Szenische Texte machen einen gewichtigen Anteil des Bildungsgegenstands im Deutschunterricht aus und es besteht kein Zweifel, dass es im Sinne eines handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts ein praktisches und selbsttätiges Handeln der Schüler erfordert. Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass Kinder, solange sie in die Schule gehen, eine Begeisterung fürs Spielen besitzen und sich körperlich, wie auch sprachlich äußern wollen. Angesichts der Tatsache, dass szenische Texte das Theater bedingen, sollte gerade deshalb den Schülern Raum gegeben werden neben einer möglichen Inszenierung, sich v.a. praktisch und experimentell mit dem Text auseinanderzusetzen. Das handlungsorientierte Untersuchen und Erproben kann aufgegriffen werden, um Zugang zu literarischen Texten zu gewinnen. Gerade dadurch kann das Lesen und vertiefte Nachsinnen über die Literatur amüsanter werden und fördert zugleich die Motivation.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die schulische Umsetzung der szenischen Texte aussieht und wie sie handlungsorientiert in der Schule behandelt werden können. Theaterspiel im Unterricht ist zwar schön und gut, die Schüler sollten jedoch auch verschiedene methodische Arbeitsweisen kennenlernen und sie produktiv am szenischen Text einbringen können. Darauf wird der Fokus in dieser Arbeit gelegt.
Der produktive Umgang soll exemplarisch am Theaterstück „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ von Friedrich Karl Waechter verdeutlicht werden. Zunächst gehe ich auf den Inhalt des Märchens der Brüder Grimm ein, auf dem das Stück basiert und anschließend auf seine Interpretation. Es folgt eine Textanalyse des Theaterstücks, worauf ich einen Bezug zur Dramentheorie nehme und anschließend die didaktisch-methodischen Zugänge aufzeige, worauf ich ein eigenes produktives Beispiel dazu gebe. Zum Schluss erarbeite ich die didaktische Relevanz dieses Stücks für den Unterricht, zeige die Verortung des Themas im Bildungsplan auf und runde es mit einer eigenen Meinung zum Thema ab.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Inhaltsangabe des Volksmärchens „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“
3. Autorenhintergrund
4. Inhaltliche Interpretation des Märchens nach Verena Kast
5. Textanalyse im Hinblick auf die Dramentheorie
5.1 Handlung
5.2 Ort
5.3 Zeit
5.4 Figuren
5.5 Kommunikation
5.6 Form
5.7 Theatersemiotik
6. Methodisch-didaktische Zugangsweisen
6.1 analytische Vorgehensweisen
6.2 handlungsorientierte Vorgehensweisen
6.3 produktionsorientierte Vorgehensweisen
7. Ein ausgearbeitetes methodisches Beispiel
8. Altersempfehlung, didaktische Relevanz und Textauswahlkriterien
9. Bezug zum Bildungsplan
10. Schlussbemerkung
11. Quellenangaben
1. Einleitung
Szenische Texte machen einen gewichtigen Anteil des Bildungsgegenstands im Deutschunterricht aus und es besteht kein Zweifel, dass es im Sinne eines handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts, ein praktisches und selbsttätiges Handeln der Schüler erfordert. Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass Kinder, solange sie in die Schule gehen, eine Begeisterung für Spielen besitzen und sich körperlich, wie auch sprachlich äußern wollen. Angesichts der Tatsache, dass szenische Texte das Theater bedingen, sollte gerade deshalb den Schülern Raum gegeben werden neben einer möglichen Inszenierung, sich v.a. praktisch und experimentell mit dem Text auseinanderzusetzen. Das handlungsorientierte Untersuchen und Erproben kann aufgegriffen werden, um Zugang zu literarischen Texten zu gewinnen. Gerade dadurch kann das Lesen und vertiefte Nachsinnen über die Literatur amüsanter werden und fördert zugleich die Motivation.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die schulische Umsetzung der szenischen Texte aussieht und wie sie handlungsorientiert in der Schule behandelt werden können. Theaterspiel im Unterricht ist zwar schön und gut, die Schüler sollten jedoch auch verschiedene methodische Arbeitsweisen kennenlernen und sie produktiv am szenischen Text einbringen können. Darauf wird der Fokus in dieser Arbeit gelegt.
Der produktive Umgang soll exemplarisch am Theaterstück „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ von Friedrich Karl Waechter verdeutlicht werden. Zunächst gehe ich auf den Inhalt des Märchens der Brüder Grimm ein, auf dem das Stück basiert und anschließend auf seine Interpretation. Es folgt eine Textanalyse des Theaterstücks, worauf ich einen Bezug zur Dramentheorie nehme und anschließend die didaktisch-methodischen Zugänge aufzeige, worauf ich ein eigenes produktives Beispiel dazu gebe. Zum Schluss erarbeite ich die didaktische Relevanz dieses Stücks für den Unterricht, zeige die Verortung des Themas im Bildungsplan auf und runde es mit einer eigenen Meinung zum Thema ab.
2. Inhaltsangabe des Volksmärchens „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“
Das Märchen erzählt von einem besonderen Jungen, der eines Tages von einer armen Frau auf die Welt gebracht wird, der mit einer Glückshaut umgeben ist. Dadurch gilt ihm die Weissagung, dass er im vierzehnten Jahr die Königstochter heiraten werde. Als dies der König erfährt, kommt er getarnt zu dessen Eltern und erbittet für Geld von ihnen das Kind, es selber versorgen zu können. Als er es bekommt, steckt er das Kind in eine Schachtel und wirft es in den Fluss, in der Meinung, es würde umkommen. Dank seiner Glückshaut ertrinkt der Junge nicht, sondern bleibt an einer Mühle hängen, wo ihn ein Müllerbursche findet und ihn anschließend das kinderlose Müllerehepaar aufnimmt und großzieht. Als der Bursche vierzehn Jahre alt ist, ereignet sich, dass der böse König aufgrund eines Gewitters bei den Müllerleuten einkehrt und erfährt, dass es sich bei ihrem Jungen um ein Findelkind handelt. Er erkennt dieses als das Glückskind und schickt ihn mit einem Brief an die Königin. Diese soll den Inhalt des Briefes ausführen, das Kind nämlich unverzüglich töten.
Auf dem Weg zum Königsschloss verläuft sich der Bursche jedoch im Wald und kommt an ein Waldhäuschen, das sich als eine Räuberhütte entpuppt. Darin ist eine alte Frau, die er bittet über Nacht bleiben zu dürfen. Die alte Frau will das Kind zunächst nicht behalten und warnt es vor den gewalttätigen Räubern, erlaubt es schließlich zu bleiben, da das Kind entschlossen verkündet, keine Angst vor ihnen zu haben. Tatsächlich bemitleiden ihn später die Räuber, die seinen Brief, während er schläft, lesen und ihn mit einer anderen Botschaft vertauschen, nämlich den Burschen umgehend mit der Königstochter zu vermählen.
Somit kommt der Junge an den Königshof, wo die Verheißung eintritt. Nachdem der König erfährt, dass sich das Schicksal des Jungen letztlich doch durchgesetzt hat, gibt er nicht auf und versucht erneut, ihn ins Verderben zu bringen. Nun verlangt er von ihm, drei goldene Haare des Teufels zu holen, um die Prinzessin behalten zu dürfen. Das Glückskind, das sich vor Niemandem fürchtet, begibt sich sogleich auf den Weg zur Hölle.
Zunächst kommt er an ein Stadttor, dessen Wächter ihn um einen Gefallen bitten, weil der Junge ihm versichert, dass er alles wüsste. Der Wächter möchte erfahren, weshalb ihr Stadtbrunnen, aus dem früher Wein quoll, heute weder Wein noch Wasser hervorbringt. Das Glückskind verspricht ihm eine Antwort und läuft erstmal weiter, wo er zu einer anderen Stadt kommt, vor dessen Tor erneut ein Wächter steht und ihn ebenfalls um die Lösung eines Problems seiner Stadt fragt. Sie besitzen einen Apfelbaum, der immer goldene Äpfel trug, auf dem aber nun nicht einmal Blätter wachsen. Auch hier versichert er Antwort und geht weiter. Als er an ein großes Wasser kommt, begegnet ihm der Fährmann, der ihn ans andere Ufer bringt, der allerdings auch eine Frage an den Jüngling stellt. Er möchte wissen, weshalb er immerzu hin- und her fahren muss, aber niemals abgelöst werde.
Auf der anderen Seite findet das Glückskind alsbald die Hölle und trifft im Eingang zu Beginn auf des Teufels Ellermutter (Großmutter) und erbittet von ihr Hilfe, drei Haare vom Teufel zu ergattern und die drei Fragen zu lösen, die ihm auf dem Weg gestellt wurden. Aus Mitleid verwandelt sie ihn in eine Ameise und versteckt ihn in einer ihrer Rockfalten. Als der Teufel kommt, lässt er sich von der Großmutter lausen und schläft ein. Dreimal rupft sie ihm ein Haar heraus und erfragt ihn nacheinander die Fragen des Jünglings, indem sie sie als ihre ungelösten Träume ausgibt. Der weise Teufel beantwortet alle drei Fragen: eine Kröte sitzt im Brunnen und wenn sie getötet wird, bringt der Brunnen wieder Wein, eine Maus nagt an den Wurzeln des Apfelbaumes, der wieder goldene Äpfel bringt, wenn die Maus gleichermaßen getötet wird und der Fährmann kann vom nächsten Fahrgast abgelöst werden, wenn er ihm die Stange in die Hand drückt.
Zufrieden mit den Antworten, begibt sich das Kind dankbar wieder auf den Rückweg. Er lässt sich erneut vom Fährmann über das Wasser fahren und gibt ihm anschließend, als er ans andere Ufer kommt, den weisen Rat. Sein Pfad führt ihn erneut über dieselben zwei Städte, wo er gleichfalls Antworten für ihre Probleme vorlegt. Dafür bekommt er jeweils zwei mit Gold beladene Esel als Belohnung.
Zum Schluss bekommt auch der König sein Erbetenes, worauf er ihm seine Tochter nicht mehr verweigern kann. Auf die habgierige Nachfrage, woher er das Gold erworben habe, antwortet ihm der Jüngling, dass es auf der anderen Seite des Ufers des großen Wassers wie Sand zu finden sei. Der König bricht sofort auf und lässt sich vom Fährmann ans andere Ufer fahren. Letzten Endes drückt ihm der Fährmann die Stange in die Hand und der König muss fortan an seiner Stelle den immerwährenden Dienst übernehmen.
3. Autorenhintergrund:
„Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ ist eines der zahlreichen Kinder- und Hausmärchen, die von Jakob und Wilhelm Grimm gesammelt wurden. Darauf basierend entwarf der Graphiker, Zeichner und Schriftsteller Friedrich Karl Waechter 1975 ein Theaterstück, das denselben Titel enthält und dessen Uraufführung im Jahre 1981 in München stattfand. Waechter konzipierte für alle seine Kinder-Theaterstücke das ‚Erzähltheater’, das sogar ausschließlich von einem Schauspieler dargestellt werden kann (vgl. F. K. Waechter 2009). Viele dieser Erzähltheaterstücke, sind für Grundschüler gedacht und stechen dementsprechend durch einen sprachlichen und theatralischen Witz hervor. Es ist jedoch von Bedeutung zu erwähnen, dass die ursprüngliche Ausgabe des Theaterstücks „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ für kein Erzähltheater, sondern für mehrere Schauspieler gedacht war (vgl. F. K. Waechter 2007/08). Die erste Fassung, das von 51 verschiedenen Rollenspielern besetzt wird, ist allerdings durch Figurenaufteilung auch von acht Darstellern realisierbar (vgl. Waechter 1988, S.98f).
4. Inhaltliche Interpretation des Märchens nach Verena Kast
Der Erzählung nach, besitzt der Junge eine Glückshaut. Im „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“ kann man nachlesen, dass man unter einer Glückshaut eine Eihaut versteht, die ein Embryo umgibt, die bei der Geburt nicht wie üblich abstreift, sondern als Rest am Kopf des Säuglings zurück bleibt. In diesem Falle wird verdeutlicht, dass er wie üblicherweise alle Märchenhelden und -heldinnen, ein außergewöhnliches Schicksal verfügt und die Glückshaut ihm als Glücksbringer dient (vgl. Kast 1985, S.24, 28). Dessen ungeachtet lässt sich allerdings erkennen, dass diese Vorhersehung die Gefahren, die der Junge erlebt, nicht vorwegnimmt (vgl. ebd., S.24f). Betrachtet man die Persönlichkeit des Glückskindes, scheint er sich sicher auf sein Schicksal zu verlassen und eine gesunde Selbstüberzeugung zu besitzen, indem er unerschrocken „Ich weiß alles.“ ausrufen kann (vgl. ebd., S.30) und mutig zu neuen Abenteuern voranschreitet.
Im Gegensatz zum Glückskind steht der König als Gegenspieler, der sich an alte Systeme bindet und Fortschrittsfeindlich eingestellt ist. Darüber hinaus ist er von einer ungezügelten Habsucht gekennzeichnet (vgl. ebd., S.25). Um alles beim Alten zu belassen, setzt der König jede Mittel ein, um einer Erneuerung entgegen zu wirken. Offensichtlich legt er sich mit dem Schicksal an (vgl. ebd., S.44). Von Verena Kast wird der König folgendermaßen beschrieben:
„Der König personifiziert die herrschende Bewußtseinseinstellung [sic], die herrschende Überzeugung, die kein Schicksal anerkennen will, die nicht wahrhaben will, das [sic] unser Leben eine besondere Bedeutung haben kann, sondern die Idee vertritt, daß [sic] menschliches Handeln stärker ist als alles Schicksalsmäßige“ (ebd., S.44).
Der König hatte von Anfang an die Überzeugung, dass seine Pläne ausgeführt würden, hatte aber sicherlich keineswegs geahnt, dass der Junge selbst das Land, das unter seiner Führung litt, zu einer Wiederherstellung bringen würde (vgl. ebd., S.102). Bis zum Ende bringt der König keine Änderung mit sich, sondern hält an seiner Gier fest, die ihn schließlich zu Grunde richtet. Nun muss er „für seine Sünden “, für die Gefangenschaft, die er in seinem Land zugelassen hatte, büßen und den Platz des Fährmanns einnehmen (ebd., S.103).
Betrachtet man die leiblichen Eltern des Jungen, ist es einerseits beeindruckend, wie viel Glauben sie in die Weissagung setzen. Auf der anderen Seite jedoch erscheint der Verkauf ihres eigenen Kindes um des Geldes willen als gefühllos und kaltherzig (vgl. ebd., S.43). Vor diesem Hintergrund passt die leibliche Mutter nicht in die Rolle der „weiblichen Figur“ des Märchens, da die restlichen Frauen als behilflich dargestellt werden, denen man vertrauen und bei denen man sich sicher fühlen kann (ebd., S.55, 61). Die Ellermutter beispielsweise offenbart sich zwar als hilfsbereit, allerdings aber auch als heimtückisch (vgl. ebd., S.85). Trotz dessen zeigt sie durch das Lausen des Teufels „eine mütterliche Geste“, was ebenfalls als ein zärtliches Verhältnis zwischen dem Teufel und ihr zu verstehen ist (ebd., S.92).
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