Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Musik, eine geeignete Therapie
2. Definitionen der Musiktherapie
3. Die Bedeutung der Musik für die Entwicklung
4. Die Entwicklung der Musiktherapie
5. Forschung in der Musiktherapie
6. Die Formen der Musiktherapie
7. Der Verlauf der Therapie
8. Der Therapieraum
9. Die Instrumente und ihre Bedeutung in der Musiktherapie
10. Die Einsatzbereiche der Musiktherapie
10.1 Der Einsatz der Musiktherapie bei Kindern und Jugendlichen mit physischen Krankheiten
10.2 Der Einsatz der Musiktherapie bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Krankheiten
10.2.1 Lernbehinderungen
10.2.2 Autismus
10.2.3 Aggressionen
10.2.4 Essstörungen
10.2.5 Schizophrenie
10.2.6 Zwänge
10.2.7 Mutismus
10.2.8 Kinder und Jugendliche mit psychischen Störungen auf Grund sexuellen Missbrauchs
11. Musiktherapie als geeigneter Ansatz der Behandlung physischer und psychischer Krankheiten
12. Die Zukunft der Musiktherapie
Literaturverzeichnis
1. Musik, eine geeignete Therapie
Der Einsatz von Musik als Behandlungsmöglichkeit verschiedener Krankheiten hat für mich eine besondere Bedeutung, da Musik sowohl in meinem privaten als auch beruflichen Leben einen wichtigen Inhalt bildet.
Meiner Meinung nach kann man Gefühle und Stimmungen durch Musik sehr gut ausdrücken. Dies zeigt sich nach meiner Erfahrung vor allem dann, wenn Personen auf Grund sprachlicher oder durch körperliche und geistige Beeinträchtigungen nicht miteinander kommunizieren können. Bei meiner Arbeit mit Kindergartenkindern konnte ich in den letzten Jahren immer wieder beobachten, dass Kinder, die sonst sehr in sich gekehrt sind und Schwierigkeiten haben sich auf Grund von Problemen jeglicher Art sprachlich mitzuteilen, sobald sie ein Musikinstrument in den Händen halten sprichwörtlich „aufblühen“.
Schon Fröbel, der Begründer des Kindergartens, sah in der Musik einen geeigneten Weg zur Erziehung. So schrieb er in einem Brief „Die Wirkung der Musik auf das Kind scheint mir gleich der des Sonnenlichtes auf die Gewächse. […] ja wie die Sonne in ihrer verschiedenen Stellung verschiedene Keime und Blüten hervorruft, so muss auch die Musik in ihrer verschiedenartigen Einwirkung auf das Kind in demselben eine verschiedene Wirkung hervorbringen.“(Fröbel 1847 zit. nach Decker-Voigt et al. 2008, S.307)
Für die Soziale Arbeit sehe ich den Zusammenhang zu diesem Thema im immer größer werdenden Bedarf an Therapieformen, gerade bei Kindern und Jugendlichen. Musiktherapie kann hier z.B. durch Gruppentherapien zur Förderung des Sozialverhaltens dienen, das in den letzten Jahren einer erhöhten Förderung bedarf, was sich vor allem bei Krankheiten wie Mutismus, Aggressionen und Autismus zeigt.
Da physische und psychische Erkrankungen sehr vielschichtig sein können, stelle ich mir in diesem Theorieprojekt die Frage, bei welchen Arten der Erkrankungen Musiktherapie einen erfolgreichen Ansatz bietet und inwieweit eine Musiktherapie genau verläuft.
Ich möchte mich bei dieser Arbeit mehr auf psychische als auf physische Krankheiten beziehen, letztere werde ich nur kurz erläutern. Um ein flüssigeres Lesen zu ermöglichen, werde ich jeweils die maskuline Form von Therapeut und Patient verwenden, gemeint sind aber sowohl Therapeut und Therapeutin als auch Patient und Patientin.
2. Definitionen der Musiktherapie
Musiktherapie zu definieren gestaltet sich auf Grund des immensen Umfangs an Ansprüchen, Erwartungen und auch Haltungen der einzelnen Musiktherapeuten sehr schwierig. Deshalb möchte ich an dieser Stelle zwei Definitionen anbringen, die meines Erachtens Richtlinien für jeden Musiktherapeuten sein sollten.
Die Definition der Deutschen Gesellschaft für Musiktherapie (DGMT):
„Musiktherapie ist der gezielte Einsatz von Musik im Rahmen der therapeutischen Beziehung zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit.“ (DGMT 2004 zit. nach Plahl & Koch-Temming 2008a, S.33).
Die weltweite Organisation, die World Federation of Music Therapy (WFMT), formulierte eine etwas genauere Definition für Musiktherapie:
„Musiktherapie ist die Verwendung von Musik und/oder musikalischen Elementen (Klang, Rhythmus, Melodie und Harmonie) durch eine qualifizierte Musiktherapeutin mit einer Klientin oder Gruppe in einem Prozess, der so gestaltet ist, dass Kommunikation, Beziehungen, Lernen, Mobilisierung, Ausdruck, Organisation und andere therapeutische Ziele unterstützt und gefördert werden, um die körperlichen, emotionalen, geistigen, sozialen und kognitiven Bedürfnisse zu erfüllen.“ (WFMT 2004 zit. nach Plahl & Koch-Temming 2008a, S.33).
3. Die Bedeutung der Musik für die Entwicklung
Seit jeher macht der Mensch Musik. Jede Kultur, gleich wo auf der Erde, hat ihre eigene Musik entwickelt und empfindet sie als unentbehrlichen Teil zur Bildung einer Gemeinschaft. In den traditionellen Kulturen hat sie einen Platz als Heilungsritual gefunden, da Musik der Seelsorge und auch der Prävention dienen kann. Der Mensch kann mit Musik sowohl traurigen als auch erfreulichen Ereignissen eine eigene Bedeutung geben. Er erlebt dadurch ganz individuell seine Zugehörigkeit zur Gesellschaft (vgl. Timmermann 2008a, S.79).
Musik bietet die Möglichkeit verschiedene Bedürfnisse zu befriedigen. Gerade für die Entwicklung von Kleinkindern ist Musik deshalb besonders wichtig (vgl. Plahl & Koch-Temming 2008a S.23). Sie ermöglicht es auf die einfachste Weise verdrängte Gefühle zum Ausdruck zu bringen und positive Erfahrungen zu gestalten (vgl. Timmermann 2008b, S.168).
Man sagt, dass zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr die Bereitschaft zum musikalischen Tun besonders hoch sei, hier könne man also den Grundstein für eine spätere musikalische Karriere legen, es sei denn, es werden schlechte Erfahrungen gemacht (vgl. Timmermann 2008f, S.191).
4. Die Entwicklung der Musiktherapie
Schon in den 20er Jahren wurde Musik zur Behandlung in heilpädagogischen Einrichtungen eingesetzt. Julius Knierim (1919-1999), ein Musikwissenschaftler und Schulmusiker, hat hierbei die Behandlung von Musik in der Heilpädagogik stark beeinflusst und verschieden Formen der Improvisation erarbeitet (vgl. Plahl & Koch-Temming 2008a, S.36).
Durch die erfolgreiche Behandlung von Kriegsveteranen durch Musiklehrer nach dem 2. Weltkrieg begann in den USA die Entwicklung der Musiktherapie. Dazu wurde 1946 an der Kansas University in Texas erstmals ein akademischer Lehrgang und 1950 die National Associaton of Music Therapy (NAMT) gegründet. Zur gleichen Zeit sollte erforscht werden, wie Musik auf das menschliche Verhalten wirkt, um daraus Behandlungsmöglichkeiten entwickeln zu können.
Christa Kohler (1971) und Christoph Schwabe (1969) begannen in den 60er Jahren an der psychiatrischen Klinik in Leipzig mit der musiktherapeutischen Arbeit und legten damit den Grundstein für Musiktherapie in der ehemaligen DDR.
In der alten BRD entstand aus Berufsverbänden in den 70er Jahren ein „Mentorenkurs“, in dem Musiktherapeuten von britischen Kollegen ausgebildet wurden. 1979 wurde dann die Deutsche Gesellschaft für Musiktherapie (DGMT) ins Leben gerufen, die seit den 80er Jahren die „Musiktherapeutische Umschau“ herausgibt (ebd. S.32-33).
Eine Weiterentwicklung der Musiktherapie fand durch Paul Nordoff und Clive Robbins statt. Sie entwickelten 1973 eine Musiktherapie für behinderte Kinder, deren elementarste Bedingung war, die Kinder ihre Gefühle frei ausdrücken zu lassen und sie voll und ganz zu akzeptieren (vgl. Timmermann 2008c, S.90).
Die Musiktherapie erlebt in der Zeit von gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen ihre besondere Entfaltung. Durch den technischen Fortschritt in der Medizin, verbalen Anforderungen in der Psychotherapie und eine stur auf kognitive Fähigkeiten ausgerichtete Pädagogik, entsteht das Bedürfnis nach einer Möglichkeit sich emotional mitzuteilen und neue Freiheiten in der Behandlung zu finden, dies bietet zweifelsfrei die Musiktherapie (vgl. Plahl & Koch-Temming 2008a, S.23).
5. Forschung in der Musiktherapie
Bis jetzt gibt es noch keine kontrollierenden Studien, die sich mit der Wirkung der musikalischen Elemente auf die Psyche des Menschen auseinander setzen, sie bleiben also reine Annahmen. Die Variablen zur Untersuchung sind sehr vielschichtig, was die Situation noch zusätzlich erschwert (vgl. Oberegelsbacher & Timmermann 2008, S.27-28).
Zu diesen unterschiedlichen Variablen gehören verschiedene Formen von Musiktherapie, unterschiedliche Patienten und Indikationen, die Komplexität der Therapie, unterschiedliche Ziele und auch die verschiedenen Vorgehensweisen der Forschung. Dies alles würde unzählige Kombinationen von Fragestellungen erlauben aus denen dann eine Vielzahl von Untersuchungen und Studien entstehen würden (ebd. S.29-30).
Frans Schalwik unterscheidet drei Ebenen der Musiktherapieforschung. Zum einen die allgemeine Musiktherapie, zu ihr gehört die Grundlagenforschung, die Abgrenzung zu anderen ähnlichen Therapien, ebenso die Erwartungen, die an die Therapie gestellt werden, das Befragen von Therapeuten und das Analysieren von Stellenangeboten in diesem Bereich. Die zweite Ebene bildet die Entwicklung von Methoden, die in der Psychiatrie am weitesten und in der Arbeit mit geistig Behinderten am wenigsten fortgeschritten ist. Hierzu trägt auch bei, dass viele Therapeuten ihre Arbeit nicht dokumentieren. Die Forschung könnte durch Befragung und verdeckte Beobachtung oder Fallbeschreibungen diese Methoden erforschen. Zum anderen gehört noch die Prüfung der Methoden dazu. Hier sind die USA am weitesten voraus, obwohl sie sich ausschließlich auf Lerntheorien konzentrieren. Die Ergebnisforschung,also die Antwort auf die Frage „Ist eine Therapie wirksam“, erfolgt durch psychologische Messmethoden (ebd. S.32-33).
Glaubt man einer Fallstudie des Deutschen Zentrums für Musiktherapieforschung über die Wirkung von ambulanter Musiktherapie, so legen 72% aller Musiktherapeuten den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Besonders angebracht scheint in diesem Zusammenhang auch die Therapie mit Patienten, die (noch) nicht sprechen können, Sprachhemmungen haben oder bereits nicht mehr im Besitz von Sprache sind (vgl. Frohne-Hagemann & Pleß-Adamczyk 2005, S.20).
In den angelsächsischen Ländern gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Untersuchungen und Ergebnissen in der Musiktherapieforschung, allerdings nicht im Bereich der Jugendpsychiatrie. Forschungen über die musiktehrapeutische Arbeit mit Jugendlichen, Wirkungen in diesem Bereich oder der Vergleich von verschiedenen Konzepten fehlen noch. Hier fehlt also der Musiktherapie die Anerkennung und somit der Nachweis von Effektivität und Effizienz (vgl. Haffa-Schmidt et al. 1999, S.16).
Die USA fordert seitdem die National Association for Music Therapy ins Leben gerufen wurde eine wissenschaftliche Begründung der Musiktherapie. Dazu sollen Verhaltenstheorie und Verhaltensforschung angewendet werden, denn: „Musiktherapie ist eine Methode, um gezielt Verhaltensänderungen herbeizuführen und gehört daher automatisch in den Bereich der Verhaltensmodifikationen.“(Madsen et al. 1968, S.70 zit. nach Plahl & Koch-Temming 2008a, S.38).
Anekdoten dokumentieren schon lange die Wirkung von Musiktherapie. Fallbeschreibungen aus der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts dienen der musiktherapeutischen Wirksamkeitsforschung als Grundlage. Es wurde systematisch das Vorgehen des Therapeuten festgehalten und die Wirkung der Behandlung beschrieben. Dies bildet auch heute noch die Voraussetzung für die Forschung von Wirkung, „denn nur was beschrieben werden kann, kann auch auf seine Wirkung hin überprüft werden.“ (Plahl 2008, S.346).
Da es sich um eine angewendete Wissenschaft handelt, steht immer die Praxis im Vordergrund. Deshalb äußern Therapeuten auch ihre Bedenken, dass die empirische Erforschung den Prozess der Musiktherapie zerstören und das Wesentliche der Therapie nicht aufgefasst werden könnte (ebd. S.346).
Um die wissenschaftliche Wirkung (efficacy) erforschen zu können, bedarf es der Möglichkeit Einzelfaktoren unter kontrollierten Bedingungen zu untersuchen. Dies setzt voraus, dass die zu untersuchende Gruppe einheitlich (homogen) zusammengesetzt ist, die Personen zufällig (randomisiert) in eine Behandlungs- oder Kontrollgruppe eingeordnet werden, die Behandlung standardisiert ist, Zielvorgaben operationalisiert sind und standardisierte Messinstrumente, wie Fragebögen oder Testbatterien, zur Verfügung stehen.
Um die klinische Wirkung (effectiveness) zu erforschen bedarf es keiner kontrollierten und standardisierten Prozesse, um die Behandlung im Klinikalltag zu untersuchen. Das Ergebnis bekommt hier eine höhere allgemeine Gültigkeit. Somit kann die Wirkung auf andere musiktherapeutische Behandlungen übertragen (generalisiert) werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Effizienz (efficiency) ist eine Untersuchung möglich. Hierzu wird an Hand von Kosten-Nutzen-Analysen die Ökonomie und das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag beurteilt (ebd. S.347.348).
Bisherig durchgeführte Wirksamkeitsstudien der Musiktherapie belaufen sich auf Ergebnisstudien (outcome studies), hier hat sich herausgestellt, dass besonders im Bereich der Behandlung von Entwicklungsstörungen und Autismus, Musiktherapie bei Kindern wirksam ist. Studien über den Prozess (process studies) geben Aufschluss über die Form wie Musiktherapie wirkt. Dabei ist es für die Forschung von Bedeutung herauszufinden, welche Bedingungen für eine erfolgreiche Therapie von Nöten sind (ebd. S.348).
Vom Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung (DZM) gibt es unter Zusammenarbeit mit dem Center for Biomedical Research in Music der Colorado State University und der neurologischen Abteilung des SRH-Klinikums Karlsbad-Langensteinbach eine Vergleichsstudie zur Wirksamkeit von Musiktherapie bei Schlaganfallpatienten. Daran wurde festgestellt, dass die Patienten, die durch Musiktherapie behandelt wurden, zufriedener mit dem Verlauf waren und mehr Erfolge in der Therapie hatten.
Eine erst kürzlich veröffentlichte Studie des DZM hat gezeigt, dass Musiktherapie auch im Bereich der Medizin erfolgreich ist. Hier wurden Herzkatheter-Patienten musikalisch stimuliert, wodurch sie physisch weniger belastet waren. Leider gilt nach wie vor, dass Musiktherapie bisher noch nicht die Dosis der Medikamente verringern kann (vgl. Leuning 2006).
Damit sich die Musiktherapie weiter halten kann, ist es notwendig, dass sie an dem Wettbewerb, der auf dem Gesundheitsmarkt stattfindet, durch geeignete Konzepte teilnimmt. Diese Konzepte sollten Maßnahmen zur Qualitätssicherung und empirische belegte Forschungsstandards enthalten, damit die Stellung der Musiktherapie gesichert wird (vgl. Bolay & Wormit 2002, S.6).
6. Die Formen der Musiktherapie
Musiktherapie kann in unterschiedlicher Art und Weise verlaufen, sie enthält aber sowohl Elemente der Heilpädagogik als auch der Psychotherapie (vgl. Frohne-Hagemann & Pleß-Adamczyk 2005, S. 21). Man unterscheidet rezeptive und aktive und die sogenannte systemische Musiktherapie, auf letztere werde ich hier auf Grund der Zusammenhänge mit anderen Psychotherapien nicht weiter eingehen. Zu diesen Formen kommen noch übungszentrierte, erlebnisorientierte und konfliktzentrierte Vorgehensweisen hinzu. Allen Formen gemeinsam ist, dass sie Patienten Lösungen und Perspektiven anbieten sollen (vgl. Haffa-Schmidt 1999, S.31-32).
Allgemein könnte man sagen, dass bei der rezeptiven Musiktherapie das Hören von Musik im Vordergrund steht (vgl. Frank-Bleckwedel 1996, S.326). Dabei ist es möglich, dass der Therapeut dem Patienten die Musik selbst vorspielt, aber auch, dass er die Musik von einem Tonträger hört. Üblich ist es im Anschluss oder während dem Hören über das Gehörte zu sprechen (vgl. Timmermann 2008e, S. S.56). Entscheidend für die Wahl zur rezeptiven Form der Behandlung, ist die Tatsache, dass sie oft die einzige Möglichkeit bietet, größere Widerstände gegen die Therapie zu überbrücken (vgl. Haffa-Schmidt 1999, S.36).
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