Die Stellung der Frau im Osmanischen Reich im kritischen Vergleich zu Europa


Essay, 2010

13 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


Im Seminar: „Das Osmanische Reich und Europa“ haben wir uns unter anderem auch kurz mit der Stellung der Frau im Osmanischen Reich beschäftigt. Leider gibt es zu dieser Thematik sehr wenig Forschungsliteratur, hinzu kommt, dass dieser Gegenstand auch in Schulbüchern und wissenschaftlich orientierten Sendungen im Fernsehen sehr stereotypenlastig behandelt und dargestellt wird. Pauschalisierend und mit einem heutigen Westeuropäischen Blick wird das Frauenbild im Osmanischen Reich zumeist als stark rückständig beschrieben. Die Frau als vollständiges passives Wesen, findet nur insofern besondere Beachtung, wenn die Haremsthematik angeschnitten wird und die Frau als fremde, schöne aus dem Orient hervorgehoben werden kann. Dabei ist gerade dieses überhaupt nicht repräsentativ für das Frauenbild im Osmanischen Reich. In den Harem sind zumeist nur Sklavinnen aus anderen Ländern aufgenommen wurden, da Musliminnen überhaupt nicht versklavt werden durften. Des Weiteren haben auch diese Frauen sich einen erheblichen Machtanspruch bei den regierenden Sultanen sichern können. Insgesamt fällt auf: Es wird nicht versucht Nischen oder Ausnahmen zu finden oder überhaupt erst mal näher auf die Möglichkeiten und Grenzen der Frauen im Alltag einzugehen, um das gängige Bild zu hinterfragen. Des Weiteren finde ich es schade, dass niemand versucht das osmanische Frauenbild mit dem anderer Reiche zu dieser Zeit gegenüberzustellen, um Ähnlichkeiten und Differenzen zu analysieren. Hier soll nun meine Fragstellung ansetzen: Kann man dem Frauenbild im osmanischen Reich wirklich eine rückständige Sonderrolle zuordnen oder lässt sich dieses ohne weiteres mir dem von Europa, hier insbesondere dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, beziehungsweise später ab 1871, dem deutschen Reich vergleichen?. Zu diesem Zwecke möchte ich auf beiden Seiten Aspekte untersuchen, die das private und öffentliche Leben der Frauen in diesen Reichen tangiert haben. Zu aller erst soll dazu auf den Rechtstatus, die Bildung und die Arbeitsmöglichkeiten der Frauen eingegangen werden. Danach möchte ich herausstellen, inwieweit die Frauen Mitspracherechte bei der Heirat hatten und welche Ehe- und Scheidungsrechte sie in Anspruch nehmen konnten. Nachfolgend soll dann auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Freizeit eingegangen werden und eventuelle Geselligkeit oder spezifische kulturelle Unternehmungen betont werden. Zu aller letzt möchte ich dann aufzeigen inwiefern es Grenzgängerinnen, die sich dem gängige Frauenbild widersetzt haben oder sogar schon Anfänge von einer Frauenemanzipation gab. Hinsichtlich des zu untersuchenden Zeitraumes möchte ich mich auf das 17. und 18.Jahrhundert konzentrieren, da das osmanische Reich danach immer mehr Krisen unterliegt und 1922 schließlich gänzlich zerfällt. Dennoch scheint es mir auch wichtig zumindest ansatzweise Einblicke in die Entwicklungen des 19. Jahrhunderts zugeben, um wesentliche Veränderungen in Hinsicht auf die Stellung der Frau zu beschreiben, die auch eventuelle Rückschlüsse auf die gegenwärtige Situation zulassen.

Rechtstatus, Bildung, Arbeitsmöglichkeiten

Im osmanischen Reich waren Frauen sobald sie die Pubertät erreichten und damit volljährig wurden Rechtssubjekte, dass heißt sie konnten sich beim Kadi über ihr angetanes Unrecht beschweren und auch selbst beklagt werden. Vor Gericht hatten sie dennoch Nachteile, da das Zeugnis der Männer schwerer wog und sie deshalb auf männliche Unterstützung angewiesen waren. Hinsichtlich der Wirtschaft und Finanzen billigte man den Frauen jedoch relativ viele Rechte und Freiräume zu. Nach islamischem Recht besaßen Frauen den Anspruch auf Eigentum und Erbschaft. Wohlhabende Frauen verfügten so aufgrund der allgemein üblichen Gütertrennung auch nach der Heirat über ihr eigenes Vermögen. Zudem konnten sie auch eigenständig Geschäftsabschlüsse eingehen, sodass sich die Frauen mit ihrem Kapital im Handel betätigen konnten. Einige investierten ihr Geld als stille Teilhaberinnen. Die Möglichkeit dazu boten Handelsverträge, bei denen der stille Teilhaber einem reisenden Kaufmann Geld anvertraute. Andere belieferten als Kleinhändlerinnen höher stehende Frauen mit Textilien und Schmuck. Die Frauen ohne eigenes Vermögen hatten die Möglichkeit gegen Bezahlung für einen Kaufmann zu arbeiten, indem sie ihm von zu Hause aus Handarbeiten anfertigten, nähten, stickten oder webten. Viele Frauen waren in dieser Hinsicht regelrechte Künstlerinnen und waren in diesem Gewerbe zahlreich vertreten. Hinsichtlich der Bildung waren die Frauen jedoch stark im Nachteil, die unteren Schichten wurden von ihren Müttern ausgebildet, um später hausfrauliche Fähigkeiten mit in die Ehe zu bringen und lernten selten lesen und schreiben. Die Frauen der Oberschicht konnten zumeist lesen und schreiben und ihre Bildung war vor allen Dingen religiös ausgerichtet. Folglich war die Zahl der Frauen, die religiöse Bücher las und über deren Inhalte sprechen konnte offensichtlich größer als es auf dem ersten Blick aussah. Hinzu kam, dass die zuverlässige Überlieferung von Prophetentraditionen von Beginn der islamischen Geschichte kein ausschließliches Privileg der Männer gewesen war. Eine Reihe als kanonisch anerkannter Traditionen ging auf Aysa, die junge Gemahlin des Propheten Muhammad zurück und viele Gelehrte des islamischen Mittelalters haben überliefert, dass die ihre Kenntnisse in diesem Bereich auch weiblichen Gewährsleuten verdankte. Das Studium des religiösen Rechts blieb den Frauen jedoch verschlossen. Dennoch gab es einige Frauen, die sich eigenständig in diese Wissenschaft vertieften und auch an regen Diskussionsrunden der Männer, sei es innerhalb Briefwechsels oder inoffizieller Treffen, teilnahmen.[1]

Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation sahen die Rechtsgrundlagen für die Frauen ein wenig anders aus. Zu betonen ist hierbei, dass die unterschiedlichen Territorien die Constitutio Criminalis Carolina von Karl den V., die bis 1871 als Rechtsgrundlage bestand, zwar verschiedentlich auslegten, was von den religiös, kulturellen Bedingungen in den Gebieten abhing, die Stellung der Frau aber zumeist ähnlich und ohne großen Zugeständnisse behandelt wurde.[2]

Ein wesentlicher Unterschied zum osmanischen Recht besteht hinsichtlich der Teilnahme der Frauen an Gerichtsverhandlungen oder Zivilprozessen. Im Gegensatz zu den osmanischen Frauen, die zwar eingeschränkte Möglichkeiten im Gericht hatten, durften die deutschen Frauen überhaupt erst gar nicht als Klägerin oder Beklagte im Gericht auftreten, sondern bedurften immer einen Rechtsbeistand oder Vormund. Diese sogenannte „Geschlechtervormundschaft“ wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts aufgehoben. Finanziell und wirtschaftlich konnte die unverheiratete Frau grundsätzlich frei bestimmen, dennoch waren auch hier starke Einschränkungen gegeben, da größere, wirtschaftliche Transaktionen immer die Zustimmung eines Geschlechtervormundes benötigten. In einigen Gebieten wurde sich zudem auf das römischrechtliche Interzessionsverbot berufen. Nach dieser Regelung entfalteten Geschäfte, in denen Frauen im Interesse dritter Verbindlichkeiten eingegangen waren, zum Beispiel eine Bürgschaft übernommen hatten, keine Wirksamkeit. Relevant ist auch, da dieses im osmanischen Recht ganz anders gehandhabt wurde, dass Frauen nach Eingang in die Ehe allerlei Rechte an ihrem Vermögen verloren und fortan in einer völligen ökonomischen Abhängigkeit von ihrem Mann lebten.[3] Die Bildungssituation der Frauen war jedoch besser als die der osmanischen Frauen. Die allgemeine Schulpflicht wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts ansatzweise eingeführt und zögernd auch auf die Mädchen ausgedehnt, über den elementarsten Unterricht führte diese aber nicht hinaus. Wesentliche Fortschritte in der Mädchenbildung entwickelten sich dann im 19. Jhd. Die Mädchen aus besseren Kreisen erhielten auch im 18. Jhd. schon eine „schöngeistige“ Ausbildung, die sich jedoch insbesondere auf das Einüben von Briefeschreiben und gesellschaftlicher Konversation bezog. In Anbetracht dessen waren auch die Arbeitsmöglichkeiten der Frauen gering. Die unteren Schichten der Frauen betätigten sich meist als Mägde, Dienstbotinnen, Lohnarbeiterinnen oder Wäscherinnen, zudem war auch der Hebammenberuf bei den Frauen durchaus beliebt und gesellschaftlich anerkannt. Für die Frauen des gebildeten Bürgertums wurden jedoch nur, dieses ist im Vergleich zum osmanischen Reich dennoch positiv anzusehen, Schriftstellerei oder Übersetzungstätigkeiten als Arbeitsmöglichkeit gebilligt. Erst mit der Gründung von Mädchenerziehungsanstalten und öffentlichen Schulen war es den Frauen auch gestattet den Beruf der Lehrerinn zu ergreifen.[4]

[...]


[1] Vgl. Faroqhi, Suraiya: Kultur und Alltag im Osmanischen Reich. Vom Mittelalter bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. München: C.H. Beck 1995. S.118-120.

[2] Vgl. Koch, Elisabeth: Die Frau im Recht der Frühen Neuzeit. Juristische Lehren und Begründungen. In: Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hrsg. von Ute Gerhard. München: C.H. Beck 1997. S. 82-85.

[3] Vgl.ebd.S.86.

[4] Vgl. Frauenleben im 18. Jahrhundert. Hrsg. von Andrea van Dülmen. München: C.H. Beck 1992. S.121-124.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Stellung der Frau im Osmanischen Reich im kritischen Vergleich zu Europa
Hochschule
Universität Kassel  (Geschichte)
Veranstaltung
Das Osmanische Reich und Europa
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
2010
Seiten
13
Katalognummer
V205927
ISBN (eBook)
9783656328681
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frau Osmanische Reich Europa
Arbeit zitieren
Jana Piper (Autor:in), 2010, Die Stellung der Frau im Osmanischen Reich im kritischen Vergleich zu Europa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205927

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