In der Forschungsliteratur wird diesem Gegenstand, vor allen Dingen in Polen, erst relativ spät Aufmerksamkeit geschenkt, was unmittelbar mit der sowjetischen Besetzung Polens bis 1989 zusammenhängt. Dieser war sehr daran gelegen diese Thematik weitestgehend zu tabuisieren, um ihre eigenes Geschichtsbild aufrecht erhalten zu können und eigenständige Reflexionen oder gar kritische Denkansätze bei der Bevölkerung zu verhindern. Des Weiteren fällt bei der näheren Betrachtung der Forschungsliteratur auf, dass auch diese zuerst einmal pointiert die verdrängten und vergessenen Ereignisse des Holocaust in Polen hervorhebt und in dieses Zusammenhang auch das Verhalten der Polen, ihre Hilfeleistung und Unterstützung der Juden, aber auch ihre Gleichgültigkeit und teilweise auch ihr Mitwirken an der Judenvernichtung diskutiert. Stellvertretend dafür ist zum Beispiel Jan Tomasz Gross Buch: „Nachbarn“, das die schrecklichen Geschehnisse in Jedwabne thematisiert, bei denen eine Unzahl von Juden, durch Teile der dort ansässigen polnischen Bevölkerung ermordet wurde. Dieses Buch löste eine starke Kontroverse in Polen aus, ermöglichte aber gleichzeitig ein erstes Hinterfragen der Täter-Opfer Rolle und führte zu einem Einschnitt, in den bis dahin existierenden, positiven Geschichtsmythos. Auf das Buch folgten weitere Bücher von Wissenschaftlern, die entweder versuchten Gross Darstellung zu relativieren oder zu bestärken, in dem sie genauere Zahlen zu nennen versuchten, andere Ereignisse zu Bekräftigung darstellten oder den Ablauf der Geschehnisse noch einmal genau rekonstruierten. Interessant ist jedoch, dass die meisten wenig oder nur pauschalisierend, die Gründe dieser Mitwirkung oder gleichgültigen Einstellung der Polen gegenüber der Juden hinterfragten. Hierauf soll sich nun meine Fragestellung dieses Essays beziehen: Kann man von einer antisemitischen Einstellung der Polen sprechen, die zu diesen Taten führte? Wenn ja, ist dieser Antisemitismus mit anderen Ländern zu vergleichen oder gibt es hier starke Differenzen, die hervorzuheben sind?
Im Seminar „Die europäische Dimension des Holocaust“ habe ich mein Referat über „Polen und Juden im Holocaust“ gehalten. Hierbei habe ich versucht wichtige Ereignisse, die dieses Verhältnis widerspiegeln darzustellen und einen Überblick über dieses noch recht unaufgearbeitete Thema zu geben. In der Forschungsliteratur wird diesem Gegenstand, vor allen Dingen in Polen, erst relativ spät Aufmerksamkeit geschenkt, was unmittelbar mit der sowjetischen Besetzung Polens bis 1989 zusammenhängt. Dieser war sehr daran gelegen diese Thematik weitestgehend zu tabuisieren, um ihre eigenes Geschichtsbild aufrecht erhalten zu können und eigenständige Reflexionen oder gar kritische Denkansätze bei der Bevölkerung zu verhindern. Des Weiteren fällt bei der näheren Betrachtung der Forschungsliteratur auf, dass auch diese zuerst einmal pointiert die verdrängten und vergessenen Ereignisse des Holocaust in Polen hervorhebt und in dieses Zusammenhang auch das Verhalten der Polen, ihre Hilfeleistung und Unterstützung der Juden, aber auch ihre Gleichgültigkeit und teilweise auch ihr Mitwirken an der Judenvernichtung diskutiert. Stellvertretend dafür ist zum Beispiel Jan Tomasz Gross Buch: „Nachbarn“, das die schrecklichen Geschehnisse in Jedwabne thematisiert, bei denen eine Unzahl von Juden, durch Teile der dort ansässigen polnischen Bevölkerung ermordet wurde. Dieses Buch löste eine starke Kontroverse in Polen aus, ermöglichte aber gleichzeitig ein erstes Hinterfragen der Täter-Opfer Rolle und führte zu einem Einschnitt, in den bis dahin existierenden, positiven Geschichtsmythos. Auf das Buch folgten weitere Bücher von Wissenschaftlern, die entweder versuchten Gross Darstellung zu relativieren oder zu bestärken, in dem sie genauere Zahlen zu nennen versuchten, andere Ereignisse zu Bekräftigung darstellten oder den Ablauf der Geschehnisse noch einmal genau rekonstruierten. Interessant ist jedoch, dass die meisten wenig oder nur pauschalisierend, die Gründe dieser Mitwirkung oder gleichgültigen Einstellung der Polen gegenüber der Juden hinterfragten. Hierauf soll sich nun meine Fragestellung dieses Essays beziehen: Kann man von einer antisemitischen Einstellung der Polen sprechen, die zu diesen Taten führte? Wenn ja, ist dieser Antisemitismus mit anderen Ländern zu vergleichen oder gibt es hier starke Differenzen, die hervorzuheben sind? Zu diesem Zwecke möchte ich kurz auf die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg eingehen und das polnisch-jüdische Verhältnis zu dieser Zeit beleuchten und darstellen wie dieses von politischen, religiösen und ökonomischen Entwicklungen geprägt wurde. Es wäre wünschenswert auf diesen spezifischen Gegenstand detailierter einzugehen und jede Epoche mit ihren politischen Besonderheiten und Umwälzungen genauer zu betrachten, dieses würde jedoch den Rahmen der Arbeit sprengen. Ich versuche deshalb einen kurzen Überblick über diese Zeit zu geben, bei dem ich die wichtigsten Aspekte herausstellen werde. Anschließend möchte ich näher auf die Besatzungspolitik der Nationalsozialisten eingehen, um aufzuzeigen, mit welchen neuen Bedingungen und Forderungen die polnischen Gesellschaft konfrontiert wurde und wie sich dieses auf das Verhalten der Bevölkerung ausgewirkt hat. Weiterhin erscheint es mir auch wichtig auf die sowjetische Besatzungspolitik im Osten Polens näher einzugehen, da sich gerade in diesen Gebieten, nach deutscher Einnahme, die späteren Pogrome der polnischen Bevölkerung gegenüber den Juden ereigneten.
Vor dem Zweiten Weltkrieg
Das Mittelalter: Das Mittelalter ist insofern für die jüdisch-polnische Beziehung relevant, da hier die Mehrzahl der Juden zuerst einmal nach Polen emigriert, da sie in anderen Teilen Europas von Verfolgungen und Demütigungen geplagt waren. Der polnische König Kasimir II (1333-1370) verbesserte ihre rechtliche Situation und stellte Ritualmorde oder sonstige Angriffe auf Juden, die sich seit dem 13. Jhd. im Westen Europas immer mehr etablierten unter strenge Strafe. In Folge dieser Zusicherungen und Förderungen des Judentums wird dieses Zeit immer wieder als Blütezeit des jiddischen Lebens in Polen bezeichnet. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass auch zu dieser Zeit die katholische Kirche immer wieder versuchte die Rechte der Juden einzuschränken und schon damals die Forderung stellte, die Lebensbereiche der Christen und der Juden weitestgehend zu trennen. So zum Beispiel sollten sich Juden nur zur Handels oder Dienstleistungszwecken mit Christen unterhalten dürfen. Dennoch hielten König und auch Adlige in den meisten Fällen die Hand über die Juden, da sie von ihren Diensten als Mittler oder Verwalter profitierten. Diese gehobene Stellung der Juden und deren Funktion als „Eintreiber der Finanzen“ der Adligen schürte jedoch Konkurrenzdenken und Hass bei den weniger Betuchteren oder Unterdrückten. Im Zusammenhang mit polnischen Kolonialbestrebungen in der Ukraine erhob sich eine Truppe von Bauern und Kosaken unter der Führung Chmielnickis und richtete ein unvorstellbares Massaker unter der polnischen und vor allen Dingen der jüdischen Bevölkerung an, die im ukrainischen Osten als die Bevollmächtigten des polnischen Landadels galten und gegen der sich der Aufstand richtete.[1]
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[1]Vgl. Garsztecki, Stefan: Antisemitismus in Polen-Geschichte und aktuelle Tendenzen. In:
Grenzenlose Vorurteile. Antisemitismus, Nationalismus und ethnische Konflikte in verschiedenen Kulturen. Hrsg. von Fritz Bauer Institut. Frankfurt am Main: Campus Verlag 2002 (Jahrbuch 2002 zur Geschichte und Wirkung des Holocaust). S. 191-193.
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- Jana Piper (Author), 2010, Polnischer Antisemitismus zur Zeit der deutschen und sowjetischen Besatzung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205929