Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung in die Thematik
2 Bretton Woods I
2.1 Hintergründe von Bretton Woods I
2.2 Schaffung von Bretton Woods I
2.3 Ausgestaltung des Bretton Woods Systems
2.4 Krise und Zusammenbruch
3 Währungspolitik
3.1 Instrumente der Auf- und Abwertung
3.2 Auswirkungen von Währungsabwertung
4 Konstruktion von Bretton Woods II
4.1 Implikationen in der kurzen Frist
4.2 Implikationen in der mittleren Frist
4.3 Chinas finanzielle Atombombe
5 Vergleich von Bretton Woods I und Bretton Woods II
6 Schlussfolgerungen
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Kursbildung auf dem Devisenmarkt
Abbildung 2 Devisenmarktintervention von China
Abbildung 3 Devisenmarktintervention von China
Abbildung 4 Wechselkurs Yuan je Dollar
1 Einführung in die Thematik
Für jede Regierung ist die Landeswährung ein sensibles Thema. Das liegt nicht nur daran, dass die Chancen der heimischen Exportindustrie oder auch die Inflationsrate von ihrer Festigkeit abhängen. Die Währung ist buchstäblich ein greifbares Symbol des Staates. Münzen und Banknoten zieren meist Menschen oder Werke, welche die Nation oder zumindest die politische Elite für besonders nachahmenswert erachtet. Nach Überzeugung der meisten ausländischen Volkswirte ist der Yuan niedriger be- wertet, als es die ökonomische Stärke des Landes gebietet. Daher drängt sich der Verdacht auf, dass China ihre Währung als Dumpingwaffe einsetzt, um seiner staat- lich gehätschelten Exportindustrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen (Eckert, 2010, S. 88-89).
In diesem Zusammenhang ist Bretton Woods II eine Bezeichnung für ein monetäres System auf Weltebene, in dem wirtschaftlich aufstrebende Schwellenländer, haupt- sächlich aus Asien und Südamerika, insbesondere jedoch China, ihre Währungen an den US-Dollar binden und dabei tendenziell ihre Heimatwährung unterbewerten, um auf diese Weise ihre heimische Exportwirtschaft zu stärken. Die USA dienen als Ab- satzmarkt und stimulieren durch hohe Importquoten die Volkswirtschaften der betei- ligten Staaten. Es freuen sich nicht nur die Unternehmen oder Machthaber in den Schwellenländern, sondern auch die Konsumenten in Los Angeles, Chicago und New York mögen sich über die billigen Produkte „made in China“ freuen. Diese Be- ziehung bzw. Konstellation zwischen den USA auf der eine Seite und insbesondere der Volksrepublik China auf der anderen Seite wird in Anlehnung an das nach dem zweiten Weltkrieg neu geordnete internationale Währungssystem von festen Wech- selkursen (Bretton Woods System), Bretton Woods II genant. Bretton Woods II geht als Begriff auf Aufsätze der Ökonomen M. Doooley, D. Folkerts-Landau und P. Gar- ber zurück.
In diesem Zusammenhang ist das Ziel dieser Arbeit, nach einer Erläuterung des Bretton Woods Systems ab 1944, auch Bretton Woods I genannt, eine eingehende Untersuchung des Bretton Woods II Regimes anzuschliessen und die kurz- und mit- telfristigen Implikationen dieses Regimes zu beleuchten. Dabei wird auch versucht, die Probleme und möglichen Auswege des Bretton Woods II Systems aufzuzeigen. Zum Schluss soll untersucht werden, inwiefern von einem Bretton Woods II System, angelehnt an Bretton Woods I überhaupt gesprochen werden kann, inwieweit Paral- lelen zwischen diesen zwei Systemen erkennbar sind und welche Rückschlüsse und Lehren aus Bretton Woods I für Bretton Woods II und die weitere Entwicklung des internationalen Währungssystems geschlossen werden können.
2 Bretton Woods I
Für eine Auseinandersetzung mit Bretton Woods II ist es notwendig, zunächst den Blick auf Bretton Woods I zu richten, das in den folgenden Unterkapiteln kurz erläu- tert werden soll. Zunächst wird gezeigt, weshalb es überhaupt zur Schaffung eines internationalen Systems gekommen ist. In einem zweiten Teil soll kurz auf das Bret- ton Woods Abkommen eingegangen und die Ziele des Systems aufgezeigt werden. Im letzten Teil soll dann der Zusammenbruch des Bretton Woods Systems erläutert werden.
2.1 Hintergründe von Bretton Woods I
Die Konferenz von Bretton Woods und ihre Ergebnisse sind als Reaktion auf die Währungsabwertungsläufe zwischen den beiden Weltkriegen zu verstehen. Seit 1920er Jahren hatten Massenarbeitslosigkeit und politischer Druck der Arbeiterbe- wegungen in vielen Ländern Beschäftigungs- und Konjunkturpolitik immer nötiger gemacht. Die Staaten versuchten durch die Abwertung der heimischen Währung die Exporte zu erhöhen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Dank der billigeren Währung sollten mehr exportiert und weniger importiert werden. Das Ziel der Abwertungspolitik war somit die Produktionsausweitung im Inland, die neue Arbeitsplätze schaffen sollte. Die neuen Arbeitsplätze sollten wiederum zu höherem Volkseinkommen, mehr Konsum und damit wiederum zu erhöhter Produktion und mehr Arbeitsplätzen führen. Diese nicht-kooperative Massnahme des Gefangenendi- lemmas konnte aber nur erfolgreich sein, wenn ein Land stärker abwertete als ein anderes. Wertete beispielsweise ein Land seine Währung ab, brachte dies andere Länder um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben dazu, ebenfalls abzuwer- ten, so dass Land A weiter abwertete usw. Daraus ergab sich ein Teufelskreis, näm- lich der Abwertungswettlauf, auch „beggar-my-neighbour-policy“ genannt, der in Massenarbeitslosigkeit und Hyperinflation in den einzelnen Staaten gipfelte. Statt positive Effekte hervorzubringen wurde eine Abwertungsspirale in den Gang gesetzt, die die weltweiten Probleme verschärfte, statt sie zu lösen. Die Welt steckte in einem Kooperationsproblem und die Wirtschaft brach zusammen. Man hatte somit ver- säumt, nach dem ersten Weltkrieg ein tragfähiges internationales Wirtschafts- und Währungssystem zu institutionalisieren (Lewis, 2008, S. 227-231).
2.2 Schaffung von Bretton Woods I
Vom 1. bis 22.Juli 1944 fand in Bretton Woods, New Hampshire (USA) die Interna- tionale Währungs- und Finanzkonferenz der Vereinten und Assoziierten Nationen statt, kurz auch Konferenz von Bretton Woods genannt. Aus den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit leiteten sich die wichtigen Interessen der Akteure ab. Man ver- suchte, alte Fehler zu vermeiden und ein besseres Modell für die Nachkriegszeit zu entwickeln. Von diesem Modell würde die ganze Welt betroffen sein, folglich waren auch an dessen Schaffung viele Länder beteiligt. Dennoch gab es zwei klar dominie- rende Akteure: Die Grossmächte USA und Grossbritanien. Beide Staaten hatten ab- hängig von ihrer Situation andere Vorstellungen von der konkreten Ausgestaltung der zukünftigen Wirtschaftsordnung, aber auch gemeinsame Interessen, die schliesslich eine Einigung möglich machten. Das Interesse an einer stabilen Regelung des inter- nationalen Wirtschafts- und Währungssystems einte Grossbritanien und die USA und mit ihnen die meisten Staaten der Welt. Ebenso bestand nach den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit ein gemeinsames Interesse darin, die politische Sicherheit mit wirtschaftlicher Ordnung zu verbinden. Einigkeit gab es nicht nur über die Notwen- digkeit einer internationalen Ordnung, sondern es bestand auch ein Interesse an ei- ner Institution, die Wechselkurse fixieren, die Konvertibilität garantieren und bei Kri- sen, insbesondere der Zahlungsbilanz, eingreifen sollte. So fanden die zentralen Ak- teure letztendlich trotz unterschiedlicher Vorstellungen zu einem gemeinsamen Vor- schlag. Auch wenn diese Regelung einigen Beteiligten mehr Vorteile bringen würde als anderen, war man sich einig über deren Notwendigkeit und dessen Gesamtnut- zen - ein klassischer Fall von Kooperationsgewinn. Schliesslich wurde während die- ser Währungs- und Finanzkonferenz das Bretton Woods Abkommen von 44 Natio- nen unterzeichnet (Vollmer, 2005; Garritsen de Vries, 1996).
2.3 Ausgestaltung des Bretton Woods Systems
Das Währungssystem sollte für Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen sor- gen. Explizit formulierte der Vertrag von Bretton Woods die Förderung der internatio- nalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik sowie die Erleichterung der Ausweitung des Handels und eines ausgeglichenen Wachstums des Welthan- dels.
Für ein funktionierendes Weltwährungssystem sah man nach den Erfahrungen mit der Abwertungspolitik der Länder zwei Dinge als nötig: Durch ein System der festen Wechselkurse und der Konvertierbarkeit der Währungen sollte die Währungsstabilität gesichert werden. Ein zweites Ziel bestand darin, Liquidität sicherzustellen. Die Aus- weitung von nationalen Wirtschaftskrisen auf das gesamte System sollte verhindert werden, indem der Internationale Währungsfonds (IWF), der als Instrument für Ein- griffe gegründet wurde, bei Liquiditätsengpässen einzelner Staaten konditionelle Kredite an diese vergeben sollte, damit sie zum einen ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber anderen Ländern nachkamen und diese nicht mit in die Krise zogen, zum anderen vor allem in der Lage blieben, die festgelegten Wechselkurse zu verteidigen. Neben diesen Zielen wollte das Abkommen auch eine unabhängige nationale Wirt- schaftspolitik und damit eine gewisse Souveränität gewährleisten (Browne, 1996; Palm, 1988). Dem System lagen feste Wechselkurse zu Grunde, sowie die Etablie- rung des US-Dollars als Leitwährung. Um der Abwertung vorzubeugen, verpflichteten sich alle Mitgliedstaaten, einen bestimmten Wechselkurs in Gold oder US-Dollar für ihre Währungen festzulegen und künftig daran festzuhalten. Der US-Dollar war wie- derum in Gold definiert. Damit war zumindest jede Währung indirekt an den Dollar gebunden und die US-Zentralbank war verpflichtet, die Dollarguthaben anderer Zen- tralbanken jederzeit in Gold umzutauschen. Der Wert des US-Dollars war gegenüber dem Gold auf 35 Dollar je Unze festgelegt. Die Bindung des US-Dollars an Gold soll- te Vertrauen in den US-Dollar als internationale Reserveeinheit schaffen. Es stand dem „Papiergeld“ also immer ein reeller Wert gegenüber. Die festgelegten Wechsel- kurse konnten nur um 1% schwanken. Nur wenn sich dauerhafte Ungleichgewichte ergaben, konnte im Rahmen einer internationalen Vereinbarung der Wechselkurs verändert werden, also auf- oder abgewertet werden. Um die Wechselkurse inner- halb des Schwankungsrahmen zu halten, waren die Notenbanken der Mitgliedstaa- ten dazu verpflichtet, auf den Devisenmärkten zu intervenieren und Devisengeschäf- te durchzuführen, um die Stabilität zu gewährleisten1. Die Devisengeschäfte waren hauptsächlich Käufe und Verkäufe von einheimischen Währungen der jeweiligen Länder gegen den US-Dollar (Straumann, 2010; Palm, 1988).
2.4 Krise und Zusammenbruch
In den ersten Jahren nach 1944 leistete die grundlegende Neuordnung des Weltwäh- rungssystems einen grossen Beitrag zur Stabilisierung des internationalen Handels und des Kapitalverkehrs. Allerdings besass das System auch einige Mängel, welche im Laufe der Zeit immer deutlicher wurden und letztendlich sogar zur Auflösung führ- ten. Der US-Dollar entwickelte sich im Zuge von Bretton Woods zur internationalen Reserveeinheit. Eine internationale Reserveeinheit muss jedoch in ausreichendem Masse den Notenbanken der verschiedenen Volkswirtschaften zur Verfügung ste- hen, insbesondere dann, wenn diese ihre Währung an die Reserveeinheit binden, da sonst Liquiditätsengpässe innerhalb dieser Volkswirtschaften auftreten können. Be- reits 1959 machte der Ökonom Robert Triffin auf dieses Problem aufmerksam. Die- ses auch als Triffin-Dilemma bezeichnete Problem war letztendlich ein Hauptgrund für den Niedergang von Bretton Woods (Bernstein, 1996, S. 90-91). Solange die USA keine grossen Aussenhandelsdefizite aufwiesen, der Dollar also international knapp war, arbeitete das Bretton Woods System reibungslos. Als aber die USA be- gannen, vor allem den Vietnam Krieg durch das Gelddrucken zu finanzieren, stieg die Dollarmenge im internationalen System sprunghaft an, während die Goldreserven relativ gleich blieben. Es gab also zu viele Dollar im System, so dass diese gegen- über der Währungen der angeschlossenen Länder überbewertet waren, weil die Mit- gliedstaaten verpflichtet waren, den Dollar durch Stützungskaufe zu stabilisieren. So lag beispielsweise der festgelegte Wechselkurs der Deutschen Mark bei 4.20 zu 1. Als jedoch das System 1973 zusammenbrach und der Wechselkurs freigegeben wurde, fiel der Kurs des Dollars gegenüber der Deutschen Mark im Laufe der näch- sten Jahre bis auf 2 zu 1. Somit war also die Deutsche Mark gegenüber dem Dollar lange Zeit unterbewertet.
Auch die garantierte Golddeckung des Dollars war nicht mehr gegeben und das Sy- stem funktionierte seit den 60er Jahren nur, weil die Zentralbanken, wie auch schon erwähnt, Dollar aufkauften und eben nicht von ihrem Goldeinlöserecht Gebrauch machten. Als Frankreich jedoch 1969 seine Dollarreserven in Gold einlösen wollte, war die amerikanische Zentralbank zahlungsunfähig, da die Goldreserven nicht aus- reichten. Daher kündigten die USA 1971 ihre Verpflichtung, Dollar in Gold einzulö- sen. Nach der Kündigung der Goldeinlösepflicht bestand überhaupt kein Vertrauen mehr in das internationale Währungssystem, weshalb es 1973 endgültig zusammen- brach. Es gab im System von Bretton Woods schlicht keinerlei Bestimmungen gegen eine Inflation des Dollars. Man hatte während den Verhandlungen lediglicht Angst, dass es zu wenig Dollar geben könnte, um die internationale Liquidität zu garantie- ren. Dass stattdessen ein Übermass an Dollar auftreten könnte, war für keinen der Teilnehmer vorstellbar. Das Inflationsproblem wurde von den Teilnehmern in Bretton Woods komplett negiert. Zudem trugen die USA keine Verantwortung für die Auf- rechterhaltung des Wechselkurses des Dollars. Sie konnten das Geldangebot ohne Rücksicht auf den Wechselkurs verändern, da nur die dem Bretton Woods System angeschlossenen Mitgliedstaaten verpflichtet waren, ihre Geldpolitik in Übereinstim- mung mit jener der USA zu bringen. Das System war somit asymmetrisch gestaltet (Cesarano, 2006; Campos, 1996).
3 Währungspolitik
Bevor das Bretton Woods II Regime näher analysiert wird, soll in den folgenden Unterkapiteln kurz auf die der Nationalbank eines Staates zur Verfügung stehenden währungspolitischen Instrumente eingegangen werden, da diese in den Schwellenländern und insbesondere in China eingesetzt werden, die dazu dienen können, den Wechselkurs der inländischen Währung zu beeinflussen.
Seit den Währungswirren zu Beginn der 1970er Jahren haben zahlreiche Staaten einen frei schwankenden Wechselkurs eingeführt. Der Kurs bildet sich dabei frei auf dem Devisenmarkt nach Angebot und Nachfrage2. Bei flexiblen Wechselkursen be- steht die Möglichkeit, durch den Einsatz von währungspolitischen Instrumenten, die Exportchancen der nationalen Industrien durch die Abwertung der eigenen Währung zu fördern, da durch die Abwertung der Inlandswährung die heimischen Exportgüter aus der Sicht des Auslandes billiger werden (Bellers & Kortmann, 1999, S. 11). In diesem Zusammenhang stellt sich aber auch noch die Frage, welche positiven und negativen Auswirkungen solche Massnahmen des Staates bzw. der Nationalbank haben kann. Auf diese Frage soll ebenfalls in den folgenden Unterkapiteln eingegan- gen werden.
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1 vgl. Kapitel Instrumente der Auf- und Abwertung
2 vgl. Abbildung 1