In dieser Arbeit werden die Grundzüge der geschichtlichen Demokratietheorie und die Kritik Johannes Agnoli’s an der parlamentarischen Demokratie erläutert und in einen Zusammenhang gebracht. Durch eine fragmentarische, aber themenschwerpunktbezogene Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Demokratie von der Antike bis zur Nachkriegszeit soll deutlich werden, wie sich die direkten Partizipationsmöglichkeiten des Volkes chronologisch reduziert haben, was für Johannes Agnoli, als Theoretiker der Außerparlamentarischen Opposition, konkreten Anlass zur Kritik geboten hat.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gegenüberstellung von antiker und moderner Demokratie 3
2.1 Antike Demokratie
2.2 Moderne Demokratie
2.3 Die demokratische Lage im Nachkriegseuropa
3. Johannes Agnoli’s Kritik
3.1 Repräsentation der Herrschaft
3.2 Die Sicherung des Systems durch institutionelle Strategie
3.3 Wie ist das parlamentarische System zu verändern?
4. Fazit: Ist die Kritik Agnoli’s auf die heutigen politischen Verhältnisse anwendbar?
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Arbeit werden die Grundzüge der geschichtlichen Demokratietheorie und die Kritik Johannes Agnoli’s an der parlamentarischen Demokratie erläutert und in einen Zusammenhang gebracht. Durch eine fragmentarische, aber themenschwerpunktbezogene Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Demokratie von der Antike bis zur Nachkriegszeit soll deutlich werden, wie sich die direkten Partizipationsmöglichkeiten des Volkes chronologisch reduziert haben, was für Johannes Agnoli, als Theoretiker der Außerparlamentarischen Opposition, konkreten Anlass zur Kritik geboten hat.
Damit der Zusammenhang der historischen Dimension sich nicht im Detail verliert, wird dieser Bereich auf zwei beispielhafte Demokratieformen konzentriert, die den oben beschriebenen Kontrast in der Geschichte hervorheben sollen. Zuerst wird die athenische Demokratie aus der Antike mit ihren Organen und Instrumentarien näher gebracht, die sich durch radikal-demokratische Aspekte auszeichnete. Danach wird die amerikanische Verfassung aus dem 18. Jahrhundert gegenübergestellt und beschrieben, die den Wechsel des Demokratiebegriffs zur parlamentarischen, reduzierten Demokratie markiert. Als Übergang von der Geschichte zu Agnoli wird kurz der Zustand im Nachkriegseuropa näher gebracht, welcher von Bedeutung ist, weil er eine weitere Reduktion der direktdemokratischen Teilhabe und damit Auslöser für Johannes Agnoli’s Demokratiekritik darstellt.[1]
Daraufhin wird Agnoli’s Kritik erläutert, die in zwei Hauptteile gegliedert ist. Im ersten Teilbereich wird erklärt, wie seiner Vorstellung nach in der parlamentarischen Demokratie alle Macht, statt vom Volk, von gesellschaftlichen und staatlichen Führungsschichten ausgeht. Im folgenden Teil wird nahe gelegt, wie diese Strukturen aus seiner Sicht von der herrschenden Klasse sichergestellt und vor Umwälzungsversuchen geschützt werden. Zum Schluss wird kurz beschrieben, wie Agnoli sich eine Alternative zum Bestehenden vorstellt.
Das Fazit dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Aktualität der Kritik Agnoli’s und versucht diese auf die heutigen, politischen Prozesse anzuwenden.
2. Gegenüberstellung von antiker und moderner Demokratie
2.1 Antike Demokratie
Die ab dem fünften Jahrhundert v. Chr. nach einer Oligarchie zuletzt unter Perikles in Athen entstandene „attische Demokratie“ gilt als erste, reine Demokratie und als gutes Beispiel für die antike Demokratie.
Von den damals 315000 Einwohnern galten 43000 als Vollbürger. Ausgeschlossen von dieser Bevölkerungsschicht waren Frauen, Sklaven und ortsansässige Fremde. Vollbürger besaßen uneingeschränkte, politische Teilhabe, was sich in aktivem und passivem Stimmrecht widerspiegelte. Sie waren damit berechtigt, in dem Souverän, der Volksversammlung basisdemokratisch über alles Öffentliche, der Polis, im Gegensatz zum Privaten, dem Oikos, entscheiden zu dürfen. Praktisch ging es um Verträge, Krieg und Frieden und im Kriegsfall um Fragen über Truppenkontingente, Finanzmittel oder die Entsendung von Feldherren. Es gab dafür zwar einen Kreis gewählter Militärbeamter, allerdings waren auch diese Strategen der Volksversammlung untergeordnet. Vor den Volksversammlungen traf sich der Rat der Fünfhundert, dessen Beamte teilweise durch Los in der Volksversammlung, teilweise durch Wahl ihr Amt übernehmen konnten. Dieser Rat verfasste die Gesetzesvorlagen, mit denen sich die Volksversammlung auseinanderzusetzen hatte. Dieser Vorgang sollte der Vereinfachung dienen, galt aber nicht als verpflichtend, denn die Volksversammlung konnte jede Vorlage umändern, streichen oder neue hinzufügen.
Die Justiz Athens bildeten Geschworenengerichte und das Scherbengericht. Die Geschworenengerichte konnten durch Losverfahren von jedem Vollbürger besetzt werden. Im Prozessfall, etwa zu vergleichen mit dem heutigen „Normenkontrollverfahren“, konnten die Geschworenen mit einfacher Mehrheit über die Frage einer Gesetzeswidrigkeit eines Vorschlags der Volksversammlung oder des Rates der Fünfhundert entscheiden. Die Institution des Scherbengerichts, Ostrakismus genannt, konnte einmal jährlich stattfinden. In der Volksversammlung wurde darüber entschieden, ob diese in Anspruch genommen werden solle. Zwei Monate darauf mussten bei einer Mindestanzahl von 6000 Vollbürgern alle Teilnehmer einen Politiker bezeichnen, der ihrer Meinung nach volksfeindlich gesinnt war, indem sie seinen Namen auf eine Tonscheibe kratzten. Der Meistgenannte wurde daraufhin zehn Jahre aus „Attika“ verbannt. Letzteres Instrument kann heute mit dem Misstrauensvotum verglichen werden, wobei die Sanktionsmechanismen damals wesentlich härter waren. Mit diesem System konnten die politisch aktiven Vollbürger durch Volksgericht und Scherbengericht kontrolliert werden, um der Gefahr einer Tyrannei entgegenzuwirken.
Alle Gewalt war also auf den Demos, bzw. die Vollbürger konzentriert. Macht und Kontrolle unterlagen dem männlichen, privilegierten Volk. Ausschlaggebend in Athen war das Prinzip der Gleichheit aller Vollbürger, denn jeder konnte durch Los ein Amt übernehmen. Damit die Bürger, die auf Arbeit und dem daraus resultierenden Lohn angewiesen waren, auch die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Amtes erhalten konnten, wurden Diäten eingeführt. Politische Tätigkeiten wurden außerdem in der Gesellschaft hoch gewertet und man kann sagen, dass die Bürger durch ihr starkes Partizipationsrecht einen hohen Bildungsstand besaßen.
Auch für die attische Demokratie gab es Grenzen. Dieses demokratische System konnte nur funktionieren, indem Athen in 500 selbst verwaltete Teilbereiche geteilt wurde. Außerdem nahmen durchschnittlich nur 6000 Vollbürger an der Volksversammlung teil. Das Entscheidungsspektrum in den Volksversammlungen erstreckte sich beispielsweise nicht auf Wirtschaft und Soziales, da diese Bereiche dem Privaten, dem Oikos zugeteilt waren. Des Weiteren war wie anfangs erwähnt, insgesamt nur ein geringer Teil der Bevölkerung zur politischen Teilnahme berechtigt, selbst die Volksversammlungen konnten durch besonders eloquente Redner beherrscht und gelenkt werden und Finanzierungen wurden auf die Besitzenden abgewälzt. Dennoch kann dieses System als stabil bezeichnet werden, da es durch seine Institutionen trotz mehrerer Angriffe von innen und außen über 100 Jahre lang funktionierte.[2]
2.2 Moderne Demokratie
Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika trat 1787 in Kraft und ist das Produkt der Vorstellungen der Federalists, wie z.B. Hamilton, die sich im Streit um die Frage, wie die zukünftige Verfassung nach der Unabhängigkeitserklärung 1776 aussehen solle, gegen die direkt-demokratischen Ansätze der Antifederalists durchsetzten. Die Verfassung gilt heute als beispielhaft für den modernen indirekten Demokratiebegriff.
Die Versammlungsdemokratie, wie sie in Athen stattgefunden hatte, konnte nach den Vorstellungen der Federalists nicht mehr umgesetzt werden. Dies hatte verschiedene Gründe. In einem System der direkten Demokratie sei die Gefahr der Despotie des Mehrheitswillens zu befürchten und eine weitere Gefährdung stelle die Gewaltenkonzentration auf das Volk dar. Eine repräsentative, Gewalten teilende Demokratie dagegen könne sowohl schädliche Einflüsse wie Demagogie als auch Partikularinteressen durch Kanalisation besser verarbeiten. Politische Entscheidungen würden dadurch distanziert und nüchtern, statt schnell und nicht durchdacht getroffen werden.
[...]
[1] vgl. Saage, Richard: Demokratietheorien. Eine Einführung. Historischer Prozess - Theoretische Entwicklung - Soziotechnische Bedingungen, Wiesbaden 2005. S. 205
[2] vgl. Saage 2005, S. 50ff.
- Arbeit zitieren
- Johannes Kolb (Autor:in), 2007, Demokratietheorien und Kritik am parlamentarischen System, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209321
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