Im nächsten Jahr feiert die Erscheinung von Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften ihr 200jähriges Jubiläum. An Aktualität hat der Text seitdem jedoch wohl kaum etwas eingebüßt.
Dieser Aufsatz behandelt das Tauschphänomen in den Wahlverwandtschaften. Unterschiedliche Aspekte verweisen darauf, wie vielfältig hier Tauschverhältnisse auftreten: Begriffe wie Besitz, Gewinn, Verzicht, Opfer und Mangel werden verwendet. Im Mittelpunkt des Romans stehen der Partnertausch und das chemische Gleichnis der „Wahlverwandtschaften“, das dem Roman den Namen gegeben hat. Beides ist in der Forschung bereits eingehend diskutiert worden. Eduards und Lucianes Verschwendungssucht fällt auf und dagegen die von Charlotte intendierte Sparsamkeit und Ottilies Enthaltsamkeit. Luciane schlüpft in ihrem Rollentausch in ständig neue Verkleidungen und auch die neue herannahende Epoche, die im Roman diskutiert wird, die kulturelle Innovation, kann als Tauschvorgang betrachtet werden. Eduards Austausch von Zeichen für Zufall und Schicksal ist der figurative Tausch im semantischen Feld als Übertragung, Umcodierung und Bedeutungsaustausch. Die geläufigste Kommunikationsform scheint im Roman der Briefaustausch zu sein und die Kommunikation an sich wiederum funktioniert augenscheinlich nicht.
Der Tauschaspekt innerhalb zwischenmenschlicher Beziehungen soll hier Schwerpunkt sein. Es ist nicht möglich, alle Aspekte des Tauschs, so wie sie in den Wahlverwandtschaften auftreten, zu behandeln. Da der Roman allerdings eine sehr genaue Beobachtung sozialer Konflikte liefert und die experimentelle Darstellung für eine Verallgemeinerung spricht, erscheint es interessant, sich mit der Verbindung zwischen ökonomischem und sozialem Austausch zu befassen. Das Scheitern der Ökonomie führt schließlich zum Scheitern der Figuren und ihrer Konstellation. Erst durch ein reges und gesundes Tauschverhalten könnten die sozialen Verhältnisse funktionieren. Der Tausch zeigt sich hier als ein zeitloses Phänomen, mit dem wir auch unsere eigenen sozialen Beziehungen beobachten und bewerten können.
Zur Einführung dient ein Überblick über verschiedene Theorien des Tauschs. Die Romananalyse folgt anschließend.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Theorie um den Tausch
- Der ökonomische Tausch
- Soziale Tauschbeziehungen
- Tauschbeziehungen in Goethes Wahlverwandtschaften
- Tausch als Freizeitbeschäftigung
- Die soziale Ökonomie der Figurenkonstellation
- Mangelnde Tauschakte
- Egozentrische Verhaltensstrukturen
- Kommunikationsmedien als Distanzierungsmittel
- Eduards Tauschverhalten
- Ottilies Entsagen
- Fehlerhafte Tauschrelation
- Charlottes Entsagen
- Mangel an Gleichzeitigkeit
- Mittler
- Das chemische Gleichnis
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Aufsatz analysiert das Phänomen des Tauschs in Goethes „Wahlverwandtschaften“. Er untersucht verschiedene Aspekte der Tauschverhältnisse im Roman, einschließlich Besitz, Gewinn, Verzicht, Opfer und Mangel. Der Fokus liegt auf dem Partnertausch und dem chemischen Gleichnis der „Wahlverwandtschaften“, das dem Roman seinen Namen gibt. Der Aufsatz betrachtet auch die soziale Ökonomie der Figurenkonstellation und wie das Scheitern des Tauschs zum Scheitern der Figuren und ihrer Beziehungen führt. Die Verbindung zwischen ökonomischem und sozialem Austausch wird dabei besonders hervorgehoben.
- Der Tausch als zentrales Motiv in Goethes "Wahlverwandtschaften"
- Die Rolle des Tauschs in sozialen Beziehungen und Konflikten
- Die Verbindung zwischen ökonomischem und sozialem Tausch
- Das Scheitern der Ökonomie und der Figuren in den "Wahlverwandtschaften"
- Tausch als zeitloses Phänomen und seine Relevanz für die heutige Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Roman "Wahlverwandtschaften" im Kontext seines 200-jährigen Jubiläums vor und skizziert die vielschichtigen Aspekte des Tauschs, die im Roman behandelt werden. Sie führt wichtige Figuren und Motive ein, wie den Partnertausch, die „Wahlverwandtschaften“ und die Verschwendungssucht der Figuren. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit verschiedenen Theorien des Tauschs, beginnend mit dem ökonomischen Tausch und seinen Aspekten. Es werden Gedanken und Theorien von bekannten Denkern wie Nietzsche, Adam Smith, Aristoteles, Foucault, Simmel, Mauss und Marx vorgestellt, wobei der Fokus auf dem sozialen Tausch liegt, der für die Romananalyse von großer Bedeutung ist.
Schlüsselwörter
Der Text befasst sich mit den Themen des Tauschs, der Ökonomie, der sozialen Beziehungen, der Kommunikation, des Partnertauschs, der „Wahlverwandtschaften“, der Verschwendungssucht und der Enthaltsamkeit. Er analysiert die Figuren und ihre Verhaltensweisen im Kontext des Scheiterns der Ökonomie und der daraus resultierenden sozialen Konflikte.
- Arbeit zitieren
- M.A. Maike Zazie Matern (Autor:in), 2007, Tauschbeziehungen und soziale Ökonomie in Goethes "Wahlverwandtschaften", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207572