Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Themenstellung
2. Theoretischer Hintergrund und Kontext der Thinspirations
2.1 Körperbild, Körperunzufriedenheit und der Einfluss der Medien
2.1.1 Die Medien als 'Schlankheitsfalle'?
2.2 Hintergrund und Einflussfaktoren der Magersucht
2.3 Pro Ana - Magersucht als Lifestyle
2.3.1 Überblick über Pro Ana-Homepages
3. Formale und inhaltliche Analyse der Thinspirations
3.1 Thinspirations als Inspirations- und Motivationsquelle Magersüchtiger
3.1.1 Stars, Models und Real Girls
3.1.2 Darstellungen schlanker bis magerer Personen
3.1.3 Fokussierung auf unterschiedliche Körperregionen
3.1.4 Weitere Trends der Thinspirations
3.2 Zwischenfazit
3.3 Die (Selbst-)Darstellung Magersüchtiger auf Thinspirations
3.3.1 Vorgehensweise bei der Fotoanalyse
3.3.2 Kontextuelle Einordnung der Real Girl-Fotos
3.3.3 Analyse der Selbstdarstellung Magersüchtiger auf Fotos
3.3.3.1 Ganzkörperaufnahmen
3.3.3.2 Darstellungen einzelner Körperteile
3.3.3.3 Künstlerisch-emotionale Bilder
3.3.4 Fazit zu den Darstellungen von Real Girls
4. Abschließende Bewertung: Pro Ana als extreme Form des 'Schlankheitswahnes'
5. Literaturverzeichnis
6. Abbildungsverzeichnis und Internetquellen
7. Anhang
7.1 Beschreibung der persönlichen 'Traumfigur' auf einer Pro Ana-Homepage
7.2 Auszüge aus Steckbriefvorlagen zur Bewerbung in Pro Ana-Foren
7.3 Mitgliederränge eines Pro Ana-Forums
7.4 Design einer Pro Ana-Homepage
7.5 Tabelle: Auswertung der Pro Ana-Homepages
1. Themenstellung
Seit einigen Jahren wird das Thema Essstörungen - und hierbei insbesondere das krankhafte Untergewicht - vermehrt in den Medien thematisiert. Oft wird gesagt, das medial vermittelte Schönheitsideal trage eine Mitschuld am Entstehen solcher mitunter lebensbedrohlichen Krankheiten, da insbesondere junge Frauen dem Typ der dünnen, erfolgreichen Frau nacheifern würden.
Natürlich ist den schlanken Models und Schauspielerinnen, die in unserer mediatisierten Welt allgegenwärtig scheinen, ein gewisser Einfluss auf das Körperbild der Rezipientinnen nicht abzusprechen, dennoch sollte nicht vergessen werden, dass Magersüchtige oft ihre eigenen - nicht immer massenpublikumtauglichen - Vorbilder haben. Um diese sogenannten Thinspirations soll es im Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit gehen.
Zunächst werden die aktuellen Tendenzen in der Körperbildforschung dargelegt und hierbei insbesondere auf den Einfluss der Medien auf die Körperwahrnehmung der Rezipientinnen eingegangen. Im Anschluss werden kurz die Eckdaten der Magersucht angeführt und dann das Pro Ana -Phänomen näher beschrieben. Anhänger dieser 'sozialen Bewegung' tauschen sich oft in Foren, auf Blogs und Websites aus. Ins Auge fällt bei sehr vielen dieser Websites die Kategorie Thinspirations, die oft den meisten Raum einnimmt. Hier werden Fotos von (meist) untergewichtigen Stars, Models und Real Girls präsentiert.
In der vorliegenden Arbeit soll neben der Darstellung unterschiedlicher Bildkategorien verstärkt auf die Fotos von Real Girls eingegangen werden. Anhand dieser wird im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse der Frage nachgegangen, wie die (Selbst-)Darstellung magersüchtiger Mädchen und Frauen auf den Fotos der Pro Ana-Bewegung ist.
2. Theoretischer Hintergrund und Kontext der Thinspirations
2.1 Körperbild, Körperunzufriedenheit und der Einfluss der Medien
Nach A. Daszkowski versteht man unter dem Körperbild „das mentale Bild, das sich ein Mensch von seiner physischen Erscheinung macht. Es schließt körperbezogene Einstellungen und Gefühle mit ein und ist in erster Linie innerhalb seines kulturellen Kontextes zu verstehen.“1 Wie ein Mensch sich selbst wahrnimmt, hängt jedoch nicht nur von der soziokulturellen Einbettung des Individuums ab, sondern ist auch stark durch die jeweiligen Persönlichkeitsmerkmale und eventuelle (psychische) Erkrankungen bestimmt.
Wird die eigene Figur verzerrt wahrgenommen, sind also zum Beispiel Magersüchtige trotz gefährlichen Untergewichtes der Ansicht, ihr Bauch sei übermäßig dick, so spricht man von einer Körperbildstörung.2
Es ist sicherlich schwierig, immer genau zu differenzieren, wann eine Körperbildstörung vorliegt und wann es sich um bloße Körperunzufriedenheit handelt, bei der die betroffene Person ihre Körpermaße noch realistisch einschätzen kann.
Die Gründe für eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper sind vielfältig und individuell sehr unterschiedlich3 ; nach einer Studie von Deuter und Kollegen besteht kein Zusammenhang zwischen der tatsächlichen 'Schönheit' einer Frau und dem Grad ihrer Unzufriedenheit.4
Es fällt jedoch auf, dass Frauen mit einem höheren BMI tendentiell unzufriedener mit ihrem Aussehen sind5 und lieber schlanker wären. Nichtsdestoweniger sind auch schlanke Frauen vor einer Unzufriedenheit mit ihren Körperausmaßen nicht gefeit6. Bulik und Kollegen konnten mittels einer Befragung von mehr als 16.000 amerikanischen Frauen von 18-100 Jahren nachweisen, dass selbst viele derjenigen, deren Körpersilhouette der Wunschsilhouette der Mehrzahl der Studienteilnehmerinnen entsprach, schlanker sein wollten.7 Eine US-Amerikanische Studie kam zu ähnlichen Ergebnissen: 82% der befragten Collegestudentinnen wollten abnehmen, obwohl nur 1,4% der Gesamtstichprobe tatsächlich übergewichtig waren.8
Auch vor Kindern macht der 'Schlankheitswahn' nicht halt: nach Untersuchungen von Dohnt und Tiggemann streben bereits 6-jährige Mädchen eine dünnere Figur an9 und im Rahmen einer US- amerikanischen Studie gaben 20% der 9-jährigen und sogar mehr als 40% der 14-jährigen Mädchen an, zu versuchen, Gewicht zu reduzieren.10
Es zeigt sich also, dass sich der Wunsch nach Schlankheit und der Versuch, Gewicht zu verlieren, durch nahezu alle Altersgruppen zieht. Aufgrund unterschiedlicher körperbaulicher Voraussetzungen ist das (über-)schlanke Idealbild jedoch ohne weiteres nicht von jedem zu erreichen. Eine große Diskrepanz zwischen dem Körper und dem (eigenen) Schönheitsideal hat Studien zufolge nachweislich negative Auswirkungen auf den Selbstwert11. Das geringe Selbstwertgefühl und die hohe Körperunzufriedenheit resultieren wiederum in einer stärkeren Beschäftigung mit dem äußeren Erscheinungsbild12 und einem erhöhten Orientierungsbewusstsein. Letzteres richtet sich darauf, Anhaltspunkte zu finden, wie man seinen eigenen Wert - zumindest nach außen - steigern kann. Hierfür sind die medial vermittelten Inhalte ein wichtiger Anhaltspunkt.13
2.1.1 Die Medien als 'Schlankheitsfalle'?
In Film und Fernsehen dominieren schlanke bis überschlanke Frauen14 und in Zeitschriften und Schönheitsmagazinen präsentieren oft sehr dünne Models die neueste Mode, das wirkungsvollste Make-Up und das effektivste Body-Workout. Der dünne Körper wird nicht nur als normal präsentiert,15 darüberhinaus wird ein fülligerer Körper explizit oder implizit als etwas negatives dargestellt. In Talkshows und Filmen nehmen dicke Menschen oft die Rolle schwacher, aufs Essen fixierter Personen ein. Desweiteren finden sich in den Medien Tipps, wie man das schlanke Beautyideal erreichen bzw. sich seiner (vermeintlichen) Fettmassen entledigen kann. Insgesamt wird der Eindruck erweckt, ein jeder könne und solle seine Körperform und sein Gewicht kontrollieren.16 Und da der einzelne selbst verantwortlich für sein Leben und Aussehen sei, könne man von Übergewicht auf einen Charakterdefekt schließen.17
Mollige Körper werden längst nicht nur in den Medien mit bestimmten Verhaltensweisen und Charakterschwächen in Beziehung gesetzt, diese Zuschreibungen sind auch in der Gesellschaft - also der Rahmung der Medienangebote - fest verankert. Während Übergewicht eher negative Assoziationen wie “Gier, Faulheit, mangelnde Selbstkontrolle und Ärmlichkeit“18 weckt, wird schlanken Menschen Erfolg, Glück, Willensstärke und Gesundheit zugeschrieben.19 Der vermeintliche Erfolg schlanker Menschen legt den Schluss nahe, nach einer erfolgreichen Diät würden sich Probleme lösen und das gesellschaftliche Ansehen würde automatisch ansteigen.20
Weiter oben konnte gezeigt werden, dass tatsächlich sehr viele Frauen und Mädchen auf dieses vermeintlich erfolgreiche Ideal hinarbeiten. Die Vermutung liegt nahe, dass die permanente Konfrontation mit leichtgewichtigen Medienakteuren ursächlich für das weitverbreitete Streben nach Schlankheit ist. Gibt es hier tatsächlich einen Zusammenhang? Welche Auswirkungen hat der Medienkonsum überhaupt auf die Körperzufriedenheit?
Diese Fragen können auf Grundlage aktueller Untersuchungen nicht hinreichend beantwortet werden. Je nach Forschungsdesign und theoretischem Hintergrund attestieren Wissenschaftler ganz unterschiedliche Effekte schlanker Models auf die Rezipientinnen.21 Die Studien, die von negativen Effekten sprechen, nennen als schädliche Auswirkungen der Betrachtung leichtgewichtiger Werbemodels unter anderem eine höhere Körperunzufriedenheit, Scham- und Schuldgefühle sowie ein starkes Schlankheitsbedürfnis.22 Insgesamt seien Frauen unter 19 Jahren und solche, die bereits sehr unzufrieden mit ihrem Aussehen sind, empfänglicher für negative Effekte dünner Medienakteure.23
Neben den sehr unterschiedlichen Befunden bezüglich der kurzfristigen Auswirkungen auf die Körperzufriedenheit ist ein weiteres Problem der Forschung zum Zusammenhang zwischen Medien und Körperwahrnehmung, dass es an Studien zu langfristigen bzw. kumulativen Effekten der Betrachtung schlanker Models mangelt.24
Auch muss bei Studien zur Medienwirkung immer berücksichtigt werden, dass es keinerlei direkte Trichterwirkung geben kann: haben Männer aufgrund des Konsums von Männermagazinen erhöhte Ansprüche an die Schlankheit einer Frau,25 so hat dies natürlich auch Auswirkungen - und zwar (indirekt) medial bedingte Auswirkungen - auf die Damen, die Teil des sozialen Umfeldes jener Männer sind. Neben der 'direkten' Beeinflussung durch die einen umgebenden Menschen, ist das soziale Umfeld mitbestimmend für die Einordnung einer Medienbotschaft26. Eine glückliche Frau, in deren Familie und Freundeskreis die Lust am Essen ein wichtiges Gut ist, wird vermutlich ganz anders auf eine Bikiniwerbung reagieren als eine gleichgewichtige, ständig gehänselte Frau, welcher der identische Spot vorgespielt wird.
Trotz bislang fehlender einschlägiger Forschungsergebnisse wird man davon ausgehen können, dass das durch die Medien vermittelte, überall und jederzeit präsente Schlankheitsideal das Schönheitsempfinden unserer Gesellschaft durchaus nachhaltig beeinflusst.
Über die tatsächliche 'Mager-Wirkung' der Medien wird man aufgrund der zahlreichen Einflussgrößen jedoch nie generalisierbare Angaben treffen können. Oder, wie Koch und Hofer es formuliert haben: „Für bestimmte Rezipientinnen [können] unter bestimmten Umständen bestimmte Wirkungen eintreten“.27
2.2 Hintergrund und Einflussfaktoren der Magersucht
Magersucht bzw. Anorexia nervosa ist eine „psychisch bedingte Essstörung, bei der die Betroffenen ihre Nahrungsaufnahme stark einschränken und es zu einer starken Gewichtsreduktion kommt“28 Magersüchtige beschäftigen sich meist intensivst mit ihrem Körper: ständiges Wiegen, Kalorienzählen und exzessives Sporttreiben sind keine Seltenheit. Gelingt es einmal nicht, den Hunger zu unterdrücken, 'bestrafen' sich manche Magersüchtige mit tagelangem Fasten oder sie erbrechen die zuvor aufgenommene Nahrung. Der Übergang zu einer Bulimie (ugs. Ess-Brech- Sucht) kann also fließend sein.29
Etwa 95% der Betroffenen sind Frauen. Magersucht tritt verstärkt bei Frauen zwischen 15 und 25 Jahren auf; nach Angaben des DGK ist 1% dieser Altersgruppe anorektisch.30
Die Ursachen der Entstehung einer Magersucht sind vielfältig und können individuell sehr unterschiedlich sein; unter anderem werden mangelndes Selbstwertgefühl, überzogenes Leistungsdenken und das Streben nach einem überhöhten Schlankheitsideal genannt.31
Nach Meinung einiger Wissenschaftler kommt der Körperbildstörung eine Schlüsselrolle bei der Erkrankung zu:32 Anorektische Frauen und Mädchen würden die Ausmaße ihres eigenes Körpers oft überschätzen, wobei sich diese Fehleinschätzung besonders auf Oberschenkel, Hüfte und Bauch beziehe.33 Auch seien Magersüchtige im Gegensatz zu gesunden Frauen anfälliger für die 'Schlankheitsbotschaft' der Medien; das Betrachten dünner Models könne bei ihnen eine ohnehin schon verzerrte Körperwahrnehmung schüren bzw. verstärken.34
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nicht alle Anorektikerinnen eine gestörte Körperwahrnehmung haben und ihren Körper - selbst bei starkem Untergewicht - als zu dick empfinden; wie bereits angedeutet, ist nicht immer der Wunsch nach Schlankheit die Ursache für die Erkrankung. Auch zahlreiche andere psychosoziale Gründe können dazu führen, dass die Nahrungsaufnahme stark reduziert wird.35
Die Folgen einer über längere Zeit stark reduzierte Nahrungsaufnahme, einhergehend mit dem für Magersüchtige typischen Gewichtsverlust, sind vielfältig: Nervenschädigungen, Nierenschäden, Herzrythmusstörungen und Osteoporose sind nur einige der Langzeitfolgen.
Einmal abgesehen von den rein physiologischen Leiden führen anorektische Erkrankungen auch oft zu sozialer Isolation und zu ernsthaften Depressionen, die sogar in selbstverletzendes Verhalten münden können.36
Gerade die psychischen Leiden sind es, die eine erfolgreiche Therapierung der Krankheit erschweren. Höchstens 35% der behandelten Patienten erfahren eine Heilung, die Sterblichkeit liegt bei 15%.37 Oft kommt es jedoch gar nicht erst zu einer Therapie, da sich viele Betroffene mit ihren Sorgen nicht an Freunde oder Ärzte wenden, sondern stattdessen Zuflucht in der Pro-Ana- Bewegung im Internet suchen.
2.3 Pro Ana - Magersucht als Lifestyle
Pro Ana bedeutet so viel wie 'Befürwortung der Anorexie' und ist eine soziale Bewegung, die Ende des 20. Jhd. in den USA entstanden ist. Seit dem Jahr 2002 findet der Pro Ana-'Lifestyle' auch starken Zuspruch in Deutschland; die vermehrte Behandlung der Themen Magersucht und Pro Ana hat die Bekanntheit der Bewegung noch gesteigert. Die Anhänger Pro Anas vernetzen sich meist über das Internet und nutzen Homepages und Internetforen als Kommunikationsplattformen. In den Jahren 2006/2007 hat jugendschutz.net mehr als 270 solcher Websites ausfindig gemacht. Über 80% der gesichteten und bewerteten Websites wurden - mit der Begründung, sie propagierten Essstörungen - als jugendschutzrelevant eingestuft.38 Nach eigenen Angaben konnte Jugendschutz.net, auf Grundlage der erhobenen Daten, darauf hinwirken, dass über 80% der jugendgefährdenden Websites gelöscht oder indiziert wurden.39
Da die Mitglieder der Seiten meist gut untereinander vernetzt sind40, tauchen die Websites jedoch oft unter neuem Namen wieder auf.
Typisch für Pro Ana Websites sind nach Jugendschutz.net, eine verherrlichende Darstellung von Magersucht und Bulimie als erstrebenswerter Lifestyle, die Propagierung eines verzerrten Schönheitsbildes,41 eine mangelnde Krankheitseinsicht und die Verharmlosung möglicher Konsequenzen.42
Die Problematik der Pro Ana-Angebote im Internet liege darin, dass Magersüchtige hier Bestätigung erfahren. Die Unterstützung und das Verständnis, die ihnen zuteil wird, halten sie davon ab, sich in der Realität mit der Essstörung auseinanderzusetzen. Durch die Abgrenzung von der Umwelt, den Austausch von Geheimhaltungs- und Abnehmtipps entstehe ein Wir-Gefühl, das helfe Widerspruch und Kritik zu vermeiden. Langfristig könne die Aktivität in Foren zu einer zunehmenden Isolation von der Umwelt führen.43
Man kann die Pro Ana-Websites grob in Diskussionsforen, Blogs und persönliche Homepages unterteilen. Die meisten Webangebote sind über mehrere Ecken miteinander verlinkt. Während die Blogs und privaten Homepages mit all ihren Inhalten in der Regel für jeden offen stehen, ist es nicht ohne weiteres möglich, Zugang zu den Foren zu bekommen. Meist wird verlangt, einen sehr persönlichen Fragebogen auszufüllen, in dem ausführliche Angaben über Gewicht, Gefühle und Erwartungen abgefragt werden.44 Nur wer die stimmberechtigten Mitglieder des Forums mit seinen Antworten von sich überzeugt, darf der Gemeinschaft beitreten. Und das auch ersteinmal nur auf Probe; meist haben nur längerfristig aktive Mitglieder Zugriff auf alle Unterforen.45 Ob man die Probezeit besteht, hängt neben regelmäßiger Aktivität davon ab, ob man in die Gruppe passt, also was die Essstörung anbelangt, grob eine forumskonforme Meinung vertritt. Schon auf der Startseite informieren einige Foren über ihre Ausrichtung. Neben Pro Ana-Foren findet man With Ana -Portale (hier geht es darum, die Magersucht als Krankheit anzuerkennen und zu lernen, bestmöglich mit ihr zu leben) und einige Seiten, die sich an Ana till the end -Anhänger wenden (Atte bedeutet, dass die Magersüchtigen ihren Tod in Kauf nehmen oder ihn sogar anstreben).
Auch unter den Homepages, die von Betroffenen erstellt sind, finden sich gemäßigtere Angebote wie auch solche Seiten, die den Tod um der Schlankheitswillen propagieren. Gemein ist ihnen jedoch, dass es in der Regel bestimmte Inhalte, wie Gesetze, Regeln und Motivationsbilder gibt46 Diese Komponenten, als Grundsubstanz der Pro Ana-Homepages, werden im nächsten Kapitel näher erläutert.
2.3.1 Überblick über Pro Ana-Homepages
Auf Pro Ana-Blogs und -Homepages stellen Magersüchtige sich und ihre Erkrankung dar, sie präsentieren Tipps und Tricks und bieten Besuchern die Möglichkeit, sich zu den bereitgestellten Inhalten zu äußern.
Im Abschlussbericht der Recherche zu Pro-Anorexie-Angeboten 2006/2007 von Jugendschutz.net werden die Inhalte von über 270 Websites klassifiziert und kurz dargestellt.47
Im Rahmen unserer Auseinandersetzung mit der Pro Ana-Bewegung haben auch wir zahlreiche Blogs und Homepages gesichtet, um uns einen Überblick über deren Aufbau und insbesondere über die dort präsentierten Thinspirations zu verschaffen. 10 Homepages wurden eingehender betrachtet und die zu findenden Inhalte - wie zum Beispiel Tipps und Selbstdarstellungen - herausgearbeitet und kategorisiert.48
Die Ergebnisse unserer Stichprobe stimmen - bezüglich der präsentierten Inhalte - mit den Untersuchungen von Jugendschutz.net überein.
Die nachfolgende Darstellung der Pro Ana-Websites bezieht sich sowohl auf die eigens erhobenen Daten als auch auf die Darstellungen des Abschlussberichtes von Jugendschutz.net.
[...]
1 Daszkowski (1998) nach Karl C. Mayer: Glossar Psychiatrie/Psychosomatik/Psychotherapie/Neurologie/ Neuropsychologie. Stichwort: Körperbild (http://www.neuro24.de/show_glossar.php?id=911 [18.07.2011]) Vgl auch Steins, Gisela: Sozialpsycholgie des Körpers. Wie wir unseren Körper erleben. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, 2007. S.16
2 Vgl. Eva Baumann: Die Symptomatik des Medienhandelns: zur Rolle der Medien im Kontext der Entstehung, des
Verlaufs und der Bewältigung eines gestörten Essverhaltens. Von Halem, Köln, 2009. S.53
3 Vgl. Steins (2007), S.45
4 Vgl. Deuter/Gläser/Köppe (1995), S.103f. nach Maria-Lena Gläßel: Werbeopfer Frau? Beeinflussung weiblicher
Körperwahrnehmung durch die Schönheitsideale der Werbung. Büchner, Darmstadt, 2010. S.70
5 Vgl. Conneely (2004), Pressnell et al. (2004), Monnichs&von Lengerke (2004) nach Steins (2007), S.41
6 Vgl. Bilukha/Cornell(2002), Fernandez et al.(1994), Jung et al.(2001) nach Steins (2007), S.39
7 Vgl. CM Bulik et al. : Relating body mass index to figural stimuli: population-based normative data for Caucasians.
In: International Journal of Obesity, Jg. 2001, Heft 25, S.1523
8 Vgl. Heatherton et al. nach Thomas F. Cash(Hrsg.): Body image: a handbook of theory, research and clinical
practise. Guilford Press, New York, 2004. S.184
9 Vgl. Dohnt/Tiggemann (2006) nach Thomas Koch/ Lutz Hofer: Immer schlanker und kranker? Models in der
werbung. In: Holtz-Bacha, Christina (Hrsg): Stereotype? Frauen und Männer in der Werbung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2008. S.201
10 Vgl. Field et al. nach Cash (2004), S.184
11 Vgl. Mühlen-Achs (1993),S.29 nach Gläßel (2010), S.70
12 Vgl. Wade/Lowes (2002), Byrne/Mc Lean (2002), Hurd (2002) nach Steins (2007), S.43
13 Vgl. Baumann (2009), S.103
14 Vgl. Kochhan/Schemer (2001) nach Baumann (2009), S.55
15 Vgl. Steins (2007), S.110
16 Vgl. Cash (2004), S.93
17 Vgl. Forster (2002), S.45 nach Gläßel (2010), S.72. Vgl. auch Crandall nach Cash (2004), S.187
18 Baumann (2009), S.49 über die Forschungsergebnisse von Wykes/Gunter (2005), S.66. Vgl. auch Gläßel (2010), S.72
19 Vgl. Chin (2002) nach Steins (2007). Vgl. auch Stahr/Barb-Priebe/Schulz (2003) nach Baumann (2009), S.49
20 Vgl. Cash (2004), S.187
21 Vgl. Koch/Hofer (2008), S.199
22 Vgl. Schemer (2006), S.13 nach Koch/Hofer (2008), S.200
23 Vgl. Strahan (2003) nach Steins (2007), S.114
24 Vgl. Koch/Hofer (2008) S.207
25 Vgl. Harrison/Cantor (1997) nach Baumann (2009)
26 Vgl. Stice et al. (2001), Henderson-King/Henderson-King (1997), S.402 nach Baumann 2009, S.101f.
27 Koch/Hofer (2008), S.217
28 Vgl. Alexandra Shek (Hrsg): Der Brockhaus. Ernährung: Gesund essen, bewusst leben.
2., überarb. Auflage. F.A. Brockhaus, Mannheim/Leipzig, 2004. Stichwort: Magersucht. S.433
29 Ebda.
30 http://dgk.de/gesundheit/ernaehrung/magersucht.html
31 Vgl. Alexandra Shek (2004), S.433
32 Vgl. Vernooij (1987), S.71 nach Martina Obrock: Körperwahrnehmung. Einstellungen zum Körper bei Mädchen mit Anorexia nervosa in der Adoleszens. Psychiatrie-Verlag, Bonn, 2008. S.69. Vgl. auch Bruch nach Cash (2004), S.296 und Daszkowski (2003), S.22 nach Baumann (2009), S.54
33 Vgl. Obrock (2008), S.69
34 Vgl. Hamilton/Waller (1993) nach Baumann (2009), S.107
35 Vgl. Fernández-Aranda et al. nach Steins (2007), S.63. Vgl. auch Cash (2004), S.300
36 Vgl. Alexandra Shek (2004), S.433
37 Vgl. Alexandra Shek (2004), S.189
38 Vgl. Katja Rauchfuß: Abschlussbericht der Recherche zu Pro-Anorexie-Angeboten 2006/2007. Mainz, 2008. S.3ff.
39 „Eine indizierte Website darf in Deutschland Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich gemacht, verlinkt oder beworben werden.“ (http://www.jugendschutz.net/selbstgefaehrdung/pro_ana/index.html [10.08.2011])
40 Aus derSelbstbeschreibung eines Essstörungsforums: „Wir chatten, telefonieren und treffen uns und sind so zu einer Familie zusammengewachsen“.
41 Vgl. Anhang 6.1: Beschreibung der persönlichen Traumfigur einer Magersüchtigen (Ähnliche Bemerkungen zum persönlichen Schönheitsbild finden sich auf zahlreichen Pro Ana-Websites)
42 Vgl. Rauchfuß (2008): S.3ff.
43 Rauchfuß (2008), S.3ff.
44 Vgl. Anhang 6.2: Auszüge aus Steckbriefvorlagen zur Bewerbung in Pro Ana-Foren
45 Vgl. Anhang 6.3: Mitgliederränge eines Pro Ana-Forums
46 Vgl. Rauchfuß (2008), S.5-11
47 Ebda.
48 Die Auswahl der Homepages erfolgte durch das 'Schneeballsystem': Ausgehend von zwei Treffern der Googlesuche (Suchbegriff Homepage Pro Ana) wurden verlinkte Seiten betrachtet.
Ergebnisse der Stichprobe s. Anhang 6.5 Tabelle: Auswertung der Pro Ana-Homepages.