Der Aufruf „An die Kulturwelt“, auch Manifest der 93 genannt, entstand 1914 durch die Zusammenarbeit des Bühnenautors Ludwig Fulda, der den Text verfasste, Herrmann Sudermann, der diesen in Absprache mit Fulda überarbeitete und dem dichterisch ambitionierten Bürgermeister von Berlin, Georg Reicke, der dem Text seine Thesenform gab. Im sogenannten „Krieg der Geister“ entstanden während dem Ersten Weltkrieg massenhaft Gedichte, Schriften und Aufrufe, doch kein Aufruf aus dem Deutschen Reich wurde im Ausland so oft und so negativ rezipiert wie dieser. Er wurde allgemein als Bekenntnis der deutschen Intellektuellen zum Militarismus bekannt und als solches geschmäht und verachtet. In diesem Manifest leugneten die Verfasser die Gräueltaten deutscher Soldaten an belgischen Zivilisten, behaupteten, der Krieg sei für Deutschland ein Verteidigungskrieg und stellten den Militarismus als einen nicht abtrennbaren Teil der deutschen Kultur dar. Doch was bewegte so viele deutsche Intellektuelle zu dieser Zeit, diesen chauvinistischen und die Wahrheit verdrehenden Aufruf zu unterzeichnen? Und wie rezipierten sie später das Manifest?
Diesen Fragen wird in der Arbeit anhand einer Auswahl von drei Zeugen, die repräsentativ für die Unterzeichner in ihren Meinungen und späteren Verhaltensweisen in Bezug auf das Manifest stehen, nachgegangen. Die ausgewählten Zeugen sind Ludwig Fulda, der Verfasser des ursprünglichen Textes selbst, der berühmte Physiker Max Planck und der Dichter Gerhart Hauptmann.
Eine Untersuchung der Motive der Unterzeichner kann Aufschluss über die Denkweisen der damaligen Zeit geben und ist somit ein wichtiges Mittel, um die Ideologie, die im Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm II. vorherrschte, besser verstehen zu können. Dagegen gibt die Untersuchung der Widersprüche innerhalb der Charaktere Aufschluss darüber, wie sehr oktroyierte Werte die Meinung des Einzelnen beeinflussten. Eine genaue Betrachtung der späteren Rezeptionen des Manifest durch die einzelnen Unterzeichner ermöglicht zusätzlich einen Einblick, wie für die Gewinnung von Unterschriften berühmter Personen manipuliert wurde und wie die jeweiligen Personen nach Aufdeckung des Betrugs darauf reagierten. Im Folgenden sollen nun diese drei Untersuchungen anhand der oben genannten Zeugen durchgeführt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Max Planck
- Motive
- Widersprüche zwischen geistiger Haltung und Unterzeichnung
- Wandel der Meinung und Rezeption des Manifests
- Gerhart Hauptmann
- Motive
- Widersprüche zwischen geistiger Haltung und Unterzeichnung
- Wandel der Meinung
- Ludwig Fulda
- Motive
- Widersprüche zwischen geistiger Haltung und Verfassung des Manifests
- Wandel der Meinung und Rezeption des Manifests
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Motive und die spätere Rezeption des Aufrufs „An die Kulturwelt“ durch ausgewählte Unterzeichner. Sie beleuchtet den Widerspruch zwischen der geistigen Haltung und dem Verhalten der Unterzeichner, insbesondere im Hinblick auf den Militarismus und die Verharmlosung von Kriegsverbrechen. Die Analyse untersucht, wie die Unterzeichner mit dem Manifest in der Folge umgingen und wie ihre Meinungen sich entwickelten.
- Motive der Unterzeichner des Aufrufs „An die Kulturwelt“
- Widersprüche zwischen geistiger Haltung und Unterzeichnung
- Rezeption des Manifests durch die Unterzeichner
- Einfluss des Manifests auf die deutsche Gesellschaft
- Die Rolle von Patriotismus und Nationalismus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Aufruf „An die Kulturwelt“ als ein zentrales Dokument des Ersten Weltkriegs vor und skizziert die problematischen Inhalte und die kontroverse Rezeption. Das Kapitel über Max Planck untersucht seine patriotischen Motive, seine Widersprüche zwischen wissenschaftlicher Haltung und nationalistischem Denken und seinen späteren Rückzug vom Manifest.
Schlüsselwörter
Der Aufruf „An die Kulturwelt“, Manifest der 93, Max Planck, Gerhart Hauptmann, Ludwig Fulda, Militarismus, Patriotismus, Nationalismus, Kriegsverbrechen, deutsche Intellektuelle, Rezeption, Propaganda, Wissenschaftsgesellschaften, Kriegspropaganda, Krieg der Geister, Internationale Beziehungen.
- Quote paper
- Julian Schumertl (Author), 2012, Der Aufruf „An die Kulturwelt“/manifest der 93: Motive und spätere Rezeption einiger Unterzeichner, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208938