Sinn und Zweck der Interpretatio Romana als ethnografische Methode und im politischen Kalkül Tacitus' und Caesars


Hausarbeit, 2012

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Caesars „Commentarii de bello Gallico“ als inhaltliche und methodische Quelle für Tacitus’ „De situ et moribus Germanorum“ - Hinführung zur Interpretatio Romana

2. Definition und Zweck der Interpretatio Romana

3. Epigrafische Quellen zur Interpretatio Romana: Eine Auswahl lokaler Beispiele an Bildwerken römisch interpretierter Gottheiten

4. Philologische Quellen zur Interpretatio Romana: Schilderungen der Wildheit der Barbaren durch die Interpretatio Romana bei Tacitus und Caesar
4.1 Schilderungen der Wildheit der Barbaren anhand der Beschreibung ihrer Religiosität in Caesars Gallischem Krieg als Tacitus’ Quelle
4.2 Schilderungen der Wildheit der Barbaren anhand der Beschreibung in Tacitus’ „Germania“ und Vergleich der ethnografischen Methode zu Caesar

5 Zweck der philologischen Anwendung der Interpretatio Romana. Ziele der Autoren
5.1 Zweck und Hintergedanken der Anwendung der Interpretatio Romana bei Caesar
5.2 Zweck und Hintergedanken der Anwendung der Interpretatio Romana bei Tacitus

6. Ethnografie und politisches Kalkül – Ein vergleichendes Fazit der Anwendung der Interpretatio Romana in den betrachteten Werken Caesars und Tacitus’

1. Caesars „Commentarii de bello Gallico“ als inhaltliche und methodische Quelle für Tacitus’ „De situ et moribus Germanorum“ - Hinführung zur Interpretatio Romana

Deorum maxime Mercurium colunt[1], schreibt Tacitus in seiner Ethnografie „De situ et moribus Germanorum“, im Folgenden „Germania“ genannt, über die Bewohner rechts des Rheines. Einen Mercurius verehrte jedoch kein einziger germanischer Stamm. Ein den Aufgaben nach mit Merkur vergleichbarer keltischer Gott wäre Wotan, und diesen hat Tacitus wohl auch gemeint.[2] Eine solch vereinnahmende römische Interpretation von religiösen Phänomenen fremder Kulturen ist allerdings nicht nur bei Tacitus zu beobachten. Dieser selbst verwies zum Beispiel auf Gaius Iulius Caesar, der in seinen „Commentarii de bello Gallico“, im Folgenden als „Bellum Gallicum“ bezeichnet, die Bewohner links des Rheins schilderte, als Quelle seiner Aufzeichnungen sowie als „summus auctorum[3] und zitierte diesen zum Teil wortwörtlich.[4] Gerade Caesar machte von der Interpretatio Romana mannigfaltigen Gebrauch, auch in Bezug auf die den Galliern benachbarten Germanen.[5] Beide Werke geben außerdem (bei Caesar in Auszügen) in Form einer Ethnografie Aufschluss über die Sitten, Bräuche und Kulturen von in Rom zum Großteil unbekannten Völkern, sodass Caesar mit Schilderungen über den Gallischen Krieg, etwa 150 Jahre vor Tacitus erschienen, methodisch und inhaltlich als dessen Vorgänger bezeichnet werden kann.[6] Dies soll zum Anlass genommen werden, einen Vergleich in Caesars und Tacitus' Werken anzustellen über die jeweilige Umsetzung der ethnografischen Methode am Beispiel der Interpretatio Romana. Nach den einleitenden Betrachtungen zu Ursprung, Sinn und Zweck der Interpretatio Romana sowie deren Niederschlag in lokalen epigrafischen Quellen wird daher untersucht, inwieweit beide Autoren von der Interpretatio Romana Gebrauch gemacht haben, also fremdländische Merkmale, ganz egal ob gallisch oder germanisch, den römischen angeglichen haben, inwieweit sie auch bewusst Unterschiede der betrachteten Kulturen zu Rom ausgemacht haben und inwieweit Tacitus Caesars Ansichten über die Gallier und seine eigenen über die Germanen zu einer allumfassenden Darstellung eines nordischen Volkes vermischt hat. Neben der Untersuchung der präsentierten Fakten auf Wahrheitsgehalt werden auch Beweggründe untersucht, die beide Autoren zum Verfassen ihrer Werke angeregt haben. Interpretiert wird weitestgehend auf Grundlage der Originaltexte und den kritischen Anmerkungen ihrer Herausgeber, bei der Analyse von Caesar unterstützen die Interpretationen von Bernhard Maier.

2. Definition und Zweck der Interpretatio Romana

Als Interpretatio Romana bezeichnet man „die Übertragung von Namen und charakteristischen Merkmalen römischer Götter auf Gottheiten anderer Völker“[7], gewissermaßen eine Angleichung bis Gleichsetzung, in der Regel ohne Rücksicht auf etwaige Unterschiede, ein Über-Einen-Kamm-Scheren von römischen mit wesensgleichen barbarischen Göttern. Durch die Ansicht, militärischer Erfolg sei vor allem der stark ausgeprägten Verehrung der Götter zu verdanken[8], entwickelte sich in Rom die Vorstellung, man besitze einen allen Völkern überlegenen Götterhimmel. Die Verehrung der Götter besaß deshalb im römischen Reich einen hohen Stellenwert und war oberste Bürgerpflicht eines jeden rechtschaffenen Staatsbürgers[9]. Es herrschte eine streng zu pflegende Reichsreligion[10], in der unzählige Feierlichkeiten für verschiedene Gottheiten einen umfangreichen Festkalender ergaben, der im heute hierzulande weit verbreiteten abrahamitischen Monotheismus seinesgleichen sucht[11]. Die Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen römischen Göttern und denen der barbarischen Völker sowie die Sitte der Römer, jedwede fremde Gottheit mit einer eigenen bekannten gleichzusetzen, waren somit vielfach der Ausdruck des Versuches, unterworfene barbarische Gebiete durch rasche Umgliederung der jeweiligen Gesellschaft schnellstmöglich und zugleich nachhaltig ins eigene Staatssystem und damit auch in den eigenen religiös-gesellschaftlichen Kosmos einzugliedern. In dieser Methode zeigt sich der recht pragmatische Umgang der Römer mit religiösen Dingen, deren Pflege und Ausübung in vielen Fällen politischen Interessen unterworfen waren. Damit diese Romanisierung möglichst reibungslos vonstatten ging und der Religionsfrieden im Reich gewährt blieb, war, solange die Pflege der Reichsreligion gewährleistet war, jedem Römer eine private Kultausübung gestattet. Vor allem den Bewohnern der neuen Provinzen und auch den dort stationierten Soldaten war die Ausprägung je nach Region und Provinz unterschiedlicher Provinzialreligionen erlaubt, die zumeist die vorhandene mit der römischen Götterwelt mischte[12]. Die fremden Götter besaßen nun zumeist römische Beinamen. Einige Beispiele solcher Götter werden nun zunächst anhand von regionalen epigrafischen Quellen geboten, bevor zur dezidierten Analyse der durch Interpretatio Romana geprägten ethnografischen Textstellen bei Tacitus und Caesar übergegangen wird.

3. Epigrafische Quellen zur Interpretatio Romana: Eine Auswahl lokaler Beispiele an Bildwerken römisch interpretierter Götter

Entlang dem Verlauf des Limes durch Inschriften belegt sind beispielsweise ein Weihestein für den illyrischen Gott Sedatus aus Pfünz in Bayern[13] und ein Altar für Mars Caturix auf dem Gebiet der heutigen Stadt Heilbronn, eine Mischung aus römischem und helvetischem Kriegsgott. Auf dem gleichen Altar werden auch der Iupiter Optimus Maximus und lokale Schutzgeister genannt.[14] Bei diesem Altar für Mars Caturix handelt es sich um einen Votivaltar aus Sandstein aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts nach Christus, der im Limesmuseum Aalen als Leihgabe des Württembergischen Landesmuseums aufbewahrt wird.[15] Auch Apollo Grannus, eine Mischung aus römischen und keltischem Heilgott, wurde in Raetien (heute: bayerisch Schwaben) umfangreich verehrt.[16]

Im Reiterkastell Aalen selbst wurde von den Soldatengöttern vor allem Iupiter Dolichenus verehrt. Ein 5 mal 10 Meter großer rechteckiger Tempel an der porta praetoria, aus dem eine 30 Zentner schwere behauene Säulenbasis als Inschriftstein erhalten ist, zeugt von dessen Verehrung. Bei diesem handelt es sich um eine Vermischung aus dem höchsten römischen Gott Iupiter mit dem Schutzgott der Stadt Doliche (heute: Dülük) bei Gaziantep im Südosten der Türkei, einem Himmels-, Kriegs- und Erlösergott, der vor allem den Jenseitsvorstellungen der Soldaten ein Gesicht gab. Mit dem Dolichenuskult machten die Römer erstmals bei der Gründung der Provinz Syria 63 v. Chr. Bekanntschaft. Nach der gewaltsamen Eingliederung Dülüks in die Provinz Syria im Jahr 74 n. Chr. wurde Iupiter Dolichenus unter die Soldatengötter aufgenommen. Soldaten brachten diesen Kult hauptsächlich an die Donau, an den Rhein, nach Gallien und nach Britannien. In den Donauprovinzen Moesien, Dacien, Dalmatien, Pannonien, Noricum und Raetien, von wo sich der Kult über die weiteren genannten Gebiete verbreitete, gehörte Dolichenus zum festen Kreis der dii militares. Dass Dolichenus auch in Aalen offizielle Verehrung zuteil wurde, macht ein vergoldetes und graviertes Bronzeblech des Gottes deutlich, welches im Keller unter dem Stabsgebäude aufbewahrt wurde. Auch in Syrien und Nordafrika sind Funde nachgewiesen. Dolichenus wird häufig auf einem nach rechts schreitenden Stier stehend mit Doppelaxt und Blitzbündel in der Hand sowie einer phrygischen Mütze auf dem Kopf dargestellt.[17]

[...]


[1] Tac. Germ. 9,1.

[2] Holzapfel, Otto (Hg.): Herder Lexikon. Germanische und keltische Mythologie. Freiburg 1982. S.33.

[3] Tac. Germ. 28,1.

[4] ders. 9,1.

[5] z.B. Caes. Gall. 6,17,1-2. Zu Caesars Germanenschilderungen siehe Caes. Gall. 6,11-14; 21-26.

[6] Tacitus, Cornelius: Agricola. Germania. Lat. und dt, hrsg. u. übers. von Alfons Städele. München 1991. S. 180.

[7] Holzapfel: Lexikon. S. 98.

[8] Kemkes, Martin: Der Soldat und die Götter. Römische Religion am Limes. (Schriften des Limesmuseums Aalen Nr. 56). Esslingen am Neckar 2004. S. 16.

[9] Polybios 6,6-8.

[10] Kemkes: Soldat. S. 16.

[11] Ein solcher römischer Festkalender ist dargestellt in König, Angelika u. Ingemar: Der römische Festkalender der Republik . Stuttgart 1991.

[12] Kemkes: Soldat. S. 17.

[13] CIL 13, 05918.

[14] CIL 13, 06474 sowie Kemkes: Soldat. S. 90.

[15] Haug, Ludwig und Sixt, Gustav: Die römischen Inschriften und Bildwerke Württembergs. Stuttgart ²1912. S. 529, Nr. 371.

[16] CIL 3, 05870.

[17] Filtzinger, Philipp: Der grosse Führer zum Limesmuseum Aalen. Tübingen 52004. Gefunden unter http://homepages.uni-tuebingen.de/peter.rempis/aalen/sqhm/alf/index.htm (Zugriff: 16.12.2011). Weitere Informationen zum Dolichenuskult in Aalen bietet Speidel, M: Jupiter Dolichenus. Der Himmelsgott auf dem Stier. (=Schriften des Limesmuseum Aalen 24). Stuttgart 1980.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Sinn und Zweck der Interpretatio Romana als ethnografische Methode und im politischen Kalkül Tacitus' und Caesars
Hochschule
Universität Stuttgart  (Historisches Institut, Abteilung für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Übung mit Exkursion "Rom und Germanien"
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V205636
ISBN (eBook)
9783656326571
ISBN (Buch)
9783656327868
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Publius, Cornelius, Tacitus, Gaius, Iulius, Julius, Caesar, Interpretatio Romana, Ethnografie, Iupiter Dolichenus, Germania, Bellum Gallicum, Mars Caturix, Volk, Wildheit, Wildnis, Aalen, Gallien, Germanien
Arbeit zitieren
Torsten Büchele (Autor:in), 2012, Sinn und Zweck der Interpretatio Romana als ethnografische Methode und im politischen Kalkül Tacitus' und Caesars, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205636

Kommentare

  • Torsten Büchele am 10.12.2012

    Richtigstellung zum Abschnitt 3: In diesem habe ich das Gebiet der Provinz Raetia als das heutige Bayerisch Schwaben bezeichnet. Um vor allem unseren eidgenössischen Nachbarn und den Graubündner Rätoromanen nicht auf die Füße zu treten: Das bayerisch-schwäbische Alpenvorland bildet selbstverständlich nur einen Teil Rätiens, welches sich darüber hinaus über Gebiete der Schweiz, Tirols und Vorarlbergs erstreckt. In meiner Darstellung habe ich mich auf romanisierte Kulte in Süddeutschland fixiert, die Inschrift eines an der Donau verehrten Gottes erwähnt (Anmerkung 16) und bei der regionalen Einordnung dieses Kultes versehentlich den heute außerhalb Deutschlands gelegenen Teil Rätiens gar nicht im Blickfeld gehabt.

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