Die große Mehrheit der Unternehmen fällt ihre strategischen IS-Entscheidungen entweder sehr gefühlsorientiert oder benutzt Methoden, die nur sehr eingeschränkt zu den Entscheidungssituationen passen.
Zentrale Begriffe wie „Geschäftswert der IS/IT“ oder „strategischer Wert eines Informationssystems“ sind nur sehr unscharf definiert. Dies widerum führt zu großen Schwierigkeiten bei der Bewertung, Kontrolle und Steuerung der Informationssysteme.
Obwohl im Gebiet der betriebswirtschaftlichen Strategieforschung zahlreiche Strategietheorien existieren, werden diese Theorien nur in sehr geringem Umfang im Gebiet des IS-Managements angewandt. Dies gilt für die Forschung als auch für die unternehmerische Praxis.
Ziel dieser Arbeit ist ein Modell, welches eine strategietheoretisch fundierte Bewertung von Informationssystemen ermöglicht.
Zu diesem Zweck wird auf Basis der Ressourcentheorie der Begriff „strategischer Wert eines Informationssystems“ definiert und in einem zweiten Schritt durch konkrete Kennzahlen operationalisiert. Hierzu greift das Bewertungsmodell konsequent auf Begriffe und Kennzahlen der de-facto-Standards ITIL und Cobit zurück. Auf diesem Wege wird sichergestellt, daß auch Praktiker das Modell schnell verstehen, akzeptieren und anwenden können. Der praktische Nutzen des Bewertungsmodells wurde durch Experteninterviews validiert.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Situation und Problemstellung
1.2 Motivation
1.3 Zielsetzung und Vorgehensweise
1.4 Wissenschaftstheoretischer Lösungsansatz
2 Terminologische und konzeptionelle Grundlagen
2.1 Umfang und Notwendigkeit
2.2 Strategie und Strategisches Management
2.2.1 Das Wesen der Strategie
2.2.2 Inhaltlichen Strukturierung der Theorien des strategischen Manage- ments
2.3 Technologie, Informationstechnologie
2.4 Informationssystem
2.5 IT Service
2.6 Wert und Wertbestimmung
2.6.1 Wert
2.6.2 Wert von Informationssystemen
2.6.3 Bewertung von Informationssystemen
2.7 IT Governance als konzeptioneller Rahmen für das IS-Management
2.7.1 Inhaltliche Beschreibung des Begriffs
2.7.2 Control Objectives for IT and related Technology (Cobit)
2.7.3 Information Technology Infrastructure Library (ITIL)
2.8 Zusammenfassung
3 Modelle zur strategischen Bewertung von Informationssystemen
3.1 Zielsetzung und Vorgehensweise
3.2 Typologie zur Modellklassifikation
3.3 Inhalt-fokussierte Modelle
3.3.1 Klassische Kosten-Nutzen-Analysen
3.3.2 Optionstheoretische Modelle
3.3.3 Multikriterielle Bewertungsmodelle und lineare Programmierung
3.3.4 Portfolio-Modelle
3.4 Prozess-fokussierte Modelle
3.4.1 Total Economic Impact
3.4.2 Rapid Economic Justification
3.4.3 Total Value of Opportunity
3.5 Kontext-fokussierte Modelle
3.5.1 Metamodelle
3.5.2 Wirkungskettenanalyse und Methode der Kritischen Erfolgsfaktoren
3.5.3 Kontinuierliche Anpassung: Vier-Zyklen-Modell von Salmela und Spil
3.6 Analyse der Bewertungsmodelle
3.6.1 Kontextanalyse
3.6.2 Vergleichende Betrachtung der Bewertungsmodelle
3.6.3 Kritische Würdigung der vorhandenen Modelle
3.7 Zusammenfassung der Analyse
4 Konzeption eines ressourcentheoretischen Bewertungsmodells
4.1 Zielsetzung und Vorgehensweise
4.2 Anforderungen an das Bewertungsmodell
4.2.1 Bewertungsziele: Inhaltliche Anforderungen an das Bewertungsmo- dell
4.2.2 Strukturale Anforderungen an das Bewertungsmodell
4.3 Auswahl der passenden Strategietheorie
4.4 Theorien zur Beschreibung des strategisch
4.4 Theorien zur Beschreibung des strategisch „idealen Informationssystems“ .
4.4.1 Ressourcenbasierte Strategietheorie als Fundament der strategischen Bewertung
4.4.2 Dynamische Fahigkeiten als Fortschreibung der Ressourcenbasierten Strategietheorie
4.5 Strategische Risiken aus Sicht der Ressourcentheorie
4.5.1 Risiko „keine Gewinne“
4.5.2 Risiko „Kundenverlust“
4.5.3 Risikotreiber „hohe Spezifitat“
4.5.4 Risikotreiber „Starrheit“
4.5.5 Risikotreiber „Komplexitat“
4.6 Operationalisierung ressourcentheoretischer Begriffe für die IT Governance
4.6.1 Ziel und Vorgehensweise
4.6.2 Strategischer Wert eines Informationssystems
4.6.3 IS-Ressourcen
4.6.4 Funktionale IS-Fahigkeiten
4.6.5 Dynamische IS-Fahigkeiten (Fortschrittsfähigkeit)
4.6.6 Zwischenfazit zur vorgenommenen Begriffsoperationalisierung . .
4.7 Rollen und Perspektiven in der Bewertung
4.7.1 Überbetriebliche Rollen: Kunde, Dienstleister
4.7.2 Innerbetriebliche Rollen: Bewertungstrager
4.8 Bewertungskriterien
4.8.1 Grundgedanken zu den Bewertungskriterien
4.8.2 Vorgehensweise: Goal-Question-Metric
4.8.3 Nachhaltigkeit
4.8.4 Fortschrittsfahigkeit
4.8.5 Bewertungskriterien fur strategische Risiken
4.9 Zusammenfassung der Erkenntnisse
5 Vorgehensmodell zur ressourcentheoretischen Bewertung von Informationssystemen
5.1 Zielsetzung und Vorgehensweise
5.2 Überblick
5.3 Kennzahlen auswählen und erfassen
5.4 Effektivität bewerten
5.5 Nachhaltigkeit bewerten
5.6 Fortschrittsfähigkeit bewerten
5.7 Risiken bewerten
5.8 Ergebnisse ganzheitlich darstellen
5.8.1 Grundgedanken
5.8.2 Visualisierung der Ergebnisse
5.8.3 Alternative Formen der Visualisierung
5.9 Zusammenfassung
6 Konzeption eines minimalen Prototyps für ein Bewertungswerkzeug
6.1 Zielsetzung und Vorgehensweise
6.2 Ausgangslage
6.3 Fuzzy-Logik zur formalen Abbildung des Bewertungsmodells . .
6.3.1 Motivation
6.3.2 Grundlagen der Fuzzy-Logik
6.3.3 Definition linguistischer Variablen
6.3.4 Verarbeitungsregeln
6.4 Technische Realisierung
6.5 Zusammenfassung
7 Praktische Validierung des Bewertungsmodells
7.1 Zielsetzung und Vorgehensweise
7.2 Grundlagen des Experteninterviews
7.2.1 Allgemeines
7.2.2 Vorgehensweise
7.3 Validierung durch Experteninterviews
7.3.1 Inhaltliche und organisatorische Vorbereitung
7.3.2 Durchführung der Interviews
7.3.3 Qualitative Auswertung
7.3.4 Zusammenfassung der Experteninterviews
7.4 Zusammenfassung der Erkenntnisse
8 Schlußbetrachtung und Ausblick
8.1 Schlußbetrachtung
8.2 Ausblick für die Managementpraxis
8.3 Ausblick für die Forschung
A Cobit
B Beispielhafte Kennzahlen für eine strategische Bewertung
C Definition der linguistischen Variablen
C.1 Basiskennzahlen
C.2 Aggregierte Kennzahlen
D Verknüpfungsregeln für die linguistischen Variablen
Abbildungsverzeichnis
1.1 Aufbau der Arbeit
2.1 Prinzipielle Komponenten einer Strategie (Mintzberg u. a., 1998, S. 12) . .
2.2 Mapping Techniques nach Bannister und Remenyi (1999)
2.3 Fokus der IT Governance (ITGI, 2003, S. 27)
2.4 Überblick zu verschiedenen Referenzmodellen im konzeptionellen Rahmen von IT Governance (Astecker, 2003, S. 9)
2.5 Control Objectives for IT and related Technology, (vgl. Cobit, 2007a, S. 26)
2.6 Der Servicelebenszyklus (vgl. OGC, 2010d, S. 8)
3.1 Die drei Dimensionen des strategischen Wandels (Pettigrew und Whipp, 1993, S. 26)
3.2 Der multikriterielle Bewertungsrahmen von Sylla und Wen (Sylla und Wen, 2002, S. 251)
3.3 Portfolio zur Beurteilung der Priorität verschiedener IS-Investitionen (Schöns- leben, 2001, S. 48)
3.4 Zuordnung verschiedener Portfolio-Bestandteile zu den intendierten Management- Zielen (Weill und Broadbent, 1998, S. 26)
3.5 Zusammensetzung des IS-Investitionsportfolios in Abhängigkeit von der Grund- einstellung der Geschäftsstrategie (Weill und Broadbent, 1998, S. 64)
3.6 Total Economic Impact
3.7 Der REJ-Prozeß (Microsoft, 2005, S. 2)
3.8 Projektcharakteristik in Abhängigkeit von Randbedingungen der Bewertung und der intendierten Rolle des Informationssystems (Farbey und Targett, 1994, S. 239)
3.9 Bewertungsmethoden in Abhängigkeit von den Randbedingungen der Be- wertung und der intendierten Rolle des Informationssystems (Farbey und Targett, 1994, S. 239)
3.10 Verschiedene Arten der Bewertung in Abhängigkeit von der Problemstruktur (Farbey und Targett, 1994, S. 242)
3.11 Bewertungsmethoden in Abhängigkeit von Projektgröße und Charakter der geplanten IS-Investition (Weill und Broadbent, 1998, S. 215)
3.12 Wirkungsnetz ”Offene Systeme“ (Potthof, 1998, S. 65)
3.13 Das Vier-Zyklen-Modell von Salmela und Spil (Salmela und Spil, 2002, S. 448)
3.14 Grobe Strukturierung der wesentlichen Ausloser für Veränderungen von Informationssystemen
4.1 Kausalkette fur nachhaltige Wettbewerbsvorteile auf Basis des ressourcenbasierten Strategieansatzes (Raupp, 2002, S. 129)
4.2 Zusammenhang zwischen funktionalen und dynamischen Fahigkeiten .
4.3 Komponenten der Fortschrittsfahigkeit (in Anlehnung an Trux, 1985, S. 64)
4.4 Wirkungsnetz zu den wesentlichen strategischen Risiken
4.5 Überblick über dynamische Fahigkeiten im IS-Management sowie deren Inputs und Outputs
4.6 Goal-Question-Metric-Graph (Heinrich, 2002, S. 575)
4.7 Beispielhafte GQM-Pyramide zum Ziel „Informationssystem ist schwer substituierbat“
4.8 GQM-Pyramide zum Ziel „Informationssystem ist schwer imitierbar“
4.9 Beispielhafte GQM-Pyramide zum Ziel Fortschrittsfahigkeit
4.10 Beispielhafte GQM-Pyramide zur quantitativen Beschreibung des strategischen Risikos „Starrheit“
5.1 Vollstandiger Bewertungsprozeß im Überblick
5.2 Wirkungskette und schematische Berechnung der statischen Nachhaltigkeit
5.3 Wirkungskette und schematische Berechnung der Fortschrittsfahigkeit
5.4 Wirkungskette und schematische Berechnung des Risikos ”Kundenverlust“
5.5 Diagramm „Fahigkeit der Komplexitatsbeherrschung“
5.6 Diagramm „Fähigkeit zur Komplexitätsbeherrschung“ mit zusätzlichen Informationen
5.7 Portfolio-Diagramme: Eignung der betrachteten IS zur Auslagerung
5.8 Portfolio-Diagramme: Trendanalyse der betrachteten IS
5.9 Deltamodell von Hax und Wilde (1999)
5.10 Deltamodell mit Nachhaltigkeit
6.1 Prinzipieller Aufbau eines Fuzzy-Systems
6.2 Beispiel einer linguistischen Variablen mit linguistischen Termen und deren Zugehörigkeitsfunktionen
6.3 Beispiel für Fuzzy-Inferenz
6.4 Linguistische Variable fur die Basiskennzahl „Prozeßreife“ (ITIL, Cobit)
6.5 Linguistische Variable fur die aggregierte Kennzahl „Nachhaltigkeit“
A.1 Überblick uber die vier Domanen und 34 Prozesse des Cobit-Referenzmodells (vgl. Cobit, 2007a, S. 26)
C.1 Linguistische Variable „Schulungskosten“
C.2 Linguistische Variable „Mean Time to Repair“ (MTTR)
C.3 Linguistische Variable „Mean Time Between Failure“ (MBTF)
C.4 Linguistische Variable ,Anzahl der „ermoglicht“-Relationen in der CMDB“
C.5 Linguistische Variable „Prozeßreife“
C.6 Linguistische Variable „Function Points“ als Maß der Software-Komplexitat
C.7 Linguistische Variable „Infrastructure Effort Points“ als Maß der Software- Komplexitat
C.8 Linguistische Variable „Anzahl offener Problem Records'
C.9 Linguistische Variable Anzahl „offener Requests for Change“ (RfC)
C.10 Linguistische Variable „Durchlaufzeit eines Request for Change (RfC)“
C.11 Linguistische Variable „Wechselkosten“
C.12 Linguistische Variable „Nachhaltigkeit“
C.13 Linguistische Variable „Imitierbarkeit“
C.14 Linguistische Variable „Substituierbarkeit“
C.15 Linguistische Variable „Risiko“
Tabellenverzeichnis
3.1 Analogie der Parameter bei Finanz- und Realoptionen (vgl. Hommel und Pritsch, 1999b, S. 124)
3.2 Generische Typen von Realoptionen und ihre Wirkung (vgl. Hommel und Pritsch, 1999a, S. 13)
3.3 REJ-Team-Modell: Rollen und deren Verantwortlichkeiten (Microsoft, 2005, S. 15)
3.4 Gartner Business Performance Framework (Apfel und Smith, 2003, S. 9) .
3.5 Die „Fünf Saulen der Nutzenverwirklichung“ Five Pillars of Dynamic Benefits Realization (Apfel, 2002, S. 5)
3.6 Beispiel einer „Fdnf-Saulen-Analyse“ (Apfel, 2002, S. 15)
3.7 Kriterien zum Vergleich der Bewertungsmodelle und deren Erlauterung (angelehnt an Pietsch (1996, S. 66 ff.)
3.8 Zusammenfassender Vergleich der untersuchten inhalt-fokussierten Bewertungsmodelle
3.9 Zusammenfassender Vergleich der untersuchtenprozeß--fokussierten Bewertungsmodelle
3.10 Zusammenfassender Vergleich der untersuchten kontext-fokussierten Bewertungsmodelle
4.1 Strukturierung von Ressourcendefinitionen (angelehnt an die funf Betrachtungsebenen von Metzenthin, 2002, S. 99)
4.2 Wesentliche Aspekte des theoretischen Konstrukts „dynamische Fahigkeit“
4.3 Ressourcen eines Informationssystems
4.4 Beispiele funktionaler IS-Fahigkeiten und deren strategische Relevanz aus Sicht der Ressourcentheorie
4.5 Wesentliche Aspekte des theoretischen Konstrukts „Fortschrittsfahigkeit“ und deren beispielhafte Entsprechungen in den Referenzmodellen der IT Governance (vgl. Tab. 4.2 im Abs. 4.4.2, S. 88)
4.6 Einordnung der verwendeten Rollenbezeichnungen in die Referenzmodelle ITIL, MOF und Cobit
4.7 Mögliche Kennzahlen für die Quantifizierung des Kriteriums „Empfänglichkeit“
4.8 Mogliche Kennzahlen zur Quantifizierung des Kriteriums „Erkenntnisfahig- keit“ (speziell für die Dimension „effektive Wissenskodifikation“)
4.9 Mogliche Kennzahlen zur Quantifizierung des Kriteriums „Erkenntnisfahig- keit“ (speziell zur Dimension „effektives Problemlosen“)
4.10 Mogliche Kennzahlen zur Quantifizierung des Kriteriums „Handlungsfahig- keit“ (speziell für die Dimension „Integrationsfahigkeit“)
4.11 Mogliche Kennzahlen zur Quantifizierung des Kriteriums „Zielkonvergenz“
4.12 Mogliche Kennzahlen zur Messung der Fortschrittsfahigkeit eines Informationssystems
4.13 Differenzierte Aufstellung von Transaktionskosten
5.1 Drei beispielhafte Informationssysteme und ihre qualitativen Kennzahlen .
5.2 Effektivitat der drei beispielhaften Informationssysteme
5.3 Nachhaltigkeit der drei beispielhaften Informationssysteme
5.4 Fortschrittsfahigkeit der drei beispielhaften Informationssysteme
5.5 Qualitativer Regelsatz für die Ermittlung des Risikos „Kundenverlust“
5.6 Risiko „Kundenverlust“ der drei beispielhaften Informationssysteme
6.1 Qualitativer Regelsatz für die Ermittlung der Nachhaltigkeit
7.1 Charakterisierung der befragten Experten
B.1 Beispielhafte Kennzahlen fur eine strategische Bewertung
D.1 Auszug aus der Regelbasis zur Ermittlung der linguistischen Variable „Substituierbarkeit“
D.2 Auszug aus der Regelbasis zur Ermittlung der linguistischen Variable „Imi- tierbarkeit“
D.3 Qualitativer Regelsatz für die Ermittlung der Fortschrittsfahigkeit
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kapitel 1 Einleitung
1.1 Situation und Problemstellung
Mehrere Jahrzehnte lang wurden die Potentiale der Informationstechnologie primär zur Ef- fizienzsteigerung von Prozessen genutzt. Dies änderte sich dramatisch mit dem Beginn der ”NewEconomy “ -ÄraMitteder90 erJahre:Informationstechnologien,allenvoranInternet und Mobilfunk, traten nun als strategische Basis zur Vergrößerung der Geschäftsmöglich- keiten in den Vordergrund (vgl. z. B. Schönsleben, 2001, S. 48).
In den vergangenen Jahren hat der Begriff ”Strategie“einengeradezuinflationärenGebrauch erfahren. Dies trifft im allgemeinen zu (Hungenberg,2011, S.5 ), aber auch speziell auf den Bereich der Informationssysteme.
Die momentane unternehmerische Praxis des IS[1] /IT[2] -Managements sieht sich mit einer verstärkten Forderung nach wertorientiertem Handeln konfrontiert (vgl. z. B. Buchta u. a., 2009, S. 17). In den Diskussionen um den Geschäftswert der IT (Business Value of IT) wird der Begriff Wert zumeist eindimensional dargestellt, im Sinne einer monetären Größe (vgl. z. B. Strecker, 2009, S. 29).
Die Verfahren der klassischen Investitionsrechnung erfreuen sich großer Beliebtheit, wenn es um die Wertermittlung von Informationssystemen geht (Deisinger, 2010, S. 153)
So stellen Treber u. a. fest, daß:
” der ROI in der IT zum zentralen begrifflichen Aufhänger zur Messung dieses ’ Business Value of IT ’ geworden ist, und sich (...) in der praxisorien- tierten IT-Literatur zu einem Modewort entwickelt hat. “ (Treber u. a., 2004, S. 48). Ähnlich äußern sich auch Mintzberg u. a. bezüglich des strategischen Managements im Allgemeinen:
”’ Value creation ’ has become a particulary popular term in the planning community,... “
(Mintzberg u. a., 1998, S. 52).
Abgesehen von wenigen Ausnahmen (vgl. z. B. Nokes, 2001, S. 11) sind die Resultate des momentanen wertorientierten, strategischen IS/IT-Managements eher ernüchternd:
- Mittelverschwendung im großen Stil. Schätzungen von Unternehmensberatungen gehen davon aus, daß ca. 20% der Budgets im IS-Bereich verschwendet werden (Kyte, 2002). Beispielsweise, indem aufgrund mangelhafter Analysen und Planungen vie- le Applikationen beschafft, aber nie eingesetzt werden (vgl. z. B. Nokes, 2001). Ein Beispiel hierfür sind SCM[3] -Suites: Nur 25% der Unternehmen nutzten 2001 mehr als ein Modul. Viele Module wurden beschafft, aber nicht genutzt. So bekamen nur 12% der Teilnehmer der Studie von mehr als 5% ihrer Zulieferer oder Kunden Daten für die Planung der Lieferkette, was praktisch alle unternehmensübergreifenden Softwa- rewerkzeuge (z. B. zur Bedarfprognose) nutzlos werden ließ (Fontanella, 2001). In einer anderen Studie wurde ersichtlich, daß ca. 50% der selbstgebauten Routinen in SAP-Systemen nicht benutzt werden. Diese Programme haben somit keinen Nutzen, erhöhen aber im Gegenzug die Kosten für Wartung, Anpassung und Release-Wechsel (Niemann, 2007).
- Gefährliche Konfusion: Unklare Vorstellungen vom Begriff
”Wert“.VieleUnter- nehmen haben große Schwierigkeiten, ihre Informationssysteme zu bewerten. Kriti- ker bemängeln, daß in keiner anderen Branche so wenig zwischen Werbeaussagen und fundierten Effektivitätserwartungen differenziert wird. (Kubicek,2000, S.55 ). Aus mehreren empirischen Untersuchungen geht hervor, daß individuelle aber auch insti- tutionelle Entscheidungsträger ihre Entscheidungen in bezug auf Auswahl und (strate- gischen) Einsatz von Informationssystemen eher als instinktiv beschreiben (Bannister und Remenyi,1999, S.1 ) und keine systematischen Ansätze zur Bewertung von Infor- mationssystemen benutzen.[4] Die Information Systems Audit and Control Association befragte 1217 Unternehmen aus neun Ländern. Die Studie bestätigte klar die o.g. Be- funde (ISACA, 2009):
- Zwei Drittel der weltweit befragten Unternehmen kennen den Wertbeitrag ihrer Informationssysteme nicht, das heißt sie haben kein Konzept, um deren Wert zu messen.
- Die meisten Entscheidungen in bezug auf den Wert von Informationssystemen sind subjektiv, und werden oft aus dem Bauch heraus getroffen, nicht auf der Grundlage von Fakten.
- Gefährliche Reduktion: ”Wertorientierung“alsSubstitutfürSteuerung.Invie- len, meist börsennotierten Unternehmen werden wertorientierte Theorien im Sinne des Shareholder-Value -Konzepts zunehmend zur strategischen Steuerung verwendet. Es besteht die Gefahr, daß der strategische Prozeß nur noch auf die Ergebnisplanung zukünftiger Unternehmensaktivitäten abzielt, und die inhaltliche Ausgestaltung zur Erreichung der finanziellen Ziele vernachlässigt wird. Fengler beschreibt dies sehr il- lustrativ mit folgender Analogie aus dem Fußball: ” E ineMannschaft,diesichwährend der Saisonvorbereitung schwerpunktm äß ig auf die Planung der Torverhältnisse an den jeweiligen Spieltagen konzentriert, wird sicherlich am Ende kaum den Klassenerhalt schaffen “ (Fengler, 2000, S. 38). Die fehlende begriffliche und inhaltliche Präzision des Wertbegriffs der IT kann als wesentliche Ursache dafür angesehen werden, daß auch die Operationalisierungen für Planung, Steuerung und Kontrolle problematisch sind (vgl. Strecker, 2009, S. 27).
- IS/IT als strategischer Bremsklotz und ”Wertverhinderer“aufderUnternehmens- ebene. Auf Unternehmensebene wird häufig versucht, durch Zukäufe und Zusam- menschlüsse Synergiepotentiale zu erschließen, um somit die Wertschöpfung zu ver- bessern. In der Vergangenheit wurden jedoch Fälle bekannt, bei denen inkompatible Informationssysteme Unternehmensfusionen und -akquisitionen massiv behinderten, oder sogar scheitern ließen (Potthof, 1998, S. 35 ff.; Schönsleben, 2001, S. 43)
Die Wünsche der Unternehmensführung nach schneller und unabhängiger Reaktion auf (Markt-)Chancen kann das IS-Management häufig nicht erfüllen (Schönsleben, 2001, S. 42). Dirsch prägte hierfür die anschauliche Metapher der ”DValsgeronnene Organisation “ (Dirsch, 1999, S. 16). Unternehmen sehen sich in ihren strategischen Vorhaben durch ihre Informationssysteme häufiger behindert als gefördert (Buchta u. a., 2009, S. 5).
- Unfähigkeit Nutzeffekte zu realisieren. Häufig ist zu beobachten, daß die Manage- mentkosten neu eingeführter Technologien oder Applikationen die gewonnenen Nutz- effekte schnell wieder ”absorbieren“.EbensomangelteshäufigauchanderManage- ment fähigkeit, prognostizierte Nutzeffekte zu realisieren (vgl. Muschter und Österle, 1999, S. 44).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die seit den frühen 80er Jahren geführte Diskussion um die Bewertung von Informationssystemen (z. B. Anselstetter, 1984), bis heute auf der Liste der kritischen Probleme der Praxis steht (Strecker, 2009; Deisinger, 2010).
1.2 Motivation
Die zunehmende Forderung nach einer konsequenten Wertorientierung beim Management von Informationssystemen hat in den letzten 20 Jahren zu vielfältigen methodischen Ansätzen geführt, die hauptsächlich versuchten, aus der Betriebswirtschaft (z. B. Controlling, Investiti- onsrechnung) bereits bekannte Methoden auf die Bewertung von Informationssystemen und -technologien zuübertragen. So gibt es abgeleitet aus der Balanced Scorecard auf Unternehmensebene auch spezielle IT-Scorecards (vgl. z. B. Buchta u. a., 2009, S. 129 ff.).
Die Methoden der klassischen Investitionsrechnung (z. B. ROI) sind in der Praxis sehr do- minant (Deisinger, 2010, S. 153), obwohl sie für strategische Belange ungeeignet sind (vgl. Farbey und Targett, 1994; Farbey u. a., 1995; Ward u. a., 1996; Apostolopoulos und Pramataris, 1997).
Dies mag zum einen in ihrer Omnipräsenz in den Lehrbüchern des strategischen Manage- ments (z. B. Hungenberg, 2011, S. 283 ff.) und des Informationsmanagements (z. B. Hein- rich, 2002, S. 418 ff.) begründet liegen, zum anderen aber auch an einer Umsetzung einer ”modernen“ Wertorientierung mit den perfektionierten Methoden des Controllings. Lullies u. a. identifizierten auch politische Gründe für die häufige Verwendung quantitativer Methoden (z. B. ”klassische“ Kosten-Nutzen-Analyse): Entscheidermöchtensichgegenüber ihren Vorgesetzten absichern, und diese widerum gegenüber den Eigentümern, indem sie ”objektive“ Instrumente zur Entscheidung nutzen,welche die impliziteing eforderte Ratio- nalität ”offensichtlich“ unterBeweisstellen.Im GrundegenommenistjedochallenBetei- ligten (Fachabteilung, Controlling, Management, Eigentümer) klar, daß diese Instrumente keine Garanten für Objektivität, sondern durchaus in hohem Maße subjektiven Einflüssen zugänglich sind (vgl. Lullies u. a.,1990, S.112 ).
Autoren wie Farbey und Targett (1994 ), Ward u. a. (1996 ) oder Ballantine u. a. (1999 ) deckten die inhärenten Schwächen auf, ohne jedoch praktikable Alternativen aufzuzeigen. So stellten Farbey u. a. fest (1995, S.48 ): ” C onventionalcost/benefitandreturnoninvestment(ROI)methodsarerarely suitable for reaching decisions on strategic investments. Indeed some of the sy- stems now seen to confer strategic benefits would have failed any test based on cost/benefit and ROI methods. “
Fast eine Dekade später herrscht immer noch ein Mangel an wissenschaftlichen, theoretisch fundierten Methoden zur strategischen IS/IT-Bewertung bzw. zur Ermittlung des werts der IT“ (vgl. Treber u. a., 2004, S. 121). ”Geschäfts- Zahlreiche Beiträge in den praxisorientierten Journalen (z. B. Born,2003, S.109 ; Strecker,2009 ) verdeutlichen, daß in den Unternehmen ein großer Bedarf an Methoden und Werkzeu gen besteht, welche das Management bei der Evaluierung, Priorisierung und der Kontrolle von Informationssystemen unterstützen.
Empirische Erhebungen stellen dieses Defizit ebenso fest, und weisen gleichzeitig auf dessen hohe praktische Relevanz hin (Gable u. a., 2008, S. 278).
Die Wertbestimmung von Informationssystemen ist seit langem ein sehr wichtiges Thema für Führungskräfte auf der ganzen Welt. Doch gibt es zwischen Praktikern und Forschern noch keinen Konsens, wie diese Bewertung vollzogen werden soll.[5]
Die Problemlage verschärft sich auf der strategischen Ebene, da hier die Unsicherheiten bezüglich der Einflußfaktoren deren Interaktion, sowie deren zeitliches Zusammenwirken besonders groß sind. In der Literatur zum Thema IS-Bewertung wird das Thema Unsicherheit kaum beachtet (Schryen, 2010, S. 233). Aus der dargelegten Problemsituation und dem aufgedeckten Forschungsbedarf leitet sich die zentrale Forschungsfrage ab:
” Wie bewertet man Informationssysteme in einer dynamischen Umwelt unter strategischen Aspekten?“
1.3 Zielsetzung und Vorgehensweise
Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines Modells, welches eine theoretisch fundierte Bewertung von Informationssystemen aus strategischer Perspektive ermöglicht.
Die generelle Vorgehensweise in dieser Arbeit ist wie folgt (vgl. Abb. 1.1): Kapitel 1 beschreibt im ersten Schritt die aktuellen praktischen Probleme bei der strategischen Bewertung von Informationssystemen. Im zweiten Schritt wird daraus eine konkrete Forschungsfrage abgeleitet.
Kapitel 2 diskutiert die zentralen Begriffe Strategie, IT Governance, Informationssystem, Wert und legt sie im Anschluß für diese Arbeit fest.
Kapitel 3 gibt einen Überblicküber Modelle zur strategischen Bewertung von Informati- onssystemen aus Wissenschaft und unternehmerischer Praxis. Es wird geprüft, ob die unter- suchten Methoden die beschriebenen Probleme adäquat lösen können. Weiterhin wird un- tersucht, welche Strategietheorie im Sinne einer Bewertungsmethoden steckt.
”Erfolgstheorie“hinterdenbeschriebenen
Kapitel 4 bildet die theoretische Grundlage des neuen Bewertungsmodells. Es werden aus den Erkenntnissen der vorhergehenden Kapitel die wesentlichen Anforderungen abgeleitet. Anschließend wird auf Basis der Ressourcentheorie (Resource Based View) und ihrer Fort- schreibung, der Theorie der Dynamischen Fähigkeiten (Dynamic Capabilities) ein ”Maß- stab“ erarbeitet und für das Management von Informationssystemen operationalisiert.
Kapitel 5 beschreibt die einzelnen Schritte des Vorgehensmodells, sowie deren Inputs und Outputs. Es wird ein Modell erarbeitet, mit welchem Informationssysteme auf Basis der Ressourcentheorie bewertet werden können.
Kapitel 6 konzeptioniert und realisiert einen minimalen Prototyp eines Bewertungswerkzeugs, um die technische Machbarkeit des Bewertungsmodells zu demonstrieren.
Kapitel 7 validiert die praktische Relevanz der Forschungsergebnisse auf Basis von Experteninterviews.
Kapitel 8 zieht abschließend ein Fazit aus praktischer und aus wissenschaftlicher Perspekti- ve.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.1: Aufbau der Arbeit
1.4 Wissenschaftstheoretischer Lösungsansatz
Der gewählte Lösungsansatz basiert auf den Konzepten der anwendungsorientierten Betriebswirtschaftslehre wie sie von Ulrich beschrieben wurden (Ulrich, 1984, S. 168 ff.). Dies ist angebracht, da die Bewertung von Informationssystemen (IS) als betriebswirtschaftliche Planungsaufgabe aufgefaßt werden kann.
Im Unterschied zum theoretischen Wissenschaftsziel, welches auf die Theoriebildung mittels Beschreibung, Erklärung oder Prognose abzielt, strebt das pragmatische Wissenschaftsziel nach Erkenntnissen, i.S.v. konkreten rationalen Handlungs- bzw. Gestaltungsempfehlungen zur Bewältigung konkreter Probleme der betrieblichen Praxis. Hierbei gilt, daß ” n ichtdie Wahrheit wissenschaftlicher Aussagen das Regulativ des Prozesses angewandter Forschung ist, sondern der Nutzen der zu schaffenden Entw ü rfe “ (Ulrich, 1984, S. 180).
In dieser Arbeit steht die Erzeugung zusätzlichen handlungsorientierten Wissens im The- menfeld
”Strategische Bewertung von Informationssystemen “im Mittelpunkt.
Ulrich unterscheidet vier grundsätzliche Kategorien praxisorientierter wissenschaftlicher Aussagen (Ulrich,1984, S.180 ):
1. Inhaltliche Lösungen zu konkreten Problemen der Praxis,
2. Lösungsverfahren für konkrete Probleme der Praxis,
3. Gestaltungsmodelle für die Veränderung der sozialen Wirklichkeit,
4. Regeln für die Entwicklung solcher Gestaltungsmodelle in der Praxis.
Nutzt man Ulrichs Taxonomie, so würden die Ressourcentheorie und die Theorie der Dynamischen Fähigkeiten Gestaltungsmodelle darstellen. Ulrich umschreibt Theorien in diesem Kontext als Modelle einer zukünftigen Welt, welche der Forscher dem Praktiker zur Realisierungübergibt. Sie ist analog zur Arbeit eines Konstrukteurs, der eine neue Maschine entwirft und die Realisierung dem Werkerüberträgt. Die vorliegende Arbeit möchte auf Grundlage der o.g. Strategietheorien ein Bewertungsmodell erarbeiten und entspricht somit einem Lösungsverfahren im Sinne Ulrichs Klassifizierung.
Methodisch wurde eine sachlich-analytische Vorgehensweise gewählt. Auf der Basis der bis- herigen Erkenntnisse aus betrieblicher Praxis und Wissenschaft wird theoriegeleitet, durch logische Überlegungen und empirische Befunde flankiert, ein praktisch-normativer Ansatz entwickelt.
Weiterhin sind persönliche Interviews mit Experten aus verschiedenen funktionalen Bereichen des IS-Managements geführt worden. Ziel dieser Gespräche war es zum einen, die Prämissen dieser Arbeit zu validieren und zum anderen ein Urteilüber den praktischen Nutzen des Bewertungsmodells zu erhalten.
Die Methode des Experteninterviews ist besonders dann geeignet, wenn im zu analysieren- den Problemfeld unterschiedliche Auffassungen existieren, der Begriffsapparat nicht ein- heitlich ist, und von den Befragten stark differierende Bilder des Untersuchungsobjektes gezeichnet werden (Kromrey, 1991, S. 286). Alle drei Kriterien treffen für das Thema ” s tra- tegischer Wert von Informationssystemen “ in hohem Maße zu (vgl. z. B. Strecker, 2009, S. 28).
Kapitel 2
Terminologische und konzeptionelle Grundlagen
2.1 Umfang und Notwendigkeit
Die Begriffe Strategie und Informationstechnologie werden zwar häufig in der Management- literatur benutzt, jedoch werden sie dort selten definiert. Dies hat in der Vergangenheit häufig zu großen Verwirrungen in Forschung und Praxis geführt (Pfau, 1997, S. 5; Malik, 2002, S. 231). Welche Konsequenzen aus derartigen Begriffsunklarheiten erwachsen können, demon- strierte Carr (2003) mit seinem umstrittenen Artikel ” I Tdoesn ’ tmatter “.
Die unklare Definitionslage hat weitreichende Konsequenzen auf diesbezügliche Manage- mentkonzepte und Bewertungsmodelle, die zentrales Thema der vorliegenden Arbeit sind.
Für die weiteren Überlegungen ist es deshalb notwendig, einen klares Verständnis rund um die zentralen Begriffe Strategie, Informationssystem und Wert zu schaffen. Ebenso wichtig ist es, den betrieblichen Kontext des IS-Managements zu beleuchten, in welchem strategische Bewertung stattfindet. Hier bildet der Begriff IT Governance den konzeptionellen Rahmen.
2.2 Strategie und Strategisches Management
2.2.1 Das Wesen der Strategie
Das Wort Strategie ist eines der häufigsten, welches im Zusammenhang mit dem Wort Ma- nagement auftritt. Oft werden die Adjektive ”strategisch“ und ”wichtig“ in einem Atemzug genannt oder gar als Synonym verwendet (Voigt,1992, S.222 ). Das wesentliche Ziel der strategischen Planung besteht darin, heute das Unternehmen auf morgen vorzubereiten. Im Rahmen einer Strategie geht es dabei nicht in erster Linie um Gewinn, sondern um Gewinnpotentiale (Gälweiler und Schwaninger, 1986, S. 146 ff.).
Eine gute Strategie identifiziert, definiert die entscheidenden (Management)probleme, und positioniert sie bezüglich ihrer Prioritäten (Malik, 2002, S.231). Malik fordert, daß eine Strategie unabhängig von der Möglichkeit sein muß, Prognosen zu stellen sowie unabhängig von der Genauigkeit des Datenmaterials. Zur Erläuterung merkt er an:
”Diestrategischen
Fixpunkte sind vielleicht abhängig vom ’ Klima ’ , in dem man operiert; sie sind aber nicht abhängig vom ’ Wetter ’“ (Malik, 2002, S.241).
Die meisten Definitionen beleuchten nur partielle Aspekte bezüglich des Wesens einer Strate- gie (z. B. Gälweiler und Schwaninger, 1986; Porter, 1996; Eschenbach u. a., 2003), weshalb an dieser Stelle die besonders interessante Definition von Mintzberg vorgestellt wird. Sie legt den Begriff in seiner ganzen Bandbreite dar (Mintzberg, l987, S. 11): Strategie ist bei ihm so- wohl Plan (Plan), Verhaltensmuster (Pattern), Position (Position), Perspektive (Perspective) und List (Ploy).
- Strategie als ein Plan, eine Absicht, in einer bestimmten Weise zu handeln. Strategie ist der Kurs, welcher das Unternehmen zu seinen Zielen in der Zukunft führt.
- Strategie als ein widerspruchsfreies Verhaltensmuster. Dieses Muster formt sich aus der Vergangenheit und soll konsistent sein.
Jedes realisierte, beobachtbare Verhalten (realized Strategy) besteht zu jeweils un- terschiedlichen Anteilen aus geplanten und ungeplanten (emergenten) Komponenten (vgl. Abb. 2.1).
Zur Illustration führen Mintzberg u. a. die Strategie der Diversifizierung an: Während ein Unternehmen die im Plan explizit festgeschriebenen Strategie umsetzt, trifft ein anderes Unternehmen Entscheidungen zur Diversifizierung während des operativen Tagesgeschäfts, beispielsweise indem es ständig testet, was der Markt annimmt. Das operative Verhalten stellt somit ein Verhaltensmuster (Pattern) dar, aus welchem eine Strategie wachsen kann (realized Strategy).
- Strategie als eine Position, als Standpunkt der Organisation in ihrer Umwelt, z. B. in einem Markt, in dem sich Produkt und Kundenbedürfnis treffen. Der wohl bekannteste Vertreter dieser Denkweise ist Michael E. Porter. Er definiert Strategie als die Schaffung einer einzigartigen, wertvollen Marktposition, welche durch eine Reihe verschiedener Aktivitäten erreicht wird (Porter, 1996, S.68).
- Strategie als Perspektive, als Sichtweise und Interpretation der Welt. Diese Perspekti- ve kann sowohl nach außen (Market Based View) als auch nach innen (Resource Based View) gerichtet sein. Mintzbergs Perspektivenbegriff deckt hier auch den subjektiven, kognitiv-individuellen Anteil von Strategie ab: ” . ..the way that managersinafirm see themselves and the world around them. “ (Mintzberg u. a., 1998, S. 11) Die Vor- stellungen vom strategischen Wettbewerb, insbesondereüber Erfolgsprämissen sind sowohl in Wissenschaft und Praxis sehr vielfältig. Seit Mitte der 90er-Jahre gibt es vermehrt Publikationenüber Perspektiven, die sich mit den Begriffen Knowledge Ba- sed View und Capabilities Based View zusammenfassen lassen (vgl. Müller-Stewens und Lechner, 2001, S. 13).
- Strategie als List, als
”Manöver“, um Wettbewerber zu täuschen, abzulenken, zuFehl- entscheidungen zu verleiten: ” . ..aspecific ’ maneuver ’ intendedtooutwitanopponent or competitor. “ (Mintzberg u. a., 1998, S. 11)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1: Prinzipielle Komponenten einer Strategie (Mintzberg u. a., 1998, S. 12)
Die Definition in ihrer Gesamtheit verdeutlicht, daß eine Strategie typischerweise durch ihreübergreifende Perspektiven und ein hohes Aggregationsniveau gekennzeichnet ist. Wesentliches Ziel einer Strategie ist es, Wettbewerbsvorteile zu erlangen, und somit den langfristigen Unternehmenserfolg zu sichern.
2.2.2 Inhaltlichen Strukturierung der Theorien des strategischen Managements
In der geplanten Analyse existierender Bewertungsmodelle soll u.a. geklärt werden, auf wel- che Strategietheorie im Sinne von ”Erfolgstheorie“ sich die Bewertungsverfahren jeweils zurückführen lassen, um im nächsten Schritt ihre Angemessenheit zur gegebenen Problem- stellung (vgl. Abs.1.1, S.1 ) beurteilen zu können. Hierzu ist es hilfreich, im Vorfeld die zahlreichen Theorien des strategischen Managements durch sinnvolle Gruppierungen zu ver- dichten.
In der Literatur finden sich unterschiedliche Taxonomien zur Strukturierung des Forschungs- gebietes. Häufig wird anhand des Betrachtungsschwerpunkts differenziert, so daß sich markt- orientierte, ressourcenbasierte, kompetenzorientierte oder wissensorientierte Perspektiven unterscheiden lassen (vgl. z. B. Corsten,1998 ; Bouncken,2001 ). Gebräuchlich sind auch Ordnungen, die bezüglich der zugrundeliegenden Wissenschaftsdisziplinen klassifizieren: quantitativ-mathematisch, verhaltenswissenschaftlich, systemtheoretisch oder ökonomisch (vgl. z. B. Steinmann und Schreyögg, 2002).
Im Rahmen dieser Arbeit wird auf die Taxonomie von Mintzberg u. a. zurückgegriffen, da sie den Begriffsraum stärker als die o.g. Ordnungen differenziert. Dies ist notwendig, um bei der Analyse der bestehenden Bewertungsmodelle aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.
Die Autoren unterscheiden zehn sog. ”Denkschulen“. Jede dieser ”Denkschulen“ sieht lang- fristigen undüberdurchschnittlichen Erfolg durch unterschiedliche Faktoren begründet, und stellt somit eine unterschiedliche Erfolgstheorie dar. Nachfolgend sollen die zehn Denkschulen von Mintzberg u. a. kurz beschrieben werden (Mintzberg u. a.,1998 ):
1. Designschule: Strategie als ein konzeptioneller Prozeß.
These: „Erfolgreich ist, wer das lebenswichtige fit zwischen internen Starken und Schwachen sowie externen Bedrohungen und Chancen herstellt!“
Die Geschaftsfuhrung analysiert das Unternehmen und die Umwelt, formuliert daraufhin klare, einfache und eindeutige Strategien in einem wohldurchdachten Denkprozeß, welcher weder formal-analytischer noch informell-intuitiven Charakter hat. Diese klaren, einfachen und eindeutigen Strategien können im Anschluß von jedermann problemlos implementiert werden. In der Wissenschaft war sie bis in die 70er Jahre die dominante Perspektive, sie hat jedoch noch immer großen impliziten Einfluß auf die heutige Lehre und Praxis.
2. Planungsschule: Strategie als ein formaler Prozeß.
These: „Erfolgreich ist, wer einen moglichst umfassenden und detaillierten Plan fixiert hat!“ „
Die Planungsschule entwickelte sich nahezu zeitgleich zur Designschule und weist auch inhaltlich viele Parallelen auf. Der wesentliche Unterschied begründet sich in der fundamentalen Annahme, daß Strategieformierung weniger ein „zerebraler“ als ein formaler Prozeß ist. Nach Auffassung der Planungsschule bedarf es keines genialen menschlichen Gehirns, vielmehr kann der Strategieprozeß, flankiert von diversen Prüflisten, unterstützt von Methoden (insbesondere zur Planung von Zielen, Budgets, strategischer „Programme“), in einzelne Schritte dekomponiert und weitreichend sogar automatisiert werden. Charakteristisch ist weiterhin, daß nicht mehr die Geschaftslei- tung, sondern spezialisierte Planungsstabe die Planungsaufgaben übernehmen, welche auch Prozeßeigner sind.
3. Positionierungsschule: Strategie als ein analytischer Prozeß.
These: „Erfolgreich ist, wer auf einer gefestigten Position steht!“
Die dritte präskriptive Schule in der Taxonomie von Mintzberg u. a. priorisiert den Aspekt der strategischen Position, und wurde maßgeblich durch Arbeiten von Porter (1985) geprägt. Strategie wird hierbei auf generische Positionen (z. B. Kostenführerschaft vs. Differenzierung, (Porter, 1985, S. 67) reduziert, welche aus formalisierten Analysen der Branchensituation hervorgehen. Zu jeder dieser Positionen gibt es bereits eine fertige „Normstrategie“ im Sinne einer Handlungsanweisung. Infolgedessen werden Planer nun zu Analysten, welche sich fast ausschließlich auf „harte Fakten“ beziehen, und deshalb „objektive“ Wahrheiten liefern können.
4. Entrepreneur-Schule: Strategie als ein visionärer Prozeß.
These: „Erfolgreich ist, wer visionare Ideen im Kopfe hat!“
Ähnlich wie die Designschule zentriert die Entrepreneur-Schule den Strategieprozeß auf die Geschaftsleitung, idealerweise allein auf die Person des Geschaftsfuhrers. Aber im Gegensatz zur Planungsschule sieht sie Strategie im Mysterium der Intuition verwurzelt. Das verändert den Inhalt von Strategien von präzisen Entwürfen, Ausgestaltungsplanen oder konkreten Positionen hin zu eher vagen Visionen oder breiten Perspektiven, welche dann beispielsweise in Metaphern ausgedrückt werden. Im Rahmen des Strategieprozesses obliegt auch die Kontrolle der Implementierung dem Führer. Dies ist ein wesentlicher Differenzierungspunkt zwischen den drei vorhergehend beschriebenen präskriptiven Planungsschulen.
5. Kognitions-Schule: Strategie als ein mentaler Prozeß.
These: „Erfolgreich ist, wer die Realitat erkennt!“
Die Frage nach der ursprünglichen Quelle einer Strategie erweckte besonders unter Akademikern ein reges Interesses. Strategien entstehen in den Gedanken der Planer als Rahmen, Modelle, Karten oder Schemata. Was laßt sich über diese mentalen Prozesse erklaren und verstehen? Speziell in den 80er Jahren gab es viele Forschungen, die insbesondere den Einfluß individueller kognitiver Verzerrungen, bspw. durch (unbewußte) Voreingenommenheit, auf die Strategieformierung untersuchten. Ein wesentlicher Teil dieser Denkschule widmet sich der Interpretation von Umweltereignissen sowie der Konstruktion strategischer Probleme. Als prägnante Umschreibung dieser Strategieperspektive mag der folgende Satz von Max de Pree dienen: „The first responsibility of a leader is to define reality.“ (zitiert nach Schreyogg, 1999, S. 391) Es wird propagiert, daß die erfolgreiche Interpretation der Umwelt maßgeblich die folgenden Planungs- und Ausfiihrangsschritte bestimmt und folglich ein kritischer Erfolgsfaktor ist.
6. Lernschule: Strategie als ein emergenter Prozeß.
These: „Erfolgreich ist, wer Denken und Handeln eng verknüpft!“
In der Lernschule wird davon ausgegangen, daß Strategieformulierang und -implementierung sehr eng miteinander verflochten sind, „Strategen“ finden sich deshalb überall in der Organisation. Strategie wird als ein kontinuierlicher inkrementeller Prozeß aufgefaßt. Die derartig realisierte Strategie enthalt neben den ex ante bewußt geplanten Elementen auch emergente Komponenten, die sich u.a. als Konsequenzen erfolgreicher Lernprozesse ergeben (vgl. Abb. 2.1, S. 11)
7. Machtschule: Strategie als ein diplomatischer Prozeß.
These: „Erfolgreich ist, wer die Macht hat!“
Ein verhaltnismaßig kleiner, aber deutlich zu erkennender Teil der Literatur faßt die Strategie als eine Frage der Macht und politischen Starke auf. Im Groben lassen sich eine mikro- und eine makropolitische Orientierung unterscheiden. Die mikropolitische Perspektive betrachtet das Entwickeln von Strategien als einen innerbetrieblichen diplomatischen Prozeß, der Verhandlungen, Koalitionen sowie Konfrontationen zwischen den Akteuren beinhaltet, welche um die Macht ringen. Die Makropolitik betrachtet hingegen das Unternehmen in seinem Bestreben, seine Macht uber Kunden oder Lieferanten auszuüben. Ebenso von Interesse sind Machtaspekte in scheinbar hierarchielosen Netzwerkbeziehungen, z. B. in strategischen Allianzen oder virtuellen Unternehmen. Hier gilt es, bei Verhandlungen um eine „kollektive“ Strategie die eigenen Interessen möglichst vollstandig durchsetzen zu können.
8. Kulturschule: Strategie als ein sozialer Prozeß.
These: „Erfolgreich ist, wer ein ’Wir-Gefihľ aufbauen kann!“
Kultur kann nach Auffassung von Mintzberg u. a. als die „Rückseite“ der Macht betrachtet werden. Wahrend letztgenannte auf Eigennutz und Zersplitterung fokussiert, rückt die Kulturperspektive gemeinsame Interessen und Integration in das Zentrum. Strategieformation wird als kollektiver sozialer Prozeß aufgefaßt, welcher in einer (Firmen-)Kultur verwurzelt ist. Kultur wurde erst in den 80er Jahren als relevante Einflußgroße wahrgenommen und untersucht, nachdem japanische Firmen besonders in den USA langfristig überdurchschnittliche Erfolge erzielten. Es wurde vermutet, daß kulturelle Aspekte hierfür eine wesentliche Bedeutung hatten.
9. Umweltschule: Strategie als ein reaktiver Prozeß.
These: „Erfolgreich ist, wer sich situationsgerecht zu verhalten weiß!“
In der Umweltschule wird propagiert, daß strategische Entscheidungen im hochsten Maße situationsabhangig sind. Der Erfolg eines Unternehmens hangt von Kontingenzen ab, die es gilt, aufeinander abzustimmen. Die sog. Kontingenztheorie, welche innerhalb dieser Denkschule beheimatet ist, „... versucht die Beziehungen zwischen und innerhalb von organisatorischen Subsystemen, dem Gesamtsystem und Umweltvariablen zu erklaren (Lehner u. a., 1995, S. 351). Ebenso zahlen hierzu Arbeiten, welche auf der Populationsokologie beruhen, und oft makrookonomischen Charakter haben. Hier werden Unternehmen als Populationen von Organismen“ interpretiert und deren qualitative und quantitative Entwicklung erforscht. Besonders die Bestandsentwicklung wird auf die Einflüsse von Konkurrenz und Selektion untersucht.
10. Konfigurations-Schule: Strategie als ein transformatorischer Prozeß.
These: „Erfolgreich ist, wer wandlungsfahig ist!“
Die Literatur der Konfigurations-Schule trennen die Autoren in eine deskriptive, mehr akademische Gruppe und eine pragmatische, praskriptive, deren Promotoren mehr Praktiker und Berater sind. Akademiker dieser Denkschule betrachten Organisationen als Konfiguration (Bündel) von koharenten Eigenschaften und Verhalten und integrieren dabei andere Denkschulen. Jede Konfiguration kann dabei unterschiedlich aussehen. Planung beispielsweise herrscht eher in mechanistischen Organisationen unter Bedingungen relativer Stabilität vor, wahrend Entrepreneure in hochdynamischen Konfigurationen z. B. bei einer Firmenneugründung (start ups) oder bei drastischen
Restrukturierungen nach Verlusten (turnaround) zu finden sind. Wenn Organisationskonfigurationen als Zustand beschrieben werden können, so muß der Wechsel, die Bewegung hin zu einem neuen Zustand als Transformation beschrieben werden. Der Gestaltung derartiger Transformationsprozesse sind v.a. die Publikationen von praktisch tatigen Beratern gewidmet. So bilden Zustand und Transition, sowie die akademische und die pragmatische Literatur ein komplementares Gebilde, welches nach Meinung von Mintzberg u. a. in dieser Denkschule zusammengefaßt werden kann.
Jede der zuvor beschrieben Denkschulen hat eine andere Erklarung dafür, was Unternehmen langfristig überdurchschnittlich erfolgreich werden laßt. Es wird offensichtlich, daß jede Theorie auch zu einer eigenen Definition des Begriffs „strategischer Wert“ fuhren wird. Dies gilt im Allgemeinen, aber auch im speziellen Kontext der Bewertung von Informationssystemen. Wenn im spateren Verlauf der Arbeit die vorhandenen Bewertungsmodelle analysiert und verglichen werden, gilt es diese wichtige Erkenntnis zu berücksichtigen.
2.3 Technologie, Informationstechnologie
Technologie wird allgemein auch als „Wissenschaft der Technik“ bezeichnet (vgl. Ropohl, 1979, S. 7). Abgesehen von dieser sehr abstrakten Beschreibung gibt es zahlreiche konkretere Definitionen, wie sie beispielsweise von Binder und Kantowsky dargelegt und diskutiert werden (Binder und Kantowsky, 1996, S. 87 ff.). Die Begriffe Technik und Technologie werden in den wissenschaftlichen Diskussionen sehr vielfältig definiert und oft auch unterschiedlich zueinander in Beziehung gesetzt. Wobei sich alle Definitionen meist in der Dichotomie zwischen einem substantiellen Technikbegriff (Technik als Artefakt) und einem pro- zeduralen Technikbegriff (Technik als Verfahren) stehen (Grunwald, 2002, S. 38). Die enge inhaltliche Verbindung und die resultierende Unscharfe bei der Abgrenzung wurde auch als „Inkorporation der Technologie in Problemlosungen der Unternehmen“ (Binder und Kantowsky, 1996, S.89) beschrieben. Dies soll zum Ausdruck bringen, daß Technik einerseits die materialisierte Form einer Technologie darstellt, sowie andererseits auf Technologie beruht und gleichzeitig deren Anwendung verkorpert. Einschrankend wird Technologie oft als Anwendung von Wissen über natur- oder ingenieurwissenschaftliche Zusammenhange zur Losung praktischer Probleme aufgefaßt (Grunwald, 2002, S. 38). Dies ist jedoch für die vorliegende Arbeit unvorteilhaft, da auf diese Weise Aspekte wie Management-, Organisations-, Struktur- und Marktwissen ausgeschlossen werden.
Aus unternehmensstrategischer Sicht sind mehrere Aspekte einer Technologie relevant, welche durch folgende Kriterien charakterisiert werden konnen (Perillieux, 1987, S. 12) (vgl. Binder und Kantowsky, 1996, S. 93):
- Lebenszyklusphase. Technologien durchlaufen ahnlich wie Produkte einen Lebenszyklus: Technologieentwicklung, Entwicklung zur Anwendungsreife, Anwendungswachstum, Technologiereife, Technologiegeneration.
- Beziehung zwischen den verschiedenen Technologien. Technologien können in neutraler, komplementärer oder konkurrierender Beziehung stehen. Besonders interessant sind Konkurrenztechnologien (Substitutionstechnologien) und sog. Impulstechnologien, wie etwa Technologien von Lieferanten oder Abnehmern (Perillieux, 1987, S. 13).
- Anwendungsbreite. Hinsichtlich der Anwendungsbreite kann man zwischen spezifischen Technologien mit scharf umgrenzten Einsatzgebieten und sog. Querschnittstechnologien mit weiten Anwendungsfeldern unterscheiden (z. B. Internet).
- Einsatzgebiet. Beim Kriterium des Einsatzgebietes kann in Produkt-, Produktionsprozeß- und Verfahrenstechnologien unterschieden werden (Perillieux, 1987, S. 13).
Fur die vorliegende Arbeit ist es wichtig, eine Definition zu prägen, welche den Technologiebegriff primar als Grundlage fur strategische Managementüberlegungen i.S.v. Gestaltungsspielraumen beschreibt, sowie Ansatzpunkte fur eine Operationalisierung in der Unternehmenspraxis bietet.
Deshalb wird eine systemische, integrative Definition verwandt, welche dem Charakter der strategischen Planung am besten entspricht (vgl. Binder und Kantowsky, 1996, S. 91 ff.):
„Technologie subsumiert (...) Wissen zur Erklärung, Kenntnisse und Fertigkeiten zur Lösung technischer Probleme (technisches Können, Anwendungswissen) sowie Artefakte (Anlagen und Einrichtungen), die dazu dienen, die Lösungen praktisch umzusetzen. “
Die beim Technologiebegriff diagnostizierte Vielfalt findet sich auch in seinem Ableger, dem Terminus Informationstechnologie. Im anglo-amerikanischen Sprachraum sind die Definitionen sehr artefaktzentriert. So definieren Turban u. a. (2002) Informationstechnologie (Information Technology) als „...die Gesamtheit aller Computersysteme, die eine Organisation benutzt.“ [1]
Haufig wird der Begriff als Selbstverstandlichkeit vorausgesetzt und auf eine Definition verzichtet. Das Akronym IT wird im anglo-amerikanischen, als auch im deutschen Sprachgebrauch sehr haufig verwandt, was jedoch nicht die Konklusion zulaßt, daß über die Semantik des Begriffs Klarheit oder gar kollektive Übereinstimmung herrscht.
[...]
[1] Informationssystem
[2] Informationstechnologie
[3] Supply Chain Management
[4] In der englischsprachigen Literatur wird dieses Ph¨anomen sehr bildhaft als ” act of faith“ bezeichnet (z. B. Weill, 1990) (vgl. auch Farbey u. a., 1992, S. 113)
[5] „While the assessment of IS success is consistently reported by organizational executives throughout the world as a key issue, there is little consensus among practitioners or researchers on how best to measure the impact of IS in organizations. (Gable ü. a., 2008, S. 278). Sehr ahnlich außert sich Strecker (2009, S. 27 f.)
[1] ”...the collection of computer systems used by an organization.“ (Turban u. a., 2002, S. 20)
- Quote paper
- Matthias Stübner (Author), 2012, Ein ressourcentheoretischer Ansatz zur strategischen Bewertung von Informationssystemen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206864