Lehrveranstaltungsevaluation, Begründung, Ziele, Modelle


Examensarbeit, 2003

97 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

2. Historischer Überblick der letzten 30 Jahre
2.1 Qualitätsdebatte in der Lehre in Deutschland
2.1.2 Der Lehrauftrag
2.1.3 Die Qualitätsdebatte seit 1967
2.2 Veränderungen ab den 70er Jahren
2.2.1 Hochschuldidaktik in der Diskussion
2.2.2 Erste Reformierung der Hochschulrahmengesetze
2.2.3 Studienzeiten verlängern sich
2.3 Interne Forderungen der Hochschulen
2.3.1 Studenten
2.3.2 Dozenten
2.4 Externe Forderungen an die Hochschulen
2.4.1 Der öffentliche Druck
2.4.2 Industrie
2.4.3 Veränderungen durch die Hochschulpolitik und Staat

3. Entwicklung der Evaluation
3.1 Allgemein
3.2 International
3.2.1 USA
3.2.2 Europa
3.3 Evaluation an deutschen Hochschulen
3.3.1 Anfänge
3.3.2 Die Entwicklung einzelner Organisationen
3.3.3 Reformierung des Hochschulrahmengesetzes
3.3.4 Reform der Besoldungsgesetze
3.3.5 Die Generalisierung des Begriffes der Evaluation

4. Modelle der Lehrveranstaltungsevaluation
4.1 Allgemeines
4.1.1 Ziele
4.1.2 Instrumente der Lehrveranstaltungsevaluation
4.1.3 Der Evaluationsprozess
4.1.4 Validität der Lehrveranstaltungsevaluation
4.1.5 Akzeptanz der Lehrveranstaltungsevaluation
4.1.6 Bewertungskriterien
4.1.7 Auswertung der Rückmeldungen
4.1.8 Was kommt nach der Lehrveranstaltungsevaluation?
4.2 Modelle der verschiedenen Universitäten
4.2.1 Universität Jena: Projekt „Lehre“ der Friedrich- Schiller- Universität
4.2.2 Qualitätsentwicklung durch Information
4.2.3 Bedarf für Evaluation
4.3 Philips- Universität in Marburg
4.3.1 Verfahren
4.3.2 Auswertung
4.4 Universität Salzburg
4.4.1 Verfahren
4.4.2 Auswertung
4.5 Universität Bielefeld
4.5.1 Verfahren
4.5.2 Empfehlungen
4.6 Feedbackverfahren
4.6.1 Verfahren
4.6.2 Die fünf Planungsdimensionen
4.7 Vergleich der Modelle und ihre kritische Betrachtung

5. Schlussbetrachtung, Lösungsvorschläge und Fazit

Quellenverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

Obwohl die deutschen Universitäten durch den Gesetzgeber und die steigenden Ansprüche der Studenten zunehmend unter Druck stehen die Qualität der Lehre an den Hochschulen zu verbessern, konnte sich bis heute kein einheitliches System zur Qualitätssteuerung durchsetzen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehen als wichtiges Instrument der Qualitätssicherung die Lehrveranstaltungsevaluation vor. Hier stehen den Hochschulen einige Modelle zur Verfügung, die sich im Besonderen Hinblick auf ihren Nutzen zur Verbesserung der didaktischen Qualität und ihrer äußeren Bedingungen der Lehrveranstaltungen unterscheiden.

1.2 Ziele und Aufbau der Arbeit

In dieser Arbeit werde ich die Entwicklung der Lehrveranstaltungsevaluation im 20 Jahrhundert und die gesellschaftlichen Einflüsse auf die Qualitätsdebatte an den Hochschulen, sowie verschiedene Modelle und Zielsetzungen der Lehrveranstaltungsevaluation diskutieren. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen kann nicht auf alle Aspekte eingegangen werden Da zum Zeitpunkt der Arbeit ein Evaluationsprojekt in Hannover (Fachbereich Soziologie) läuft, werde ich mich, an für mich interessanten Stellen, exemplarisch darauf beziehen.[1]

Die Fachliteratur zum Thema Evaluation ist breit gefächert. Es gibt einige Forschungsstudien, die sich in jüngster Zeit mit detaillierten Problemen in der Lehrveranstaltungsevaluation auseinandergesetzt haben. Unterstützt werden diese Forschungen von wissenschaftlichen Studien in Zeitschriften, ein großer Teil der Diskussion ist zusätzlich über das Internet abrufbar. Bei der Recherche ist deutlich geworden, wie umfangreich die Forschungen bis heute schon sind. Es gibt wenige Aspekte, die noch nicht diskutiert wurden. Viele spontane Einfälle, die während unserer Projektarbeit eifrig diskutiert wurden, sind, wie ich später in der Recherche erfahren habe, schon lange erforscht und veröffentlicht. Interessant war bei der Literaturrecherche, wie in anderen Hochschulen mit dem Thema der Lehrveranstaltungsevaluation (LVE) umgegangen wird. Da die Anwendung von LVE noch nicht perfektioniert ist, war es aufschlußreich, mich hier zu vertiefen.

Die Zusammenhänge der Gesetzestexte zu Hochschulreformen waren nicht immer eindeutig zu verstehen, deshalb nutzte ich die Möglichkeit, mich bei den Parteien direkt (Edelgard Bulmahn) oder bei den zuständigen Ministerien zu informieren. Von diesen Seiten bekam ich sofort prompte Unterstützung. Die notwendigen Auskünfte, die mir zum Thema Feedbackverfahren (Frau Auferkorte) fehlten, bekam ich innerhalb kürzester Zeit zugesandt. Dabei ist mir aufgefallen, dass das Interesse anderer Arbeiten zum Thema Evaluation sehr groß ist. Professoren, die ich per E-Mail zu Unterpunkten befragte, waren sofort interessiert meine Ausarbeitung zu lesen.

Um einen chronologischen Überblick zu geben, habe ich die Arbeit in drei Schwerpunkte gegliedert:

Der erste Punkt beginnt mit dem historischen Überblick. In diesem Teil wird anschaulich gemacht, wie mühsam sich die Qualitätsdebatte durch die letzten Jahrzehnte bewegte. In diesem konzeptionellen Abschnitt werden die Gründe, die für eine Entwicklung der Qualitätsverbesserungen im Hochschulbereich eine Rolle spielen, herausgearbeitet. Ansatzweise diskutiere ich hier die Ziele, die im Hochschulbetrieb zur Verbesserung der Lehre verfolgt werden.

Im zweiten Teil richtet sich der Schwerpunkt auf die Evaluationsdebatte und ihre Zielsetzung in Deutschland im internationalen Vergleich. Wichtig für die Entwicklung und den jetzigen Einsatz der Evaluation waren die Reformen in den Gesetzen, auf die ich deshalb ausführlich eingehe.

Der dritte Teil bezieht sich auf ausgewählte Modelle, die in Deutschland eingesetzt werden. Da die Modelle in ihren Verfahren sehr ähnlich sind, können nur kleine Unterschiede aufgezeigt werden. Ausgenommen ist hier das Feedbackverfahren, das sich von den anderen Methoden abhebt und deshalb größere Beachtung findet. Die Analyse der Verfahren wird durch die exemplarische Beschreibung des Evaluationsprojektes Hannover im Fachbereich Soziologie abgerundet. In der Analyse der Modelle und ihrer Probleme gehe ich nicht auf alle Aspekte ein, sondern wähle Punkte, die in dem Evaluationsprojekt auch Diskussionen ausgelöst haben.

In Bezug auf Personen ist die Verwendung der männlichen Ausdrucksform im Folgenden als Kurzform für beide Geschlechter zu verstehen.

2.Historischer Überblick der letzten 30 Jahre

2.1 Qualitätsdebatte in der Lehre in Deutschland

2.1.1 Der Lehrauftrag

Ursprünglich orientierte sich die Universitätsausbildung (zum Teil noch heute) stark am humboldtschen Lehrauftrag. Humboldt´s[2] Lehre besagte, dass die Studenten frei von Einflüssen aus anderen Bereichen der Gesellschaft forschen sollten. (Webler, 2000, S.233) Auch heute noch steht das wissenschaftliche Arbeiten im Vordergrund und die Seminararbeit wird dem entsprechend aufbereitet. Die Studenten sind angehalten selbstständig Texte zu recherchieren und weiterzuvermitteln. Nachfolgende Diskussionen gehören zwar ebenso zur Seminararbeit, werden von den Dozenten aber nicht immer didaktisch gefördert. Einige Professoren unterrichten immer noch nach rigiden Methoden und sind nicht gewillt, sich auf die Bedürfnisse der Studenten aus den unterschiedlichen Studienbereichen einzustellen. Die Meinung, dass bei den Studenten heute verschiedene Kompetenzen ausgebildet werden müssen, setzt sich erst langsam durch. So wird z. B. in den sozialwissenschaftlichen Fächern darauf gedrängt, dass wissenschaftliche Texte gelesen und referiert werden, aber ein wichtiger Aspekt der Lehre, das Disputieren der Texte wird nicht vermittelt. Dies würde sicherlich eine geübte Moderationsleitung seitens der Dozenten, sowie der Referenten in den Seminaren voraussetzen. Ein anderes Beispiel sind die angehenden Lehrer, die mit den Sozialwissenschaftlern und Magisterstudenten zusammenstudieren. Dies ist sicher nicht nachteilig, aber die LbS-Studenten und andere Lehramtsstudenten studieren in der gleichen Unterrichtsform. Dabei wäre es dringend notwendig , dass die Studenten zwar die Texte genauso lesen und referieren, aber nach dem Aspekt der didaktischen Reduktion. Blickt man auf die Ingenieurstudiengänge, so ergibt sich ein noch absurderes Bild. In den Fachbereichen der Ingenieurstudiengänge ist zu beobachten, dass die LbS-Studenten mit den Ingenieurwissenschaftlern in Vorlesungen das Fachwissen, bis ins kleinste Detail vermittelt bekommen, aber die Anwendung der Wissenschaften und die didaktische Reduktion, die gerade für die Berufschullehrer wichtig sind, werden nicht vermittelt. Der Absolvent ist später im Referendariat verpflichtet, das nicht Erlernte nachzuholen und kann sich dort nicht auf das Wesentliche, die Unterrichtsvorbereitung konzentrieren.

Da die Qualität der Forschung immer noch einen größeren Stellenwert hat als der Lehrauftrag, ist zu verstehen warum die Dozenten in die Entwicklung neuer Unterrichtsformen keine Zeit investieren (Berendt, 2000, S.247). Trotzdem sollte, laut Meinung einiger Dozenten, der Lehrauftrag weiter in den Vordergrund gerückt und reformiert werden.

Eine gründliche Reformierung müßte unter anderem auch bei der Struktur der Vorlesungen beginnen. Noch immer machen Vorlesungen einen Großteil der Ausbildung aus. Vorlesungen sind allerdings ein Relikt aus der Zeit vor dem Buchdruck. (Propyläen, 1964, Bd. 6, S. 376) Der Dozent trat vor die Studenten und las aus dem Buch vor. Dass diese Tradition, wenn auch in etwas anderer Form[3], bis heute fortgesetzt wird, erscheint in unserer kommerziellen Gesellschaft jedoch nicht angemessen, da jeder freien Zutritt zu Bibliotheken hat und es mittlerweile preisgünstige Antiquariate gibt. Hier ist zu überlegen, ob eine Vorlesung heute noch den selben Stellenwert in einer universitären Ausbildung hat, wie in den letzten Jahrhunderten.

2.1.3 Die Qualitätsdebatte seit 1967

Zwar verlangte Max Weber schon 1917, dass die Qualität der Lehre stärker beachtet werden solle, denn der Gelehrte sollte sich auch als Lehrer profilieren (Der Spiegel, 1996, S.57), aber eine verstärkte Debatte um Verbesserungen der Lehre und Initiativen zu hochschuldidaktischer Weiterbildung gab es auf nationaler Ebene erst seit 1967. Gerade der Punkt der Hochschuldidaktik stand im öffentlichen Interesse, da die Besetzung von Professorenstellen nur nach fachwissenschaftlichen Qualifikationen, aber nie nach den Aspekten der Lehrqualität besetzt wurden (Berendt, 2000, S.247).

2.2 Veränderungen ab den 70er Jahren

2.2.1 Hochschuldidaktik in der Diskussion

Deshalb wurden seit Anfang der 70er Jahre hochschuldidaktische Werkstattseminare zur Weiterbildung erschaffen. In diesen Kursen wurden Lehr- und Lernprobleme diskutiert und die eigene Lehrtätigkeit erörtert, um im Anschluß an die Weiterbildung alternative Lehrmethoden einsetzen zu können (Webler, 2000, S.236f). Da es von staatlicher Instanz keine Vorgabe für eine didaktische Befähigung bei Lehrpersonen im Hochschulbereich gab (und bis heute nicht gibt), wurden diese Weiterbildungsmaßnahmen nie als Pflicht angesehen, sondern nur von sehr engagierten Dozenten oder Neueinsteigern absolviert, die an der Uni unterrichteten und damit Schwierigkeiten hatten (Der Spiegel, 1990, S.105). Die Hochschuldidaktik wird als ein zentraler Punkt in der Debatte zur Verbesserung der Lehre gesehen. Noch heute sehen die Hochschulen didaktische Kompetenzen der Dozenten immer noch als marginalen Punkt an. Die meisten Lehrkräfte haben nie eine pädagogische Ausbildung erhalten[4], spricht man sie direkt an, ob sie es für sinnvoll ersehen, dass eine pädagogische Ausbildung zum Lehrauftrag gehört, so bejahen sie dies. Doch sollen sie die Weiterbildungsmaßnahmen aus eigener Tasche bezahlen, so ist die Resonanz eher gering.[5]

Professor Hans Meyer (Frankfurt) vom Interdisziplinärem Zentrum für Hochschuldidaktik (IZHD) bemängelte in einem Interview, das er dem Spiegel nach dem Hochschulranking (1990) gab, die verminderte Bereitschaft der Dozenten an hochschuldidaktischen Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Die Verbesserung der Lehre durch Hochschuldidaktik wurde in den 70er Jahren vermehrt diskutiert, da viele Handlungsbedarf sahen. Da didaktische Weiterbildungsmaßnahmen auf reges Interesse stießen entwickelte die IZHD und später die Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik (AHD) Kurse dafür. Doch die Resonanz an den Kursen blieb trotz öffentlicher Debatte spärlich. Gerade 5% der Dozenten hatten Interesse an einer aktiven Verbesserung der Lehre, zudem war in den Kursen zu beobachten, dass sich immer die gleichen Dozenten anmeldeten. Eine Fortbildungsakademie, die 1986 von der AHD und dem IZHD vorbereitet wurde, mußte abgesagt werde, weil die Anmeldungen ausblieben. Dabei wurde die Didaktik immer wichtiger, zumal die Hörsäle immer überfüllter wurden und die Dozenten die Seminare nur noch mit Mühe und Not ordentlich gestalten konnten. Laut Meyer brauchen die Dozenten in seinen Kursen am Anfang große Überwindung um über ihre didaktischen Defizite zu sprechen. Da sich Professoren bei ihrer Seminararbeit nicht gerne zusehen lassen, ist es zusätzlich schwer Mängel zu erkennen und diese auszubessern. Auch eine Fragebogenaktion in Baden- Württemberg , die 1971 durchgeführt werden sollte und in der Studenten zur Lehrqualität befragt werden sollten, wurde von den Dozenten verhindert (Der Spiegel, 1990, S. 104f).

Das Hochschul-Informations-System in Hannover (HIS) bestätigte schon 1993, dass die Professoren nur die eigene Lehrveranstaltung beurteilen könnten, da sie die Vorlesungen und Seminare der anderen Dozenten nicht besuchen würden. Kritik an Lehrveranstaltungen Anderer zu üben, würde kein Dozent wagen. Die Unterrichtsaufbereitung wird wie ein „Sakrileg“ behandelt (Der Spiegel, 1993, S.84).

Die Hochschuldidaktik war aber nicht die einzige Ursache für die Verschlechterung in der Lehre. Eine Ursache, die nun auch im Gespräch war, waren die Studienzeiten, die sich rapide verlängerten. 1988 stellte die Kultusministerkonferenz 23 Punkte vor um die Studienzeiten verkürzen zu können (Webler, 1996, S.122) Die zentralen .Punkte des Papiers waren die schlechten Informationen und Beratungen der Studienanfänger über Prüfungen, Leistungen der Hochschulen und Chancen auf dem Arbeitsmarkt (um Fehlorientierungen zu verhindern). Ferner wurden Maßnahmen zur inhaltlichen Ausgestaltung des Studiums empfohlen. Die Studienbedingungen sollten verbessert und der Studienumfang begrenzt werden. Die Prüfungsbestimmungen sollten gestrafft und dem Studium besser angepaßt werden. Die Empfehlungen der KMK sah einen speziellen Zeitrahmen für die einzelnen Punkte vor, in der diese verwirklicht werden sollten (KMK, 1988, S.5ff). Doch diese Debatte geriet schnell in die Kritik, weil einerseits die Fachbereiche noch nicht wahrhaben wollten, dass Langzeitstudenten Fachbereiche belasteten und andererseits sollten die Kernursachen des Qualitätsabfalls verdrängt werden (Webler, 1996, S.122).

Zeitgleich zur Forderung der KMK leitete die westdeutsche Rektorenkonferenz ein „Symposium zu Leistungsbeurteilung und Leistungsvergleich im Hochschulbereich“ ein. Hier sollten Forschungsindikatoren diskutiert werden, die Lehrleistungen bewerten und vergleichen lassen. Diese akademische Auseinandersetzung wurde jedoch nicht lange weiterverfolgt (Webler, 1996, S.122f).

Der mediale Druck (Spiegelranking1990) führte dazu, dass sich auf einer Reihe von Tagungen wieder verstärkt mit dem Thema Hochschuldidaktik beschäftigt wurde. Zwischen 1990 und 1993 erarbeitete die AHD (Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik) Lösungskonzepte und Maßnahmenkataloge und diagnostizierte die Lage der Hochschulen. Hier wurde wieder einmal festgestellt, dass nicht nur die Ressourcenvergabe und Betreuung der Studenten, sondern auch die Lehrleistungen verändert werden müssten (Webler, 1996, S.122) .

Die hochschuldidaktischen Probleme bildeten zwar eine der Kernursachen in der Diskussion zur Verbesserung der Lehre, doch da es keine Gesetze gab, die die Teilnahme der Dozenten an hochschuldidaktischen Weiterbildungsmaßnahmen regelten, wurden wenig aktiv. Auch 1993 gab es für Dozenten kein pädagogisches Eignungsprofil, nach dem diese sich richten konnten. Lehrbefähigung und Lehrkompetenz waren Schlüsselbegriffe, aber eine Tätigkeits- bzw. Anforderungsanalyse wurde nie erstellt. Abgesehen davon gab es nie eine Kontrolle über die Lehrtätigkeit.[6] Webler formulierte 1993 ein Kompetenzspektrum für Dozenten, welches das Lernen anleiten sollte. Die Kompetenzbereiche waren Planungs-, Methoden-, Beratungs-, Qualifizierungs-, Medien-, Prüfungs-, und Evaluationskompetenz. Aus diesem Kompetenzspektrum konnte zusätzlich die Grundlage für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen geschaffen werden (Webler, 2000, S.233f).

2.2.2 Erste Reformierung des Hochschulrahmengesetzes

Der Staat begann in den frühen 90er Jahren eine Hochschul- und Studienreform ins Leben zu rufen. Die Hochschulen waren zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht von der Notwendigkeit überzeugt die Qualität der Lehre zu verbessern. Natürlich gab es zu dieser Zeit schon eine große Anzahl von Personen und Gruppen die Mängel in der Lehre scharf kritisierten. (Webler, 1996, S. 123) Um einigen Mängeln gesetzlich entgegenzuwirken, verankerte der Staat im Hochschulrahmengesetz (HRG), das von den Ländern übernommen werden mußte, einen detaillierten Lehrauftrag, der in §8 den Dozenten vorgibt, dass:

1. die Studieninhalte im Hinblick auf Veränderungen in der Berufswelt den Studenten breite Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen sollen;
2. die Formen der Lehre und des Studiums den methodischen und didaktischen Erkenntnissen entsprechen sollen (Webler, 1996, S.123).

Ferner besagte das Hochschulrahmengesetz (HRG) in §7, dass die Studenten auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereitet werden und ihnen Kenntnisse, Fähigkeiten, und Methoden, je nach Studiengang entsprechend, vermittelt werden müssten, damit die Studenten zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit und zu verantwortlichem Handeln befähigt werden. Dass dieser Forderung nicht immer gefolgt wird, begründet Webler damit, dass die Ziele der Dozenten, einerseits die Wissenschaft zu pflegen und andererseits, den Studenten eine berufsqualifizierte Ausbildung zu ermöglichen, sich überschneiden. Eine andere Ursache dieser Studienreform nicht sofort nachzukommen erklärt er mit dem Unwillen der Dozenten, die Gesetze umzusetzen (Webler, 1996, S. 123f).

In Nordrhein- Westfalen sollte schon 1991 die Qualität der Lehre kontrolliert werden, um so die Didaktik in den überfüllten Hörsälen zu verbessern. Leider wehrten sich die Dozenten verstärkt und auch in Berlin ging der Verwaltungsrat der TU vor Gericht, um sich dagegen zu erheben, dass eine Evaluation durch Studenten stattfindet. Einige Professoren des Otto-Suhr-Instituts der Freien Universität verhinderten die Verbreitung einer Studentenumfrage, sie schoben datenrechtliche Gründe vor (Der Spiegel, 1991, S.56). Auch 1993 forderte Anke Brunn (SPD) in Nordrhein- Westfalen erneut eine Reform zur „Qualität der Lehre“. Sie wollte die pädagogischen Defizite der Dozenten dadurch in den Griff bekommen, dass didaktische Befähigungen vor Antritt der Berufsausübung nachgewiesen werden, dafür sollten interne Qualitätskontrollen eingesetzt werden (Der Spiegel, 1993, S. 99).

Es gibt aber einen weiteren Faktor, der nach Webler, für die Stagnation der Verbesserung im Lehrbetrieb, ausschlaggebend scheint: Die Studenten, die sich mit den immer schlechter werdenden Studienbedingungen arrangieren und diese bis zum Examen kompensieren. (Webler, 1996, S. 124)[7] Der Grund für die Lethargie, die viele Studenten mit den Gegebenheiten übereinkommen läßt, ist wahrscheinlich die schlechte Kommunikation zwischen Studenten und Dozenten und die mangelnde Bereitschaft sich aufzulehnen.

2.2.3 Studienzeiten verlängern sich

Ein Grund für die vollbesetzten Universitäten war der Öffnungsbeschluß von 1977, der vom Bund und den Ländern falsch eingeschätzt und viel zu spät revidiert wurde. Die Universitäten sollten nach dem Öffnungsbeschluß für alle geöffnet werden, obwohl zu der Zeit die geburtenstärksten Jahrgänge an die Unis wollten. Zeitgleich wurde ein Hochschulausbaustopp veranlasst, denn es wurde erwartet, dass die Abiturienten in der ersten Hälfte der 80er Jahre teilweise an die Universitäten gingen und teilweise in Ausbildungsberufe in der Wirtschaft, und dass in der zweiten Hälfte der Jahrzehnts die Universitäten nicht mehr so stark frequentiert würden (Der Spiegel, 1991, S.41f).

Dies gestaltete sich entgegen den Prognosen. Es war zu beobachten, dass 72% der Abiturienten und 62% der Abiturientinnen an eine Hochschule wollten. (Der Spiegel, 1991, S.41) Die Industrie und das Handwerk vermerkten hingegen unbesetzte Stellen, aber die Universitäten konnten sich vor dem Ansturm kaum retten. (Der Spiegel, 1991, S.37) Die Gründe für einen Zulauf bei den Hochschulen waren einerseits die hoch bezahlten Stellen für Absolventen der Hochschulen in der Wirtschaft. Andererseits war ein Studium weniger mühsam als eine Lehre, da es sehr zeitaufwendig war in einem Lehrberuf Karriere zu machen (Der Spiegel, 1991, S.36).[8]

In den 80er Jahren kam noch ein Faktor, der ein Abfallen der Qualität an Hochschulen ausmachte, dazu: Die Studienzeiten von Studenten verlängerten sich um bis zu zwei Semester. In Berlin ergab das Spiegelranking, dass ein Student der TU Berlin sein Elektrotechnikstudium im Mittelwert nach 17 Semestern beendete.[9] Dadurch kam es zusätzlich zu einer Überfüllung der Hörsäle (Der Spiegel, 1993, S82).

Ein weiterer Faktor, den die KMK schon 1988 beklagte (siehe auch 2.2.1) und der auch für lange Studienzeiten sorgte, war und ist immer noch die allgemeine Desorientierung die laut Studenten im Studium herrschte (Der Spiegel, 1993, S.82). Im Gegensatz zu Deutschland wurde in England schon immer stark darauf geachtet, dass der einzelne Student gut betreut wird. In Deutschland wird der Student als „Einzelkämpfer“ gesehen und so wird von ihm verlangt Studienrahmen, Methodik und Wissen allein zu erarbeiten (Der Spiegel, 1999, S.64). Dies wird in Deutschland damit begründet, dass Studenten, die eine intensive Betreuung verlangen an Fachhochschulen studieren sollen (Der Spiegel, 1999, S.64).

Die curricularen Bedingungen waren nicht ausgereift und die Lehrpläne der unterschiedlichen Fachbereiche waren nie aufeinander abgestimmt (Der Spiegel, 1993, S.82). So beginnen die Seminare der Textiltechniker und Pädagogen an der Universität Hannover zu ganz anderen Anfangszeiten als die Seminare der Sozialwissenschaftler. Aus diesem Grund ist es oft schlecht möglich einen durchgehenden Stundenplan zu gestalten und das fördert wiederum verlängerte Studienzeiten oder aber häufige Fehlzeiten. Ferner konnten die Prüfungsbestimmungen nie individuell gestaltet werden. Werden die Prüfungsbestimmungen flexibler gestaltet, so kann das die Studienzeiten verkürzen.

Ein anderer wichtiger Grund, der die Studenten länger an der Universität hielt, waren die günstigen Krankenversicherungsbeiträge. Viele Studenten, die das Studium nicht beenden wollten, blieben trotzdem eingeschrieben und arbeiteten mit dem Studentenstatus, weil sie auf dem freien Markt keinen Arbeitsplatz bekamen (Der Spiegel, 1991, S.41).

2.3 Interne Forderungen der Hochschulen

2.3.1 Studenten

Die Qualitätsdebatte kam wieder in die Öffentlichkeit, da im Wintersemester 1988/89 Studenten in Berlin und später in ganz Deutschland gegen die Studienbedingungen protestierte. Die Unzufriedenheit der Studenten kam nicht von ungefähr. Die rund 900 000 Studienplätze wurden von 1,7 Mio. Studenten belegt (Der Spiegel, 1991, S.36ff). Dazu sank der Anteil für Bildungsausgaben am Bruttosozialprodukt zwischen 1980 und 1992 von 1,19% auf 1,12% und das obwohl die Studentenzahlen auf das Doppelte angestiegen waren (Der Spiegel, 1992, S. 87). In Aachen strich Anke Brunn [SPD] z. B. 600 000 DM für den Fachbereich Physik (Der Spiegel, 1991, S.39).

Die Streiks brachten die Mißstände der Hochschulen an die Öffentlichkeit. Die Studenten beklagten die überfüllten Hörsäle, die schlechten Rahmenbedingungen, die veraltete Didaktik, die unsolide Betreuung durch die Dozenten, aus denen wiederum eine Niveauabflachung der Referate und Hausarbeiten entstand, die langweiligen Seminarthemen,[10] sowie die veralteten Prüfungsbestimmungen, die nicht flexibel gestaltet werden konnten[11] (Der Spiegel, 1991, S.47). Nach Umfragen meinen viele Studenten, dass die Dozenten zwar fachwissenschaftlich kompetent sind, dies aber nicht für die Pädagogik zutrifft (Der Spiegel, 1992, S. 100). Außerdem sind die Studenten eher bereit sich mit der schlechten Raumsituation zu arrangieren, als mit demotivierten Professoren (Der Spiegel, 1990, S.82).

2.3.2 Dozenten

Eine Prüfung der Ursachen der Defizite fand 1988 von Seiten der Dozenten, als die KMK mit ihrem 23- Punkte- Plan an die Hochschulen trat (Siehe Punkt 2.2.1) nicht statt. Viele Dozenten versuchten auf Ursachen hinzuweisen, die nicht im internen Bereich der Hochschulen lagen, sondern als politische Maßnahme auf die Universitäten einwirkten, z. B. Ressourcen- und Stellenkürzungen bei den Hochschulen (Webler, 1996, S.122).

Die Dozenten beklagten außerdem, dass der Öffnungsbeschluß vom HRK- Präsidenten Erichsen viel zu spät gekündigt wurde, worauf die Universitäten Studenten aufnehmen mußten für die sie die Kapazitäten nicht hatten. Deshalb mußte es unweigerlich zu einem Qualitätsabfall kommen (Der Spiegel, 1991, S.39). Um dem Zulauf bei Hochschulen entgegenzuwirken forderten die Professoren mehr Geld, einen schärferen Numerus Clausus und Zulassungsbeschränkungen (z. B. Eingangstests). Darin sahen sie eine Möglichkeit die Qualität der Lehre wieder zu fördern. Allerdings haben die Kultusminister der Länder diese recht unpopuläre Entscheidung über Zulassungsbeschränkungen nicht tragen wollen (Der Spiegel, 1991, S.36).

Nur wenige Lehrkräfte stellten sich der Debatte, dass die Lehre nicht mehr zeitgemäß war. Die Dozenten würden den Lehrauftrag noch immer nicht wichtig nehmen, beklagt 1993 Gert Kaiser (Rektor der Universität Düsseldorf). Seiner Meinung nach profilieren sich die Dozenten lieber auf Kongressen und in der Forschungsarbeit (Der Spiegel, 1993, S.83).[12]

Grottian, Professor für Politik an der Universität Berlin, warf seinen Kollegen vor, sie würden Sprechstunden und Lehrveranstaltungen ausfallen lassen, Semesterarbeiten ungenügend lesen und selten Arbeiten oder Referate kritisch bewerten (Der Spiegel, 1992, S.105).

2.4 Externe Forderungen

2.4.1 Der öffentliche Druck

Den Forderungen, die Universitäten nach ihren Leistungen zu bewerten und dies transparent zu machen, sind die Hochschulen bis zum „Spiegel-Ranking“ nie nachgekommen. Es gab zwar interne Berichte von einigen Hochschulen, die aber nicht an die Öffentlichkeit gelangten.[13] Bevor das „Spiegel- Ranking“ im Juni 1988. veröffentlicht wurde, war dem Vizepräsidenten der Westdeutsche Rektorenkonferenz, Klaus Ring schon bewußt, dass sich die Hochschulen öffentlich einer Leistungsschau stellen mussten (Der Spiegel, 1990, S.90).[14]

Und so ließ „Der Spiegel“ 1989 die erste große Umfrage zur Qualität der Universitäten machen. Auslöser für diese groß angelegte Befragung waren unter anderem die immer lauter werdenden Proteste von Seiten der Studenten und die Klagen der Wirtschaft, auf die ich in Punkt 2.4.2 noch eingehen werde (Webler, 1996, S.122f) (Der Spiegel, 1998, S.97) .

Unter dem Titel „Welche Uni ist die Beste“ wurde eine Umfrage, die in 51 Hochschulen und 500 Fachbereichen 6000 Studenten befragte, gestartet. Die Fragen wurden vom Bielefelder Meinungsforschungsinstitut und dem Berliner Soziologen Friedhelm Neidhardt entwickelt.[15] Die Befragung zielte auf konkrete Erfahrungen ab, die Studenten im Universitätsalltag machen. So wurden nicht nur die Rahmenbedingungen abgefragt, sondern auch konkrete Teilnehmerzahlen in Seminaren, Besprechungen von Referaten, Hausarbeiten oder Klausuren, Didaktik, Ausstattung der Labore und Bibliotheken, das Führen von Handapparaten, Nebenjobs und Zimmermieten, die Studenten in den Städten zahlen mußten. Die Befragten stammten ausschließlich aus den höheren Semestern, dadurch konnte eine höhere Validität in der Auswertung erhalten werden (Der Spiegel, 1990, S. 6ff).

Ziel der Befragung war es, Mängel in der Lehre aufzudecken, um sie gegebenenfalls verbessern zu können. Außerdem sollte die Rankingliste an die Öffentlichkeit gelangen, um die Diskussion zur Qualität der Lehre voranzutreiben. Die Auswertung sah vor, Korrelationen zwischen den einzelnen Fragen zu ziehen, wie z. B. Rahmenbedingungen und Hochschullehre (u. s. w.). Diese Zusammenhänge wurden aber nicht empirisch belegt (Der Spiegel, 1990, S.6ff).

Nach der Veröffentlichung wurden sofort kontroverse Meinungen laut. Zudem wurde durch das Ranking auf einen kritischen Hochschuldiskurs zugesteuert (Der Spiegel, 1990, S. 85). Die Kritiker der Rankingliste hoben hervor, dass aufgrund der zu kleinen Stichprobenmenge die Befragung nicht repräsentativ sei (so wurden pro Fachbereich etwa 5-12 Personen befragt). Außerdem sei die Befragung teilweise in nicht seriösem Umfeld (einige Befragungen wurden in Studentenkneipen durchgeführt) abgelaufen. Die Aussagekraft der Rankingliste könne zudem erst nach einigen Testläufen valide sein und dabei müßten die Indikatoren ständig überprüft werden. Bei einem Streitgespräch, dass zwischen den Soziologen F. Neidhardt und E. K. Scheuch nach der Veröffentlichung geführt wurde, sagte Scheuch, in dem Ranking würde nicht das Produkt Lehre gemessen, dies könnte nur mit einem Wissenstest geschehen. Die Studenten könnten die Lehre außerdem nicht richtig bewerten, dies wäre nur durch ein unabhängiges Expertenteam möglich. Außerdem sei ein großer Fehler in der Aussagekraft der Korrelation von Rahmenbedingungen und Ausstattung der Hochschulen zu sehen, denn die alten Universitäten wären gegenüber den neuen klar im Nachteil (Der Spiegel, 1990, S. 93ff).

Durch die Befragung wurde die Debatte um die Qualität der Lehre rasant angeschoben. Es war 1990 noch nicht ersichtlich, ob ein Ranking die Lehre effektiv beeinflußt, da keine empirischen Studien vorhanden waren, aber die Rankinglisten des „Spiegels“, die von da an wiederholt aktualisiert wurden, waren ein großer Auslöser zur Qualitätsdebatte. In der letzten Rankingliste des „Spiegels“, die 1999 erschien, konnten sich die Herausgeber schon mit detaillierten Problemen in der Studienversorgung beschäftigen. In dieser Ausgabe wurde unter anderem auf die unterschiedlichen Unterrichtsformen an Universitäten hingewiesen, wie z. B. dem problemorientierten Lernen (POL) oder anderen alternativen Lehrarten an Hochschulen. Die Evaluation der Hochschulen durch Studenten hatte in dieser Befragung schon einen festen Stellenwert (Der Spiegel, 1999, S.93).[16]

2.4.2 Industrie

Eine Befragung der Personalchefs der Großindustrie zeigte 1990, das diese unterschiedlicher Meinung waren, was ihre Einstellung zu Absolventen von Universitäten anging. Die Personalchefs hatten ihre eigenen Rankinglisten, die intern besprochen wurden. Aus den Interviews wurde ersichtlich, dass es sich um nicht empirisch belegte Studien handelte, sondern die Bewertung von Universitäten auf subjektiven Annahmen und Gerüchten basierten. Einige Personalchefs bevorzugten Absolventen von „kleinen“ Universitäten, Andere empfahlen ausdrücklich die Studenten der „Massenhochschulen“. Eine objektive Begründung für diese Entscheidung konnte jedoch nicht gegeben werden. Aus den Aussagen konnte man einen Trend sehen, der belegte, dass Personalchefs Universitäten bevorzugten, die sie früher selbst besucht haben. Die akademische Herkunft ist aber trotzdem nicht der wichtigste Aspekt bei einem Einstellungsgespräch. Die Persönlichkeit eines Bewerbers und die Aktivitäten während des Studiums (Auslandsaufenthalt, Nebenjobs, etc.) standen im Mittelpunkt eines Bewerbungsgesprächs (Der Spiegel, 1990, S.95).

Die Wirtschaft klagte immer wieder, dass eine Ausbildung, die nicht auf Praxisbezüge oder Beruflichkeit Rücksicht nehmen würde und nur wissenschaftlich geprägt ist, nicht mehr den Anforderungen des Marktes gerecht werde. Sie forderte deshalb, dass eine Verschiebung der Werte in der universitären Ausbildung stattfinden sollte (Webler, 2000, S.233). Die Hochschulen wurden aufgefordert die Universitätsausbildung an die von der Wirtschaft geforderten Attribute anpassen. Außerdem wurden zeitgemäße Qualifikationsprofile von Studiengängen gefordert, damit die Studenten von der Wirtschaft besser rekrutiert werden konnten. Die traditionellen Qualitätsgarantien, wie eine gute Note im Diplom wurden von Seiten der Industrie zwar auch gefordert, standen aber nicht im Vordergrund (Webler, 1996, S.121f). Die Kompetenzen die Absolventen in die Wirtschaft mitbringen sollten (Teamkompetenzen, soziale Kompetenzen, Flexibilität, Sprachkompetenzen), müssten laut Meinung der Wirtschaft in der Hochschulausbildung geschult werden (Webler, 2000, S.235). Der gesamte Hochschulbetrieb mußte also reformiert werden. Für die gewünschten Anforderungen war zudem eine neue didaktische Aufbereitung von Hochschulunterricht notwendig.[17]

Deutlich wurden die Qualitätsmängel im deutschen Lehrbetrieb als der Kampf um Arbeitsplätze auf dem europäischen Markt begann. Die Absolventen der Hochschulen bewarben sich in ganz Europa, eine Fluktuation der Studenten in Europa trat ein. Die Wirtschaft konnte sich die Studenten aus den europäischen Ländern aussuchen und hatte somit einen Ländervergleich. Deutschland schnitt in diesem Vergleich nicht gut ab, denn die Absolventen des deutschen Marktes wurden in Europa nicht unbedingt bevorzugt. Die deutsche Industrie erklärte dies würde mit den Mängeln im Hochschulbetrieb und der nicht berufsorientierten Ausbildung zusammenhängen (Webler, 1996, S.121).

2.3.3 Veränderungen durch die Hochschulpolitik und Staat

Der Öffnungsbeschluß vom Bund und den Ländern (1977) sollte den Studenten besseren Zugang zu Hochschulen verschaffen. Etwas später wurde der Hochschulbau drastisch reduziert und Einsparungen in der Hochschulfinanzierung durchgesetzt, da davon ausgegangen wurde, dass immer weniger Abiturienten studieren. Die Prognosen der Politiker waren unzutreffend (siehe 2.2.3), immer mehr Absolventen gingen zu den Universitäten, und deshalb wurden neue Empfehlungen zur Hochschulpolitik gemacht. Die Hochschulen forderten neue Zulassungsbeschränkungen und Auswahlgespräche für die Studenten, um die Zahl der Studenten einzudämmen. Das Wissenschaftsministerium setzte auf Befragungen der Studenten zur Qualität der Veranstaltungen nach dem Vorbild der USA, um Mängel im Lehrbereich transparent zu machen. Die Universitäten wünschten einen Abschluß nach dem Vordiplom zu ermöglichen, um die Studienzeiten zu verkürzen. Der Wettbewerb unter den Dozenten sollte im Bereich der Lehrtätigkeit erhöht und zusätzlich entlohnt werden. Die Hochschulen verlangten mehr Geld, um die Misere an den Universitäten einzuschränken (Der Spiegel, 1991, S. 41ff). Diese Forderungen zu einer Reform wurden schon in den frühen 90er Jahren angedacht und später nur noch detailliert diskutiert. Die Kürzungen, die von der Politik schnell durchgesetzt wurden, wurden viel zu langsam revidiert, so dass eine Stagnation im Qualitätsbereich der Universitäten einsetzte.[18]. Die Qualitätskontrolle wurde ein zentrales Thema der Debatte. Auch Anke Brunn (SPD) empfahl das Budget der Hochschulen nicht nach eingeschriebenen Studenten, sondern nach Absolventen zu verteilen (Der Spiegel, 1992, S. 96ff).[19]

Einen weiteren Ausweg, die Hochschulen zu sanieren, sahen die Politiker 1993 in der Möglichkeit Studiengebühren von den Studenten einzutreiben. Dies konnte aber nicht durchgesetzt werden. Dabei verlautete die SPD damals, dass in Holland durch die Einführung einer Studiengebühr (Siehe 3.1.2.) die Studienzeiten um einige Semester verkürzt werden konnten. Die HRK aber setzte bei der Reformierung der Hochschulpolitik auf mehr Gelder vom Staat[20] (Der Spiegel, 1993, S. 94).

In Mannheim wurde 1994 ein Pilotprojekt zur Verbesserung der Qualität der Lehre mit Hilfe von Evaluation angesetzt. Dieses Projekt wurde von der Dozentenschaft kritisch betracht, die Aussagen von Studenten wurden als nicht valide angesehen. Die HIS (Hannover Information System GmbH) kritisierte auch, dass eine Befragung allein keine Aussagen bringe. Die Auswertungen könnten erst Eindrücke vermitteln, wenn empirisch gesicherte Vergleiche vorlägen und eine Metaevaluation vorangetrieben würde. Die Länder begannen daraufhin ihre Hochschulgesetze den neuen Forderungen anzupassen und dem Bereich der Lehre eine stärkere Bedeutung zuzuteilen (Siehe 2.2.2, 3.2.5 , 3.2.6) (Der Spiegel, 1994, S.55f).

1996 wurde die Debatte um Studiengebühren von Seiten der Politik wieder aufgenommen. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sperrte sich dagegen, dadurch wurde die Debatte jedoch nur vertagt und nicht eingestellt. Peter Glotz (SPD) und auch Peter Radunski (CDU) empfahlen zu der Zeit eine Studiengebühr von 1000,-DM pro Semester zu erlassen (Der Spiegel, 1996, S.53).

[...]


[1] An der Universität Hannover läuft seit dem Sommersemester 2002 ein Evaluationsprojekt unter Betreuung von Martin Lähnemann, in dem speziell zur studentischen Lehrveranstaltungsbeurteilung einige Verfahren, in einem kontinuierlichen Prozess erprobt werden. An diesem Projekt habe ich aktiv bis zum Ende des Wintersemesters 2002/03 teilgenommen und den weiteren Prozess bis heute nicht aus den Augen verloren. Gerade die Teilnahme an diesem Projekt, die sich auch in der vorlesungsfreien Zeit fortsetzte, ermöglicht es mir über spezielle Eindrücke zu urteilen.

[2] Fußnote: Wilhelm von Humboldt lebte von 1776- 1835 (Fischerlexikon, 1981, S. 2730) Er sagte als Erster, dass Bildung zweckfrei sein sollte. Hieraus entstand im universitären Alltag die Theorie, dass Arbeiten und Lernen nicht verbunden werden sollte. (Jank, W., Meyer, H., 1994, S. 347)

[3] [3] Obwohl einige Dozenten heute noch aus Jahrzehntealten Skripten zitieren oder einfach nur ein Skript vorlesen. Beobachtet in den Fachbereichen: Textiltechnik, Betriebswirtschaftslehre, Jura. 1994- 2003.

[4] Während z. B. in der DDR: Die Dozenten vor Antritt ihrer Amtszeit, Kurse in Hochschulpädagogik absolvieren mussten (Der Spiegel, 1990, S.105).

[5] In einem Interview bei dem wir unser Evaluationsprojekt mit Dozenten reflektieren wollten (Universität Hannover, Sommersemester, Fachbereich: Sozialwissenschaften, 2003) stellten wir folgende Frage: Haben Sie während Ihres Studiums eine didaktische Ausbildung erhalten? Die Antwort war : „Nein.“ Daraufhin fragten wir, ob denn Interesse an hochschuldidaktischen Weiterbildungsmaßnahmen bestehen würde. Auf diese Frage wurde uns mitgeteilt, dass Interesse sehr wohl bestünde und viele Dozenten an Maßnahmen teilnehmen wollten, aber diese Kurse vom Staat nicht finanziert würden.(Diese Meinung ist nicht repräsentativ, da sich für das Feedback dieser Evaluation nur ein Dozent gemeldet hatte)

[6] Wie z. B. in England, dort werden die Seminare regelmäßig durch andere Dozenten besucht und geprüft, welche Qualität die Lehrtätigkeit hat (Der Spiegel, 1990, 90).

[7] So ist es z. B. wichtig bei überfüllten Seminaren früher zu kommen, um einen Sitzplatz zu erhalten. Die Schuld für die übervollen Hörsäle liegt somit bei den zu spät kommenden und nicht an den Rahmenbedingungen.

[8] Eine Lehre wird in 3 Jahren absolviert. Danach kann der Meistertitel nach vier Jahren Gesellentätigkeit in einem Betrieb verwirklicht werden oder nach 7 Jahren Selbstständigkeit. Für die Meisterschule benötigt man noch 1- 1,5 Jahre und eine Menge Geld, denn das Meisterbafög ist nicht für jeden zugänglich. Da die Industrie zunehmend Meister durch FH- Ingenieure austauschte bot ein Handwerksberuf auch keine Sicherheit mehr und die Fachhochschulen erlebten einen Studentenzulauf (Der Spiegel, 1991, S.47).

[9] Der Mittelwert im Fachbereich Elektrotechnik, bei den deutschen Universitäten lag insgesamt, in der Umfrage bei 12,5 Semestern. Das aber sind auch noch 2,5 Semester über der Regelstudienzeit (Der Spiegel, 1990, S.28).

[10] Schon 1990 begannen die Studenten im Zuge des Streiks autonome Seminare zu veranstalten bei denen völlig andere Themen im Vordergrund standen als in den Vorlesungsveranstaltungen zu finden waren (Der Spiegel, 1990, S.110).

[11] Die Juravorlesung liegt z.B. immer zeitgleich mit den Textilvorlesungen. Außerdem gibt es nur dies eine Seminar für Nebenfachstudenten. Ein Student benötigt um seine Zwischenprüfung in Politik machen zu können aber diesen Schein, vor der Prüfung. Während meines Studiums mußte ich die Teilnahme an diesem Seminar so weit nach hinten verschieben, dass ich meine Zwischenprüfung für mein Unterrichtsfach erst kurz vor dem Examen machen konnte. Wäre es mir möglich gewesen, den Schein z. B. nach der Zwischenprüfung zu machen, so hätte ich sicherlich drei Semester schneller studiert. Universität Hannover, Fachbereich Jura, SS 2000.

[12] Der Aufwand didaktisch korrekt zu arbeiten geht an den Interessen der Dozentenschaft vorbei, dabei betrifft der Lehrauftrag fast 2 Mio. Studenten(Der Spiegel, 1993, S.83).

[13] Das Max- Plank- Institut in Berlin befragte zwischen 1984 und 1986 Professoren verschiedener Fachbereiche an unterschiedlichen Hochschulen, um eine Rangliste erstellen zu können. Die Dozenten entzogen sich zum größten Teil der Befragung. Rücklauf erhielt das M.- P.- Institut nur von Befürwortern von Rankinglisten (Der Spiegel, 1990, S. 93).

[14] 1. 1985 gab der Kölner Wissenschaftsrat einen Vorschlag zur Güte heraus. Er lehnte hier drin die chronologische Rankingliste ab und plädierte dafür eine Liste nach Rankinggruppen (dreigeteilt nach : Spitzengruppe, Mittelfeld und Abstiegszone) einzuteilen (Der Spiegel, 1990, S.93). 2. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz (WRK) hatte zu diesem Zeitpunkt schon zum Thema: „Leistungsvergleich im Hochschulbereich“ debattiert, benötigte aber zwölf Monate um das Protokoll der Beratungen zu veröffentlichen. Auch Karl Alewell (Universität Gießen) empfahl der WRK schon im Juni 1988 eine Art „Bundesligatabelle“ für Universitäten herauszubringen, mit dem Hintergrund, dass wenn die Hochschulen ihre Leistungen nicht selbst transparent machen würden, wären es andere, die sich dieser Aufgabe annehmen (Der Spiegel, 1990, S.90).

[15] F.Neidhardt beschäftigte sich unter anderem mit der Effektivität von Forschung und Lehre (Der Spiegel, 1990, S. 6).

[16] Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) veröffentlichte mit der Zeitschrift Stern 2001 eine Rankingliste, auf die ich hier nicht näher eingehe. Dieses Ranking wurde von den Hochschulen als nicht aussagekräftig abgetan. Das CHE widerspricht dieser Kritik. (Nachzulesen in: http://chede/html/left_ueber_unshtml, 2003, S.1ff)

[17] Denn, wie kann die Industrie einen Designer einsetzen, der zwar ein sehr gutes Diplom hat, aber nicht in der Lage ist, seine Produkte zu verkaufen, weil die Sprachkompetenz während des Studiums nicht ausgebildet wurde. Oder ein Lehrer, der während seiner Ausbildung die kleinsten Details der textilen Flächenherstellung mit seinen physikalischen Komplexen kennen muß, aber dies nicht handlungsorientiert vermittelt bekam und aus diesem Grund keine kreativen Einfälle entwickeln kann, dieses Fachwissen an die Schüler weiterzugeben. Das heißt, wenn die Ausbildung an den Universitäten weiterhin so praxisfern bleibt, wirkt sich das auf die Ausbildung der Schüler in den Berufsschulklassen auch negativ aus. Erste Reformen, die Lehramtsausbildung zu reformieren sind zum Teil schon durchgesetzt und zum Teil in Planung (ZevA, 2003, S.358ff).

[18] Einsparung von Stellen ,1991, Beispiel Universität Heidelberg, das Durchschnittsalter der Professoren liegt hier bei 54 Jahren Eine Neufinanzierung der Hochschulen in Niedersachsen wird aufs Jahr 1993 verschoben (Der Spiegel1991, S.43).

[19] Im Gespräch waren 1993 4 Milliarden Mark, die von der Unionsregierung gefordert wurden. Dieser Forderung wurde nicht nachgekommen. Deshalb setzte sich Manfred Erhardt (CDU) vehement für die Evaluierung von Hochschulen ein, um so die Gelder gerechter verteilen zu können (Der Spiegel, 16, 1993, S.94ff).

[20] 9 Milliarden mehr wurden veranschlagt (Der Spiegel, 1993, S. 94ff).

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Lehrveranstaltungsevaluation, Begründung, Ziele, Modelle
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Projekt: Lehrveranstaltungsevaluation
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
97
Katalognummer
V20713
ISBN (eBook)
9783638245272
Dateigröße
1367 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lehrveranstaltungsevaluation, Begründung, Ziele, Modelle, Projekt, Lehrveranstaltungsevaluation
Arbeit zitieren
Christina Marx (Autor:in), 2003, Lehrveranstaltungsevaluation, Begründung, Ziele, Modelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20713

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