 1 ErbStG und in Polen - Art. 1 Abs. 1 GESS. Da das polnische Erbschaftsteuerrecht die Zuwendungen nicht kennt, ergeben sich nur die Erwerbe von Todes wegen und die Schenkungen unter Lebenden als Grundtatbestände, die eine Anrechnung der deutschen Erbschaftsteuer in einem Erbfall zwischen den beiden Staaten erlauben.
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Tabelle 1: Vergleichbare Grundtatbestände der Erbschaftsteuer in Deutschland und in Polen
Jegliche Bewegungen der Vermögensmasse, welche die Voraussetzungen der in Tabelle 1 genannten Tatbestände erfüllen, dürfen vom polnischen wie auch vom deutschen Staat besteuert werden.
C. Substanzsteuer
Sowohl die polnische als auch die deutsche Erbschaftsteuer ist aus dem vorhandenen Vermögen zu entrichten. Der Wert dieser zu besteuernden Vermögensmasse wird allerdings von beiden Rechtsordnungen unterschiedlich zu bestimmen sein. Allein die Bewertung und Privilegierung mancher Sachverhalte im jeweiligen nationalen Steuerrecht impliziert die Notwendigkeit steuerlicher Gestaltung.
Nicht zu unterschätzen ist ratio legis des Gesetzgebers bei der Auslegung der Normen bezüglich der Steuerbegünstigungen.[6] Eine Wertangabe ist stets Wiedergabe dessen, was der den Wert Angebende als vernünftig und somit gut erkennt.[7] Die besondere steuerliche Behandlung bestimmter Wirtschaftsgüter stellt stets eine Abweichung von den allgemeinen Regeln der Besteuerung dar und impliziert somit Intentionen des Gesetzgebers. Die industrielle Prägung der deutschen Gesellschaft findet ihre Widerspiegelung in dem am 1.01.2009 in Kraft getretenen Erbschaftsteuerreformgesetz. Der deutsche Gesetzgeber ist der Meinung, er habe hierbei die Voraussetzungen für einen steuerbegünstigten Unternehmensübergang bei einer langfristigen Fortführung der Unternehmen unter Sicherung der betrieblichen Arbeitsplätze geschaffen.[8] Auf Grund der Privilegierung des Betriebsvermögens in §§13a ff ErbStG rücken die gesellschaftsrechtlichen Regelungen wie z. B. die gewerbliche Prägung einer Personengesellschaft durch Einlage des Privatvermögens in eine GmbH & Co. KG in den Vordergrund der Gestaltung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolgen.[9] Derartige Gestaltungsmöglichkeiten sieht der polnische Gesetzgeber nicht vor. Zu beachten sind allerdings die Steuerbefreiungen in Art. 4 GESS. Im Fokus dieser Regelung stehen die landwirtschaftlichen Betriebe und Immobilien. Die letzte Reform des polnischen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht vom 16.11.2006 soll wiederum steuerbegünstigte Vermögensübertragung innerhalb der engsten Familienkreise ermöglichen, „was zu einer Verbesserung der Vermögenslage
Wapler, Friederike (2008): Werte und das Recht. Individualistische und kollektivistische Deutungen des Wertbegriffs im Neukantismus, Baden-Baden 2008. [zitiert: Wapler, F (2008), S.]
Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/9249 vom 02.04.2012. [zitiert: BT, Drs. 17/9249, S.]
Sejm Rzeczypospolitej Polskiej, V. Kadencja, Druk-Numer 512 z 16.02.2006.
[übersetzt: Sejm der Republik Polen, 5. Wahlperiode, Drucksache 512 vom 16.02.2006; zitiert: Sejm, Drs. 512]
BFH - Urteil vom 15.12.2010, Az.: II R 63/09, BStBl. II 2011, 221. EuGH - Urteil vom 11.12.2003, Az.: C-364/01, EuGHE 2003, 15032.
http://nbp.pl/kursy/kursya.html - Zugriff am 15.06.2012.
[...]
[1] Vgl.: EuGH - Urteil vom 11.12.2003, Az.: C-364/01; BFH - Urteil vom 15.12.2010, Az. II R 63/09, BStBl. II 2011, 221, Götz, H./Jorde T. (2006), S. 2427.
[2] Vgl.: Schönwetter, V. (2009), S. 1; Kappenberg, Ch./Watrin, Ch.(2010), S. 551.
[3] Vgl.: Kappenberg, Ch./Watrin, Ch.(2010), S. 546; Bachmann, (2007), S. 198.
[4] Vgl.: Iwd vom 23.11.2006 sowie vom 23.11.2007.
[5] Watrin, Ch., Kappenberg, Ch. (2010), S. 547.
[6] Vgl.: Babiarz, S. (2010), S. 334.
[7] Vgl.: Wapler, F. (2008), S. 45ff.
[8] Vgl.: BT, Drs. 17/9249, S. 2.
[9] Vgl.: Tölle, W. (2012), S. 1176ff.