Grundriss einer neutestamentlichen Ekklesiologie

Theoretisch-praktische Reflexionen zum Wesen, zum Auftrag und zu den Funktionen der neutestamentlichen Gemeinde


Essay, 2012

164 Seiten


Leseprobe


Detalliertes Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

Einleitung

1 Begriffsbestimmung
1.1 Der biblische Befund
1.2 Der Gebrauch von „Kirche“ und „Gemeinde“ in der deutschen Sprache

2 Die Entstehung der Gemeinde
2.1 Die universale Gemeinde
2.2 Die lokale Gemeinde

3 Das Wesen der Gemeinde
3.1 Die Gemeinde als Eigentum Gottes
3.1.1 Die Familie Gottes
3.1.2 Die königliche Priesterschaft
3.1.3 Die heilige Nation
3.1.4 Das Volk Gottes
3.2 Die Gemeinde als Leib Christi
3.2.1 Begriffsbestimmung
3.2.2 Die Bedeutung für die Gemeinde
3.3 Die Gemeinde als Werk des Heiligen Geistes
3.3.1 Begriffsbestimmung
3.3.2 Die Bedeutung für die Gemeinde

4 Der Auftrag der Gemeinde
4.1 Der Missionsauftrag der Gemeinde in Mt 28, 18-20
4.1.1 Die Begründung des Befehls
4.1.2 Der Inhalt des Befehls
Die Evangelisation
Die Taufe
Die Lehre
4.2 Der Auftrag der Gemeinde in Eph 1, 3-14
4.3 Der Auftrag der Gemeinde aus täuferisch-freikirchlicher Perspektive

5 Die Funktionen der Gemeinde
5.1 Die Evangelisation
5.1.1 Der Vorgang der Evangelisation
5.1.2 Der Inhalt der Evangelisation
5.2 Die Taufe und Aufnahme in die Gemeinde
5.2.1 Die Taufpraxis der ersten Christen
5.2.2 Die Aufnahme in die Gemeinde
5.3 Der Gottesdienst
5.3.1 Die Lehre der Apostel
5.3.2 Die Gemeinschaft
5.3.3 Das Mahl des Herrn
5.3.4 Das Gebet

6 Hilfsmittel zur Ausführung des Auftrages der Gemeinde
6.1 Die Gemeindezucht
6.1.1 Ein Beispiel der Gemeindezucht in der Urgemeinde
6.1.2 Begriffsbestimmung
6.1.3 Die Notwendigkeit der Gemeindezucht
6.1.4 Die Ursachen für die Gemeindezucht
6.1.5 Die Methoden der Gemeindezucht
6.1.6 Die Auswirkungen der Gemeindezucht
6.2 Die Gemeindestruktur
6.2.1 Ein Beispiel der Gemeindestruktur in der Urgemeinde
Die strukturellen Probleme der Urgemeinde
Die Ursachen für die strukturellen Probleme
Die Lösungen der Probleme
Die Auswirkung der Lösungen
Die Frage nach den Anfängen des Ältesten- und Diakonenamtes
6.2.2 Die Begriffe und Funktionen der Leitung im Neuen Testament
Apostel
Propheten
Lehrer
Evangelisten
Älteste und Aufseher/Bischöfe
Diener/Diakone
Hirten
Andere Bezeichnungen
6.2.3 Die Berufung zur Leitung der Gemeinde
6.2.4 Theoretisch-praktische Überlegungen zur Leitung
Leitungsstil
Auftrag der Leitung
Leitungsteam
Übergemeindliche Leitungsstrukturen
6.3 Die Geistesgaben
6.3.1 Der Bericht der Apostelgeschichte
6.3.2 Begriffsbestimmung
6.3.3 Die Gabenlisten und die Klassifizierung der Gaben
6.3.4 Theoretisch-praktische Überlegungen zu den Gaben

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Zum Autor

Geleitwort

Nachdem ich das Vorrecht hatte, dieses Büchlein über die neutestamentliche Ekklesiologie orthographisch Korrektur zu lesen, komme ich gerne der Bitte des Verfassers nach, ein Geleitwort zu schreiben. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Herr Löwen in seiner Arbeit über das neutestamentliche Gemeindeverständnis alles Wesentliche erfasst und dargestellt hat. Erfreulich finde ich, dass die Apostelgeschichte als historisch glaubwürdig ernstgenommen wird.

Besonders habe ich mich gefreut über die Darstellung der Geistesgaben und der Gemeindezucht, die in der heutigen Zeit leider fast keine Rolle mehr spielt. Im Kapitel über die Taufpraxis der frühen Christenheit wird der täuferisch-freikirchliche Hintergrund des Verfassers deutlich. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass sich baptistisches und lutherisches Taufverständnis vom NT her nicht widersprechen, sondern gemeinsam die e i n e Taufe nach Epheser 4,5 darstellen. Gläubigentaufe und Kindertaufe sich also nicht gegenseitig ausschließen, sondern einander ergänzen.

Was ich mir bei dieser Arbeit noch gewünscht hätte, wäre der Hinweis auf die und die Ausführung der Einheit der neutestamentlichen Gemeinde – bei aller vorhandenen Vielfalt - , die vom NT und von Gott her gegeben ist, der wir aber in der Realität der gläubigen Christenhein kräftig nachhinken. Dabei ist die christliche Uneinheit das weltweite Glaubenshindernis par excellence, denn nach Joh. 17,21 ist die Einheit der Gemeinde in Gott und Christus die Voraussetzung, dass die Welt erkennt, dass Jesus vom Vater der Welt zum Heiland gesandt ist. Insgesamt wünsche ich diesem Büchlein, dass die Frage nach dem Ursprung, dem Wesen und dem Auftrag der Gemeinde kompetent, verständlich und hilfreich behandelt, eine segensreiche Verbreitung.

Vorwort

Im Rahmen meiner Dissertation zum Thema Gemeindepädagogik musste ich mich auch ausführlich mit dem Thema Gemeinde beschäftigen. Als ich dann mit diesem Teil der Arbeit fertig war, stellte ich fest, dass der Umfang der Abhandlung den Rahmen meiner Dissertation sprengen würde. Ich sah mich daher gezwungen, diesen Teil der Dissertation sehr stark zu kürzen.

Die Mehrheit der Arbeit verschwandt zuerst im Archiv. Ich fragte mich, ob die Arbeit umsonst war. Doch dann bot sich für mich die Möglichkeit an, das Fach Ekklesiologie (Gemeindelehre) am Seminar zu unterrichten, wo ich als Dozent und Direktor tätig war. Diese Erfahrung war eine Genugtuung, weil all die Stunden, die ich für die Untersuchung aufbrachte, nicht umsonst waren.

Seit mehreren Jahren lehre ich nicht mehr dieses Fach, weil ich anderen Aufgaben im meinem beruflichen Leben nachgehe. Sehr oft fragte ich mich, ob ich all die Arbeit nur für die Studierenden getan habe, die an meinem Unterricht teilnahmen? Der Wunsch, die Ergebnisse meiner Reflektionen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, wuchs mit der Zeit. Daher beschloss ich, meine Arbeit in Buchform herauszugeben.

Einleitung

Das Ziel dieser Arbeit ist, anhand des Zeugnisses des Neuen Testaments einen Grundriss der Gemeindelehre zu entwickeln. Dieser Aufgabe wird nachgegangen, indem zuerst die Frage nach dem Begriff und der Entstehung der Gemeinde geklärt wird. Anschließend soll das Wesen, der Auftrag, die Funktionen und die Hilfsmittel zur Ausführung des Auftrages der Gemeinde präsentiert werden.

Das Wesen der Gemeinde wird in dieser Arbeit primär von der Beziehung der Gemeinde zum Dreieinigen Gott her beschrieben. Als Grundlage für den Auftrag der Gemeinde dient der Missionsbefehl Jesu Christi in Mt 28, 18-20. Zusätzlich werden auch andere Texte der Bibel herangezogen, bei denen es um andere Aspekte des Auftrages der Gemeinde geht. Die Funktionen der Gemeinde, die auch als Ausführung des Auftrages der Gemeinde verstanden werden können, werden primär anhand der Apostelgeschichte untersucht. Der Grund für diese Vorgehensweise liegt in der Tatsache begründet, dass die Apostelgeschichte als ein authentischer Bericht des Historikers Lukas über die Ausführung des Auftrages der Gemeinde gesehen werden kann. Die Apostelgeschichte bildet die Fortsetzung der Evangelien und zeigt ihren Lesern, wie die Jünger Jesu Christi Jesus selbst und seinen Auftrag verstanden und ausgeführt haben. Als Zeugen des Lebens, der Lehre, des Todes, der Auferstehung und der Himmelfahrt Jesu Christi waren die Jünger in der Lage, das in die Praxis umzusetzen, was sie unmittelbar von Jesus gehört und gelernt hatten. Die Apostelgeschichte ist daher historisch gesehen eine der wichtigsten Quellen für das Studium der Ekklesiologie. Zusätzlich zum Bericht der Apostelgeschichte werden auch andere Texte des Neuen Testamentes herangezogen. Das trifft besonders bei der Abhandlung von Themen wie Gemeindezucht, Gemeindestruktur und Geistesgaben zu.

Da das Verständnis vom Auftrag der Gemeinde die Funktionen der Gemeinde und somit auch das ganze Gemeindeleben beeinflusst, werden an dieser Stelle einige Positionen zum Auftrag der Gemeinde aus täuferisch-freikirchlicher Perspektive vorgestellt. Vertreter dieser christlichen Traditionen werden hier herangezogen, weil ihre Gemeindepraxis und ihr Gemeindeverständnis sehr stark vom Verständnis des Auftrags der Gemeinde bestimmt werden. Dieser Zusammenhang ist vor allem für die Praxis des Gemeindelebens von großer Bedeutung.

Da es hier um die Darstellung einer Ekklesiologie aus einer neutestamentlichen Perspektive geht, wird hier primär mit dem Urtext und den theologischen Wörterbüchern zum Neuen Testament gearbeitet. Zusätzlich werden auch Kommentare und andere Werke herangezogen, wenn diese für die Klarstellung eines biblischen Sachverhaltes nötig sind.

Auch wenn es hier um eine Untersuchung geht, die mit dem griechischen Grundtext des Neue Testaments arbeitet, wurde der griechische Text nach Möglichkeit mit lateinischen Buchstaben umschrieben. Wenn es nicht der Argumentation störte, wurde der griechische Text hinter dem deutschen Text in Klammern dargestellt. Diese Vorgehensweise soll vor allem Lesern entgegenkommen, die das Griechische nicht so gut beherrschen.

Die Abkürzungen der biblischen Bücher richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis der dritten Auflage des „Evangelischen Kirchen-lexikons“. Die allgemeinen Abkürzungen entsprechen dem Duden-Taschenbuch „Wörterbuch der Abkürzungen“.

1 Begriffsbestimmung

1.1 Der biblische Befund

In der Lutherbibel wird der Begriff „Gemeinde“ mit dem griechischen Wort ekklesia (evkklhsi,a) übersetzt. Mit ekklesia (evkklhsi,a) wurde im profanen Griechisch die Volksversammlung beschrieben. Sie stellte die von einem Herold herausgerufenen (evk = heraus; kalei/n = rufen) und zusammengerufenen rechtsfähigen Bürger des Landes dar.[1] Dieser Versammlung wurden viele Rechte eingeräumt, denn sie konnte über Fragen der Innen- und Außenpolitik (Bündnisse, Verträge, Finanzen, Krieg und Frieden) entscheiden. Zusätzlich wurden Gesetzesänderungen und in Ausnahmefällen auch Rechtsprechungen durch diese Institution beschlossen. Die Versammlung begann gewöhnlich mit Gebeten und Opfern für die Götter der Stadt. Die Beschlüsse wurden demokratisch durch Stimmenmehrheit gewonnen. Das Wort ekklesia (evkklhsi,a) blieb im griechischen und hellenistischen Raum stets „auf die Gesamtheit der Polis und nur in drei Ausnahmefällen ... [auch auf] die ‘geschäftliche Versammlung’ eines Kultvereins“ bezogen.[2]

In der LXX kommt ekklesia (evkklhsi,a) etwa 100­-mal vor und ist fast immer die Übersetzung des Begriffes kahal (lh'q'). Dieser Begriff wurde im Alten Testament gebraucht, um eine Versammlung, versammelte Menge, Volksversammlung, eine festfeiernde Versammlung zu beschreiben. Besonders häufig geht es bei diesem Begriff um die Gemeindeversammlung in der Gemeinde Israels, namentlich als Kultusgemeinschaft.[3]

Neben kahal (lh'q') wird im Alten Testament auch der Begriff eda (hd'[e) für „Gemeinde“ benutzt. Er wurde gebraucht, um eine Volksversammlung, Schar, Menge, Versammlung der Völker, Familie und den Gottes-Rat auszudrücken. Fast ausschließlich wird eda (hd'[e) jedoch verwendet, um die religiös bestimmte Gemeinde zu beschreiben.[4] In der LXX wird dieser Begriff mit dem griechischen Wort synagoge (sunagwgh ,) wiedergegeben.[5] Der Gebrauch von ekklesia (evkklhsi,a) und synagoge (sunagwgh ,) in der LXX lässt nur geringe Unterschiede feststellen. Erst mit der Zeit wurde der Begriff synagoge (sunagwgh ,) eingeschränkt und bezeichnete zur Zeit des Neuen Testamentes, bei Josephus, Philo und in der urchristlichen Literatur, das Synagogengebäude.[6]

Mit kahal (lh'q') ' und eda (hd'[e) verhält es sich ähnlich wie mit ekklesia (evkklhsi,a) und synagoge (sunagwgh ,). Mit einer kleinen Ausnahme (Lev 4, 13; Dtn 23, 22) ist die Annahme zulässig, dass diese Begriffe den gleichen Sinn und die gleiche Bedeutung haben (Num 16, 3; Prov 5, 14). Sie können in gewisser Hinsicht als Synonyme gesehen werden.[7]

Für die Juden war die Gemeinde eine theokratische Gesellschaft, deren Mitglieder Untertanen des himmlischen Königs waren. Es ging dabei besonders um die (vertikale) Beziehung der Gemeinde zu Gott. Im griechischen Sprachgebrauch dagegen ging es um die (horizontale) Beziehung untereinander. Denn Gemeinde wurde hier als eine sich selbst regierende demokratische Gesellschaft gesehen. Im Neuen Testament sind laut Herbert Lockyer diese beiden Aspekte auch verschmolzen.[8]

Im Neuen Testament wird ekklesia (evkklhsi,a) primär gebraucht, um die neutestamentliche Heilsgemeinde zu beschreiben. In dieser Hinsicht hat das Wort drei Bedeutungen: (1) Die „Gesamtgemeinde, die Gesamtheit aller von und zu Christus Berufenen, welche im Besitze, in der Gemeinschaft seines Heils sich befinden, die Kirche, die Gemeinschaft der Heilsgenossen“ (Act 2, 47; 5, 11; 9, 31; 1 Kor 6, 4; 14, 4. 5. 12; Eph 1, 22; 3, 10; Kol 1, 18. 24). (2) Die „neutest[amentliche] Heilsgemeinde in lokaler Begrenzung“ (Röm 16, 5; 1 Kor 16, 19; Kol 4, 15). (3) „Die versammelte Gemeinde, Versammlung der Gemeinde“[9] (1 Kor 11, 18; 14, 19. 28. 35).

1.2 Der Gebrauch von „Kirche“ und „Gemeinde“ in der deutschen Sprache

Die Begriffe „Kirche“ und „Gemeinde“ werden heute in der deutschen Sprache gebraucht, um die neutestamentliche Heilsgemeinde zu beschreiben. Hierbei können beide Begriffe mehrere Bedeutungen haben.

Der Begriff „Kirche“ ist dem spätgriechischen Wort kyrikon (ku,rikon) (Gotteshaus) entlehnt.[10] Kyrikon ist eine Vulgärform des 4. Jahrhunderts für das ältere Wort kyriakon, das „eigtl. ‘das zum Herrn gehörige’ (ergänze Haus)“ bedeutet, und „eine Substantivierung des Adj. kyriakos ‘zum Herrn (gr. kyrios) gehörig’“ ist.[11] Man geht davon aus, dass das Wort im Rahmen der Bautätigkeit in Trier während der konstantinischen Epoche entlehnt wurde und sich dann von da aus ausbreitete. Heute hat dieser Begriff mindestens vier Bedeutungen: (1) Gotteshaus; (2) Christliche Glaubensgemeinschaft; (3) Gottesdienst und (4) Amtsträger oder Organe.[12]

Das Wort „Gemeinde“ ist vom Adjektiv „gemein“ abgeleitet und hat einen gemeinsamen indogermanischen Sprachstamm wie das griechische koinonia (koinwni,a) (Gemeinschaft, Gemeinschaftsbesitz) und das lateinische communio (das durch gemeinsame Mauern gesicherte Gebiet).[13] Ursprünglich beschrieb dieser Begriff den Gemeindegrund. Mit der Zeit wurde er auf Menschen angewandt, die Anteil am Gemeindegrund hatten und dadurch eine Gemeinschaft bildeten. Heute wird der Begriff gebraucht, um eine Kommune, einen dem Staat untergeordneten, öffentlich-rechtlichen Verband, einen Ort oder ein Dorf zu beschreiben.[14] Es geht hier sowohl um den Gemeindegrund als auch um die Angehörigen dieses Gemeindegrundes (d.h. die Einwohner eines Bezirkes). Zusätzlich wird er auch gebraucht, um eine Gemeinschaft und Gruppe von Menschen zu beschreiben, „die sich unter einer Idee od. mit bestimmten Interessen zusammengefunden haben“.[15] Wie der Begriff „Kirche“ kann „Gemeinde“ auch die „Gesamtheit der in der Kirche versammelten Gläubigen“ beschreiben.[16]

Laut Christian Möller kann der Unterschied zwischen Kirche und Gemeinde wie folgt dargestellt werden: „Im Begriff ‘Kirche’ kommt die rechtliche, institutionelle, geschichtliche und räumliche Gestalt (kyriake) ... der christlichen Gemeinde zur Sprache; im Begriff ‘Gemeinde’ kommt die personale, als Versammlung und Gemeinschaft im Evangelium sich ereignende, lokal begrenzte Gestalt von ‘Kirche’ zur Sprache“.[17]

Trotz dieser Differenzierung werden heute beide Begriffe gebraucht, um den gleichen Sachverhalt zum Ausdruck zu bringen. Es ist festzustellen, dass je nach Lexikon man entweder den Begriff „Gemeinde“ oder „Kirche“ für den gleichen Sachverhalt verwendet. Nicht selten werden sie auch gemeinsam unter der Überschrift „Gemeinde/Kirche bzw. Kirche/Gemeinde “ behandelt.

Luther übersetzte ekklesia (evkklhsi,a) konsequent mit Gemeinde. Er entschied sich für diese Übersetzung, „weil er das römisch-katholische Kirchenrecht und die sich daraus ergebende päpstlich-bischöfliche Struktur der mittelalterlichen Kirche mit ihrer Macht- und Prachtentfaltung ablehnte“.[18] Seitens der Freikirchen wird der Begriff „Gemeinde“ dem Begriff „Kirche“ vorgezogen. Hier wird dann auch das Gebäude nicht als Kirche, sondern als Gemeindehaus bezeichnet.

2 Die Entstehung der Gemeinde

Beim Wortstudium wurde festgestellt, dass ekklesia (evkklhsi,a) für zwei Arten von Gemeinden gebraucht wird: Die universale Gemeinde und die lokale Gemeinde. Bei der Untersuchung der Entstehung der Gemeinde soll es daher zuerst um die universale und später um die lokale Gemeinde gehen.

2.1 Die universale Gemeinde

Bezüglich des Zeitpunktes der Entstehung der Gemeinde gibt es verschiedene Meinungen. Einige gehen davon aus, dass die Gemeinde als das „geistliche Israel“ seine Anfänge im Alten Testament hat. Andere dagegen sehen die Anfänge bei Johannes dem Täufer, bei der Aussendung der zwölf Jünger[19] oder bei Jesus selbst. Es gibt auch die Auffassung, dass man zwischen der Urgemeinde und der heutigen Gemeinde zu unterscheiden hat. Diese Richtung behauptet, dass die Gemeinde, wie sie heute ist, erst nach dem Abschluss der Apostelgeschichte (Act 28, 23-31) zu existieren begann. Einige nehmen an, dass die Anfänge der Gemeinde bei der Aussage des Paulus und Barnabas in Antiochia (Pisidien): „so wenden wir uns zu den Nationen“ (Act 13, 46) zu suchen sind.[20]

Die folgenden Argumente sprechen eher dafür, dass die Geburtsstunde der Gemeinde mit der Ausgießung des Heiligen Geistes gleichzusetzen ist: (1) Die Tatsache, dass Jesus erst nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt das Haupt der Gemeinde wurde (Eph 1, 19-23), spricht dafür, dass die Geburtsstunde der Gemeinde nach der Himmelfahrt Christi anzusetzen ist. (2) In 1 Kor 12, 13 spricht Paulus von der Taufe mit dem Geist, die die Christen zum Teil des Leibes, d.h. der Gemeinde, werden lässt. Diese Taufe wurde von Johannes dem Täufer vorhergesagt (Mt 3, 11; Mk 1, 8; Lk 3, 16; Joh 1, 33) und von Jesus eindeutig mit dem Pfingstereignis in Verbindung gebracht (Act 1, 5). Auch Petrus sah Pfingsten als die Erfüllung der Verheißung der Taufe mit dem Heiligen Geist (Act 1, 5; Act 11, 16f). (3) Der in Act 2, 1-4 beschriebene Sachverhalt zeigt eindeutig, dass es hier um die Taufe mit dem Heiligen Geist und die Geburtsstunde der Gemeinde geht.

2.2 Die lokale Gemeinde

Die Geburtsstunde der lokalen Gemeinde ist identisch mit der Geburtsstunde der universalen Gemeinde. Lukas berichtet, dass zu Pfingsten 120 Personen versammelt waren und die Taufe des Geistes erlebten. Diese Personen waren „alle an [einem] Ort beisammen“ (Act 2, 1) und bildeten somit die erste lokale Gemeinde. Noch am gleichen Tag reagierten etwa dreitausend Menschen auf die Predigt von Petrus, indem sie sich taufen ließen und zur lokalen Gemeinde hinzugefügt wurden (Act 2, 41).

Lukas berichtet, dass neben der Gemeinde in Jerusalem lokale Gemeinden in Samaria (Act 8, 1. 4-24) und Antiochia in Syrien (Act 11, 20-30; 13, 1) entstanden. Weiter teilt er mit, dass Paulus und Barnabas auf ihrer Missionsreise lokale Gemeinden gründeten (14, 23). Als Pioniermissionar war es Paulus’ Hauptanliegen, neue Gemeinden zu gründen; so schreibt er im Römerbrief 15, 20: „So aber setze ich meine Ehre darein, das Evangelium zu verkündigen, nicht da, wo Christus genannt worden ist, damit ich nicht auf eines anderen Grund baue.“ Aufgrund seiner und der Tätigkeit anderer Personen entstanden im ersten Jahrhundert lokale Gemeinden in Kleinasien, Mazedonien, Griechenland, Italien und Spanien.[21]

Das Verhältnis zwischen der universalen Gemeinde und der lokalen Gemeinde wird von Klaas Runia treffend zusammengefasst:

... jede lokale Kirche repräsentiert in ihrer Partikularität die ganze Kirche und stellt somit das Volk Gottes, den Leib Christi dar, dessen Fundament Christus und sein Werk ist. In der lok[alen] G[emeinde] wird die universale Kirche manifest. Daher ist die Einzelgemeinde in jeder Hinsicht ganz Kirche mit allen Charakteristika und Aufgaben, die auch die Kirche in ihrer Gesamtheit kennzeichnen.[22]

3 Das Wesen der Gemeinde

Da die Gemeinde Gottes Werk in Christus durch den Heiligen Geist ist, kann sie und besonders ihr Wesen „nur innerhalb eines trinitarischen Rahmens gesehen“ und verstanden werden:[23] (1) Sie ist eine theozentrische Wirklichkeit, weil sie ihren Ursprung Gott, dem Vater, zu verdanken hat. (2) Sie ist eine christozentrische Wirklichkeit, weil Gott, der Sohn, sie mit seinem Blut teuer erkauft hat. Zusätzlich ist er als auferstandener Herr das Haupt der Gemeinde. (3) Sie ist eine pneumazentrische Wirklichkeit, weil Gott, der Heilige Geist, sie als Gemeinschaft von Gläubigen konstituiert und erneuert hat. Er erhält ihren Glauben und verbindet sie untereinander und zu Christus als Haupt der Gemeinde.

Am deutlichsten wird das Wesen der Gemeinde im Neuen Testament mit Hilfe von Bildern zum Ausdruck gebracht. Diese Bilder stellen die Beziehung der Gemeinde zum dreieinigen Gott dar. In ihnen wird auch implizit die Beziehung der Gemeindemitglieder untereinander beschrieben. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, wird hier nur eine Auswahl von Bildern getroffen, die die trinitarische Wirklichkeit der Gemeinde darstellen.[24]

3.1 Die Gemeinde als Eigentum Gottes

Die Beziehung der Gemeinde zu Gott wird von Petrus in 1 Petr 2, 9-10 mit folgenden Bildern zum Ausdruck gebracht:

Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht [ge,noj], ein königliches Priestertum, eine heilige Nation [e;qnoj], ein Volk [lao.j] zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat; die ihr einst „nicht ein Volk“ [ouv lao.j] wart, jetzt aber ein Volk Gottes [lao.j qeou/] seid; die ihr „nicht Barmherzigkeit empfangen hattet“, jetzt aber Barmherzigkeit empfangen habt.

3.1.1 Die Familie Gottes

(1) Bedeutung des Bildes. Petrus greift mit dem Bild auserwähltes Geschlecht (genos eklekton, gr. ge,noj evklekto,n) eine Aussage von Jes 43, 20 auf, wo das Volk Israel als mein auserwähltes Geschlecht (to. ge,noj mou to. evklekto,n) beschrieben wird. Der Begriff genos (ge,noj)[25] beschreibt eine Gruppe von Menschen, die aufgrund einer gemeinsamen Abstammung zusammengehören. Man kann diesen Begriff auch als Volksstamm, Blutsverwandtschaft oder Familie übersetzen.[26] Das verwandte Wort genea (genea,,) bedeutet ursprünglich Geburt.[27] Vom Begriff her gesehen stellt Gemeinde eine Gruppe von Menschen dar, die aufgrund einer neuen Geburt zur Familie gehören, deren Vater Gott selbst ist.

(2) Voraussetzungen zur Mitgliedschaft in der Familie Gottes. (a) Wiedergeburt. Der Gedanke der neuen Geburt als Voraussetzung zum Reich Gottes wird von Jesus selbst im Gespräch mit Nikodemus ausführlich erörtert. Er teilt ihm in diesem Zusammenhang mit: „Wenn jemand nicht von neuem geboren wird [gennhqh/| a;nwqen], kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh 3, 3). Da Nikodemus diese Wahrheit nicht begreifen kann, ergänzt Jesus seine Aussage mit folgenden Worten: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird [gennhqh], kann er nicht in das Reich Gottes hineingehen“ (Joh 3, 5). Paulus setzt diesen Gedanken fort, wenn er an Titus schreibt, dass Christus die Menschen errettete, „nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit [vollbracht], ... [sie] getan hätten, sondern nach seiner Barmherzigkeit durch die Waschung der Wiedergeburt [paliggenesi,aj] und Erneuerung des Heiligen Geistes“ (Tit 3, 5). Auch Petrus gebraucht die Terminologie der Zeugung und Geburt, wenn er schreibt: „Denn ihr seid wiedergeboren [avnagegennhme,noi] nicht aus vergänglichem Samen [spora/j], sondern aus unvergänglichem durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“. Diese Stellen unterstreichen den Gedanken, dass die Wiedergeburt die Voraussetzung zur Aufnahme in die Familie Gottes bildet.

(b) Glaube. Auch wenn die Wiedergeburt das Wirken Gottes durch den Heiligen Geist darstellt, das dem Menschen den Weg in die Familie Gottes ebnet, ist auch der Mensch an diesem Prozess beteiligt. Wie Abraham auf Gottes Ruf bejahend reagieren musste, um der Stammesvater des Volkes Israels zu werden, so müssen Menschen auf Gottes Erwählung zustimmend reagieren, um Mitglieder der neutestamentlichen Gemeinden zu werden. Abraham wird daher auch als Vater aller Glaubenden bezeichnet (Röm 4, 16f).

Die Zuhörer der Pfingstbotschaft von Petrus wurden der Gemeinde hinzugetan, indem sie auf den Ruf Gottes zustimmend reagierten. Lukas berichtet: „Die nun sein Wort aufnahmen, ließen sich taufen; und es wurden an jenem Tag etwa dreitausend Seelen hinzugetan“ (Act 2, 41). Auch Johannes unterstreicht diesen Gedanken, wenn er schreibt: „so viele ihn aber aufnahmen [e;labon], denen gab er das Recht, Kinder Gottes [te,kna qeou/] zu werden, denen, die an seinen Namen glauben [pisteu,ousin]“ (Joh 1, 12).

Die positive Reaktion des Glaubens auf das Angebot Gottes durch Jesus Christus ermöglicht erst den Zugang zur Familie Gottes. Im Gleichnis von der königlichen Hochzeit erzählt Jesus seinen Zuhörern, dass der König sowohl gute als auch böse Menschen zur Hochzeit einladen ließ, nachdem seine Gäste (Israel) der Einladung nicht gefolgt waren. Bei der Begrüßung der Gäste findet der König jedoch eine Person, die nicht das passende Hochzeitskleid hat, und befiehlt den Knechten, sie herauszuwerfen. Jesus schließt dieses Gleichnis mit dem Satz: „Denn viele sind Berufene [klhtoi.], wenige aber Auserwählte [evklektoi,]“.[28] Voraussetzung zur Mitgliedschaft in der Gemeinde ist somit die positive Reaktion auf den Ruf Gottes. Es ist daher davon auszugehen, dass die Gemeinde nicht als Volks- bzw. Zugehörigkeitskirche gesehen werden kann. Sie ist vielmehr eine Entscheidungs- bzw. Freikirche, die aus Mitgliedern besteht, die freiwillig auf Gottes Ruf reagiert haben und durch seinen Geist wiedergeboren wurden.

(3) Andere Bedeutungen. Das Bild der Familie bringt nicht nur das Verhältnis der Gemeinde zu Gott zum Ausdruck, sondern auch zueinander und zu Christus. Für die Mitglieder der Gemeinde bedeutet es, dass sie untereinander Geschwister sind, wie Jesus dies bei einer Gelegenheit folgendermaßen zum Ausdruck brachte: „Denn wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter“ (Mt 12, 50). Die Mitglieder der Gemeinde sind somit als Familienmitglieder miteinander und mit Christus eng verbunden. Sogar angesichts des eschatologischen Gerichtes, wo Jesus als König erscheinen wird, um die Welt zu richten, sieht er seine Nachfolger als Brüder, wenn er seinen Jüngern berichtet: „Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch, was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan“ (Mt 24, 40).

(4) Praktische Anwendungen. William Barclay zieht aus diesem Bild folgende Schlussfolgerungen für die Gemeinde:[29] (a) Als auserwählte Familie hat die Gemeinde und jedes Mitglied, das zur Gemeinde gehört, das Vorrecht, Gott als Vater und andere Christen als Geschwister zu haben. (b) Aus den Vorrechten erwachsen auch Pflichten für die Gemeinde. Gott hat die Menschen zur Familie berufen, damit sie seine gehorsamen Kinder sind und entsprechend seinem Willen leben. (c) Die Gemeinde ist berufen, Gott zu dienen. Die Ehre eines Christen ist, dass er Gott dienen darf. Sein Vorrecht ist, dass er von Gott gebraucht wird. Und er kann nur gebraucht werden, wenn er Gott Gehorsam leistet.

3.1.2 Die königliche Priesterschaft

(1) Bedeutung des Bildes. Das Bild vom königlichen Priestertum hat eine Parallele im Alten Testament. Gott sagt zu Mose, dass er Israel folgende Worte mitteilen soll: „Und nun, wenn ihr willig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, dann sollt ihr aus allen Völkern mein Eigentum sein; denn mir gehört die ganze Erde. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern [basi,leion i`era,teuma] und eine heilige Nation [e;qnoj a[gion] sein“ (Ex 19, 6). Petrus spricht in 1 Petr 2, 5 von der Gemeinde als heiliger Priesterschaft, die die Aufgabe hat, „geistliche Schlachtopfer darzubringen, Gott wohlannehmbar durch Jesus Christus“. Johannes gebraucht auch dieses Bild im Zusammenhang mit dem Begriff Gemeinde. Den sieben Gemeinden in Kleinasien teilt er in Apk 1, 5f diesbezüglich mit:

... und von Jesus Christus, [der] der treue Zeuge [ist], der Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde! Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum [basilei,an], zu Priestern [i`erei/j] seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Die eschatologische Erfüllung dessen, was Gott einst Mose bezüglich des Volkes Israel vorhersagte und in der Gemeinde Wirklichkeit wurde, bringt Johannes wie folgt zum Ausdruck: „und hast sie unserem Gott zu einem Königtum [basilei,an] und zu Priestern [i`erei/j] gemacht, und sie werden über die Erde herrschen [basileu,sousin evpi. th/j gh/j]!“(Apk 5, 10).

(2) Aufgaben der Priesterschaft. Die Priesterschaft im Alten Testament hatte eine zweifache Aufgabe: die Torabelehrung und den Opferdienst.[30] (a) Als Lehrer des Volkes Gottes hatten Aaron und seine Nachkommen den Auftrag, „die Söhne Israels all die Ordnungen“ zu lehren (Lev 10, 11). Mose macht Aaron und seinem Nachkommen darauf besonders bei der Übergabe des Gesetzes aufmerksam:

Am Ende von sieben Jahren, zur Zeit des Erlaßjahres, am Fest der Laubhütten, wenn ganz Israel kommt, um vor dem HERRN, deinem Gott, an der Stätte zu erscheinen, die er erwählen wird, sollst du dieses Gesetz vor ganz Israel ausrufen lassen, vor ihren Ohren. Versammle das Volk, die Männer und die Frauen und die Kinder und deinen Fremden, der in deinen Toren [wohnt], damit sie hören und damit sie lernen und den HERRN, euren Gott, fürchten und darauf achten, alle Worte dieses Gesetzes zu tun! Und ihre Kinder, die es nicht wissen, sollen zuhören, damit sie den HERRN, euren Gott, fürchten lernen alle Tage, die ihr in dem Land lebt, in das ihr über den Jordan zieht, um es in Besitz zu nehmen. (Dtn 31, 9-13).

Auch zur Zeit der Monarchie war dieser Auftrag noch aktuell. Auf den Befehl des Königs Joschafat „lehrten [die Priester u.a.] in Juda, und ... hatten das Buch des Gesetzes des HERRN bei sich und zogen in allen Städten Judas umher und lehrten das Volk“ (2 Chr 17, 9).

(b) Die Wahrnehmung des Opferdienstes seitens der Priester war im Alten Testament weit verbreitet. Petrus knüpft an diese Tradition an, wenn er in 1 Petr 2, 5 die Gemeinde als eine heilige Priesterschaft bezeichnet, die Opfer darbringt. Im Neuen Testament wird mit dem Begriff thusia (qusi,a)[31] das Opfer im Sinne des Alten Testamentes gebraucht. Im übertragenen Sinne wird der Tod Jesu Christi als Opfer beschrieben, das er für die Rettung der Menschen dargebracht hat. Paulus ermahnt die Epheser in der Liebe zu wandeln, „wie auch der Christus ... geliebt und sich selbst ... hingegeben hat als Opfergabe [prosfora.n] und Schlachtopfer [qusi,an], Gott zu einem duftenden Wohlgeruch!“ (Eph 5, 2). In seinem Schreiben an die Römer wendet er die Bedeutung von thusia auf die Christen an, indem er den paränetischen Teil des Römerbriefes wie folgt einleitet: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer [qusi,an], was euer vernünftiger Gottesdienst ist“ (Röm 12, 1). Bei einer anderen Gelegenheit gebraucht er thusia, um damit eine Spende der Philipper zu beschreiben: „Ich habe aber alles erhalten und habe Überfluß, ich habe die Fülle, da ich von Epaphroditus das von euch [Gesandte] empfangen habe, einen duftenden Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer [qusi,an dekth,n], Gott wohlgefällig“ (Phil 4, 18). Er selbst sieht sein Leben als ein Opfer[32] und möchte „ein Diener Christi Jesu ... sein für die Nationen [e;qnh], der priesterlich am Evangelium Gottes dient, damit das Opfer [prosfora.] der Nationen angenehm werde, geheiligt durch den Heiligen Geist“ (Röm 15, 16). Dieser Sachverhalt zeigt, dass die Gemeinde eine Gruppe von Menschen darstellt, die als Priesterschaft Gott dient, indem jedes einzelne Mitglied sich selbst und alles, was es besitzt, Gott zum Dienst zur Verfügung stellt.

Wenn Petrus von einer königlichen (basi,leion) Priesterschaft spricht, so wird dadurch laut Gottlob Schrenk die „Königs-Zugehörigkeit“ zum Ausdruck gebracht.[33] „Die Priesterschaft dient dem König und hat, da sie zu ihm gehört, an seiner Herrlichkeit teil.“[34] Hier wird insbesondere der Gedanke zum Ausdruck gebracht, dass die Mitglieder der Gemeinde nicht nur zur Familie gehören, die Gott zum Vater hat, sondern auch zum Reich Gottes, das Gott zum König hat.

(3) Praktische Anwendungen. Zusammenfassend können aus diesem Bild folgende Prinzipien für die Gemeinde entnommen werden: (a) Jedes Mitglied der Gemeinde hat wie die Priester im Alten Testament den Zugang zu Gott. Dieser Gedanke wird besonders durch den Hebräerbrief unterstützt, in dem dieser Thematik viel Platz eingeräumt wird. (b) Wie die Priester im Alten Testament für das Volk Gottes bei Gott durch den Opferdienst eintraten, so treten die Christen füreinander in Fürbitte bei Gott ein. Heiko Krimmer weitet die Verantwortung der Christen in diesem Zusammenhang auch auf die Welt aus, wenn er schreibt: „sie dienen vor Gott für die Welt in aufhaltender Fürbitte und stehen vor der Welt, um ihr Gottes Weisungen und Evangelium anzusagen.“[35] Auch Schrenk unterstreicht diesen Gedanken: „Dadurch wird deutlich, dass alle genannten Bestimmungen, also auch in i`era,teuma liegende, nicht etwa nur ... als ‘allgemeines Priestertum’ allein auf die innerchristliche Gemeinschaft beschränkt werden, sondern im Sinne von Js 61, 6 ... als Zeugnisdienst für die Menschheit gemeint sind.“[36]

(c) Von jedem Mitglied der Gemeinde wird erwartet, dass es mit allem, was es besitzt, Gott, dem König, dient. Wie Jesus sich selbst zum Opfer für die Menschheit gegeben hat, so erwartet er nun von seinen Nachfolgern, dass sie sich Gott als König völlig hingeben. (d) Wie die Priester die Thorabelehrung als Hauptaufgabe hatten, so ist jeder Christ innerhalb der Gemeinde dafür verantwortlich, dass das Wort Gottes im Mittelpunkt der Gemeinde steht und die Gemeinde zum Lehr- und Lernort des Wortes Gottes wird. Sowohl der Zeugen- als auch der Lehrdienst sind in der Gemeinde nicht einer bestimmten Schicht oder Gruppe als Verantwortung anvertraut, sondern sie sind die Aufgabe jedes einzelnen Mitgliedes der Gemeinde.

3.1.3 Die heilige Nation

Petrus gebraucht hier eine Art klimaktischen Parallelismus und spricht nicht nur von der Familie, sondern auch von einer heiligen Nation. Als ethnos (e;qnoj)[37] wurde eine Gruppe von Menschen bezeichnet, die aufgrund gemeinsamer Sitten, Gebräuche, moralischer Werte und Religion miteinander verbunden ist und sich in dieser Hinsicht von den anderen absetzt.[38] Die Gemeinde ist daher nicht nur eine Familie, sondern auch eine Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame Lebensweise hat. Mit diesem Begriff wird insbesondere die Andersartigkeit der Gemeinde im Gegensatz zu ihrer Gesellschaft zum Ausdruck gebracht. Sie hat eine Lebensweise, die ihre Identität ausmacht und sie auch von allen anderen gesellschaftlichen Gruppen trennt. Das Adjektiv heilig (hagion/ a[gion)[39] unterstreicht diese Gedanken.[40] Die Gemeinde kann daher als eine von der Welt abgesonderte und für einen bestimmten Zweck geheiligte Gruppe von Menschen gesehen werden, die eine heilige Lebensweise als Ausdruck ihrer Andersartigkeit vorzuweisen hat.[41]

3.1.4 Das Volk Gottes

(1) Bedeutung des Bildes. Mit dem Bild von der Gemeinde als Volk zum Besitztum (lao,j[42] eivj peripoi,hsin) greift Petrus auf die Stelle in Ex 19, 5 zurück, wo Gott diese Bezeichnung auf Israel anwendet: „Und nun, wenn ihr willig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, dann sollt ihr aus allen Völkern [avpo. pa,ntwn tw/n evqnw/n] mein Eigentum [lao.j periou,sioj] sein; denn mir gehört die ganze Erde.“ Es ist ein Ehrentitel Israels, der hier von Petrus auf die Gemeinde angewandt wird.[43] Israel sollte Gottes Volk sein, das er aus allen Nationen zu seinem Eigentum ausgewählt hat. Mit diesem Titel, der als völkisch-religiöser Begriff gesehen werden kann,[44] wird insbesondere Israels religiöse Sonder- und Vorzugsstellung im Vergleich zu anderen Völkern zum Ausdruck gebracht.[45] Mit der Gemeinde als Volk Gottes erwächst „ein neuer lao,j im rein religiösen Sinn, für dessen Bestand das biologisch-geschichtliche, das völkische Element bedeutungslos geworden ist, ein drittes Geschlecht, wie man später sagte“.[46] Paulus bringt diesen Gedanken in Gal 3, 26-29 wie folgt zum Ausdruck:

denn ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen. Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. Wenn ihr aber des Christus seid, so seid ihr damit Abrahams Nachkommenschaft [und] nach Verheißung Erben.[47]

Die eschatologische Erfüllung dieser Aussage von Petrus beschreibt Johannes in Apk 7, 9 mit folgenden Worten:

Nach diesem sah ich: und siehe, eine große Volksmenge [o;cloj][48], die niemand zählen konnte, aus jeder Nation [e;qnouj] und aus Stämmen [fulw/n][49] und Völkern [law/n] und Sprachen [glwssw/n][50], stand vor dem Thron und vor dem Lamm, bekleidet mit weißen Gewändern und Palmen in ihren Händen.

Petrus bringt zum Ausdruck, dass Gott sich eine neue Nation geschaffen hat, die aus allen Völkern besteht und in der es keine nationalen und sprachlichen Grenzen und ethnischen Unterschiede gibt. Der Zweck und Sinn dieser neuen Nation ist, dass sie als Gottes Eigentum die Tugenden dessen verkündigt, „der sie aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat“. Hier wird sehr deutlich der missionarische Auftrag der Gemeinde zum Ausdruck gebracht. Die Gemeinde ist daher nicht eine Institution, deren Existenz dem Selbstzweck dient, sondern ein Volk Gottes, das Gott gehört und Gottes Zwecken dient. Die Gemeinde ist daher herausgefordert, die Motive ihrer Tätigkeiten immer wieder im Lichte des Willens Gottes zu überprüfen und zu hinterfragen.

Nachdem Petrus in V. 9 mit Hilfe von mehreren Bildern das Wesen und zum Teil auch den Auftrag der Gemeinde skizziert hat, macht er in V. 10 deutlich, dass es Gottes Erbarmen ist, das die Gemeinde zu seinem neuen Volk werden lässt. Wie schon bei der Berufung Abrahams, um aus ihm eine große Nation (e;qnoj me,ga) und die alttestamentliche Gemeinde (laer'f.yI lh'q') ins Leben zu rufen, ist auch bei der neutestamentlichen Gemeinde Gott selbst der Initiator. Er selbst hat die Gemeinde auserwählt und geheiligt. Ihm ist der Ursprung der Gemeinde zu verdanken. Gott selbst hat in seiner Souveränität und Barmherzigkeit aus Menschen, die nicht sein Volk (lao,j) waren, ein Volk Gottes (lao.j qeou/) gemacht. Dass die Initiative bei der Entstehung der Gemeinde von Gott ausgeht, betont auch Petrus in seiner ersten Predigt nach der Ausgießung des Heiligen Geistes: „Denn euch gilt die Verheißung und euren Kindern und allen, die in der Ferne sind, so viele der Herr, unser Gott, hinzurufen [proskale,shtai] wird“.

Auch wenn die Menschen auf das Rufen Gottes positiv reagieren müssen, um Mitglieder im Volke Gottes zu werden, so ist die Mitgliedschaft im Volke Gottes nicht ihr Verdienst, sondern nur der Barmherzigkeit Gottes zu verdanken. Für Petrus ist dieser Gedanke so wichtig, dass er das Partizip mit Hilfe einer Gegenüberstellung zweimal gebraucht: „oi` ouvk hvlehme,noi nu/n de. evlehqe,ntejÅ“[51] An anderen Stellen spricht Petrus von der Gnade Gottes. Er schließt seinen ersten Brief ab mit den Worten, die diesen Gedanken nochmals unterstreichen: „Der Gott aller Gnade [pa,shj ca,ritoj][52] aber, der euch berufen [kale,saj] hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus, er selbst wird [euch], die ihr eine kurze Zeit gelitten habt, vollkommen machen, stärken, kräftigen, gründen“ (1 Petr 5, 10).

Als Volk Gottes ist die Gemeinde eine Bundesgemeinschaft von Menschen Gottes, die Gott aus der Welt herausgerufen hat mit einer bestimmten Absicht. Andere Metaphern, wie das Haus Gottes (1 Tim 3, 15; Eph 2, 19) und der Tempel Gottes, unterstreichen den Gedanken, dass die Gemeinde eine Gemeinschaft von Gottes Menschen ist. Die Gemeinde ist daher keine Organisation, die ihre eigenen Ziele verfolgt, sondern eine Gemeinschaft, die Gott dem Schöpfer, dem Retter und Vollender gehört und als sein Eigentum nur zu seinem Zweck existiert.[53]

3.2 Die Gemeinde als Leib Christi

3.2.1 Begriffsbestimmung

Der Begriff für Leib (soma/ sw/ma)[54] wird im Neuen Testament vielseitig gebraucht. Mindestens fünf Bedeutungen lassen sich dabei feststellen: (1) Der Leib oder Körper von Menschen oder Tieren. Es handelt sich dabei sowohl um den lebenden als auch um den toten Leib oder Leichnam von Lebewesen (Mt 6, 25; Jak 3, 3; Mk 10, 45; Hebr 13, 11; Mk 15, 43). (2) Im Plural werden damit Leibeigene und Sklaven beschrieben (Apk 18, 13). (3) Im Kontext der Thematik bezüglich der Auferstehung der Toten spricht Paulus von den Leibern der geschaffenen Dinge wie Pflanzen, Sonne, Mond und Sterne (1 Kor 15, 37f.40). (4) Realität im Kontrast zum Schatten (Kol 2, 17). (5) Als Leib Christi (sw/ma Cristou/) um das Verhältnis bzw. die Beziehung der Gemeinde zu Gott, dem Sohn, zum Ausdruck zu bringen.[55] Paulus benutzt diesen Begriff, um einerseits die universale Gemeinde (Eph 1, 22; Kol 1, 18) und andererseits auch die lokale Gemeinde (1 Kor 12, 27) zu beschreiben.

Durch die Verwendung von soma versucht Paulus bezüglich der Beziehung der Gemeinde zu Jesus Christus und als Mitglieder zueinander mehrere Aspekte des Wesens der Gemeinde zum Ausdruck zu bringen. Das Bild der Gemeinde als Leib Christi wird von Paulus nicht nur erwähnt, sondern bis in die Einzelheiten angewandt.

3.2.2 Die Bedeutung für die Gemeinde

(1) Einheit. In seinem Schreiben an die Römer, wo er von den Gaben und Aufgaben der Christen spricht, macht er ihnen deutlich: „so sind wir, die vielen, [ein] Leib [e]n sw/ma] in Christus [evn Cristw/|], einzeln aber Glieder voneinander“ (Röm 12, 5). Auch den Korinthern teilt er diese Wahrheit im ähnlichen Kontext mit, wenn er schreibt: „Denn wie der Leib [einer] [e]n sw/ma] ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl viele, [ein] Leib [e[n evstin sw/ma] sind: so auch der Christus“ (1 Kor 12, 12). Weiter behauptet er, dass die Einheit durch den Heiligen Geist bewirkt wird und sowohl ethnische als auch gesellschaftliche Unterschiede innerhalb der Gemeinde aufhebt: „Denn in [einem] Geist [e`ni. pneu,mati] sind wir alle zu [einem] Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit [einem] Geist [e]n pneu/ma] getränkt worden“ (1 Kor 12, 13). Die Gemeinde in Ephesus ermahnt er zur Einheit, indem er die Einheit im Geist neben die Einheit im Leib stellt:

Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn: Wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander in Liebe ertragend! Befleißigt euch, die Einheit des Geistes [th.n e`no,thta tou/ pneu,matoj] zu bewahren durch das Band des Friedens: [Ein] Leib [e]n sw/ma] und [ein] Geist [e]n pneu/ma], wie ihr auch berufen worden seid in [einer] Hoffnung eurer Berufung! [Ein] Herr, [ein] Glaube, [eine] Taufe, [ein] Gott und Vater aller, der über allen und durch alle und in allen ist. (Eph 4, 1-6)

(2) Vielfalt. Die Einheit hebt nicht die Vielfalt auf, sondern beinhaltet auch die Verschiedenartigkeit. Paulus hält es nahezu für töricht zu denken, dass die Einheit die Vielfalt aufheben würde: „Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn ganz Gehör, wo der Geruch? ... Wenn aber alles [ein] [e]n] Glied wäre, wo wäre der Leib [sw/ma]?“ (1 Kor 12, 17. 19). Die Vielfalt innerhalb der Gemeinde sieht er in der unterschiedlichen Verantwortung der einzelnen Mitglieder begründet: “Denn wie wir in [einem] Leib viele Glieder haben, aber die Glieder nicht alle dieselbe Tätigkeit haben“ (Röm 12, 4).

(3) Abhängigkeit. Die Vielfalt innerhalb der Einheit drückt insbesondere die Abhängigkeit voneinander aus. An die Epheser schreibt Paulus, dass jedes Mitglied innerhalb des Leibes aufeinander angewiesen ist, um zum Wachstum des gesamten Leibes beizutragen (Eph 4, 16). Fast polemisch wirkt seine Argumentation, wenn er an die Korinther schreibt: „Wenn der Fuß spräche: Weil ich nicht Hand bin, gehöre ich nicht zum Leib: gehört er deswegen nicht zum Leib? Und wenn das Ohr spräche: Weil ich nicht Auge bin, gehöre ich nicht zum Leib: gehört es deswegen nicht zum Leib?“ (1 Kor 12, 15f). Er bleibt weiter beim Bild vom Leib und macht seinen Lesern deutlich, dass „gerade die Glieder des Leibes, die schwächer zu sein scheinen,“ notwendig sind (1 Kor 12, 22). In der Gemeinde ist daher die gesamte Gemeinde auf jedes Mitglied der Gemeinde angewiesen.

Wie beim Leib eines Lebewesens das Haupt die Schaltzentrale des Leibes bildet, so ist für Paulus Christus das Haupt der Gemeinde. Hier wird insbesondere die Beziehung der Gemeinde zu Christus zum Ausdruck gebracht. In seinem Schreiben an die Epheser, wo es um die Einheit im Geist und die Vielfalt der Gaben geht, spricht er von Jesus als Haupt der Gemeinde, von dem alle Glieder abhängig sind: „Laßt uns aber die Wahrheit reden in Liebe und in allem hinwachsen zu ihm, der das Haupt [h` kefalh,(] ist, Christus“ (Eph 4, 15-16). In diesem Zusammenhang möchte Paulus seinen Lesern mitteilen, dass die Gemeinde in einer völligen Abhängigkeit von Christus lebt. Ohne ihn ist ein Wachstum der Gemeinde undenkbar, denn „aus ihm wird der ganze Leib zusammengefügt und verbunden durch jedes der Unterstützung [dienende] Gelenk, entsprechend der Wirksamkeit nach dem Maß jedes einzelnen Teils; und [so] wirkt er das Wachstum des Leibes zu seiner Selbstauferbauung in Liebe“ (Eph 4, 16). Die Kolosser warnt er vor Irrlehrern, die Jesus nicht als Haupt der Gemeinde akzeptieren, sondern in Abhängigkeit von anderen himmlischen Wesen leben:

Um den Kampfpreis soll euch niemand bringen, der seinen eigenen Willen tut in [scheinbarer] Demut und Anbetung der Engel, der auf das eingeht, was er [in Visionen] gesehen hat, grundlos aufgeblasen von der Gesinnung seines Fleisches, und nicht festhält das Haupt [th.n kefalh,n], von dem aus der ganze Leib [pa/n to. sw/ma], durch die Gelenke und Bänder unterstützt und zusammengefügt, das Wachstum Gottes wächst. (Kol 2, 18f).

(4) Verantwortung. Die harmonische Zusammenarbeit der einzelnen Glieder im Leib Christi wird auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass ein Mitglied für das andere Verantwortung wahrnimmt. Paulus schreibt hierzu: „Gott hat den Leib zusammengefügt und dabei dem Mangelhafteren größere Ehre gegeben, damit keine Spaltung im Leib sei, sondern die Glieder dieselbe Sorge füreinander hätten. Und wenn [ein] Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; oder wenn [ein] Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit“ (1 Kor 12, 24-26).

Die Abhängigkeit von Jesus Christus schließt auch eine Verantwortung ihm gegenüber ein. Paulus gebraucht den Begriff Haupt (kephale /kefalh,) um diesen Sachverhalt zu beschreiben. Dieser Begriff wurde im Neuen Testament gebraucht, „um bei lebenden Wesen ein Verh[ältnis] der Überordnung“ zum Ausdruck zu bringen.[56] In seinem Schreiben an die Kolosser widmet Paulus einen Teil seines Briefes der Beschreibung der Größe Jesu Christi:

Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten oder Mächte: alles ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen; und [er] ist vor allem, und alles besteht durch ihn.[57]

Er setzt diese Beschreibung fort, indem er im Anschluss an diesen Text Jesus als Haupt des Leibes, der Gemeinde (h` kefalh. tou/ sw,matoj th/j evkklhsi,aj) bezeichnet.[58] Auch die Epheser (1, 20-23) lässt er wissen, dass Jesus das „Oberhaupt jeder Macht und Gewalt“[59] und insbesondere der Gemeinde ist:

Die hat er in Christus wirksam werden lassen, indem er ihn aus den Toten auferweckt und zu seiner Rechten in der Himmelswelt gesetzt hat, [hoch] über jede Gewalt und Macht und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der nicht nur in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen genannt werden wird. Und alles hat er seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt [kefalh.n] über alles der Gemeinde [pa,nta th/| evkklhsi,a|(] gegeben, die sein Leib [to. sw/ma auvtou] ist, die Fülle dessen, der alles in allen erfüllt.

Diese Aussagen verdeutlichen, dass Jesus Christus als Haupt der Gemeinde ihr König und Herr ist. Als König hat er Herrschaftsanspruch innerhalb der Gemeinde. Er bestimmt daher auch das Leben und die Aktivitäten der Gemeinde. Die Mitglieder der Gemeinde haben daher nicht nur das Vorrecht, Jesus als Heiland und Retter zu haben, sondern auch die Verantwortung, ihm als König bedingungslos zu gehorchen.

(5) Geschenk der Geistesgaben. Es ist unübersehbar, dass es in den Texten (Röm 12, 1 Kor 12-14 und Eph 4, 11f), in denen Paulus von der Gemeinde als sw/ma spricht, primär um die Geistesgaben geht. Paulus gebraucht das Bild vom Leib, um den Lesern sowohl den Zweck als auch die Art und Weise des Einsatzes der Gaben innerhalb der Gemeinde zu verdeutlichen. Mehrere Prinzipien lassen sich hier bezüglich der Gaben feststellen. (a) Jedes Mitglied des Leibes Christi ist begabt. Paulus schreibt, dass „Jedem [e`ka,stw|] ... die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben“ wird (1 Kor 12, 7). Um diese Aussage zu verdeutlichen, reiht er mehrere Gaben auf und schließt mit der Behauptung: „Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist und teilt [diairou/n] jedem [e`ka,stw|] besonders aus, wie er will“ (1 Kor 12, 11). (b) Die Gemeinde hat eine große Vielfalt an Gaben. In allen drei Briefen präsentiert Paulus eine Liste von vielen Gaben (1 Kor 12, 4). (c) Der Heilige Geist bestimmt in seiner Souveränität, wem er welche Gabe austeilt (1 Kor 12, 11b). (d) Die Gaben dienen nicht dem Selbstzweck, sondern der Erbauung der Gemeinde (1 Kor 12, 7; 14, 12.26; Eph 4, 12) und dem Zeugnis für die Welt (1 Kor 12, 23-25). (e) Jede Gabe ist in Gottes Augen wichtig und wertvoll (1 Kor 12, 22-25). (f) Der Heilige Geist teilt nicht nur die Gaben aus, sondern ist auch beim Einsatz der Gaben behilflich (1 Kor 12, 11). (g) Die Gaben sollen im Geiste der Liebe (avga,ph) eingesetzt werden (1 Kor 13).[60]

3.3 Die Gemeinde als Werk des Heiligen Geistes

3.3.1 Begriffsbestimmung

Aufgrund der Tatsache, dass die Beziehung des Heiligen Geistes zur Gemeinde in seinem Wirken im Leben des Einzelnen und in der Gemeinde im Neuen Testament zum Tragen kommt, kann die Gemeinde als Werk des Heiligen Geistes gesehen werden. In der deutschen Sprache wird durch den Begriff „Werk“ unter anderem etwas „Geschaffenes, Hervorgebrachtes, Schöpfung, Erzeugnis“ beschrieben.[61] Dass dieser Begriff geeignet ist, um die Beziehung der Gemeinde zum Heiligen Geist zu beschreiben, wird insbesondere durch die Tatsache begründet, dass die Gemeinde ihre Geburt dem Kommen des Heiligen Geistes zu verdanken hat. Doch auch alle anderen Tätigkeiten des Geistes im Leben der Gemeinde und des Einzelnen sind nichts anderes als ein Wirken des Heiligen Geistes. Die Gemeinde kann daher konsequenterweise auch als Werk des Heiligen Geistes bezeichnet werden. Das Wirken des Heiligen Geistes im Leben des Einzelnen drückt zugleich auch das Wirken des Heiligen Geistes innerhalb der Gemeinde aus. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache begründet, dass die Gemeinde als Einheit aus vielen Gliedern besteht. Es ist daher auch angebracht, das Wirken des Heiligen Geistes im Leben des Einzelnen und in der Gemeinde an dieser Stelle zu besprechen.

3.3.2 Die Bedeutung für die Gemeinde

(1) Er ist der Schöpfer der Gemeinde. Wie oben bereits erwähnt, ist die Geburtsstunde der Gemeinde mit der Ausgießung des Heiligen Geistes gleichzusetzen (Act 2). (2) Er schenkt die Wiedergeburt. Im Gespräch mit Nikodemus stellt Jesus klar, dass die Wiedergeburt, die durch den Geist gewirkt wird, der einzige Weg in das Reich Gottes ist (Joh 3, 1-9). Paulus unterstreicht diesen Gedanken, wenn er davon spricht, dass die einzelnen Mitglieder der Gemeinde durch den Heiligen Geist in die Gemeinde als Leib Christi hineingetauft werden (1 Kor 12, 13). (3) Er wirkt nicht nur das Heil, sondern bildet auch die eschatologische Garantie für das Heil. Paulus gebraucht das Bild von der Versiegelung und dem Unterpfand, um diese Wahrheit zum Ausdruck zu bringen (Eph 1, 13.14; 4, 30).

(4) Er wohnt im Christen und in der Gemeinde und repräsentiert somit die verheißene Gegenwart Christi (Mt 28, 20) im Leben eines Christen und in der Gemeinde. In seinem Schreiben an die Korinther, wo Paulus diese vor dem unmoralischen und unzüchtigen Umgang mit ihrem Körper warnt, fragt er sie: „Oder wißt ihr nicht, dass euer Leib [to. sw/ma u`mw/n] ein Tempel [nao.j] des Heiligen Geistes [a`gi,ou pneu,mato,j] in euch ist [evn u`mi/n evstin], den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört ?“ (1 Kor 6, 19). Das gleiche Bild wendet Paulus auf die Gemeinde an, wenn er sie als Tempel Gottes beschreibt, in dem der Heilige Geist wohnt (1 Kor 3, 16).

(5) Er ist am Prozess der Veränderung des Christen zur Christusähnlichkeit beteiligt. Paulus teilt den Römern mit, dass Gott die Menschen vorherbestimmt hat, damit sie „dem Bilde seines Sohnes gleichförmig [summo,rfouj th/j eivko,noj tou/ ui`ou/ auvtou]“ werden (Röm 8, 29). Dieses Ziel wird von Gott jedoch mit Hilfe des Heiligen Geistes erreicht (2 Kor 3, 18). Eine klassische Stelle, an der das Wirken des Heiligen Geistes im Leben des Menschen zum Ausdruck gebracht wird, ist Gal 5, 16-26. Hier spricht Paulus vom Leben im Geist, das von der Frucht des Geistes gekennzeichnet ist. Es geht hier um folgende Eigenschaften, die durch den Geist den Christen geschenkt werden: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit“ (Gal 5, 22f). Er ist es auch, der das Leben der Christen und somit auch der Gemeinde bestimmt, indem er sie führt und stärkt.[62]

(6) Er rüstet aus mit Gaben. Im Zusammenhang mit der Erwähnung der Gaben macht Paulus seinen Lesern deutlich, dass der Heilige Geist jeden Christen mit Gaben ausrüstet (1 Kor 12, 11). Diese Gaben dienen nicht dem Selbstzweck, sondern zur Erbauung der Gemeinde (1 Kor 12, 7; 14, 12.26). (7) Er beruft zum Dienst. Paulus und Barnabas wurden nicht von der Gemeinde, sondern vom Geist Gottes zum Dienst berufen. Lukas berichtet in Act 13, 2, dass die Gemeinde in Antiochia beim Beten und Fasten den Ruf des Heiligen Geistes hörte. Mit dem Ruf des Heiligen Geistes beginnt somit auch der Missionsdienst des größten Missionars aller Zeiten. Wichtig ist jedoch zu betonen, dass die Berufung im Kontext der Gemeinde stattfand, und die Aussendung durch die Gemeinde vollzogen wurde. Die Ausübung der Gaben und die Ausführung der Aufgaben finden daher immer zum Nutzen der Gemeinde und in Absprache mit der Leitung der Gemeinde statt.

(8) Er rüstet nicht nur mit Gaben aus, sondern auch mit Kraft im Blick auf die Schwierigkeiten. Schon Jesus versprach seinen Jüngern den Beistand des Heiligen Geistes in Zeiten der Verfolgung (Mt 10; 19,20). Petrus erfährt die Erfüllung dieser Verheißung, während er sich vor den Oberen des Volkes und ihren Ältesten verantworten muss (Act 4, 8). Als erster Märtyrer der Gemeinde durfte Stephanus in besonderer Weise den Beistand des Heiligen Geistes erfahren. Während seine Feinde sich zähneknirschend seiner Rede und somit der Wirkung des Heiligen Geistes widersetzten (Act 7, 51), durfte er angesichts seines Todes mit Hilfe des Heiligen Geistes Jesus zur Rechten Gottes im Himmel sehen (Act 7, 55.56). Er konnte daher auch wie Jesus am Kreuze für seine Mörder beten „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“ und sein Leben mit den Worten beenden: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ (Act 7, 59f).

(9) Er fördert die Gemeinschaft des Christen mit Gott und seinen Mitchristen. Paulus macht den Römern deutlich, dass sie durch den Empfang des Heiligen Geistes das Vorrecht haben, Gott als ihren Vater zu bezeichnen (Röm 8, 15). Im Epheserbrief, wo Paulus sehr ausführlich über die Gemeinde als Leib Christi spricht, teilt er der Gemeinde mit, dass sie als Leib Christi mit Hilfe des Heiligen Geistes den Zugang zu Gott haben (Eph 2, 18). Dem Wirken des Heiligen Geistes verdanken die Christen auch die Gemeinschaft untereinander. Paulus gebraucht den Ausdruck „Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ (h` koinwni,a tou/ a`gi,ou pneu,matoj) als eine Art terminus technicus, um die Gemeinschaft der Christen zu beschreiben, wenn er seinen zweiten Brief an die Korinther mit dem folgenden Segen abschließt: „Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes [h` koinwni,a tou/ a`gi,ou pneu,matoj] [sei] mit euch allen!“ (2 Kor 13, 13). Auch in seinem Schreiben an die Philipper spricht er von einer Gemeinschaft des Geistes (koinwni,a pneu,matoj) (Phil 2, 1). Die Epheser ermutigt er, die Einheit im Geiste (e`no,thta tou/ pneu,matoj) zu wahren (4, 3). Das Wirken des Heiligen Geistes bezüglich der Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde geht für Paulus so weit, dass sie die ethnischen und gesellschaftlichen Unterschiede aufhebt (1 Kor 12, 13).

(10) Er ist der Lehrer der Christen und der Gemeinde. Bei Gelegenheiten, wo Jesus seinen Jüngern mitzuteilen versuchte, dass er sie bald verlassen würde, hat er sie auf das Kommen des Heiligen Geistes hingewiesen (Joh 14, 15-26; 15, 26; 16, 5-15). In diesem Zusammenhang spricht er auch über die Lehrfunktion des Heiligen Geistes: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren [dida,xei] und euch an alles erinnern [u``pomnh,sei], was ich euch gesagt habe“ (Joh 14, 26). Ähnlich ist seine Aussage in Joh 16, 11-15:

Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum sagte ich, dass er von dem Meinen nimmt und euch verkündigen wird.

Die Beziehung des Heiligen Geistes zur Gemeinde, wie sie im Neuen Testament dargestellt wird, zeigt, dass der Heilige Geist keine geringere Rolle als Gott, der Vater, oder Jesus Christus im Leben der Gemeinde und des Einzelnen spielt. Durch das Kommen des Heiligen Geistes hat Gott eine neue Bundesgemeinde geschaffen. Daher ist die Existenz der Gemeinde ohne den Heiligen Geist undenkbar. Der Heilige Geist ist nicht nur an der Schöpfung, sondern auch an ihrer Erhaltung bis zur Vollendung beteiligt, denn er ist die Garantie für die eschatologische Errettung der Gemeinde (Eph 1, 13f). Es ist der Heilige Geist, der die Menschen in die Gemeinschaft mit Gott ruft und neues Leben denen schenkt, die ihr Leben unter die Herrschaft Christi stellen. Er ist es auch, der jeden Christen mit Gaben beschenkt, um Gott zu dienen. Er leitet, formt, vereint, reinigt, bevollmächtigt und befähigt jede Person des Volkes Gottes und des Leibes Christi. Die Rechtfertigung, Wiedergeburt, Heiligung, Einigkeit und andere Merkmale der Gemeinde sind ohne den Heiligen Geist undenkbar. Nicht zuletzt kann die Gemeinde ihr Dasein nur der Aktivität des Heiligen Geistes verdanken.

4 Der Auftrag der Gemeinde

4.1 Der Missionsauftrag der Gemeinde in Mt 28, 18-20

Seinen letzten Willen an seine Jünger und somit auch den Auftrag an die Gemeinde formulierte Jesus vor seiner Himmelfahrt mit folgenden Worten:

Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. Geht nun hin [poreuqe,ntej] und macht alle Nationen zu Jüngern [maqhteu,sate pa,nta ta. e;qnh], und tauft [bapti,zontej] sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt [dida,skontej] sie alles zu bewahren, was ich euch geboten habe! Und siehe, [ich] bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters. (Mt 28, 18-20)

4.1.1 Die Begründung des Befehls

In V. 18 gibt Jesus seinen Jüngern die Begründung, eine Art Fundament und Voraussetzung für den Befehl. Weil Jesus die Macht (evxousi,a) im Himmel und auf Erden hat, besitzt er das Recht, ihnen den folgenden Befehl zu geben. Der Begriff exousia (evxousi,a)[63] hat laut Walter Bauer im Neuen Testament mehrere Verwendungen:[64] (1) Die Freiheit und das Recht zu handeln, zu bestimmen und zu verfügen. (2) Die Fähigkeit, das Vermögen, die Gewalt und Macht zum Handeln. (3) Die Autorität, die Machtvollkommenheit, die Vollmacht und Befugnis. (4) Gewalt, die von Herrschern oder anderen Hochstehenden kraft ihrer Stellung ausgeübt wird. In diesem Zusammenhang kann es sowohl um Menschen gehen, die Gewalt ausüben, als auch um übernatürliche Wesen. Auch der Machtbereich der Herrschaft wird hier angesprochen. Jesus bringt mit dieser Aussage somit zum Ausdruck, dass er als auferstandener Herr der Herrscher über Himmel und Erde ist. Er hat den Anspruch auf diese Herrschaft, weil sie ihm vom Vater gegeben (Vedo,qh) wurde.[65]

4.1.2 Der Inhalt des Befehls

Als Hauptverb kann beim Inhalt des Befehls matheteusate/ maqhteu,sate (macht zur Jüngern) gesehen werden. Der Auftrag der Jünger ist daher, alle Nationen (pa,nta ta. e;qnh) zu Jüngern zu machen. Der Begriff matheteuo (maqhteu,w) hat im Neuen Testament eine dreifache Verwendung:[66] (1) Bei einer intransitiven Verwendung bedeutet der Begriff, Jünger von jemandem zu sein. So wird Joseph von Arimathäa als Jünger Jesu bzw. sein Nachfolger bezeichnet (Mt 27, 57). (2) Das Passiv drückt die gleiche Bedeutung aus. Auch hier geht es um Jünger werden oder Nachfolger von jemandem sein. (3) Der transitive Gebrauch kann als zum Jünger machen, in die Schule nehmen oder belehren übersetzt werden. Jesus erteilt seinen Jüngern den Befehl, alle Völker zu seinen Nachfolgern zu machen. Der Hauptinhalt des Befehls ist daher: Macht zu Jüngern alle Völker! Mit panta ta ethne (pa,nta ta. e;qnh) sind ausnahmslos alle Nationen bzw. jedes Menschenvolk (Act 17, 26) gemeint.[67] „Das part. praes. bezeichnet die dauernde Tätigkeit, durch welche, nachdem mittels der Taufe die Aufnahme in die Jüngerschaft erfolgt ist, die Getauften zu rechten Jüngern im Sinne von 7, 21 gemacht werden“.[68]

[...]


[1] Vgl. Schmidt, „evkklhsi,a“ 516f; Bauer, Wörterbuch 477f; Coenen, „Kirche“ 784; Coenen, „Church“ 291. Ein Beispiel für diesen Gebrauch von evkklhsi,a liefert Lukas in Act 19, 32. 39f.

[2] Coenen, „Kirche“ 784.

[3] Gesenius, Handwörterbuch 705; Lewis, „lh'q'“ 790; Müller, „lh'q'“ 609-619.

[4] Sauer, „d[y“ 745. Vgl. Gesenius, Handwörterbuch 565.

[5] Sauer, „d[y“ 745. Zum Begriff sunagwgh , siehe Schrage, „sunagwgh ,“ 798-850.

[6] Schrage, „sunagwgh ,“ 807f.

[7] Lewis, „lh'q'“ 790.

[8] “That the pre-Christian history of the word had a direct bearing upon its Christian implication is evident from the fact, that the Ecclesia of the New Testament is likewise viewed as being a theocratic democracy; that is, a society of those who are free, but who are always conscious that this freedom springs from obedience to their King.” Lockyer, Doctrines 230.

Laut Schrage „Ekklesia“ 178-202 stellt der Gebrauch des Begriffes evkklhsi,a im Neuen Testament eine Eigenbildung der hellenistisch-christlichen Gemeinde dar.

[9] Cremer, Wörterbuch 550f.

[10] Wahrig, Wörterbuch 2104.

[11] Duden: Etymologie 325.

[12] Härle, „Kirche“ 278.

[13] Möller, „Gemeinde“ 316f.

[14] Wahrig, Wörterbuch 1489.

[15] Wahrig, Wörterbuch 1489.

[16] Ebd..

[17] Möller, „Gemeinde“ 317.

[18] Haarbeck, „Gemeinde“ 138.

[19] So zum Beispiel behauptet Kramer, Jesus 58: „The small band of missionaries in their work was a miniature of the great, universal Church“. Auch Charles Gore ist dieser Meinung, wenn er schreibt: „In virtue of this personal faith vivifying their discipleship, the apostles became themselves the first little Ecclesia constituting a living rock upon which a far larger and ever enlarging Ecclesia should very shortly be built slowly up, living stone by living stone, as each new faithful convert as added to the society“. Zit. in Kirby, „Church“ 846.

[20] Thiessen, Theology 409. Die Bibelzitate in deutscher Sprache werden der Revidierten Elberfelder Übersetzung von 1993 entnommen. Als Quelle für den hebräischen Text dient die 4. Aufl. der Biblia Hebraica Stuttgartensia. Der griechische Text wird aus der 27. Aufl. des Novum Testamentum Graece von Nestle-Aland zitiert. Die Texte und ihre Orthographie werden ohne Veränderung dem BibleWorks for Windows entnommen.

[21] Zur Gründung von neuen Gemeinden im Neuen Testament siehe Shenk und Stutzman, Gemeinden.

[22] Runia, „Gemeinde“ 707.

[23] Runia, „Gemeinde“ 707.

[24] Die Anzahl der Bilder kann je nach Autor variieren. So zum Beispiel reiht Lockyer, Doctrines 231f 29 Bilder auf, die er auf die Gemeinde bezieht. Eine ausführliche Darstellung der Bilder ist bei Meister, Charakterzüge zu finden.

[25] Zu ge,noj siehe „Louw-Nida“: „ge,noj( ouj or wj( dat. gh,rei( to, (1) of common ancestry posterity, descendants, family (RV 22.16); (2) of common identity as an ethnic group race, people, nation (AC 7.19); of common identity of believers nation, people (1P 2.9); (3) of members of a family circle kindred, relatives, (extended) family (AC 7.13); (4) of a distinctive species of someth. kind, class (1C 12.10)“. Vgl. auch Bauer, Wörterbuch 309-310; Morgenthaler, „genea,“ 517-519.

[26] Vgl. Morgenthaler, „genea,“ 517.

[27] Vgl. Morgenthaler, „genea,“ 517.

[28] Zu evklekto,j siehe „Louw-Nida“: „evklekto,j( h,( o,n (1) gener. of a quality of pers. or things choice, select, excellent (1P 2.4, 6); (2) in the Gospels, of those who respond positively to the privileges of God's grace (MT 22.14) and place trust in him (subst. LU 18.7); (3) of the basis of salvation in God's calling people to belong to himself elect, chosen (CO 3.12); subst. of the community of believers the elect (MT 24.24); (4) subst. of the Messiah the Chosen One (LU 23.35)“. Vgl. auch Bauer, Wörterbuch 481; Coenen, „evkle,gomai“ 285-291.

[29] Barclay, James 199.

[30] Vgl. Baehr, „i`ereu,j“ 1011.

[31] Zu qusi,a siehe „Louw-Nida“: „qusi,a( aj( h` sacrifice, offering; (1) predom. in the NT as what is sacrificed sacrificial offering (LU 2.24); (2) fig. (a) of the death of Christ as an offering of himself to God (EP 5.2); (b) of the life of believers as a self-offering to God (RO 12.1); (c) as providing acceptable service and faith as an offering to God (HE 13.15)“.

[32] Vgl. Phil 2, 17: „avlla. eiv kai. spe,ndomai evpi. th/| qusi,a| kai. leitourgi,a| th/j pi,stewj u`mw/n( cai,rw kai. sugcai,rw pa/sin u`mi/n\“ und 2 Tim 4, 6: „.avlla. eiv kai. spe,ndomai evpi. th/| qusi,a| kai. leitourgi,a| th/j pi,stewj u`mw/n( cai,rw kai. sugcai,rw pa/sin u`mi/n\“

[33] Schrenk, „i`era,teuma“ 250.

[34] Schrenk, „i`era,teuma“ 250.

[35] Krimmer und Holland, Petrusbrief 71.

[36] Schrenk, „i`era,teuma“ 251.

[37] Zu e;qnoj siehe „Louw-Nida“: „e;qnoj( ouj( to, (1) gener. a nation, a people (LU 7.5); (2) pl. ta. e;qnh used to designate non-Jews the Gentiles, nations, foreigners (RO 15.10, 11); w. a neg. sense pagans, heathen (MT 6.32)“. Vgl. Bauer, Wörterbuch 432-433; Bietenhard, „e;qnoj“ 1318-1322.

[38] Vgl. Barclay, James 199.

[39] Zu a[gioj siehe „Louw-Nida“: „ a[gioj( i,a( on as the quality of pers. or things that can be brought near or into God's presence holy; (1) of things set apart for God's purpose dedicated, sacred, holy (MT 4.5); (2) of pers. holy, pure, consecrated to God (LU 1.70); (3) of supernatural beings, as God (JN 17.11), Christ (LU 1.35), the Spirit of God (MK 12.36), angels (MK 8.38) holy; (4) superl. a`giw,tatoj( ta,th( on most holy, very pure or sincere (JU 20); (5) as subst. (a) o` a`Å the Holy One as a designation for God (1J 2.20) and Christ (MK 1.24); pl. oi` a[gioi the holy ones, as a designation for angels (1TH 3.13); as human beings belonging to God saints, God's people, believers (AC 9.13); (b) neut. to. a[gion what is holy, what is dedicated to God (MT 7.6); as a place dedicated to God sanctuary, holy place (HE 9.1); pl. a[gia holy place, (outer) sanctuary (HE 9.2); a[gia a`gi,wn the most sacred place, inner sanctuary, very holy place (HE 9.3)“. Vgl. auch Bauer, Wörterbuch 17-19; Seebaß, „a[gioj“ 646-650.

[40] Vgl. Barclay, James 199.

[41] Vgl. Krimmer und Holland, Petrusbrief 71.

[42] Zu lao,j siehe „Louw-Nida“: „lao,j( ou/( o` people; (1) popularly, esp. in LU and AC crowd, populace, people (LU 3.15); (2) nationally, as people making up a nation (RV 5.9); (3) as a relig. t.t., of Israel as God's chosen people, opp. to Gentiles (AC 4.10); (4) relig., of the Christian community as the people of God (AC 15.14)“. Vgl. auch Bauer, Wörterbuch 922-924; Bietenhard, „lao,j“ 1322-1325.

[43] Bietenhard, „lao,j“ 1325.

[44] Strathmann, „lao,j im NT“ 53.

[45] Strathmann, „lao,j“ 32.

[46] Strathmann, „lao,j im NT“ 55.

[47] Vgl. auch 1 Kor 12, 13 und Kol 3, 11.

[48] Zu o;cloj siehe „Louw-Nida“: „o;cloj( ou( o` (1) a throng of people milling around or closely pressed together, crowd, multitude (MT 5.1); (2) the (common) people, in contrast to the authorities populace, masses (AC 24.12); used contemptuously of the lower classes rabble (JN 7.49); (3) a (specific) company containing many people, a large number (LU 6.17; AC 1.15); (4) pl. (hosts of) peoples, along w. other designations of the divisions of mankind, as laoi,( e;qnh( glw/ssai (RV 17.15)“. Vgl. auch Bauer, Wörterbuch 1190-1191; Bietenhard, „e;qnoj“ 1325-1326.

[49] Zu fulh, siehe „Louw-Nida“: „fulh,( h/j( h` (1) as an ethnically related subdivision within a total community tribe, predom. as one of the Twelve Tribes of Israel (LU 2.36); (2) in a broader sense, pl. peoples, nations (MT 24.30)“. Bauer, Wörterbuch 1718. Hillyer, „Tribe“ 870-873.

[50] Zu glw/ssa siehe „Louw-Nida“: „glw/ssa( hj( h` tongue; (1) lit. the organ of speech and taste tongue (MK 7.33); fig. as a means of verbal communication tongue, language (AC 2.4, 11); (2) by meton., a tribe, people, or nation that speaks a common language (RV 5.9); (3) as a relig. t.t., for glossalalia tongues(-speaking), understood variously to be unintelligible ecstatic utterance (1C 14.2), heavenly language (1C 13.1), or foreign languages not learned through natural means by the speaker (AC 2.4, 11); (4) as the shape of fire forked flames (AC 2.3)“. Vgl. auch Bauer, Wörterbuch 321-322; Haarbeck, „glw/ssa“ 1407-1409.

[51] Zum Verb evlee,w siehe „Louw-Nida“: „evlee,w fut. evleh,swÈ 1aor. hvle,hsaÈ pf. pass. hvle,hmaiÈ 1aor. pass. hvleh,qhnÈ 1fut. pass. evlehqh,somaiÈ act. of helping someone because of pity take pity, be merciful, show mercy (MT 9.27); pass. find mercy, be shown mercy (MT 5.7)“.

[52] Zur Gnade siehe „Louw-Nida“: „ca,rij( itoj( h` grace; (1) as a quality that adds delight or pleasure graciousness, attractiveness, charm (LU 4.22); (2) as a favorable attitude (a) act. of what is felt toward another good will, favor (AC 2.47); (b) as a relig t.t. for God's attitude toward human beings kindness, grace, favor, helpfulness (JN 1.16, 17; EP 2.8); (3) concr. (a) of exceptional effects produced by God's favor ability, power, enablement (RO 12.6; 1C 15.10); (b) of practical proofs of good will fr. one pers. to another kind deed, benefit, favor (AC 24.27; 2C 1.15); collection for the poor, generous gift (1C 16.3); (4) as an experience or state resulting fr. God's favor state of grace, favored position (RO 5.2); (5) as a verbal thank offering to God gratitude, thanks (1C 15.57; 2C 9.15); (6) as contained in formulas that express greetings or farewell in letters good will, favor, blessing (RO 1.7; 16.20)“.

[53] Zu anderen Bildern siehe Neufeld, „Gemeindeschulung“ 22-25; Jantzen, „Dogmatik“ 76; Clemens, „Gemeinde“ 201; Bender, People 42-66; Watson, Church 115-128; Kuen, Gemeinde 84f; Löwen, „Statement“ 13f.

[54] Zu sw/ma siehe „Louw-Nida“: “sw/ma( atoj( to, body; (1) lit. (a) as the living body of a human being or animal (MT 6.25; JA 3.3); (b) as the dead body of a human being or animal corpse (MK 15.43; HE 13.11); (c) pl. by meton., of pers. valued impersonally as bodies for serving slaves (RV 18.13); (d) as the distinctive form of created things, as plants (1C 15.37, 38), and sun, moon, or stars (1C 15.40); (e) as the seat of mortal life, and subject to immortal life through resurrection body (1C 15.44); (f) as the material part of man in distinction fr. soul and spirit body (1TH 5.23); (g) in relation to the sexual function, the reproductive powers (RO 4.19; 1C 6.13;7.4); (2) fig. (a) as substance or reality in contrast to shadow (CO 2.17); (b) as a group of people united by a mystical union body, used of the church as the body of which Christ is the head (RO 12.5)“. Vgl. auch Bauer, Wörterbuch 81-1584; Wibbing, „sw/ma“ 869-873; Schweizer, „sw/ma“ 1024-1091.

[55] Vgl. hierzu Michel, Gemeinde 45-55. Eine ausführliche Abhandlung des Begriffes „Leib“ ist in der Dissertation von Park, Kirche zu finden.

[56] Bauer, Wörterbuch 851. Vgl. zu kefalh, Schlier, „kefalh,“ 672-681.

[57] Kol 1, 15-17.

[58] Kol 1, 18.

[59] Bauer, Wörterbuch 851.

[60] Neben dem Bild von der Gemeinde als Leib Christi werden im Neuen Testament noch andere Bilder gebraucht, um das Verhältnis der Gemeinde zu Christus zu beschreiben. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, wird auf diese Bilder nicht näher eingegangen.

[61] Wahrig, Wörterbuch 4163.

[62] Vgl. Act 8, 29; 10, 19.20; 11, 12; 12, 2.4; 16, 6.7; 20, 28; Röm 8, 4.13.14; Gal 5, 16.18.25; Röm 5, 5; 8, 23.24; 15, 3; Gal 4, 6.7; 5, 5; 6, 8; Eph 1, 14; 4, 30; Tit 3, 5-7.

[63] Siehe zum Begriff evxousi,a „Louw-Nida“: „evxousi,a( aj( h` authority, right, power; (1) as denoting the power of decision making, esp. as the unlimited possibility of action proper to God authority, power (AC 1.7); (2) as denoting God's power displayed through the sphere of nature power, authority (RV 9.10, 19); (3) as denoting limited authority to act, given to Satan in his sphere of dominion power, sphere of power, dominion (AC 26.18); (4) as Jesus' divinely given and unrestricted exercise of freedom to act power, authority (JN 10.18); (5) as authority imparted to a community to act in ordering relationships within it right, control, authority (2C 13.10); (6) as those in whom authority for ruling rests, both supernatural and human, esp. in the pl. officials, authorities, dignitaries, (the) government (CO 1.16); (7) symbolically represented through the wearing of a marriage token, as a head covering worn by a woman, symbol, sign of authority exercised by the man (1C 11.10)“.

[64] Bauer, Wörterbuch 550-552.

[65] Siehe hierzu andere Bibelstellen wie Eph 1, 20ff.; Phil 2, 9; Kol 2, 15, die Jesu Herrschaftsanspruch zum Ausdruck bringen.

[66] Bauer, Wörterbuch 959f.

[67] Vgl. Bauer, Wörterbuch 432f.

[68] Weiss, Evangelien 171.

Ende der Leseprobe aus 164 Seiten

Details

Titel
Grundriss einer neutestamentlichen Ekklesiologie
Untertitel
Theoretisch-praktische Reflexionen zum Wesen, zum Auftrag und zu den Funktionen der neutestamentlichen Gemeinde
Autor
Jahr
2012
Seiten
164
Katalognummer
V206323
ISBN (eBook)
9783656333531
ISBN (Buch)
9783656333791
Dateigröße
1492 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
grundriss, ekklesiologie, theoretisch-praktische, reflexionen, wesen, auftrag, funktionen, gemeinde
Arbeit zitieren
Dr. Heinrich Löwen (Autor:in), 2012, Grundriss einer neutestamentlichen Ekklesiologie , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206323

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