"Durch Erfahrungen am eignen Leibe und durch sonstige Beobachtungen unterrichtet, sah er ein, daß die Erotik in seinem Buch beträchtlichen Raum beanspruchen mußte. Nicht, weil er das Leben fotografieren wollte, denn das wollte und tat er nicht. Aber ihm lag außerordentlich daran, die Proportionen des Lebens zu wahren, das er darstellte."
Erich Kästner schrieb dies in seinem ironischen Nachwort zum Roman „Fabian und die Sittenrichter“. Er begründet die wiederholt eingesetzte Beschreibung der Sexualität mit dem Anspruch, die zeitgenössische Lebensführung so realistisch wie möglich darzustellen – wenn er auch gleichzeitig betont, es handle sich bei der Geschichte um Jakob Fabian und die Moral um eine Satire.
Und trotzdem stellt sich die Frage: wie nah kommt das überspitzte Bild der Gesellschaft, speziell der sittenlosen emanzipierten Frau und ihren Gelüsten an das der oft beschriebenen "Neuen Frau" heran? Denn wie Melanie MÖLLENBERG betont, wurden Vergnügungsorte wie die im Roman beschriebenen von den Frauen oft nicht aus Gründen der Triebbefriedigung, sondern aus denen der Suche nach Ehepartnern besucht.
Um ein vom Roman unabhängiges Bild der "Neuen Frau" zu vermitteln, werde ich die vorliegende Arbeit mit einer kurzen Zusammenfassung über die Entwicklung des Rollenverständnisses der Frauen in der Weimarer Republik einleiten. Zur Beantwortung der Frage, inwieweit das im "Fabian" dargestellte weibliche Image möglicherweise Parallelen zu den Ansichten des Autors selbst aufweist, folgt im zweiten Kapitel eine Analyse der Beschreibung sowie eine Einordnung der bedeutendsten Frauentypen Irene Moll, Cornelia Battenberg und der Mutter Fabians. Auf diese drei Charaktere wird in den anschließenden Kapiteln, dem Kern dieser Arbeit, näher eingegangen, um die Funktion und Bedeutung der Figuren für den Roman zu verdeutlichen.
Als Resümee kann schließlich das vierte Kapitel betrachtet werden: durch das vermittelte Bild der Frauen und ihrer Handlungen entsteht der Eindruck eines zunehmenden Werteverfalls in der Gesellschaft, der neben der Versachlichung der Liebe auch die Arbeitslosigkeit, den technischen Fortschritt und die zunehmend bedrohliche politische Lage zur Ursache hat. So ergibt sich insgesamt ein Bild der Gesellschaft, mit dem Kästner den Leser vor einem "klaffenden Abgrund" warnen wollte, dem sich seine Zeitgenossen näherten. Er wählte dafür das Mittel der Satire, denn er wusste: "Wenn auch das nicht hilft, dann hilft überhaupt nichts mehr."
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die „Neue Frau“ in der Weimarer Republik
- Fabian, Kästner und die Frauen
- Irene Moll
- Cornelia Battenberg
- Die Mutter
- Die Versachlichung der Liebe und sexuelle Freizügigkeit – Zeichen des Werteverfalls
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung von Frauenfiguren in Erich Kästners Roman „Fabian“ im Kontext der „Neuen Frau“ der Weimarer Republik. Ziel ist es, die im Roman präsentierten weiblichen Charaktere zu analysieren und deren Bedeutung für die Gesamtinterpretation des Werkes zu beleuchten. Dabei wird auch die Frage nach Parallelen zwischen Kästners Darstellung und seinen eigenen Ansichten geprüft.
- Die „Neue Frau“ der Weimarer Republik und ihre gesellschaftliche Einordnung
- Analyse der verschiedenen Frauentypen in „Fabian“ (Irene Moll, Cornelia Battenberg, Fabians Mutter)
- Die Darstellung von Liebe und Sexualität im Roman und deren symbolische Bedeutung
- Das Thema des Werteverfalls in der Weimarer Republik und seine Reflexion in „Fabian“
- Die Einordnung von „Fabian“ in den Kontext der Neuen Sachlichkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Forschungsfrage nach dem Verhältnis der Frauenfiguren in Kästners „Fabian“ zur „Neuen Frau“ der Weimarer Republik. Sie skizziert den methodischen Ansatz der Arbeit, welcher die Analyse der drei Hauptfiguren Irene Moll, Cornelia Battenberg und Fabians Mutter umfasst, um deren Funktion und Bedeutung für den Roman zu verdeutlichen. Die Einleitung verweist auf Kästners eigenen Kommentar zur Darstellung der Sexualität in seinem Roman und stellt die Frage nach der Realitätsnähe seines Bildes der emanzipierten Frau.
Die „Neue Frau“ in der Weimarer Republik: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die Entwicklung des Frauenrollenverständnisses in der Weimarer Republik. Es beschreibt den Einfluss des Ersten Weltkriegs auf die gesellschaftliche und politische Stellung der Frau und beleuchtet die Entstehung des Bildes der „Neuen Frau“, insbesondere in großbürgerlichen Kreisen. Das Kapitel beschreibt die neuen Möglichkeiten der Lebensplanung für emanzipierte Frauen, ihren Lebensstil und ihre gesellschaftliche Akzeptanz, wobei auch die Grenzen und die Klassenunterschiede bei der Umsetzung dieses neuen Selbstverständnisses berücksichtigt werden.
Fabian, Kästner und die Frauen: Dieses Kapitel analysiert die Darstellung der Frauenfiguren in Kästners „Fabian“. Es identifiziert drei zentrale Frauentypen: die unmoralische „femme fatale“ (Irene Moll), die moderne Karrierefrau (Cornelia Battenberg) und die traditionelle Mutterfigur. Das Kapitel untersucht die Art und Weise, wie Kästner diese Figuren zeichnet, und hinterfragt seine mögliche eigene Haltung gegenüber der „Neuen Frau“. Es wird auf die kritische Darstellung emanzipierter Frauen und den Kontrast zur idealisierten Mutterfigur eingegangen. Die Verbindung zwischen Kästners konservativen Ansichten und der Darstellung seiner Figuren wird thematisiert.
Die Versachlichung der Liebe und sexuelle Freizügigkeit – Zeichen des Werteverfalls: Dieses Kapitel untersucht die Darstellung von Liebe und Sexualität in „Fabian“ als Ausdruck eines gesellschaftlichen Werteverfalls. Es verknüpft diese Thematik mit anderen Faktoren wie Arbeitslosigkeit, technischem Fortschritt und der politischen Lage. Die Analyse zeigt, wie Kästner durch die Darstellung der Frauenfiguren und ihrer Handlungen ein Bild der Gesellschaft zeichnet, das den Eindruck eines drohenden „klaffenden Abgrunds“ vermittelt und die Gefahren der Zeit kritisch beleuchtet. Die Satire als Stilmittel Kästners wird in diesem Zusammenhang ebenfalls diskutiert.
Schlüsselwörter
Erich Kästner, Fabian, Neue Frau, Weimarer Republik, Frauenfiguren, Emanzipation, Sexualität, Liebe, Werteverfall, Neue Sachlichkeit, Satire, Moral, Gesellschaft, Literaturanalyse.
Häufig gestellte Fragen zu Erich Kästners "Fabian" und der "Neuen Frau"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Darstellung von Frauenfiguren in Erich Kästners Roman "Fabian" im Kontext der "Neuen Frau" der Weimarer Republik. Sie untersucht die Bedeutung der weiblichen Charaktere für die Gesamtinterpretation des Werkes und sucht nach Parallelen zwischen Kästners Darstellung und seinen eigenen Ansichten.
Welche Frauenfiguren werden im Roman untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf drei zentrale Frauenfiguren: Irene Moll (als "femme fatale"), Cornelia Battenberg (als moderne Karrierefrau) und Fabians Mutter (als traditionelle Mutterfigur). Die Analyse untersucht die jeweilige Darstellung und ihre Funktion innerhalb des Romans.
Wie wird die "Neue Frau" der Weimarer Republik in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit bietet einen Überblick über die Entwicklung des Frauenrollenverständnisses in der Weimarer Republik und beschreibt den Einfluss des Ersten Weltkriegs. Sie beleuchtet die Entstehung des Bildes der "Neuen Frau", ihre Möglichkeiten, ihren Lebensstil und ihre gesellschaftliche Akzeptanz, inklusive der Grenzen und Klassenunterschiede.
Welche Themen werden neben der "Neuen Frau" behandelt?
Neben der Analyse der Frauenfiguren werden Themen wie die Darstellung von Liebe und Sexualität in "Fabian", der gesellschaftliche Werteverfall der Weimarer Republik und die Einordnung des Romans in den Kontext der Neuen Sachlichkeit untersucht. Die Rolle der Satire als Stilmittel Kästners wird ebenfalls diskutiert.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur "Neuen Frau" in der Weimarer Republik, ein Kapitel zur Analyse der Frauenfiguren in "Fabian", ein Kapitel zur Versachlichung der Liebe und sexueller Freizügigkeit als Zeichen des Werteverfalls und einen Schluss.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit zieht Schlussfolgerungen zur Darstellung der Frauen in "Fabian" im Kontext der Weimarer Republik und deren Bedeutung für die Interpretation des Romans. Sie beleuchtet Kästners mögliche eigene Haltung gegenüber der "Neuen Frau" und den in seinem Roman dargestellten gesellschaftlichen Veränderungen und Werten.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Erich Kästner, Fabian, Neue Frau, Weimarer Republik, Frauenfiguren, Emanzipation, Sexualität, Liebe, Werteverfall, Neue Sachlichkeit, Satire, Moral, Gesellschaft, Literaturanalyse.
Wo finde ich eine Zusammenfassung der einzelnen Kapitel?
Die bereitgestellte HTML-Datei enthält detaillierte Zusammenfassungen jedes Kapitels, beginnend mit der Einleitung und endend mit der Schlussfolgerung. Diese Zusammenfassungen beschreiben den Inhalt und die Schwerpunkte jedes Kapitels.
- Arbeit zitieren
- Wiebke Hugen (Autor:in), 2008, Frauenfiguren und das neusachliche Bild der Frau in Erich Kästners „Fabian“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205685