Die Guillotine - humanes Tötungsinstrument oder Werkzeug der Schreckensherrschaft ?


Hausarbeit, 2003

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Eine Maschine zum Wohle der Menschheit
2.1 Idee und Konstruktion der Guillotine
2.2 Der erste Einsatz
2.3 Das prominenteste Opfer

3 Die Guillotine in der Schreckensherrschaft
3.1 Das Werkzeug der Terreur…
3.2 Der Kult
3.3 Die öffentliche Inszenierung

4 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Guillotine hat wie kaum ein anderes Hinrichtungsinstrument das Grauen und die Phantasie der Menschheit angeregt. Mit den Ereignissen der Französischen Revolution ist sie insbesondere als Symbol der jakobinischen Schreckensherrschaft, die von September 1793 bis zur Hinrichtung Robespierres am 28. Juli 1794 andauerte, untrennbar verbunden. Die im Jahre 1789 von ihrem ‚Schöpfer’ Dr. Joseph Ignace Guillotin aus humanistischen Beweggründen erdachte Maschine sollte in erster Linie einen Zweck erfüllen: die möglichst schmerzlose Tötung eines zur Höchststrafe verurteilten Delinquenten. Auf den ersten Blick mag ein Zusammenhang zwischen den Begriffen ‚human’ und ‚Tötung’ paradox erscheinen, lenkt man jedoch den Blick auf die praktizierten Hinrichtungsarten des ‚Ancien Régime’ wobei an dieser Stelle lediglich das ‚Vierteilen’ genannt sei - erscheint die ‚Erfindung’ Dr. Guillotins in einem ganz anderen Licht: „Als [im Jahre 1757] Robert-Francois Damiens Ludwig XV. durch einen Messerstich leicht verletzt hatte, wurde er zum Tod durch Vierteilen verurteilt, jener Strafe, die auf Königsmord stand. […] Damiens starb nicht, weil es den Pferden nicht gelang, ihm die Glieder auszureißen. Schließlich mußte der Scharfrichter die Gliedmaßen mit dem Messer abtrennen.1 “ Obgleich die Guillotine als Mittel zur humanen Tötung konzipiert und dem verurteilten Opfer die menschliche Würde im Augenblick seines Ablebens garantierten sollte, vollzog sich im Verlauf der Französischen Revolution ein Bedeutungswandel dieses mechanischen Instruments welches zugleich als ‚Rasiermesser der Nation’ verspottet, gefürchtet und zugleich als ‚Sainte Guillotine’ Gegenstand eines ‚Kults der Vernunft’ in ‚roten Messen’ verehrt und gepriesen wurde.2

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den Bedeutungswandel dieses technischen Artefakts vom ursprünglich konzipierten Tötungsinstrument zum Werkzeug der Terreur - und die damit verbundenen Frage nach der Humanität der Guillotine zu untersuchen. Als Literaturgrundlage dient zum einen die Publikation von Daniel Arasse (Die Guillotine. Die Macht der Maschine und das Schauspiel der Gerechtigkeit), an dessen Herangehensweise sich die vorliegende Arbeit in starkem Maße orientiert, während sich das Werk von Guy Lenôtre (Die Guillotine und die Scharfrichter zur Zeit der französischen Revolution) - wie bereits der Titel erkennen lässt - den Blick insbesondere auf die Exekutivorgane der Justiz richtet. Abschließend sei die von Alister Kershaw verfasste Geschichte des ‚mechanischen Fallbeils’ sowie die Gesamtdarstellung von Jürgen Martschukat über die Geschichte der Todesstrafe vom 17. bis zum 19. Jahrhundert genannt.

2 Eine Maschine zum Wohle der Menschheit

2.1 Idee und Konstruktion der Guillotine

Am 1. Dezember 1798 hielt der Arzt und Abgeordnete des Dritten Standes, Dr. Joseph Ignace Guillotin eine Rede vor der Nationalversammlung in Paris, die sich zu diesem Zeitpunkt mit einer Neuordnung des Strafrechts befasste. Im Rahmen dieser Gesetzesdebatte stellte Guillotin der Versammlung einen Antrag vor, der sechs Artikel enthielt und als einziger Bestandteil seiner Rede für die Nachwelt erhalten geblieben ist. Neben der Forderung, alle „Vergehen der gleichen Art“3 durch eine gleiche Strafe zu ahnen, sollte die Ehre der Familie des Schuldigen unangetastet bleiben und jegliche Benachteiligung im beruflichen und sozialen Umfeld ausgeschlossen werden. Am wichtigsten ist jedoch der folgende Artikel: „In allen Fällen, in denen das Gesetz die Todesstrafe für eine angeklagte Person vorsieht, soll die Strafart die gleiche sein, welches Verbrechens sie sich auch immer schuldig gemacht hat; der Verurteilte soll enthauptet werden; dies geschieht mit Hilfe einer einfachen Mechanik.“4

In seiner Rede begründete Guillotin seine Forderung nach einer Todesstrafe, die für alle Menschen trotz ihres unterschiedlichen Standes gelten solle, mit dem Verweis auf die bis dato praktizierten Folter- und Hinrichtungsmethoden des Ancien Régime - „Galgen, Rad, Blutgerüst, Marterpfahl und Scheiterhaufen; barbarische Folterungen von einem barbarischen Feudalsystem ausgeklügelt“5. Das Abtrennen des Kopfes mittels dieser ‚Mechanik’ stellt also, im Vergleich mit den bereits erwähnten Methoden, eine geradezu menschliche Dimension des Strafens dar, die der Arzt und Philanthrop in seiner Rede folgendermaßen beschrieben haben soll: „der Mechanismus wirkt wie der Blitz; der Kopf rollt, das Blut spritzt, der Mensch ist nicht mehr.“6 Alles, was der Delinquent spüre, sei lediglich „eine leichte Frische am Hals“7. Die Abgeordneten reagierten mit Gelächter und Begeisterung auf den Vorschlag des Arztes; auch die Reaktion der Presse war durchaus positiv.8 Dennoch konnten sich die Abgeordneten nur zur Legalisierung des ersten Artikels entschließen, der eine einheitliche Strafe bei Verbrechen gleicher Art vorsah, „welchem Rang und Stand die Schuldigen auch immer angehören mögen“9. Eine Verabschiedung weiterer drei Artikel erfolgte jedoch erst am 21. Januar 1790.

Die Debatte über Guillotins wichtigsten Vorschlag wurde beharrlich hinausgezögert und fand schließlich am 3. Juni 1791 - nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern der Todesstrafe - die Zustimmung der Versammlung. Demzufolge sollte jedem zum Tode Verurteilten von nun an der Kopf abgetrennt werden. Dass Guillotin in seinen Artikeln nicht die gänzliche Abschaffung der Todesstrafe forderte, entsprach dem geistigen Klima seiner Zeit: Obgleich der Einsatz der „Höchststrafe von Juristen und Philosophen heftig diskutiert [wurde], […] war zum damaligen Zeitpunkt eine Abschaffung der Todesstrafe noch nicht denkbar“10. Das Bemerkenswerte des Guillotinischen Vorschlags lag schlicht darin, eine Milderung der Todesstrafe zu erreichen, „ohne sie ihres exemplarischen Charakters zu berauben“11. Die Anwendung des Fallbeils führte zudem zu einer Gleichheit der Opfer - kein Adliger konnte nunmehr das Privileg des Enthauptens für sich beanspruchen, welches im Gegensatz zu den Strafarten des Hängens, Räderns und Vierteilens als ‚höchst ehrenvoll’ galt. Die Menschlichkeit der Hinrichtung bestand nicht nur gegenüber den Delinquenten, deren Schmerzen auf ein Mindestmaß reduziert werden sollten; auch den Zuschauern blieb der brutale „Anblick der alten Hinrichtungsmethoden erspart, weil sie aus dem unmenschlichen Schauspiel des öffentlichen Sterbens ein kurzes Blutvergießen macht“12.

Wer war dieser Mann, dessen Vorschläge zum Bau einer Tötungsmaschine führen sollte, die fortan seinen Namen trug und zweifelhafte Berühmtheit erlangte? Joseph Ignace Guillotin wurde am 28. Mai 1738 in Saintes geboren. Eine Legende besagt, dass die äußeren Umstände seiner Geburt die Unsterblichkeit des Familiennamens entscheidend prägten: „Man erzählte sich, daß seine Mutter wenige Tage vor der erwarteten Niederkunft einen Spaziergang unternahm und dabei zufällig erlebte, wie ein Verbrecher gerädert wurde […]. Madame Guillotin erlitt einen solchen Schock bei dem Anblick, daß die Wehen vorzeitig einsetzten“13. Der jesuitisch erzogene Joseph Ignace begann im Jahre 1763 in Paris ein Medizinstudium, 1770 folgte die Verleihung der Doktorwürde. Erst 1788 entfaltete Guillotin ein politisches Engagement, als er „dem König seine Petition des citoyens domicilies a Paris mit der Forderung unterbreitete, der dritte Stand müsse ein Recht auf mindestens ebenso viele Abgeordnete haben wie die beiden anderen Stände“14. Im darauf folgenden Jahr wurde Guillotin als Abgeordneter des dritten Standes in die Nationalversammlung berufen; dort verschaffte er sich mit diversen Vorschlägen zur Verbesserung der Ventilation im Saal erstmals Gehör.15

Obgleich der Mediziner in seiner Rede vom 1. Dezember 1789 die Initialzündung für den Bau des neuen Hinrichtungsinstruments lieferte, distanzierte er sich zunehmend von ‚seiner’ Maschine, tief betrübt über den Namen, den man ihr gab. Arasse berichtet sogar, dass Guillotin „aus ‚philanthropischen’ Gründen von ihm erfundene Pillen an seine Freunde verteilte, damit sie ihrem Leben selbst ein Ende machen könnten, sollte ihnen die Enthauptung drohen“16. Der Arzt und Menschenfreund starb am 26. März 1814 durch eine Thrombose in der Schulter; und nicht, wie man ironischerweise vermuten könnte, auf seiner Erfindung. „Unglücklicherweise hat die philanthropische Neigung unseres Kollegen ein Instrument hervorgebracht, dem das gemeine Volk seinen Namen gab. Wieder einmal findet sich bestätigt, wie schwer es ist, den Menschen Gutes zu tun, ohne daß daraus für einen selbst Unannehmlichkeiten resultieren“17 - so urteilte Dr. Bourru in Guillotins Grabrede.

Nachdem die Hinrichtungsmethode des Enthauptens im September 1791 offiziell Eingang in das französische Strafgesetzbuch fand, blieb die Frage nach der konkreten Durchführung und Bauart dieser ‚einfachen Mechanik’ noch unbeantwortet. Fest steht, dass Guillotin die von ihm vorgeschlagene Enthauptungsmaschine nicht erfunden hat. Vielmehr ließ er sich dabei von Exemplaren inspirieren, die bereits seit dem 15. und 16. Jahrhundert - und Vorläufer des Hinrichtungsinstruments sogar im 12. und 13. Jahrhundert - in Italien unter dem Namen ‚Mannaia’, in England (‚Halifax gibet’), Schottland (‚Maiden’) und Deutschland (‚Diele’) gebräuchlich waren.18 An Vorlagen mangelte es somit nicht; es galt nun, notwendige Verbesserungen durchzuführen, um die einwandfreie Funktionstüchtigkeit und Effizienz der Guillotine zu gewährleisten. Unter dieser Prämisse wandte man sich an den zuständigen Fachmann, den Scharfrichter von Paris, Charles-Henri Sanson. Im März 1792 wies Sanson in einer Denkschrift auf die Schwierigkeiten hin, die eine Realisierung der humanen Enthauptungsidee mit sich brachte: „Die erste ist technischer Natur: Die Qualität der Schwertes müsse hervorragend sein, wolle man ein sofortiges Resultat garantieren. Dies mache das Instrument teuer. Die zweite ist menschlicher Natur: Damit die Hinrichtung Geist und Buchstaben des Gesetzes erfülle, müßten der Henker und das Opfer der Situation gewachsen sein. Niemand könne aber garantieren, daß der gemeine Mann ebenso standhaft bleibe wie der Adlige, so daß der Henker irritiert sein könnte, was bei dieser Hinrichtungsart katastrophale Auswirkungen haben würde, sei es für ihn selbst, das Opfer oder für das Publikum“19. Dass Sanson den Faktor des menschlichen Versagens auf Seiten des Scharfrichters nicht weiter thematisierte, leuchtet ein - welcher Henker konnte es sich leisten, die Fähigkeiten seines Berufsstandes in Frage zu stellen? Der Bericht des ‚Monsieur de Paris’ zeigt deutlich, dass die von Dr. Guillotin intendierte humane Hinrichtung mit den herkömmlichen Mitteln des Schwertes und mehr oder weniger ‚geschickten’ Akteuren nicht durchgeführt werden konnte.20

Eine zweite Expertise war nötig, um die Nationalversammlung von der Sinnhaftigkeit des maschinellen Enthauptens zu überzeugen. Im März des gleichen Jahres wandte sich der Prokuralsyndikus Pierre-Louis Roederer an „die für technische Fragen am besten qualifizierte Kraft, den ständigen Sekretär der chirurgischen Akademie, Dr. Louis“21, nachdem Guillotin an einer weiteren Mitarbeit wenig Interesse zeigte. Der nunmehr mit der Beurteilung des mechanischen Fallbeils betraute Antoine Louis legte bereits am 17. März 1792 sein Gutachten mit dem Titel: „Avis motivé sur le mode de la Décollation“ „Begründete Stellungnahme zur Methode der Enthauptung“22 vor. Louis stimmte darin mit dem Bericht des Scharfrichters Sanson überein, welche schrecklichen Folgen mit einer unsachgemäßen Ausführung des ‚manuellen’ Enthauptens verbunden seien. Nach den beispielhaften Schilderungen von Exekutionsmodellen in anderen Ländern erfolgte in besagtem Gutachten eine Betrachtung über die Anatomie des Nackens und der Wirbelsäule, deren „schnelle und vollkommene Abtrennung nicht möglich ist, wenn man mit dieser Aufgabe Menschen betraut, die aus moralischen und physischen Gründen unterschiedlich handeln. Für eine vollkommene Prozedur ist es absolut notwendig, sich eines unveränderlichen mechanischen Werkzeugs zu bedienen, dessen Kraft und Wirkung sich genau bestimmen lassen“23. Dr. Louis entwarf in seinen Ausführungen die Konstruktion einer Maschine, die den Anforderungen gerecht werden sollte.

[...]


1 Arasse, S. 22.

2 Vgl. Kershaw, S. 18.

3 Arasse, S. 20.

4 Ebd., S. 20f.

5 Kershaw, S. 30.

6 Ebd., S. 31.

7 Martschukat, S. 117.

8 Vgl. Ebd., und Kershaw, S. 31.

9 Kershaw, S. 29,

10 Arasse, S. 21.

11 Ebd., S. 22.

12 Ebd., S. 23.

13 Kershaw, S. 26.

14 Arasse, S. 18.

15 Vgl. Kershaw, S. 28.

16 Arasse, S. 35.

17 Lenotre, S. 124.

18 Vgl. Ebd., S. 25, und Kershaw 34ff.

19 Arasse, S. 30.

20 Vgl. Ebd., S. 31.

21 Ebd.

22 Kershaw, S. 49.

23 Ebd., S. 51.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Guillotine - humanes Tötungsinstrument oder Werkzeug der Schreckensherrschaft ?
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Geschichte)
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
20
Katalognummer
V20923
ISBN (eBook)
9783638246750
Dateigröße
486 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Guillotine
Arbeit zitieren
Florian Hoffarth (Autor:in), 2003, Die Guillotine - humanes Tötungsinstrument oder Werkzeug der Schreckensherrschaft ?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20923

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