Die falschen Freunde „Razzia“ und „Blitz“ im Deutschen und Italienischen und deren Bedeutungsähnlichkeit

Eine Fallstudie


Hausarbeit, 2012

31 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Falsche Freunde
2.1 Definition
2.2 Typisierung der Falschen Freunde
2.2.1 Klassifizierung nach Kroschewski
2.2.2 Klassifizierung nach Chamizo-Dominquez

3. Fallstudie blitz (ital.) und Razzia (dt.)
3.1 Razzia
3.1.1 Definition des dt. Razzia und des ital. razzia
3.1.2 Herkunft und Bedeutungsentwicklung
3.2 blitz
3.2.1 Definition des dt. Blitz und ital. blitz
3.2.2 Herkunft und Bedeutungsentwicklung

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Anlass zum Verfassen dieser Arbeit war das Bemerken einer Kuriosität im journalistischen Sprachgebrauch des Italienischen. Es geht hier um die Verwendung des Nomens blitz, welches offensichtlich aus dem Deutschen übernommen wurde, nicht aber in seiner Bedeutung. Anders als im Deutschen impliziert blitz in Italien nicht das Naturphänomen bei Gewitter, sondern wird im Zusammenhang mit polizeilichen Aktionen verwendet. Es schien in diesem Kontext mit der deutschen Razzia zu korrespondieren, welche wiederum eine Entlehnung aus der italienischen Sprache zu sein scheint. Eine Entlehnung der Wortform wohlgemerkt, jedoch nicht der Bedeutung.

Ziel dieser Arbeit wird sein, die Herkunft des deutschen Razzia und des italienischen blitz zu untersuchen und die diachrone Bedeutungsentwicklung der Nomen zu illustrieren, um in diesem Zusammenhang das Phänomen, d.h. den Grund der Bedeutungsdifferenz zwischen den beiden Nomen erklären zu können.

Beide Fälle sind zu den Falschen Freunden zu zählen, auf die im ersten Teil der Arbeit näher eingegangen wird.

Zu Beginn soll erläutert werden, worum es sich bei den Falschen Freunden handelt, was anhand verschiedener Definitionen geschehen soll. In der Sprachwissenschaft herrscht in diesem Punkt noch teilweise Uneinigkeit, aus diesem Grunde lassen sich bei den generischeren Definitionen leichte Abweichungen feststellen, doch bleibt ihre Essenz gleich. Auf Erklärungen im engeren Sinne werde ich nicht eingehen, da sie sich je nach Autor unterscheiden und eine umfangreichere Untersuchung erfordern würden.

Im dritten Kapitel werden die Typisierungsversuche von Kroschewski und Chamizo-Domínquez erläutert, zwei Autoren, die sich bisher am genausten mit dem Phänomen der Falschen Freunde befasst haben und Differenzierungen unternehmen, welche ich für allgemeingültig halte. Chamizo Domínquez ist tatsächlich der letzte Autor, welche eine solche Unterscheidung unternimmt und der erste, der diese unter Einbezug mehrerer Sprachen ausmacht, während Kroschewski sich auf das Deutsche und Englische beschränkt. Sie allerdings ist die einzige Sprachwissenschaftlerin, die eine sehr kleinteilige Differenzierung vornimmt und das Auftreten Falscher Freunde sehr eingehend beschreibt, weswegen ich ihr Werk als eines der wichtigsten für das Verständnis des Phänomens ansehe. In der Tat sollen die Typisierungsversuche einen tieferen Einblick in die Materie gewähren, zugleich lässt sich aber auch der Mechanismus Falscher Freunde verstehen.

Diesen illustriere ich anschließend detaillierter anhand des konkreten Beispiels von blitz und Razzia, die ich beide separat untersuchen und die Ergebnisse schließlich im Fazit zusammenführen werde.

2. Falsche Freunde

2.1 Definition

Die Definition der Falschen Freunde (engl. false friends) finden wir bei Hadumod Bußmann (2008:189) unter der französischen Bezeichnung „Faux Amis“. Dies ist damit zu begründen, dass die Falsche-Freunde-Forschung durch die beiden französischen Autoren Maxime Kœssler und Jules Deroquigny und ihrer Arbeit „Les faux amis ou les trahisons du vocabulaire anglais (Conseils aux Traducteurs)“ (1928) ins Leben gerufen wurde (vgl. Kroschewski 2000:5). In dem Vorwort definiert Kœssler die „Faux Amis“ als „termes en apparence identiques aux mots français, mais qui signifient tout autre chose“ (Kœssler/Deroquigny 1928:XI; in: Kroschewski 2000:25), also als Wörter, welche formal dem Französischen ähnlich sind, aber etwas anderes bedeuten.

Heute bleibt die Definition und auch das Phänomen der Faux Amis oder Falschen Freunde (FF) nicht mehr ausschließlich auf das Französische beschränkt, sondern betrifft gleichwohl alle Sprachen.

Bußmann zufolge handelt es sich bei den Falschen Freunden (FF) um Wortpaare verschiedener Sprachen, die trotz formaler Ähnlichkeiten verschiedene Bedeutungen aufweisen und daher zu Missverständnissen und Interferenzfehlern führen (s. Bußmann 2008:189). Interferenzfehler in diesem Kontext bezeichnen die unangemessenen, falsche Anwendung muttersprachlicher Strukturen in einer Zweit- oder Fremdsprache wie bzw. die Aussprache des englischen this von deutschsprachigen Englischlehrern als [zis] (s. Bußmann 2008:301).

Nach Eckhard Roos (2001:110) werden unter Falschen Freunden in der Fremdsprachendidaktik sprachliche Einheiten verstanden, die auf der Formseite Übereinstimmungen aufweisen würden, ohne sich aber inhaltlich zu ähneln. Die formale Gemeinsamkeit, auch Korrespondenz genannt, führt den Lerner zur Gleichstellung der jeweiligen Formen und somit zu Fehlern (s. Roos 2001:110), es kommt also zu Interferenzfehlern.

Auch Chamizo Domínguez (2008: 1) erklärt, dass sich der Begriff der false friends auf ein spezifisches Phänomen der linguistischen Interferenz bezieht. Dabei seien zwei gegebene Wörter in zwei oder mehreren Sprachen graphisch und/oder phonetisch gleich oder sehr ähnlich. Anders ausgedrückt seien sie jene Wörter, die ihren Signifikanten, das was bezeichnet wird, teilen, sich aber absolut oder partiell in ihrer Bedeutung unterscheiden würden.

Mit Saussure ausgedrückt hieße dies:

In the learner´s mother tongue a particular signifiant [Hervorh. i. Orig.] is associated with a particular signifié [Hervorh. i. Orig.]. Once the signifiant [Hervorh. i. Orig.] appears, even in a foreign-language contect, the above-mentiones association is so strong tha te user automatically thinks of his mother-tongue signifié [Hervorh. i. Orig.] (in its totality). (Hayward/Moulin 1984:190)

Anhand des Zitats lässt sich die Art der linguistischen Interferenz identifizieren, die hier thematisiert wird: Sie entsteht durch die Gleichsetzung der Bedeutung eines in seiner Totalität bekannten Wortes, meist eines der Muttersprache, mit einem anderen, welches allerdings entweder nur in einigen semantischen Merkmalen oder semantisch gar nicht mit dem Ausgangswort übereinstimmt. Die fälschliche Gleichsetzung wird durch Übereinstimmungen in der „Formseite“ (Roos 2001:110) oder anhand von „formalen Ähnlichkeiten“ (Bußmann 2008:189) gerechtfertigt.

Burkhard Dretzke und Margaret Nester (2001:4) gehen bei ihrer Definition detaillierter auf diese „formale Ähnlichkeiten“ oder „Formseite“ ein: Falsche Freunde seien „items“ (Dretzke, Nester 2001:4), die wegen ihrer orthographischen, grammatikalischen, phonetischen, besonders aber aufgrund ihrer lexikalischen Analogie zu einem inkorrekten Gebrauch und folglich zu Fehlern führe (s. Dretzke, Nester 2001:4). Hier ist zu erkennen, dass bereits erste Schritte zur Kategorisierung der Falschen Freunde vorgenommen werden, die allerdings oberflächlich bleiben und nicht weiter erläutert werden. Mit den einzelnen Typen Falscher Freunde möchte ich mich aber erst in folgendem Unterkapitel auseinandersetzen.

Aufgrund der vorangegangenen Definitionen, kann resümierend festgehalten werden, dass Falsche Freunde Wortpaare zweier oder mehrerer verschiedener Sprachen sind, welche sich formal ähneln, weswegen der Lerner dem Trugschluss unterliegt, dass nicht nur die Form der Wörter gleich ist, sondern infolgedessen auch ihre Bedeutung. Bußmann (2008:189) führt einige Beispiele hierfür an. Z.B. entspricht das deutsche Nomen Figur dem französische figure, was aber ´Gesicht` bedeutet, das deutsche kalt ähnelt dem italienischen caldo, was aber ´warm` heißt, das deutsche sensibel steht im Widerspruch zum englischen sensible, was man mit ´vernünftig` korrekt übersetzt, und schließlich ähnelt das deutsche Präsidium dem spanischen presidio, welches aber ´Gefängnis` bedeutet (vgl. Bußmann 2008:189).

Das Phänomen der Falschen Freunde ist durch die unterschiedliche sprachhistorische Entwicklung der betreffenden Sprachen zu erklären. Dies wird meine Fallstudie herausstellen und kommt bereits zuvor in den nachfolgenden Kategorisierungsversuchen zur Sprache.

2.2 Klassifizierungsversuche Falscher Freunde

2.2.1 Typisierung nach Kroschewski

Wie in der Einleitung angemerkt, ist Kroschewski die Sprachwissenschaftlerin, die sich in ihrer Arbeit „«False Friends» und «true friends»“ (2000) am detailliertesten mit dem Phänomen der Falschen Freunde auseinandersetzt und eine sehr kleinteilige Klassifizierung vornimmt.

Vorab unterscheidet sie zwischen intralingualen und interlingualen Falschen Freunden, d.h. sie orientiert sich an der Frage, ob Abweichungen innerhalb einer Sprache oder zwischen verschiedenen Sprachen vorhanden seien (vgl. Kroschewski 2000:69).

Unter die Spalte der interlingualen Falschen Freunde fallen etwa acht verschiedene Typen: orthographische, phonologische, morphologische, semantische, syntaktische, idiomatische, pragmatische und textlinguistische Falsche Freunde, wobei die letzten vier hier aufgrund mangelnder Relevanz unberücksichtigt bleiben.

Orthographische Falsche Freunde verursachen in der Regel kaum Verständnisprobleme, da sich die Wortpaare lediglich durch geringfügige orthographische Differenzen, also Differenzen in der Rechtschreibung, voneinander unterscheiden und kaum die Bedeutung beeinträchtigen (z.B. engl. Centre und dt. Center, oder engl. title und dt. Titel). Die Wörter würden hier also als gleich wahrgenommen, sodass der Lerner die vom Muttersprachlichen abweichenden Elemente nicht wahrnehme oder sich in einer konkreten Situation nicht an diese erinnert könne. Infolgedessen übertrage er die muttersprachliche Schreibweise auf die der zu erlernenden Sprache (vgl. ebd.:74).

Kroschewski macht allerdings auch deutlich, dass die Meinungen in der Fachwelt über die Existenz orthographischer FF auseinandergehen. Es werde bzw. die Ansicht vertreten, dass ein orthographischer FF nur dann einer ist, wenn aus dem Interferenz-Fehler ein Wort mit veränderter Bedeutung entstehe (vgl. ebd.:76). Letztendlich aber ist es dem Lerner selbst überlassen, ob er den orthographischen FF als solchen anerkennt oder ihn aus der Klassifizierung ausklammern möchte.

Viele der orthographischen FF sind auch phonologische. Sie ergeben sich aus phonologischen wie auch aus phonetischen Aspekten (wobei Kroschewski sich auf die phonologischen konzentriert), hier wird die Aussprache thematisiert, welche „interferenzgefährdet“ (s. ebd.:78) ist. Lerner übertrügen häufig aufgrund ihres sprachlichen Vorwissens die vertraute Aussprache der ersten Sprache auf ein vermeintlich formgleiches Wort der zweiten und meist bestätige die orthographische Ähnlichkeit ihre Annahme (vgl. ebd.). Es kann hierbei zu Interferenzen kommen, die zu Bedeutungsveränderungen und Kommunikationsstörungen führen. Ein häufig auftretendes Phänomen in diesem Kontext sei die finale Auslautverhärtung des Deutschen, welche bspw. dazu führe, dass head (dt. ´Kopf`) wie hat (dt. ´Hut`) oder live (dt. ´live`) wie life (dt. ´Leben`) ausgesprochen würden (vgl. ebd.:80). Im Deutschen werde die Differenz zwischen stimmhaft und stimmlosen Auslaut neutralisiert, im Englischen nicht, wo der stimmhafte Auslaut von live eine Distinktion zu dem stimmlosen von life vornehme. Deutsche Sprecher würden in der Regel aber dazu tendieren live stimmlos zu artikulieren. Dies führe oft zu Verwechslungen, da die jeweiligen Gesprächspartner jeweils eine andere Referenz beim Sprechen wie auch beim Verstehen herstelle (vgl. ebd.).

Morphologische FF stehen mit dem Aspekt der Wortbildung in Verbindung, werden von Kroschewski aber nicht näher definiert. Die Beispiele, welche sie benennt, sind die der fehlerhafte Suffigierung bzw. Präfigierung. Der Fall scheint der zu sein, dass ein Lerner eine Formähnlichkeit von einem Präfix oder Suffix der zweiten Sprache mit einem der ersten feststellt, folglich deren Bedeutung gleichsetzt und anhand dessen auf die Gesamtbedeutung des Wortes der zweiten Sprache schließt, welche aber nicht korrekt ist.

Ein Beispiel für bedeutungsunterscheidende Suffixe seien die so genannten „dual adjectives“ (s. ebd.:83), welche sich im Englischen durch die Endung -ic und -ical ausdrücken, wie z.B. bei economic ´wirtschaftlich` und economical ´sparsam` (vgl. ebd.).

Auch gibt es die Fälle, in denen die Adjektivendung -ic zu dem Fehlschluss verleiten ließe, dass alle diese Wörter auch einem deutschen Adjektiv entsprächen. Sceptic, cynic und critic heißen aber nicht ´skeptisch`, ´zynisch` oder ´kritisch`, sondern ´Skeptiker`, ´Zyniker`und ´Kritiker`. Diese Fälle würden unter dem Begriff „kategoriale FF“ zusammengefasst. Dem gegenüber stünden die „intrakategoriale[n] FF“ wie etwa bei critic, welches nicht auf die Tat, sondern auf die Person referiere. Die Tat dagegen, also die ´Kritik` hieße im englischen review oder critique (vgl. ebd.:84).

Als Beispiele für Interferenz-Fehler bei Präfixen referiert Kroschewski auf das Beispiel inflammable. Das Präfix in- könne den Lerner irreführen, da es ihm suggeriere, als Negation des Adjektives flammable intendiert zu sein, wie es bei den deutschen Adjektiv inaktiv, instabil bzw. Und auch aus intrasprachlicher Sicht bei dem englischen Eigenschaftswort independent der Fall ist.

Wie aus dem Vorangegangenen ersichtlich ist, stehen morphologische FF in einer engen Relation zu den semantischen FF, welche formähnliche Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung oder Bedeutungsstruktur meinen (s. ebd.:85). Semantische FF werden in Hinsicht des Übereinstimmungsgrades und -art der betroffenen Lexeme hin untersucht. Kroschewski unterscheidet hier zwischen partiellen, absoluten bzw. „halbehrliche[n]“ und „unehrliche[n] Freunde[n]“ (s. ebd.:89) und den Pseudo-Anglizismen, also - um es allgemeingültiger auszudrücken - den Pseudo-Lehnwörtern.

[...]

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Die falschen Freunde „Razzia“ und „Blitz“ im Deutschen und Italienischen und deren Bedeutungsähnlichkeit
Untertitel
Eine Fallstudie
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Veranstaltung
Sprachwandel und Sprachvarietät
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
31
Katalognummer
V209204
ISBN (eBook)
9783656370697
Dateigröße
589 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
eine, fallstudie, falschen, freunde, razzia/razzia, blitz/blitz, deutschen, italienischen, hinblick, bedeutungsähnlichkeit
Arbeit zitieren
Helena Milas (Autor:in), 2012, Die falschen Freunde „Razzia“ und „Blitz“ im Deutschen und Italienischen und deren Bedeutungsähnlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209204

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