Nach Haggett bilden Raum und Zeit einen Käfig, in dem sich menschliches Leben abspielt. Kein Mensch kann diesem Käfig entfliehen.
Hägerstrand ist es gelungen ein Gesellschaftsmodell zu entwickeln, in dem die Beschränkungen des Verhaltens in physikalischen Begriffen wie Zeitdauer, Ausdehnung und Lage im Raum formuliert sind.
Sein Modell lässt sich in GIS anwenden, was wiederum eine Vielzahl neuer Planungsmöglichkeiten ermöglicht.
Die Geographen der Lund-Universität konnten zudem zeigen, wie das „Wachstum der Städte, die Arbeitsplätze, die wir einnehmen, ja selbst die Partner, die wir treffen und heiraten, alle durch die (...) diskutierten Begrenzungen beeinflusst sind“ (Haggett, 2004).
So lässt sich also resümieren, dass Hägerstrands Raum-Zeit-Geographischer Ansatz eine enorme Bedeutung weit über die Geographie hinaus hat.
Einleitung in Hägerstrands Zeitgeographie
Torsten Hägerstrand schrieb 1970 den Aufsatz: „What about people in Regional Science?“. Hierin geht er auf die Raum-Zeitgeographie ein, die er international bekannt machte.
Hägerstrand der 1916 in Moheda (Mittelschweden) geboren wurde, leistete wichtige Beiträge zu zwei Forschungsfeldern der Humangeographie: Raum-Zeit-Geographie und der räumlichen Diffusion.
In seinen raum-zeitgeographischen Arbeiten ließ sich Hägerstrand von Arthur Edington inspirieren, der bereits im 19. Jahrhundert forschte. Hägerstrand, der an der schwedischen Lund-Universität tätig war, verstand es diese Idee aufzugreifen und auch international zu Ansehen zu verhelfen. Das Raum-Zeitgeographische Modell war bereits zuvor Jahrzehnte lang in Schweden bekannt, doch erlangte es erst durch Hägerstrand Reputation über Schweden hinaus.
Hägerstrands Ziel war es ein Gesellschaftsmodell zu entwickeln, in dem die Beschränkungen des Verhaltens in physikalischen Begriffen wie Zeitdauer, Ausdehnung und Lage im Raum formuliert sind.
Annahmen und Prinzipien der Zeitgeographie
Hägerstrand sah den Urbanisierungsprozess und die einhergehende Agglomeration von Raum als gewisses Problem an. Da bereits seit der Industrialisierung die Ungleichheiten in der Bevölkerung, wirtschaftlich wie auch sozial, immer eklatanter wurden, wollte Hägerstrand mit seiner Raum-Zeit-Geographie die „lebbare Existenz für das Individuum garantieren“ (vgl. Pred, 1981)
Weiterhin kam hinzu, dass die Existenz auch durch Umweltverschmutzung immer mehr gefährdet wurde. Diese Umweltproblematik wurde durch die Industrialisierung noch deutlich verschärft.
Schließlich lag die Intention des schwedischen Geographen darin, durch eine gezielte Stadt- und Regionalplanung bzw. Standortpolitik das „Schicksal des individuellen menschlichen Wesens in einer komplizierter werdenden Umwelt“ (vgl. Pred) zu verbessern.
Constraints, Paths and Projects
Im weiteren Verlauf beschrieb Hägerstrand seinen geographischen Ansatz auch mit den Begriffen „Constraints, Paths and Projects“ (Golledge & Stimson, 1997). Diese Begriffe werden im Deutschen als Beschränkungen, Pfade/Bahnen und Projekte übersetzt.
Die Raum-Zeit-Geographie beschäftigt sich mit der Frage warum Menschen bestimmte Dinge tun bzw. warum sie bestimmte Dinge auch unterlassen. Ziel hiervon ist es, dass menschliche Verhalten, dass sehr komplex ist, zu verstehen und somit adäquate Planung zu ermöglichen.
Zunächst soll hier die Biographie des Individuums erwähnt werden. Das menschliche Leben ist durch Geburt und Tod bestimmt. Nach der Geburt durchläuft der Mensch die verschiedenen Lebensabschnittszyklen, die oftmals mit Standortwechseln verbunden sind. So ziehen junge Erwachsene oft aus dem Elternhaus aus, um zum Beispiel an anderen Orten zu studieren oder einer Arbeit nachzugehen. Diese einzelnen Stationen im Leben des Menschen bestimmen den kontinuierlichen Lebenspfad und somit die Biographie. Der Lebenspfad kann in dynamischen Karten betrachtet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die oben abgebildeten Darstellungen zeigen solche dynamischen Karten.
In den Zeichnungen ist auf der Horizontalachse der Raum („space“) und auf der Vertikalachse die Zeit („time“) abgetragen.
Die erste Abbildung stellt zwei Individuen an verschiedenen Räumen zur gleichen Zeit dar. Man sieht, dass beide zur gleichen Zeit ihre Wohnungen verlassen und beispielsweise abends zur gleichen Zeit wieder zu Hause zu sind. Beiden Pfaden liegen die gleichen Wegstrecken zugrunde, jedoch zu unterschiedlichen Zeiten.
Die zweite Abbildung stellt zwei Individuen dar, die zu verschiedenen Zeiten am gleichen Ort sind. Als Beispiel wären hier Schichtarbeiter zu erwähnen, die die gleiche Arbeitszeit, jedoch zu verschieden Schichten haben.
Im dritten Bild befinden sich beide Individuen schließlich zur gleichen Zeit am selben Ort. Hier kann man Schüler in einer Schulklasse, Kinobesucher oder auch Besucher eines Fußballspiels als Beispiel nehmen.
Raum-Zeit-Prismen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Während der 1960/70er Jahre wurden die sogenannten Raum-Zeit-Prismen entwickelt. Sie stellen kegelförmige Gebilde dar, an Hand derer man die Reichweite des Individuums darstellen kann. In diesen Prismen werden insbesondere Bewegung und Lage („location“) berücksichtigt. Keine Berücksichtigung finden hingegen weitere Faktoren wie Motivation und Intention der Individuen. Obwohl beide Faktoren sicherlich eine Berechtigung zur Aufnahme in solch einem Prisma hätten, sind sie nicht enthalten, da hier keine Datengrundlage besteht. Beide Faktoren sind schwierig zu erfassen, und so nur schwierig zu behandeln.
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Häufig gestellte Fragen
Was ist Hägerstrands Zeitgeographie?
Hägerstrands Zeitgeographie ist ein Ansatz, der die räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des menschlichen Verhaltens untersucht. Er entwickelte das Konzept der Raum-Zeit-Geographie, um die Interaktion zwischen Menschen und ihrer Umgebung unter Berücksichtigung von Zeit, Raum und Beschränkungen zu verstehen.
Wer war Torsten Hägerstrand?
Torsten Hägerstrand (1916-2004) war ein schwedischer Geograph, der für seine Arbeit in der Raum-Zeit-Geographie und der räumlichen Diffusion bekannt ist. Er lehrte an der Universität Lund und trug maßgeblich dazu bei, das Feld der Humangeographie zu prägen.
Was sind die Grundannahmen und Prinzipien der Zeitgeographie nach Hägerstrand?
Hägerstrand sah Urbanisierung und Agglomeration von Raum als Problem. Er wollte mit seiner Raum-Zeit-Geographie eine "lebbare Existenz für das Individuum garantieren" und die Auswirkungen von Ungleichheiten und Umweltverschmutzung durch gezielte Stadt- und Regionalplanung verbessern.
Was sind "Constraints, Paths and Projects" in Hägerstrands Ansatz?
"Constraints, Paths and Projects" (Beschränkungen, Pfade/Bahnen und Projekte) beschreiben die Faktoren, die menschliches Verhalten beeinflussen. Constraints sind Beschränkungen, die durch Raum und Zeit auferlegt werden. Paths (Pfade) sind die Wege, die Individuen im Raum-Zeit-Kontinuum zurücklegen, und Projects (Projekte) sind die Ziele und Aktivitäten, die Individuen verfolgen.
Was sind Raum-Zeit-Prismen?
Raum-Zeit-Prismen sind kegelförmige Darstellungen, die die Reichweite eines Individuums in Raum und Zeit veranschaulichen. Sie berücksichtigen Bewegung und Lage, jedoch nicht Motivation und Intention der Individuen, da hierfür oft keine ausreichenden Daten vorhanden sind.
Wie stellen dynamische Karten Individuen und deren Bewegungen dar?
Dynamische Karten verwenden eine horizontale Achse für den Raum ("space") und eine vertikale Achse für die Zeit ("time"). Sie zeigen die Pfade von Individuen im Raum-Zeit-Kontinuum und veranschaulichen, wie sich ihre Positionen und Aktivitäten im Laufe der Zeit verändern.
Welche Beispiele werden zur Veranschaulichung von Raum-Zeit-Beziehungen genannt?
Beispiele sind: Zwei Individuen an verschiedenen Orten zur gleichen Zeit, zwei Individuen zur gleichen Zeit am selben Ort, und Individuen, die zu verschiedenen Zeiten am gleichen Ort sind (z.B. Schichtarbeiter).
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Geograph Michael Reichert (Autor:in), 2006, Raum-Zeit-Geographie - Zwei Forschungsfelder der Humangeographie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208120