Laut Schätzungen des Kinderschutzbundes leben in Deutschland mehrere zehntausende Kinder, die völlig verwahrlost sind, da ihre Eltern sich nicht angemessen um sie kümmern und sie somit vernachlässigen. Meist sind dies Kinder von Problemfamilien, in denen Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Gewalterfahrungen, Armut und Isolation vorzufinden sind. Die Abgeschirmtheit in der Wohnung der Familien trägt dazu bei, dass Kindesvernachlässigung vor allem in den ersten Jahren der Kinder häufig unbemerkt bleibt. Nicht nur aus diesem Grund, sondern auch weil Deutschland eines der wenigen Industrieländer ist, in dem keine Statistik zu Fällen von Kindesvernachlässigung geführt wird. Die meisten Fälle von Kindeswohlgefährdung sind die der Kindesvernachlässigung, wobei diese die häufigste und gefährlichste Form der Kindeswohlgefährdung ist. Jedoch wird ihr in den Medien und der Öffentlichkeit weniger Beachtung als den anderen Formen von Kindeswohlgefährdung geschenkt, außer sie führt zum Tod eines Kindes.
So sorgten der Hungertod der kleinen Lea-Sophie aus Schwerin und der Fall von Kevin aus Bremen, welcher misshandelt wurde und mit 24 Knochenbrüchen im Kühlschrank seines Ziehvaters aufgefunden wurde, in den letzten Jahren für großes Entsetzen. Aktuell wurde der Fall der elfjährigen Chantal, welche an einer Methadonvergiftung starb, bekannt. Diese drei und viele andere vernachlässigte Kinder haben eines gemeinsam: Sie litten oder fanden sogar dort den Tod, wo sie sich am sichersten fühlen sollten – zu Hause. Derartige Fälle sind tragische Geschichten, die in die Schlagzeilen der Medien gelangen.
Allerdings tauchen in den Medien ebenso vermehrt Schlagzeilen über das Jugendamt auf, welches immer wieder in der Kritik stehen. So heißt es in der aktuellsten Debatte um den Fall Chantal: „Haben Hamburger Behörden ein Mädchen auf dem Gewissen? Das Jugendamt vermittelt eine Elfjährige an drogenabhängige Pflegeeltern, dann stirbt das Kind an einer Methadonvergiftung.“
Das Jugendamt steht bei Fällen von Kindeswohlgefährdung vor hochverantwortungsvollen und komplexen Aufgaben, welche ihre Fachkräfte vor enorme Herausforderungen stellen. Um die Arbeit der Behörden beurteilen zu können, bedarf es einer expliziten Auseinandersetzung mit deren Möglichkeiten und Grenzen um Kindeswohlgefährdungen abzuwenden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung
- 2. 1 Begrifflichkeiten
- 2. 2 Formen von Kindeswohlgefährdung
- 3. Kindesvernachlässigung
- 3. 1 Definition Kindesvernachlässigung
- 3. 2 Wie wirkt sich Vernachlässigung aus?
- 3. 3 Formen von Kindesvernachlässigung
- 3. 4 Die Epidemiologie
- 4. Kindliche Lebensbedürfnisse
- 4. 1 Was braucht ein Kind?
- 4. 2 Folgen unbefriedigter Lebensbedürfnisse von Kindern
- 5. Risiko- und Schutzfaktoren
- 5. 1 Dimensionen von Risiko- und Schutzfaktoren
- 5. 2 Risikofaktoren
- 5. 3 Schutzfaktoren
- 6. Aufgaben des Jugendamtes bei einer Gefährdung des Kindes durch Vernachlässigung
- 6. 1 Der Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe
- 6. 1. 1 Kindeswohl zwischen Elternrecht und Staatlichem Wächteramt
- 6. 1. 2 Adressaten des Schutzauftrages
- 6. 1. 3 Vereinbarungen zwischen öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe
- 6. 1. 4 Abschätzung des Gefährdungsrisikos
- 6. 2 Erzieherische Hilfen als Interventionsform bei Kindeswohlgefährdung
- 6. 1 Der Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe
- 7. Die Beziehungsdynamik zwischen Helfer und Familie
- 7. 1 Schwierigkeiten bei der Herstellung des Kontaktes zum Klienten
- 7. 2 Wie wird Hilfe und helfen erlebt?
- 8. Das Jugendamt zwischen Hilfe und Eingriff – eine Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Bachelorarbeit untersucht die Handlungs- und Interventionsmöglichkeiten des Jugendamtes bei Fällen von Kindesvernachlässigung. Der Fokus liegt dabei auf den rechtlichen Grundlagen und den verschiedenen Instrumenten, die dem Jugendamt zur Verfügung stehen, um dem Kindeswohl in solchen Situationen gerecht zu werden.
- Definitionen und Formen von Kindeswohlgefährdung und Kindesvernachlässigung
- Analyse der kindlichen Lebensbedürfnisse und der Folgen ihrer Nicht-Befriedigung
- Bedeutung von Risiko- und Schutzfaktoren in Bezug auf Kindesvernachlässigung
- Der Schutzauftrag des Jugendamtes und dessen Umsetzung in der Praxis
- Beziehungen zwischen Hilfepersonal und betroffenen Familien
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema Kindesvernachlässigung und die Aufgaben des Jugendamtes ein. Kapitel 2 definiert die Begriffe Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung und beschreibt verschiedene Formen der Gefährdung. Kapitel 3 konzentriert sich auf Kindesvernachlässigung, beleuchtet deren Auswirkungen und Formen sowie die epidemiologische Situation. Kapitel 4 untersucht die Lebensbedürfnisse von Kindern und die Folgen ihrer Nicht-Befriedigung. Kapitel 5 analysiert Risiko- und Schutzfaktoren in Bezug auf Kindesvernachlässigung. Kapitel 6 beschäftigt sich mit den Aufgaben des Jugendamtes und den verfügbaren Interventionsformen bei Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung. Kapitel 7 betrachtet die Beziehungsdynamik zwischen Hilfepersonal und Familien in solchen Situationen.
Schlüsselwörter
Kindeswohl, Kindeswohlgefährdung, Kindesvernachlässigung, Jugendamt, Schutzauftrag, Intervention, Hilfen zur Erziehung, Risiko- und Schutzfaktoren, Beziehungsdynamik, Familie, Lebensbedürfnisse.
- Arbeit zitieren
- Carolin Zauner (Autor:in), 2012, Handlungs- und Interventionsmöglichkeiten des Jugendamtes bei Fällen von Kindesvernachlässigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207776