Stichprobenbasiertes Folgern und wettbewerbliche Verwirrung


Seminararbeit, 2012

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Modell wettbewerblicher Verwirrung
2.1 Stichprobenbasiertes Folgern
2.2 Spielaufbau
2.3 Nash-Gleichgewicht wettbewerblicher Verwirrung
2.4 Auswirkung externer Regulierung

3 Schlussbetrachtung

A Mathematischer Anhang

1 Einführung

In der Industrieökonomik (I.Ö.) kommt der theoretischen Betrachtung beschränkt rationaler Konsumenten seit gut einem Jahrzehnt eine erhöhte Aufmerksamkeit zu. Der Grund dafür ist dreiteilig (vgl. Ellison 2006, S. 144): Erstens werfen verhaltensökonomische Entwicklungen zunehmend ein Bild, indem Marktteilnehmer systematisch von rationalen Mustern abweichen.[1] Zweitens bieten viele Grundmodelle meist nur wenig Möglichkeiten, sie um neue I.Ö.-Phänomene wie Onlinewerbung, Sucht- oder Finanzgüter zu erweitern. Und Drittens eröffnen sich für ambitionierte Forscher ersehnte, neue Forschungsgebiete abseits der Standards.

In der Natur dieses jungen Forschungsschwerpunktes liegt dabei, dass die modellierte Umsetzung von beschränkter Rationalität in der Literatur stark variiert. Je nach For- schungsinteresse und -ziel definieren Autoren beschränkt rationale Konsumenten durch eine eingeschränkte Fähigkeit, Marktumgebungen (und auch ihr eigenes Verhalten in denselbigen) richtig zu verstehen, Informationen vollständig zu verarbeiten oder Prä- ferenzen stabil zu bilden. Auf der anderen Marktseite stehen in der Mehrheit der Li- teratur aber weiterhin rationale Produzenten, die sich durch volle Konzentration auf ihre Produktionsgüter und ständige Rückkopplung mit ihren Märkten dieser klassischen Annahme sehr gut nähern (vgl. v.a. Smallwood und Conlisk 1979).

In diesem Denkmuster ist vor allem eine Frage von Interesse: In wieweit können Unternehmen die beschränkte Rationalität ihrer Konsumenten zu eigenen Gewinnzwecken ausnutzen? Dies ist auch von bedeutender ökonomischer Signifikanz, wenn sich preistreibende, wohlfahrtsmindernde Unternehmensanreize diagnostizieren ließen.[2]

Mit dieser Leitfrage beschäftigt sich auch das Buch “Bounded Rationality and Indus- trial Organization “ von Ran Spiegler (2011). Er befasst sich darin mit verschiedenen Unvollkommenheiten der Konsumentenentscheidung und bettet diese in traditionelle I. Ö.-Modelle ein. Dabei untersucht er obige Frage unter anderem anhand der Auswir- kungen einer komplexen Preisstruktur auf die Entscheidungsfindung des Konsumenten. Als Anhaltspunkt dient Spiegler dabei die persönlich praktische Erfahrung, dass ein Konsument umso irritierter und unsicherer wird, desto komplexer ein Unternehmen die Preisstruktur eines Konsumgutes gestaltet (Spiegler 2006, S. 2). Wenn diese Irritation des Konsumenten absichtlich von Unternehmen induziert wird, spricht Spiegler von ob- fuscation und wird von mir fortan als Verwirrung bezeichnet. Das beschränkt rationale Element des Konsument ist dabei ” [ his]limitedabilitytoevaluatestochasticvariables “ (Spiegler [2011], S. 77). Um dies abzubilden, bedient sich Spiegler der von Osborne und Rubinstein ([1998]) eingeführten Verhaltensweise des stichprobenbasierten Folgerns (siehe Abschnitt 2.1).

Die obfuscation -Literatur gestaltet sich, ähnlich der allgemeinen Werke zur beschränkten Rationalität, vielzählig aber uneindeutig. Spieglers Definition von Verwirrung als strategischer Einsatz großer Preisvarianzen setzt sich von anderen Autoren ab. In etwa sieht Brosio (2007) strategische Verwirrung im intransparenten Vorenthalten von Informationen, Ellison und Ellison (2009) rein in der Verlagerung wichtiger Produktdetails in das Kleingedruckte und Carlin (2009) in der schwer verständlichen Benennung der verschiedenen Produktteile. Spieglers Verwirrung scheint mir daher mehr den PreiszusatzModellen (wie z.B. Lal und Matutes 1994) zuortbar.[3]

Im Verlauf dieser Seminararbeit werde ich anhand Spieglers Modell[4] zu folgenden Fragen seine Schlussfolgerungen darlegen: Gibt das stichprobenbasierte Folgern des Kon- sumenten den Unternehmen einen Anreiz Verwirrung zu stiften? Wie verhält es sich mit diesem Anreiz unter verstärktem Wettbewerb? Und was kann eine externe Regulierung bewirken? Dafür gebe ich zu Beginn des folgenden Kapitels eine kurze Intuition zum stichprobenbasierten Folgern und wende mich dann in Unterkapitel 2 und 3 Spieglers Modell der wettbewerblichen Verwirrung zu. Unterkapitel 4 diskutiert die Auswirkun- gen externer Regulierung. Das letzte Kapitel schließt mit einer Schlussbetrachtung.

2 Modell wettbewerblicher Verwirrung

2.1 Stichprobenbasiertes Folgern

Für einen intuitiven Zugang zu Spieglers Systematik eignet sich meiner Meinung nach folgendes Beispiel : Ein Konsument möchte mit seinem Auto in den Urlaub fahren. Am Morgen der Abfahrt will er dafür sein Auto bei der günstigsten Tankstelle volltanken. Zur Entscheidungsfindung beobachtet er an allen Tankstellen seines täglichen Arbeitsweges eine Woche lang die Preise für einen Liter Benzin. Doch je nach Tageszeit und Wochentag registriert er für jede Tankstelle unterschiedliche Preise.

In solch einer Situation setzt gemäß Spieglers Annahme beim Konsumenten ein stich- probenbasiertes Folgern ein: Bei n in Frage kommenden Tankstellen wird der Konsument mit den Wahrscheinlichkeitsverteilungen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] bezüglich seiner Tankkosten Z konfrontiert. Er sieht sich jedoch nicht in der Lage aus den schwankenden Preisen die korrekten stochastischen Rückschlüsse zu ziehen. Darum entscheidet er, sich mit der Evaluation einer zufällig gewählten Stichprobe p zufrieden zu geben.[5] Unabhängig von- einander notiert er nun im Laufe einer weiteren Woche einmalig den Benzinpreis jeder Tankstelle und erhält die Stichproben [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Daraus zieht er - beschränkt ra- tional - Rückschlüsse auf Z und entscheidet sich am Morgen des Urlaubsbeginns für Tankstelle [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] mit dem günstigsten Stichprobenpreis [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Das Resultat, hier der wirkliche Benzinpreise an der ausgewählten Tankstelle am Morgen der Urlaubsreise, ist dann aber unabh ä ngig von seinem beobachteten Stichprobenwert.

Besedes et al. (2012) und Kalayci und Potters (2011) zeigen experimentell, dass Konsumenten bei komplexen Entscheidungen ähnlich einfache Muster verwenden, in der Hoffnung mit begrenztem Wissen und wenig Zeit zu guten Lösungen zu kommen. Vereinfachende Modelle, die aus experimentell gewonnenem Verhalten eine Faustregel postulieren, finden sich häufig als Startpunkt theoretischer Ansätze zum Thema Ver- wirrung. Gabaix und Laibson (2004) schlagen zum Beispiel eine andere, überzeugend einfache Faustregel vor: Konsumenten denken der Konsum eines Gutes generiert den Nutzen ui + εi. Jedoch stellt εi einen zufälligen Schätzfehler dar, sodass sie in Wahrheit nur einen Nutzen von ui beziehen.

2.2 Spielaufbau

Wenn sich rationale Firmen des stichprobenbasierten Verhaltens der Konsumenten be- wusst sind, werden sie versuchen dieses gewinnmaximierend in ihre strategischen Ent- scheidungen einzubeziehen. Wenn sie mit Wahrscheinlichkeit 1 den Preis p wählen, ent- scheidet der Konsument jedoch wie sein rationaler Kollege und das Marktgleichgewicht unter vollkommenem Wettbewerb stellt sich ein. Um die Konsumenten also zu falschen Schlüssen zu zwingen, sollten Unternehmen Preise differenzieren. Doch ergibt sich dar- aus auch für einzelne Unternehmen ein Anreiz? Denn der Grad der Preisdifferenzierung kann neben dem verwirrenden, den wettbewerblichen Charakter des Preises nicht außer Acht lassen.

Zur Klärung dieses Sachverhaltes führt Spiegler (S. 94ff) ein einfaches I.Ö.-Modell ein, in dem n Unternehmen ein homogenes Gut anbieten und ein Kontinuum identischer Konsumenten dieses mit je einer Einheit nachfragt. Die Konsumenten besitzen eine normierte Zahlungsbereitschaft von 1. Die Unternehmen produzieren mit Grenzkosten [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] 1). Das nicht-kooperative Spiel vollzieht sich in drei Schritten:

1. Die Unternehmen spielen simultan ihre jeweilige Preisstrategie für das Gut. Dabei ist die Strategie Preise zu differenzieren, bei jedem Unternehmen i gekennzeichnet durch eine kontinuierliche Verteilungsfunktion [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] mit wohldefinierter Dichtefunktion [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Die gespielten Preise jedes Unternehmens sind dabei zuf ä llig über die Zeit verteilt. Dies geschieht in etwa durch, für die Konsumenten undurchsichtige, Preisrabatte oder -aufschläge. Der Träger der Verteilung [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] sei dabei [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] 1]. Das heißt, die Unternehmen können den Konsumenten nicht zwingen, einen Preis oberhalb seiner Zahlungsbereitschaft zu zahlen. Jedoch bietet sich sehr wohl die Möglichkeit, einen Preis geringer als die Grenzkosten zu setzen. Es gilt für alle i:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Der Konsument wählt durch stichprobenbasiertes Folgern das Unternehmen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], das in seiner unabhängigen Stichprobe [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]) den geringsten Preis [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] anbietet. (Bei Preisgleichheit gelte eine symmetrische Auswahlregel). Die Art der Vorgehensweise ist den Unternehmen bekannt, nicht aber der (zeitliche) Umstand der Durchführung. Die Preisstrategie der Unternehmen ist somit echt zufällig: Weder der Konsument noch der Produzent kann den verlangten Preis zum Zeitpunkt der Stichprobendurchführung im Voraus berechnen.

Allgemein gilt: Wenn ein Konsument für ein Unternehmen i die Stichprobe [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] zieht, ist seine Wahrscheinlichkeit sich für i zu entscheiden davon abhängig, mit welcher Wahrscheinlichkeit alle anderen Unternehmen einen Preis [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] in ihrer Strategie spielen. Sind [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] die Strategien aller anderen Unternehmen, so ergibt sich für die Wahrscheinlichkeit Hi (p), dass sich ein Konsument beim Preis p und gegeben [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]für Unternehmen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


[1] Dazu gibt es Forschungsergebnisse für die unterschiedlichsten Märkte; z.B. Untersuchungen bei Bank- kunden (Bertrand et al. 2010), bei Onlinekäufern (Brown et al. 2010) oder bei Investmentbankern (Choi et al. 2010).

[2] Eine Vorahnung besaß bereits Scitovsky (1950, S. 48): ” [ ...]salestechniquescateringtobuyers ’ ignorance are perhaps an even more important source to oligopoly power [than economics of scale] “.

[3] Indem sich die Preisvarianzen durch variierende Zusatzkosten (Gebühren) ergeben.

[4] Der hierfür verwendete Inhalt setzt sich zusammen aus Kapitel 6 und 7 in Spiegler (2011).

[5] Diese einmalige Stichprobenziehung ist eine extreme Anwendung des Modells mit K Stichprobenziehungen von Osborne und Rubinstein (1998).

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Stichprobenbasiertes Folgern und wettbewerbliche Verwirrung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Seminar für Wirtschaftstheorie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
17
Katalognummer
V205462
ISBN (eBook)
9783656329817
Dateigröße
628 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Behavioral Economics, Bounded Rationality, Industrial Organization, Industrieökonomik, Beschränkt rationale Konsumenten, Beschränkte Rationalität, Obfuscation
Arbeit zitieren
B.A., stud. rer. oec. Andreas Bruckner (Autor:in), 2012, Stichprobenbasiertes Folgern und wettbewerbliche Verwirrung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205462

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Stichprobenbasiertes Folgern und wettbewerbliche Verwirrung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden