Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Textkritik
3. Textanalyse
3.1 Abgrenzung des Textes
3.2 Sprachlich-Syntaktische Analyse
3.3 Semantische Analyse
3.4 Narrative Analyse
3.5 Pragmatische Analyse
3.6 Feststellung der Kohärenz
4. Quellenkritik
5. Formgeschichte
5.1 Vergleich MK 10,2-12 und MK 12,13-17
5.2 Vergleich mit Mt 19,3-12
6. Traditionsgeschichte
7. Begriffs- und Motivsgeschichte
8. Religionsgeschichtlicher Vergleich
9. Redaktionsgeschichte
10. Quellenangaben
11. Anhang
1. Einleitung
Im Folgenden werde ich die Bibelstelle Mt 19,3-12 nach den Methoden der neutestamentlichen Exegese analysieren.
Mt 19,3-12 behandelt das Scheidungsrecht. Die Pharisäer fragen Jesus, ob man sich scheiden lassen dürfe, dieser sagt ihnen aber, dass Gott die Menschen zusammenfügt und man von Gott Zusammengefügtes nicht trennen dürfe, es sei denn, die Frau habe sich der Hurerei schuldig gemacht.
Die Interpretationsmöglichkeiten des Neuen Testamentes beziehungsweise der Bibel sind sehr vielfältig, sodass es von großer Bedeutung ist, die Textstellen auf unterschiedlichste Art zu untersuchen.
Es gibt von einigen Texten mehrere Varianten, viele kommen mehrmals in der Bibel - oder auch in anderen Schriften - vor. Deshalb ist es als erstes bedeutsam herauszufinden, welche Variante die Ursprungsvariante ist. Dies ist eines der Ziele der Textkritik, die ich im nächsten Punkt vorstellen möchte.
2. Textkritik
Die Textkritik versucht herauszufinden, welcher Text der ursprünglichere ist. Dieses wird in der Regel am griechischen Original gemacht beziehungsweise werden die vorliegenden Texte mit dem griechischen Original verglichen.
Das Verfahren der Textkritik wird in der Regel nach folgenden Punkten gegliedert: Zuerst werden die Varianten des Textes, beziehungsweise der Bibelstelle miteinander verglichen und Unterschiede herausgearbeitet.
Diese Unterschiede werden dann analysiert. Das macht man besonders, um ihr Entstehen herausfinden zu können. Hierbei gilt es nach folgenden Punkten zu suchen:
Fehler beim Abschreiben
(so kann es zum Beispiel sein, dass ähnliche Buchstaben vertauscht wurden sind, Wörter fehlen oder doppelt vorkommen)
Ein kurzer Text wurde ergänzt
(oftmals kommt es vor, dass zum besseren Verständnis oder für die Lyrik eines Textes Ergänzungen hinzugefügt wurden)
Ein schwieriger Text wurde vereinfacht
(damit ihn nach der Vereinfachung eine größere Menge verstehen konnte)
Ungebräuchliche Ausdrücke wurden von gebräuchlichen Ausdrücken ersetzt (meines Erachtens dient auch dies zur Vereinfachung)
Erfahrungsgemäß gilt: Lectio brevis, also der zweite genannte Punkt. Die kürzere Lesart ist vorzuziehen, beziehungsweise als älter/ursprünglicher anzusehen.
Allerdings gibt es auch Ursprungstexte oder Texte, die ursprünglicher sind, die länger sind als die Varianten, deswegen ist es wichtig, alle Punkte genau zu untersuchen. Man versucht so den Originaltext zu rekonstruieren, denn diese sind in der Regel nicht mehr vorhanden.
Für die Exegese von Matthäus 19,3-12 vergleiche ich diese Bibelstelle aus der Zürcher Bibel (aus dem Jahr 2007) mit der Bibelstelle aus der Elberfelder Bibel (aus dem Jahr 2006). Die Textauszüge sind im Anhang.
Da die beiden Textstellen aus unterschiedlichen Bibelübersetzungen kommen, gibt es natürlich sehr viele Unterschiede (so wird zum Beispiel V4 einmal nominal, als „der Schöpfer“ und einmal partizipal, als „der, welcher sie schuf“ aufgelöst, beide Übersetzungen lässt das Griechische aber zu), oder aber die Übersetzung für „πορνεία“ hier ist sowohl Hurerei als auch Unzucht richtig. Gleiches gilt für Verschnittene/Eunuchen.
Ich werde im weiteren Verlauf die wichtigsten Unterschiede herausarbeiten. Zur Vereinfachung wähle ich für die Elberfelder Bibel die Abkürzung „EF“,, sowie für die Zürcher Bibel „Z“.
In Vers 7 steht in der EF Bibel „(...) warum hat denn Mose geboten, einen Scheidebrief zu geben und zu entlassen?“ in der Z Bibel hingegen steht „(...)warum hat dann Mose geboten, ihr einen Scheidebrief zu geben und sie zu entlassen?“
Somit wird in der EF Bibel auf den Pronominialgebrauch verzichtet, es ist also offen, ob es auf einen Mann oder eine Frau gerichtet ist. In der griechischen Version steht aber „ihr“. Also wäre für diese Stelle die Z die ursprünglichere Übersetzung1. In Vers 9 gibt es in der EF ein Textplus, denn dort wird hinzugefügt, dass auch der Ehebruch begeht, der eine Entlassene heiratet. In der griechischen Version steht dies nicht. Also auch hier ist die Z die ursprünglichere In Vers 10 wird in der EB das Pronomen „sein“2 aus dem griechischen Original übernommen, die Z hingegen schreibt „die Jünger“. Hier wäre also die EB Übersetzung die originalgetreuere.
Trotz des 10. Verses komme ich zu dem Schluss, dass die Übersetzung der Zürcher Bibel die Version ist, die dem griechischen Originaltext am ehesten entspricht, da sie in mehreren Punkten eher mit dem Original übereinstimmt als die EB. Lediglich die Auslassung des Proniminalgebrauchs in Vers 10 werde ich im weiteren Verlauf nicht berücksichtigen, da dies eine Veränderung gegenüber des Originals ist.
3. Textanalyse
Nachdem ich mich im vorherigen Punkt für die Version der Zürcher Bibel entschieden habe, werde ich für die Textanalyse auch diese nutzen. In der Textanalyse geht es besonders um den Inhalt des Textes und zwar auf sprachlicher, sowie auf literarischer Ebene. Die Textanalyse bildet somit für alle folgenden Methodenschritte die Grundlage. Es gibt folgende Methoden der Textanalyse:
3.1 Abgrenzung des Textes mit Kontextanalyse
Bei der Abgrenzung des Textes geht es darum, Sinneinheiten festzustellen. Diese bestimmt man vor Allem durch Ortswechsel, Personenwechsel oder Themenwechsel.
Hierbei ziehe ich die Methode der Kontextanalyse mit ein, da ich auch den Makrokontext (Vers 1-2 und 13-14) benutzen werde.
Der erste Themenwechsel und auch Ortswechsel findet bereits im Vers 3 statt, Jesus reist in den Versen 1-3 von Galiläa in ein Land jenseits des Jordans. Zwischen den Versen 2 und 3 findet auch ein Themenwechsel statt. In Vers 2 handelt es noch von einer Heilsgeschichte, wobei ein Neueinsatz in Vers 3 kommt, denn dort tauchen die Phärisäer auf und stellen eine Frage. Gleichzeitig gibt es also auch noch einen Personenwechsel. Somit wäre die erste Sinneinheit Vers 1-2. Danach folgt dann die Frage der Pharisäer und auch die Antwort Jesus. Für mich endet diese Sinneinheit im Vers 9, da in Vers 10 ein Bruch des Handlungsträgers vorzufinden ist.
Während sich Jesus in den Versen 3-9 mit den Pharisäern unterhält, tauchen im Vers 10 die Jünger auf, die vorher nicht erwähnt wurden, deshalb beginnt hier ein neuer Sinnabschnitt, die Jüngerbelehrung.
Nach dem Vers 12 folgt wiederum ein Wechsel der Personen und der Handlung, denn da tauchen die Kinder auf, die von Jesus gesegnet werden.
Man könnte aber die zweite Sinneinheit (V3-V9) noch einmal in zwei Unterteilen, dies wäre nämlich einmal ab Vers 3 und die zweite Sinneinheit ab Vers 7. So würde man jeder Pharisäerfrage und der dazugehörigen Antwort von Jesus (die Zitate aus dem Alten Testament beinhaltet) einen Sinnabschnitt zuteilen
3.2 Sprachlich- Syntaktische Analyse
Hierbei werden die Sprache sowie die Syntax untersucht. Gibt es besondere syntaktische Strukturen oder kommen bestimmte Wortarten häufig vor? Man sucht nach theologischen Leitbegriffen.
In Mt 19,3-12 gibt es besonders viele Substantive und Verben. Durch das Fehlen von Adjektiven kann man darauf schließen, dass es kein narrativer Text ist. Aufgrund von dem Erzählgerüst und dem Frage-Antwort-Verhalten des Textes lässt sich darauf schließen, dass es ein argumentativer Text ist.
3.3 Semantische Analyse
In der Semantischen Analyse werden Wörter mit ähnlichen Bedeutungen, Wortfelder, gesucht und deren Bedeutung analysiert. Außerdem wird die Kohärenz zwischen den Wortfeldern und des Gesamttextes darauf untersucht, ob es Informationslücken gibt. Es gibt zum Einen das Wortfeld der Schöpfung, das aus folgenden Wörtern besteht: der Schöpfer, geschaffen, ursprünglich, von Geburt an.
Und das Wortfeld der Ehe bzw. Scheidung: Mann, Frau, Scheidebrief, Ehebruch, heiraten, ein Fleisch werden.
Dass das Wortfeld der Schöpfung vorkommt, erkläre ich mir damit, da Jesus die Schöpfungsgeschichte zitiert, somit wird dies noch einmal unterstrichen. Auch das Wortfeld der Ehe passt zu dem der Schöpfung, da in der Genesis die Menschen als Mann und Frau geschaffen wurden und somit auch die Ehe geschaffen wurde.
Im Gesamttext gibt es eine Informationslücke in Vers 10, denn der Leser versteht nicht, wieso die Jünger auftreten.
3.4 Narrative Analyse
Bei der Narrativen Analyse werden der Handlungsablauf und die Handlungsträger untersucht, um so herauszufinden wie die Handlung vorangetrieben wird. Dabei sind zum Beispiel Oppositionen, direkte sowie indirekte Rede, Knotenpunkte oder Brüche in der Handlungssequenz herauszuarbeiten.
Da es sich um ein Streitgespräch handelt, sind die Redeanteile sehr hoch. Diese bestimmen auch den Handlungsverlauf.
Die Pharisäer bilden die Opposition zu Jesus und den Jüngern.
Im Vers 12 findet ein Bruch in der Handlungssequenz statt, da die Antwort Jesus, die die Eunuchen beinhaltet, eine „vom Handlungsablauf nicht motivierte Reaktion“3
[...]
1 Siehe Anhang 1
2 Siehe Anhang 1
3 U. Schnelle, Einführung in die neutestamentliche Exegese, Göttingen 2005 S. 57