Das Passanteninterview zur SHELL-Jugendstudie

Ein Erfahrungsbericht zum Nutzen der Methode


Hausarbeit, 2012

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Gliederung

1. Einleitung

2. Die Methode

3. Die Grenzen und Probleme

4. Der Gewinn und Verlust durch das Passanteninterview
4.1. Die Vorteile
4.2. Die Nachteile

5. Die Anwendbarkeit

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Befragung ist eine der wichtigsten Methoden der Sozialwissenschaften und wird in vielfältiger Weise angewendet. Ob telefonisch, in Form eines Fragebodens oder im direkten Kontakt mit dem Befragten.

Im Rahmen eines Seminars über „quantitative Methoden im Bildungsbereich“ wurde zur Unterstützung eines Referats eine Befragung in einer Fußgängerzone durchgeführt, um ein momentanes Meinungsbild über die SHELL-Jugendstudie zu erfassen.

Im Zuge dieser Befragung sind Auffälligkeiten in den Vordergrund getreten, die diese Art der Befragung positiv oder negativ beeinflussten, ihre Durchführung behinderten oder begünstigten und daher großes Interesse auslösten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in dieser Arbeit vorgestellt und in Verbindung mit der Fachliteratur dazu gebraucht werden, die Methode der Straßenbefragung hinsichtlich ihres Nutzens für die Sozialwissenschaften zu bewerten.

Die Literatur, die sich ganz spezifisch mit dieser Form der Befragung auseinandersetzt ist sehr gering. Zwar finden sich umfassende Bände, welche allgemein die empirischen Methoden beleuchten oder sogar tiefer gehen und sich ausschließlich mit Interviews und Befragungen befassen. Die Straßenbefragung geht dabei jedoch meist unter und wird nur am Rand der Ausführungen mit betrachtet. Diesem Umstand versucht diese Arbeit entgegenzuwirken, um eine ausführliche Betrachtung der Methode zu liefern, anhand derer es möglich ist, über einen Einsatz der Straßenbefragung zu entscheiden bzw. sich dabei ihrer Schwächen bewusst zu sein.

So führt Armin Scholl (vgl. 2003) viele Variablen über die Befragung in seinem gleichnamigen Werk auf und diskutiert sie ausführlich, bezieht sich dabei aber nicht spezifisch und ausschließlich auf die Straßenbefragung. Dennoch reflektiert er gewonnene Ergebnisse und Erkenntnisse oft auch noch einmal im Spiegel der Straßenbefragung. Sein einschlägiges Werk diente als eine theoretische Hauptgrundlage dieser Arbeit, da es sich so ausführlich wie kaum ein anderes Buch mit der Methode der Befragung auseinandersetzt. Unterstützt werden die daraus gesammelten Ergebnisse durch verschiedene Aufsätze aus dem von René König (vgl. 1974) herausgegebenen Sammelband über das Interview, Betrachtungen auf die Thematik aus einem allgemeineren und höher stehenden Standpunkt heraus von Wilfried Laatz (vgl. 1993) und auch dem Vergleich zwischen mündlicher und schriftlicher Befragung von Klaus Konrad (vgl. 1999).

Dabei beleuchtet das zweite Kapitel die Methode an sich und stellt vor allem die selbstgewonnenen Erkenntnisse dar, worauf die darauf folgende Betrachtung der Grenzen und Probleme der Befragung im Allgemeinen zurückgreift und diese speziell für die Straßenbefragung analysiert. Im vierten Kapitel werden schließlich Vor- und Nachteile der Methode genauer untersucht und schließlich auf eine Betrachtung von Anwendungsmöglichkeiten übertragen. Dabei werden innerhalb des Methodenkapitels grafische Darstellungen die aus dem jeweiligen Kapitel extrahierten Erkenntnisse übersichtlich darstellen und dieses Werk auf diese Weise für die praktische und schnelle Anwendung der Methode qualifizieren. Im letzten Kapitel werden die gewonnenen Ergebnisse schließlich noch einmal kanalisiert und gegenübergestellt, um zu einem abschließenden Urteil zu gelangen.

2. Die Methode

Es gibt in der Sozialwissenschaft nicht „das“ Interview sondern stattdessen viele unterschiedliche Situationen, in denen zwei Menschen miteinander interagieren und die als Interview bezeichnet werden können (vgl. Downs/Smeyak/Martin 1980: 4). Wilfried Laatz (vgl. 1993: 103) gibt verschiedene Dimensionen für die Unterscheidung von Befragungen an: offen vs. normiert, mündlich vs. schriftlich, von persönlichen Interviews über Telefoninterviews zu postalischen Befragungen und Einzelbefragungen vs. Gruppeninterview. Die während des Seminars durchgeführte Befragung kann nach diesen Dimensionen als normierte, mündliche, persönliche Einzelbefragung definiert werden. Armin Scholl (vgl. 2003: 31) bezeichnet eine Befragung mit diesen Eigenschaften als Passanteninterview und ordnet dieses in das Feld der persönlich-mündlichen Befragung ein und grenzt es zum Hausinterview und zur „Klassenzimmer“-Befragung ab. Wie bei allen Befragungsformen ist es auch für die Anwendung des Passanteninterviews notwendig, im Voraus Hypothesen zu formulieren und diese angemessen zu überprüfen (vgl. Maccoby/Maccoby 1974: 38). Dabei sieht Armin Scholl verschiedene Voraussetzungen als notwendig an, um den Einsatz dieser spezifischen Interviewart zu rechtfertigen. Zum einen müssen Grundgesamtheit und Ort der Befragung in einer Beziehung zueinander stehen (vgl. Scholl 2003: 32). Dies wäre zum Beispiel erfüllt, wenn Käufer im Stadtzentrum bezüglich ihres Ansprechens auf eine Werbung untersucht werden sollen. Zum Zweiten müssen die Interviews kurz gestaltet werden, weil die befragten Zielpersonen mit einem konkreten anderen Ziel unterwegs sind, wenig Zeit haben und die Situation in der Regel flüchtig ist (vgl. Scholl 2003: 32). Als letztes muss darauf geachtet werden, wie sich externe Faktoren wie das Wetter oder die Tageszeit verhalten. Diese beeinflussen natürlich sowohl den Ablauf der Interviews als auch die Zahl der zur Verfügung stehenden Personen (vgl. Scholl 2003: 32).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Punkte führt Armin Scholl ganz richtig als Faktoren an, die erfüllt sein müssen, um ein Passanteninterview überhaupt als angebracht betrachten zu können. Darüber hinaus bestehen allerdings noch weitere Faktoren, die sich zwar nicht auf die Angebrachtheit eines Passanteninterviews auswirken, sehr wohl aber auf seine Durchführbarkeit, die während der Straßenbefragung im Rahmen des Seminars festgestellt wurden. So stellt beispielsweise nach Hartmut Esser (vgl. 1973: 116ff.) die Fähigkeit zur Rollenübernahme (vgl. Erbslöh 1973: 31), die Bewertung der Situation von Seiten des Befragten, das gelernte Interaktionsverhalten als Grundlage der Interaktionsfähigkeit mit Fremden und die normative Einstellung des Befragten zur Vorgehensweise der Sozialwissenschaften wichtige Grundlagen für ein Interview dar.

Wie von Scholl bereits angemerkt, sollte der Ort in einem thematischen Zusammenhang zum Interview stehen. Darin verbergen sich allerdings neue Problemfelder. Denn ganz gleich welches Thema das Interview hat, wenn es als Passantenbefragung durchgeführt werden soll, läuft die Wahl des Ortes beinahe immer auf ein sehr belebtes Gebiet hinaus. Dies wären in der Regel öffentliche Plätze, Haltepunkte öffentlicher Verkehrsmittel und vor allem Einkaufsstraßen. Dass diese Orte aber eine sehr hohe Zahl an potentiellen Interviewten bieten, lockt auch gelegentlich Schwindler, Kriminelle und sogenannte Promoter an, deren Ziel oftmals darin besteht, durch die Unterschrift eines Passanten an Ort und Stelle etwas zu verkaufen.

Diese Gruppen wirken sich auf unterschiedliche Weise negativ auf das Passanteninterview aus, obgleich sie objektiv gesehen, in keiner Verbindung zu der Befragung stehen. So wird in vielen Fällen prinzipiell jeder Mensch, der in direkter Linie auf Fremde in einer Einkaufsstraße zukommt, als wahrscheinlicher Promoter betrachtet, weshalb ihm mit großem Misstrauen und Gesprächsablehnung entgegengetreten wird. Weil dabei zuerst das Aussehen der Interviewer bemerkt wird, ist dieses keineswegs irrelevant. Falsche Kleidung oder auch falsches Equipment kann zur Verweigerung von Seiten des Interviewten führen. So wird Equipment wie ein Klemmbrett oder anderes Schreibmaterial erneut schnell mit einem Promoter in Verbindung gebracht und löst Misstrauen aus. Aus anderen Befragungserfahrungen in Fußgängerzonen ließen sich auch positive Auswirkungen von bestimmtem Equipment feststellen. Die Aufzeichnung der Befragung auf Video mithilfe einer Kamera und eines externen Mikrofons sorgte dabei für eine sehr hohe Teilnahmerate. Der Grund dafür könnte zum einen darin zu suchen sein, dass ein Mikrofon und eine Kamera den Eindruck eines Fernsehteams erwecken. Sei es nun, dass die Möglichkeit, einmal im Fernsehen zu sein, viele Menschen reizt oder aber, dass eine Straßenbefragung, welche mit einer Kamera aufgezeichnet wird, den Anschein einer Nachrichtensendung verbreitet. Tatsächlich finden sich so allerdings mehr Freiwillige zum Beantworten der Fragen, auch wenn manche nur unter der Bedingung bereit waren auf die Fragen zu antworten, dass die Kamera ausgeschaltet werden sollte. Zum anderen könnte der Grund darin liegen, dass sowohl eine Kamera als auch ein Mikrofon keine Gegenstände sind, die Promoter in der Regel nutzen oder bei sich haben würden. Dies würde sich wiederum in die Erkenntnis einfügen, dass sich die Ähnlichkeit zu den sogenannten Promotern negativ auf die Teilnahme auswirkt.

In diesem Zusammenhang zeigt sich auch ein weiteres Problem: die Anrede bzw. Begrüßung. Keine Befragung kann ohne das Einverständnis des Befragten stattfinden. Um diese allerdings zu erhalten, muss eine Frage des Interviewers vorausgehen, die den Passanten um seine Zeit bittet oder auskundschaftet, ob er bereit wäre, einige Fragen zu beantworten. Nicht anders handeln jedoch auch die Promoter, weshalb der Interviewer große Probleme hat, nicht auch dabei als ein solcher zu erscheinen.

Eine potentielle Lösung wurde während der geführten Straßenbefragung festgestellt und steigerte die Erfolgsquote enorm. Statt mit einer Bitte um Zeit zu beginnen, wurde die Auskunft über die eigene Identität und den Grund der Befragung vorweggenommen. Noch besser funktionierte dies, wenn eine seriöse Institution hinter dem Zweck der Befragung stand. Auf diese Weise konnte folgende Abstufung bezüglich einer erfolgreichen Einwilligung in die Befragung festgestellt werden, die inhaltlich auch von Paul Sheatsley (vgl. 1974: 126) unterstützt wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Basierend auf den Erfahrungen während der durchgeführten Passanteninterviews. Säulen haben keine numerischen oder im tatsächlichen Verhältnis zueinander liegenden Werte.

Weiterhin interessant war die Beteiligungsbereitschaft verglichen zwischen Männern und Frauen sowie älteren Menschen und jüngeren. Sowohl bei den älteren Jahrgängen als auch bei den jüngeren waren die Männer eher bereit, an der Befragung teilzunehmen, als die Frauen. Doch die älteren Frauen waren immer noch wesentlich kooperativer als junge Frauen im geschätzten Alter von sechzehn bis Ende zwanzig. Diese Tatsache verschlechtert das Problem der ohnehin nicht vorhandenen Repräsentativität noch weiter, da im Zweifelsfall ein Überhang an Männern besteht und junge Frauen einen verschwindend geringen Anteil der Antworten darstellen würden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Passanteninterview zur SHELL-Jugendstudie
Untertitel
Ein Erfahrungsbericht zum Nutzen der Methode
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für allgemeine Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Quantitative Methoden im Bildungsbereich
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
21
Katalognummer
V209068
ISBN (eBook)
9783656365792
ISBN (Buch)
9783656366713
Dateigröße
778 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
quantitativ, qualitativ, Methode, Erziehung, Erziehungswissenschaft, Passanten, Passenteninterview, Interview, Befragung, Nutzen, Umfrage, Forschung, Wissenschaft, Straßeninterview, Straßenbefragung
Arbeit zitieren
Jan Seichter (Autor:in), 2012, Das Passanteninterview zur SHELL-Jugendstudie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209068

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