"Herausragende Leistungen unter Schillers Mittelalterballaden sind ´Der
Handschuh´ und ´Der Taucher´"
Dieser Aussage Daus kann man sich nur anschließen, wenn man die einzelnen Motive und ihre Zusammenhänge einmal näher betrachtet. Auf den ersten Blick mutet die Ballade zwar wie eine „im einzelnen geglückte und interessante, im ganzen jedoch uneinheitliche und daher unbefriedigende Dichtung“ an. Offenkundig ging es Schiller nur darum, eine fast banal wirkende, historische Anekdote zu verwerten und den Leser nur zu amüsieren und zu unterhalten. Näher betrachtet erschließt sich jedoch eine Fülle an literarischen Dimensionen und Interpretationsmöglichkeiten.
Schiller selbst mag auch Schuld an der eher stiefmütterlichen Behandlung des
„Handschuhs“ tragen, denn am 18. Juni 1797 bezeichnete er ihn selbst in einem Brief an Goethe als „ein kleines Nachstück zum Taucher, wozu ich durch eine Anecdote[ sic! ] in S. Foix Essay sur Paris aufgemuntert wurde.“ Damit legt er den Status dieser Ballade selbst fest und setzt sie so gesehen hinter dem „Taucher“ zurück.
Auch wenn der Reiz des Stückes hauptsächlich den anekdotischen Gegebenheiten gilt, so kann man trotzdem sagen, dass sich eine Betrachtung der kürzesten aller schillerschen Balladen durchaus lohnt.
Hier soll nun das Augenmerk auf einen ganz speziellen Aspekt gelegt werden. Zu
betrachten ist die Löwenmotivik und ihre Wirkung. Es soll geklärt werden, ob der Löwe aus reinem Zufall als eines der drei Gefahren, die den Ritter Delorges bedrohen, gewählt wurde, oder ob andere Beweggründe vorlagen.
Darüber hinaus finden sich auch Anhaltspunkte in Verbindung mit dem Löwen- und
Königsmotiv, die die Anekdote sowohl räumlich als auch zeitlich verankern.
Zusätzlich soll dargestellt werden, dass die äußere Form der Ballade keineswegs zufällig gewählt wurde, sondern korrespondierend zum Inhalt bewusst gewählt wurde.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Der Löwe bei Schiller
2.1. Die Löwenmotivik in der Kulturgeschichte
2.2. Verortung der Ballade im Zusammenhang mit Löwen
2.3. Die Löwenstrophe
2.4. Vergleich des Löwen mit dem Menschen
3. Schlussbetrachtungen
4. Literaturverzeichnis
4.1. Primärliteratur
4.2. Sekundärliteratur
1. Einführung
Herausragende Leistungen unter Schillers Mittelalterballaden sind ´Der Handschuh´ und ´Der Taucher´,[1]
Dieser Aussage Daus kann man sich nur anschließen, wenn man die einzelnen Motive und ihre Zusammenhänge einmal näher betrachtet. Auf den ersten Blick mutet die Ballade zwar wie eine „im einzelnen geglückte und interessante, im ganzen jedoch uneinheitliche und daher unbefriedigende Dichtung“[2] an. Offenkundig ging es Schiller nur darum, eine fast banal wirkende, historische Anekdote zu verwerten und den Leser nur zu amüsieren und zu unterhalten. Näher betrachtet erschließt sich jedoch eine Fülle an literarischen Dimensionen und Interpretationsmöglichkeiten.
Schiller selbst mag auch Schuld an der eher stiefmütterlichen Behandlung des „Handschuhs“ tragen, denn am 18. Juni 1797 bezeichnete er ihn selbst in einem Brief an Goethe als „ein kleines Nachstück zum Taucher, wozu ich durch eine Anecdote[sic!] in S. Foix Essay sur Paris aufgemuntert wurde.“[3] Damit legt er den Status dieser Ballade selbst fest und setzt sie so gesehen hinter dem „Taucher“ zurück.
Auch wenn der Reiz des Stückes hauptsächlich den anekdotischen Gegebenheiten gilt[4],so kann man trotzdem sagen, dass sich eine Betrachtung der kürzesten aller schillerschen Balladen durchaus lohnt.
Hier soll nun das Augenmerk auf einen ganz speziellen Aspekt gelegt werden. Zu betrachten ist die Löwenmotivik und ihre Wirkung. Es soll geklärt werden, ob der Löwe aus reinem Zufall als eines der drei Gefahren, die den Ritter Delorges bedrohen, gewählt wurde, oder ob andere Beweggründe vorlagen.
Darüber hinaus finden sich auch Anhaltspunkte in Verbindung mit dem Löwen- und Königsmotiv, die die Anekdote sowohl räumlich als auch zeitlich verankern. Zusätzlich soll dargestellt werden, dass die äußere Form der Ballade keineswegs zufällig gewählt wurde, sondern korrespondierend zum Inhalt bewusst gewählt wurde.
2. Der Löwe bei Schiller
2.1. Die Löwenmotivik in der Kulturgeschichte
Aus der gesamten Kulturgeschichte ist bekannt, dass Löwen nicht nur beliebte Wappentiere waren, sondern schon in den antiken Sagen von Äsop als weise und gutmütig gilt. Schon antike Herrscher verglichen sich mit dem Löwen, so wurde unter anderem Alexander der Große auch als „Löwe von Makedonien“ bezeichnet.
Vor allem im Mittelalter setzte sich der Löwe als Symbol des Königs der Tiere und Stellvertretend somit für menschliche Könige durch. Diese Tradition zieht sich wie ein roter Faden quer durch die gesamte europäische Geschichte und durch sämtliche europäische Staaten. Zu nennen wären hier unter anderem der „zermalmende Löwe“ Karl der Große, Heinrich der Löwe, Richard Löwenherz, der „gehörnte Löwe“ Karl von Anjou, der „walisische Löwe“, Llewwelyn und der „streitende Löwe“ Rudolph von Habsburg[5].
Das Löwenmotiv hat sich also über Jahrhunderte hinweg als das edle und vornehm-tapfere erwiesen und ist eigentlich nur positiv besetzt worden. Es stand für Stärke, Mut und Unbeugsamkeit. In gewisser Weise verkörperte das Löwenmotiv fast alle mittelalterlichen Tugenden. Weisheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Stärke, Mäßigkeit und Güte schien sich von den so betitelten Herrschern förmlich auf den Löwen zu übertragen.
Worin sich auch eine gewisse Ironie Schillers widerspiegelt, denn auch hier ist der Löwe der beherrschende, der die anderen Tiere zur Raison bringt. Während König Franz selbst als Vertreter der Menschen und sozusagen als menschliches Gegenstück des Löwen eher negativ ins Auge fällt, da er es ist, der diesen Kampf zu einem Spiel degradierte und zu seinem reinen Amüsement einen Kampf um Leben und Tod inszeniert. Schiller nutzt also das positiv besetzte Löwengleichnis „zur Verdeutlichung einer antagonistischen Widersprüchlichkeit, die durch die Aufhebung der antik-mythologischen Einheit von Mensch und Natur noch unterstrichen wird.“[6]
Auch Goethe verwendete das Löwenmotiv in seinem Reinecke Fuchs Epos, wo wiederum der Löwe den Rang eines Königs trägt.
2.2. Verortung der Ballade im Zusammenhang mit Löwen
Zuerst wird in der Ballade „der Raum, die Szenerie, abgesteckt, und es wird das Geschehen genannt, das sich darin vollziehen soll“[7]
Anders als in der heutigen Politik betritt der wichtigste Akteur des grausamen Schauspiels zuerst die Bühne. Im Beginn der Ballade wird zusätzlich erwähnt, dass der König, welcher im Folgenden mit dem Löwen verglichen werden soll, bereits anwesend ist.
Schon seit althergebrachten Zeiten betreten die Herrscher und somit die Hauptpersonen erst dann die Bühne des politischen Parketts, wenn bereits alle anderen und somit ihr Publikum vor Ort sind. Dass nun der Löwe offenkundig nach dem König und dem restlichen Publikum den „Löwengarten“[8] betritt setzt ihn so schon in gewisser Weise über den König. Dies ist das Reich des Löwen. Vielleicht ein Hinweis Schillers auf die Lokalisation des Schauspiels. Diese Interpretation liegt nahe, denn in oben bereits Erwähnten Brief Schillers an Goethe von 1797 nennt Schiller präzise Germain Francoise Poullain de Saint-Foix´ “Essais historiques sur Paris“ als Quelle:
[...]
[1] Rudolph Dau: Geschichtsbild und klassische Lyrik, S.200.
[2] Ferdinand Piedmont: Ironie in Schillers Ballade „Der Handschuh“ , S.105
[3] Emil Steiger ( Hg.): Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, S. 344.
[4] Vgl. Ferdinand Piedmont: Ironie in Schillers Ballade „ Der Handschuh“ ,S. 105
[5] Vgl. Dirk Jäckel: Der Herrscher als Löwe
[6] Rudolph Dau: Geschichtsbild und klassische Lyrik, S. 194
[7] Ferdinand Piedmont: Ironie in Schillers Ballade „Der Handschuh“, S. 106
[8] Friedrich Schiller: Dramen und Gedichte, S. 1059.
- Arbeit zitieren
- Roxana Romahn (Autor:in), 2009, Die Motivik des Löwen in Friedrich Schillers „Der Handschuh“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206510