In seinem 1949 in der Zeitschrift Mercure de France erschienenen Essay über die Zweckbestimmtheit des Kinos („Finalité du Cinéma“) schreibt Jean Epstein einen Satz, der in dem Text genauso heraus sticht wie in Nicole Brenez’ Aufsatz über Epstein mit dem Titel „Ultra-Modern“: „L’homme a besoin d’un puissant antidote poétique pour sublimer les déchets de son individualisme.“ bzw. „Der Mensch braucht ein starkes poetisches Gegengift, um die Abfälle seines Individualismus zu sublimieren.“
Was meint Epstein mit dieser Bemerkung? Wie definiert er Poesie? Was ist das „poetische Gegengift“? Was bedeutet für ihn „Abfälle des Individualismus“? Und wie hängt das zusammen mit dem Kino der zwanziger Jahre bzw. mit der Wahrnehmungstheorie Jean Epsteins, in die sein früheres (Film-)Schaffen fällt? Diese Fragen sollen im Folgenden wenn nicht geklärt, so doch so nahe wie möglich beleuchtet werden und auch anhand eines Filmbeispiels mit der Wahrnehmungstheorie Epsteins in Beziehung gesetzt werden.
Als Filmbeispiel dient dabei LA GLACE À TROIS FACES – ein Film über die Relativität von Zeit und Raum, über Geschwindigkeit, Flüchtigkeit, die moderne Gesellschaft, moderne Kommunikation mittels moderner Kommunikationsmittel und im Film dargestellte Erinnerungen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung.
- „Finalité du Cinéma“: (Zweck-) Bestimmung des Kinos......
- Abfälle des menschlichen Individualismus.
- Poesie als Gegengift zur rationalistischen Praxis
- Film als poetisches Antidot
- LA GLACE À TROIS FACES als Beispiel zeitgemäßer Poesie.
- Bewegung, Flucht, Flüchtigkeit......
- Spiel mit Präsenz und Absenz, dem Aktuellen und Virtuellen…..........\li>
- Raum-Zeit: Zeitfiguren
- Der Film eine Träumerei?
- Mögliche Risiken des Kinos.......
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay "Finalité du Cinéma" von Jean Epstein untersucht die Rolle des Kinos als Gegenmittel zur rationalistischen Praxis der Moderne. Epstein argumentiert, dass die zunehmende Rationalisierung durch Sprache und Technik zu einer Verarmung der visuellen Intelligenz und einer inneren Unruhe beim Menschen führt.
- Die Folgen der Rationalisierung durch Sprache
- Poesie als Gegengift zum Individualismus
- Der Film als poetisches Antidot
- Die Bedeutung des Kinos als Mittel der Imagination
- Mögliche Risiken des Kinos
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Der Essay beginnt mit der Analyse eines zentralen Satzes von Epstein, in dem er das Kino als „poetisches Gegengift“ bezeichnet.
- „Finalité du Cinéma“: (Zweck-) Bestimmung des Kinos: In diesem Abschnitt untersucht Epstein die Entwicklung der Sprache und ihre Auswirkungen auf die menschliche Denkweise. Er argumentiert, dass die Sprache zu einer verstärkten Rationalität führt, die wiederum zu einer „Trübung“ der visuellen Intelligenz führt.
- Abfälle des menschlichen Individualismus: Epstein beschreibt die negativen Folgen der Rationalisierung, die zu einer „materiellen Halbsklaverei“ und einer „moralischen Nivellierung“ führen. Der moderne Mensch sucht Ersatzbefriedigungen, um diese Unruhe zu verdrängen.
- Poesie als Gegengift zur rationalistischen Praxis: Epstein definiert Poesie als alles Irrationale und beschreibt die Träumerei als spontan-persönliche Form der Poesie. Er argumentiert, dass der Mensch, der in einer zunehmend reglementierten Welt lebt, ein verstärktes Bedürfnis nach Träumerei hat.
- Film als poetisches Antidot: Der Film, so argumentiert Epstein, bietet dem Menschen ein vorgefertigtes Gerüst an Träumereien und hilft ihm, seine verlorene Fähigkeit zur Imagination und Träumerei zu kompensieren.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter des Essays sind: Kino, Poesie, Rationalisierung, Individualismus, Träumerei, Imagination, visuelle Intelligenz, Film als Gegenmittel, gesellschaftliche Disposition.
- Quote paper
- Veronika Seitz (Author), 2010, Kino als Gegenmittel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207248