Der Arbeitsmarkt in Deutschland befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel.
Für Unternehmen hat in Verbindung mit der demografischen Entwicklung und dem verschärften Wettbewerb um Bewerber die eigene Attraktivität als Arbeitgeber erheblich an Bedeutung gewonnen. Mitarbeiter rücken als potenzielle Botschafter der Arbeitgebermarke in den Fokus, allerdings liegen bislang kaum wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzungen zu dem Thema vor.
Ziel der Arbeit ist es, für akademische Nachwuchskräfte die Frage zu untersuchen, wie die Arbeitgebermarke gezielt über das Verhalten von Mitarbeitern gestärkt werden kann, um die Entscheidung für einen Arbeitgeber positiv zu unterstützen.
Im Ergebnis wird ein Modell entwickelt, das die Wirkungszusammenhänge zwischen Bewerbern, Mitarbeitern, Unternehmen und Arbeitgebermarke beschreibt und Ansatzpunkte zur gezielten Steuerung aufzeigt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise
2 Die Rolle der Mitarbeiter im Employer Branding
2.1 Die Entscheidungsfindung der Zielgruppe bei der Arbeitgeberwahl
2.2 Das Employer Branding zur Einflussnahme auf die Arbeitgeberwahl
2.3 Der Mitarbeiter im Spannungsfeld verschiedener Marken des Unternehmens
2.4 Die Relevanz der Mitarbeiter im Employer Branding
2.4.1 Die Wahrnehmung der Mitarbeiter
2.4.2 Die Rolle des Mitarbeiters in den Phasen der Arbeitsplatzwahl
2.5 Zusammenfassung
3 Der Einfluss des Mitarbeiterverhaltens auf die Stärke der Arbeitgebermarke
3.1 Die Stärke der Arbeitgebermarke
3.1.1 Die Erkenntnisbeiträge der identitätsorientierten Markentheorie
3.1.2 Die Komponenten der Arbeitgebermarkenstärke
3.1.3 Die Implikationen für das Mitarbeiterverhalten
3.2 Das Mitarbeiterverhalten in den Phasen der Arbeitgeberwahl
3.2.1 Der Begriff des Mitarbeiterverhaltens
3.2.2 Die Interaktion zwischen Mitarbeiter und Bewerber
3.2.3 Das Mitarbeiterverhalten in der Low Involvement-Phase
3.2.4 Das Mitarbeiterverhalten in der Präferenzbildungsphase
3.2.5 Das Mitarbeiterverhalten in der Critical Contact-Phase
3.3 Zusammenfassung
4 Die Voraussetzungen für arbeitgebermarkenstärkendes Mitarbeiterverhalten
4.1 Die personellen Voraussetzungen
4.1.1 Die Erkenntnisbeiträge des Brand-Behavior-Funnels
4.1.2 Die Erkenntnisbeiträge der Kompetenzforschung
4.2 Die interpersonellen Voraussetzungen
4.3 Die organisationalen Voraussetzungen
4.4 Zusammenfassung
5 Die interne Markenführung zur Unterstützung der Mitarbeiter
5.1 Der Begriff der internen Markenführung
5.2 Die Mitarbeiter als Zielgruppe
5.3 Die Erkenntnisbeiträge der internen Markenführung zur Vermittlung von Marken
5.3.1 Das Modell des innengerichteten Markenmanagements von BURMANN und ZEPLIN
5.3.2 Das Phasenmodell zur Verhaltensänderung der Mitarbeiter von WITTKE-KOTHE
5.3.3 Die Grundelemente eines internen Markenführungs-Prozesses
5.4 Die Grundelemente der internen Führung von Arbeitgebermarken
5.5 Zusammenfassung
6 Ein Steuerungsmodell zur Stärkung von Arbeitgebermarken über Mitarbeiterverhalten
6.1 Die Entwicklung eines integrativen Modells
6.2 Die qualitativ-empirische Validierung des Steuerungsmodells
6.2.1 Die Methodik der Untersuchung
6.2.2 Die Erkenntnisse der Untersuchung
6.3 Die Folgerungen für das Steuerungsmodell
7 Zusammenfassung und Ausblick
Anhang
A.1 Leitfaden Expertenrunde
A.2 Fragebogen zur Experteneinschätzung
Literaturverzeichnis
Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1: Strategisches Dreieck
Abb. 2.2: Grundidee des identitätsbasierten Markenmanagement
Abb. 2.3: Interdependenzen zwischen konsumentengerichteter und mitarbeiter- gerichteter Markenführung
Abb. 2.4: Schematische Darstellung der Beziehung Arbeitsplatzsuchender, Mitarbeiter und Arbeitgebermarke
Abb. 3.1: Komponenten des Markenimages
Abb. 3.2: S-O-R-Modell zur Erklärung der Bildung einer Arbeitgebermarke nach PETKOVIC
Abb. 3.3: Das Gap-Modell nach GROBE
Abb. 3.4: Mitarbeiterverhalten und Bewerberwahrnehmung im S-O-R-Modell
Abb. 4.1: Der Brand-Behavior-Funnel
Abb. 4.2: Betriebliche Lern- und Wissensarten
Abb. 4.3: Übertragungsmuster der Wissensarten
Abb. 5.1: Raster der Status-Quo-Analyse von Mitarbeitern
Abb. 5.2: Einteilung interner Zielgruppen in Hinblick auf das zu vermittelnde Markenwissen
Abb. 5.3: Kategorisierung von Vermittlungsstrategien
Abb. 5.4: Prozess des innengerichteten identitätsbasierten Markenmanagements
Abb. 5.5: Phasenmodell zur Verhaltensänderung von Mitarbeitern
Abb. 6.1: Integratives Modell zur indirekten Einflussnahme auf die Arbeitgeberwahl durch die interne Markenführung der Arbeitgebermarke
Tabellenverzeichnis
Tab. 2.1: Informationsverhalten und -bedarfe im 3-Phasen-Modell
Tab. 2.2: Überblick über verschiedene Ansätze des Employer Brandings
Tab. 2.3: Einordnung der Mitarbeiter-Rollen in das 3-Phasen-Modell
Tab. 3.1: Interaktionssituationen der Low Involvement-Phase
Tab. 3.2: Dimensionen des Brand Citizenship Behaviors
Tab. 3.3: Modell zum arbeitgebermarkenstärkenden Verhalten von Mitarbeitern
Tab. 4.1: Anforderungen an den Mitarbeiter in den Phasen der Arbeitgeberwahl
Tab. 4.2: Erkenntnisse des Brand Behavior Funnel-Modells für das arbeitgebermarkenstärkende Mitarbeiterverhalten
Tab. 4.3: Überblick zu den Voraussetzungen für arbeitgebermarkenstärkendem Mitarbeiterverhalten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Der Arbeitsmarkt in Deutschland befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Einen besonders starken Einfluss auf diesen Wandel übt der Bevölkerungsrückgang und die damit verbundene Abnahme des Erwerbspersonenpotenzials aus. Experten[1] prognostizieren bereits ab 2015 eine „deutliche Verknappung des Faktors Arbeit“ (Walter 2009, S. 2). Gleichzeitig sind aufgrund der demografischen Entwicklung in Verbindung mit der Globalisierung und dem Strukturwandel zur Dienstleistungsgesellschaft auf der anderen Seite gut qualifizierte Beschäftigte für Unternehmen dringend erforderlich (vgl. Hardege 2008, S. 38). Qualifizierte Beschäftigte werden damit zu knappen Ressourcen und gewinnen demzufolge an Bedeutung für den unternehmerischen Erfolg.
Knappe Ressourcen sind wertvoll und führen zu einem Wettbewerb – einem Wettbewerb der Arbeitgeber um geeignete Beschäftigte. Als Synonym für diesen Wettbewerb steht oftmals der vor zehn Jahren für den nordamerikanischen Sprachraum geprägte Begriff des „War for Talents“ (Michaels u. a. 2001). Auch wenn dieser Begriff aufgrund seines kriegerischen Charakters und der in der zugrunde liegenden Studie unscharf definierten Bezeichnung des Talents umstritten ist, kennzeichnet er dennoch einen grundlegenden Wandel: Konnten in der Vergangenheit vorrangig die Arbeitgeber aus einer Vielzahl an Bewerbern wählen, suchen sich zukünftig vorrangig Bewerber den gewünschten Arbeitgeber aus. Diese Verschiebung des Entscheidungsvorrechts bei der Auswahl wird auch als Wandel von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt beschrieben (vgl. Kayatz 2006, S. 228).
Für Unternehmen hat damit die Attraktivität als Arbeitgeber für relevante Zielgruppen erheblich an Bedeutung gewonnen. In einem ersten Schritt wurde insbesondere das Personalmarketing von Unternehmen als Ansatz erkannt, die eigene Attraktivität als Arbeitgeber in der Wahrnehmung der angestrebten Bewerber zu erhöhen. Darauf aufbauend haben sich vor den Erfahrungen mit Produkt- und Dienstleistungsmarken insbesondere Arbeitgebermarken als Möglichkeiten zur Differenzierung herausgestellt. Die Entwicklung eines Employer-Branding-Ansatzes wurde vor allem aus der Praxis vorangetrieben und hat seit seiner Entwicklung Ende der 1990er-Jahre erheblich an Bedeutung gewonnen (vgl. Ambler/Barrow 1996).
In der Entwicklung des Ansatzes hat sich ein Verständnis durchgesetzt, das sich – vereinfacht dargestellt – von einem rein werblich ausgerichteten zu einem auf Authentizität und Glaubwürdigkeit ausgerichteten Ansatz gewandelt hat. Maßgeblich ist hierfür das Bewusstsein, dass eine Arbeitgebermarke nur dann als authentisch und glaubwürdig wahrgenommen wird, wenn sie von seinen Arbeitnehmern mitgetragen wird. Verstärkt durch die Möglichkeiten des Web 2.0 in Hinblick auf soziale Netzwerke hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass gerade die Mitarbeiter maßgeblich zur Wahrnehmung eines Arbeitgebers beitragen können. “Whether you encourage it or not, the reality is that your employees are, today more than ever, your spokespeople. The only question is whether that dialogue is positive or negative” (Smith 2009, S. 23). Mitarbeiter kommunizieren über ihren Arbeitgeber. Dass sie das tun, ist gemäß WATZLAWICKs (2000) Axiom „Man kann nicht nicht kommunizieren“ unvermeidlich. Das Kommunizieren der Mitarbeiter kostet die Unternehmen im Unterschied zu Maßnahmen der regulären Marketing-Kommunikation grundsätzlich nichts, allerdings entziehen sich Inhalte und Umfänge weitestgehend dem unternehmerischen Einfluss. Gerade dies wiederum führt im Wesentlichen zu der hohen Authentizität und Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Mitarbeiter als Botschafter der Arbeitgebermarke für Unternehmen von besonderem Interesse sind. In den einschlägigen Medien wird diese Annahme bestätigt, allerdings ohne vertiefende Betrachtung der Wirkungszusammenhänge. Dementsprechend bleiben auch die Folgerungen für die betriebliche Praxis an der Oberfläche und beschränken sich auf Einzelmaßnahmen wie Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme oder Mitarbeiter-Blogs (vgl. Walther 2008, S. 24 ff.). Eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung zu dem Thema ist bislang nicht erfolgt.
1.2 Zielsetzung
Ziel der Arbeit ist die wissenschaftliche Erforschung der zu diesem Thema vorliegenden wissenschaftlichen Lücke. Die Exploration setzt dazu bei der Frage an, wie die Arbeitgebermarke gezielt über das Verhalten von Mitarbeitern gestärkt werden kann, um die Entscheidung akademischer Nachwuchskräfte für einen Arbeitgeber positiv zu unterstützen und eine Bewerbung bzw. das Unterzeichnen des Arbeitsvertrags herbeizuführen. Akademische Nachwuchskräfte werden hierbei als alle, ein Hochschulstudium erfolgreich abschließenden Absolventen definiert, die einen Einstieg in das Berufsleben zunächst mit dem Schwerpunkt auf der Fachkraftebene anstreben.
Die Beantwortung der Frage nach dem „Wie“ setzt die Überprüfung wesentlicher Vorannahmen voraus. Dazu zählt zum Beispiel, ob eine gezielte Einflussnahme von Seiten der Unternehmen auf die Entscheidung von Nachwuchskräften über das Mitarbeiterverhalten überhaupt möglich ist. Die aktuell hierzu vorliegende wissenschaftliche Literatur bietet keinen fundierten Ansatz, über den ein direkter Einstieg zur vertiefenden Auseinandersetzung mit der Fragestellung möglich ist. Vielmehr ist es erforderlich, relevante Theorien und Ansätze zu finden und auf deren Grundlage die generelle Umsetzbarkeit zu überprüfen, um gleichzeitig dabei herauszuarbeiten, welche Rahmenbedingungen dafür gegeben sein müssen.
Im Ergebnis wird ein Modell angestrebt, das die Wirkungszusammenhänge zwischen Bewerbern, Mitarbeitern, Unternehmen und Arbeitgebermarke beschreibt und Ansatzpunkte zur gezielten Steuerung erkennen lässt.
1.3 Vorgehensweise
Die Fragestellung wird, da umfangreiche Erkenntnisse in Bezug auf die Theorien des Produkt- und Dienstleistungsmarketings sowie aus den Disziplinen der Verhaltens- und Sozialwissenschaften erwartet werden, im Wesentlichen über eine theoriebasierte Exploration untersucht (vgl. Bortz/Döring 2003, S. 362 ff.). Zur Überprüfung der entwickelten Annahmen erfolgt abschließend eine empirisch gestützte Validierung, um die Gefahr theoriegeleiteter Fehlschlüsse auszuschließen.
Die Auseinandersetzung mit der Fragestellung erfolgt in mehreren Schritten, welche sich in der Gliederung dieser Arbeit widerspiegeln. Ausgangspunkt der Untersuchung ist das beabsichtigte Verhalten der Zielgruppe: die Bewerbung bzw. das Unterzeichnen des Arbeitsvertrags bei einem Arbeitgeber. Die Untersuchung erfolgt demnach in umgekehrter Reihenfolge. Ausgehend von dem Zielverhalten wird unter Rückgriff auf das 3-Phasen-Modell von SÜSS (1996) zunächst herausgearbeitet, wie der Prozess der Entscheidungsfindung in Bezug auf die Wahl des zukünftigen Arbeitgebers bei der Zielgruppe verläuft. Im Anschluss folgt eine vertiefende Betrachtung der Frage, welche Rolle Mitarbeiter und Arbeitgebermarke in dem Entscheidungsprozess einnehmen.
Darauf aufbauend wird im folgenden Kapitel unter Abstützung auf die identitätsorientierte Markentheorie untersucht, wie Arbeitgebermarken ausgestaltet sein müssen, um die Zielgruppe in ihrem Entscheidungsprozess zu unterstützen, und wie Mitarbeiter hierauf durch ihr Verhalten Einfluss nehmen können.
Das vierte Kapitel dient unter Abstützung auf die Ansätze des Behavioral Brandings und der Kompetenzforschung der Beantwortung der Frage, welche Voraussetzungen auf Seiten der Mitarbeiter gegeben sein müssen, damit diese den vorangehend dargestellten Einfluss ausüben können.
Die Grundlage für das fünfte Kapitel bilden zwei umfangreich ausgestaltete Modelle, die Aufschluss darüber geben, wie durch internes Markenmanagement Einfluss auf Mitarbeiter mit dem Ziel der Stärkung der Arbeitgebermarke ausgeübt werden kann. Die hier angesprochenen Modelle sind auf die Stärkung von Produkt- und Dienstleistungsmarken ausgerichtet. Ein diesbezüglicher Transfer, der die Besonderheiten der Arbeitgebermarke beachtet, ist notwendig.
In Kapitel 6 wird auf Grundlage der erfolgten Exploration ein Steuerungsmodell entwickelt, das die zuvor gesammelten Erkenntnisse zusammenfasst. Das Steuerungsmodell erfährt eine empirisch-qualitative Validierung über eine Expertendiskussion sowie eine Expertenbefragung. Das Modell repräsentiert die abschließende Antwort auf die Frage nach der gezielten Stärkung der Arbeitgebermarke über das Mitarbeiterverhalten.
2 Die Rolle der Mitarbeiter im Employer Branding
„A brand is nothing but a set of physical guidelines, a logo, strapline and empty promises – without employee engagement“ (Buckingham 2009, S. 20).
2.1 Die Entscheidungsfindung der Zielgruppe bei der Arbeitgeberwahl
„Markenführung ist kein Kampf der Produkte, es ist ein Kampf um die Wahrnehmung." (Brandtner in Busch 2009, S. 12). Auch wenn diese Aussage des Markenstrategen BRANDTNER sehr zugespitzt und auf Produktmarken ausgerichtet ist, wird doch deutlich, dass der Ausgangspunkt aller Betrachtungen die Arbeitgeberwahl der fokussierten akademischen Nachwuchskräfte ist. Nur wenn bekannt ist, wie diese ihre Entscheidung für einen Arbeitgeber treffen und wie diesbezüglich die Arbeitgebermarke wirkt, kann darauf aufbauend untersucht werden, welches Verhalten von Mitarbeitern fördernd auf die Entscheidung der Zielgruppe einwirkt.
Eine erste Annäherung an diese Fragestellung wird über das in Abb. 2.1 dargestellte strategische Dreieck möglich. Das aus dem strategischen Marketing stammende Modell erlaubt die Betrachtung der Zusammenhänge zwischen den Bewerbern, einem Unternehmen und dessen um die gleichen Arbeitskräfte konkurrierenden Mitbewerbern (vgl. Knoblauch 2001, S. 133).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1: Strategisches Dreieck (Quelle: Knoblauch 2001, S. 133)
Bewerber stehen bei mehr als einem an ihrer Arbeitskraft interessierten Unternehmen stets vor einem Entscheidungsproblem: Sie müssen sich entscheiden, bei wem sie arbeiten wollen. Diese Betrachtungsweise entspricht dem bereits einleitend dargestellten Wandel zum Käufer-Markt und gewinnt aufgrund der vor allem durch die Demografie vorgegebenen Rahmenbedingungen zunehmend mehr an Relevanz.
Für das einzelne Unternehmen ergibt sich damit die Notwendigkeit, dass es von Mitarbeitern und Bewerbern als erstrebenswerter Arbeitgeber wahrgenommen wird und sich positiv von anderen Arbeitgebern unterscheiden muss. Die Entscheidung des Bewerbers erfolgt mehrstufig, er muss sich wiederholt für ein bestimmtes Unternehmen entscheiden (vgl. Petkovic 2009, S. 79): Auf der ersten Stufe für die Bewerbung, auf der zweiten Stufe für das Annehmen des Arbeitsvertrags und daraufhin dauerhaft, um im Unternehmen zu verbleiben. Diese Entscheidungen werden auch als Selbstselektion bezeichnet. Selbstselektion ist damit die bewerberseitig vorgenommene Auswahl eines Arbeitgebers und wird von der Fremdselektion, also der durch das Unternehmen vorgenommenen Auswahl, unterschieden (vgl. Süß 1996, S. 43).
Erkenntnisse zu der Entscheidungsfindung im Rahmen der Selbstselektion können aus verschiedenen Disziplinen gewonnen werden. Grundlage bilden vor allem Theorien aus unterschiedlichen Disziplinen der Verhaltenswissenschaften, insbesondere der Verhaltens- und Wahrnehmungspsychologie wie auch zunehmend der Konsumentenforschung. Mit Rückgriff auf diese Disziplinen sind verschiedene Modelle zum Entscheidungsprozess bei der Arbeitgeberwahl entwickelt worden. Die Kenntnis des Entscheidungsprozesses ist Voraussetzung, um unternehmensseitig zielgerichtet Einfluss nehmen zu können. Diese Modelle stellen damit Prämissen für die Ableitung geeigneter Maßnahmen des Employer Brandings dar. Obwohl entsprechende Erklärungsmodelle von grundlegender Bedeutung sind, liegen dennoch bislang nur wenige Erklärungsmodelle dazu vor (vgl. Petkovic 2008, S. 25).
Grundsätzlich wird in den Modellen von einem längerfristigen Prozess der Entscheidungsfindung ausgegangen (vgl. Sponheuer 2010 S. 168), der in mehrere Phasen untergliedert werden kann. Es ist davon auszugehen, dass in den einzelnen Phasen eine in Bezug auf die Informationsbeschaffung und -verarbeitung unterschiedliche Auseinandersetzung mit Arbeitgebern erfolgt. Die Modelle unterscheiden sich in den zugrunde gelegten Motiven und Einstellungen des Entscheidenden sowie den Umfängen und der Ausgestaltung der Phasen.
Im Folgenden wird das 3-Phasen-Modell von SÜSS (1996, S. 73 ff.) aufgegriffen, um als Grundlage für die weitere Betrachtung zu dienen. Dort wird der Entscheidungsprozess entlang der chronologischen Reihenfolge abgebildet.
Generisch werden verschiedene Ansätze integriert. Das Schlüsselelement des Modells ist das Involvement. Involvement ist ein Konstrukt, das „die Ich-Beteiligung, mit der sich ein Konsument einem Sachverhalt zuwendet“ bezeichnet (Langner 2003, S. 157). Ein direkter Einfluss des Involvements auf die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung wird angenommen: Je stärker das Involvement einer Person, umso größer die aufnehmende Informationsmenge und umso höher die Verarbeitungsintensität der Informationen (Langner 2003, ebd.). Involvement ist eine komplexe Größe, die von persönlichkeitsbezogenen Variablen wie Werten und Motiven, von Stimuluseigenschaften wie das wahrgenommene Risiko sowie von situativen Größen wie Zeitdruck oder Ablenkung beeinflusst wird.
Im Bereich der Werbeforschung ist die besondere Bedeutung des Situationsinvolvements als entscheidender Faktor dafür erkannt worden, wie stark sich eine Person mit einem Sachverhalt auseinandersetzt. Im Sinne des Situationsinvolvements ist es nicht ausschlaggebend, ob ein generelles Interesse für etwas besteht, sondern ob ein konkretes Interesse im Moment der Entscheidung besteht (vgl. Langner 2003, S. 157).
SÜSS bildet in seinem Modell den idealtypischen Entscheidungsprozess akademischer Nachwuchskräfte bei der Arbeitsplatzwahl bis zum Unternehmenseintritt ab. Mit jeder Phase nehmen die betrachteten Unternehmen ab, die Übergänge von Phase zu Phase werden in der Praxis als fließend angenommen.
Die erste Phase beginnt bereits, bevor die Arbeitsplatzsuche bewusst einsetzt. Über verschiedene Kanäle nehmen Individuen Informationen über eine Vielzahl von Unternehmen auf, meistens im Rahmen von Produktwahlentscheidungen (vgl. Süß 1996, S. 78). Es besteht nur eine latente Informationsbereitschaft im Hinblick auf eine mögliche Arbeitgeberwahl, weshalb diese Phase als Low Involvement-Phase bezeichnet wird. Charakteristisch für diese Phase ist die Herausbildung von Unternehmensimages, die die Grundlage für eine spätere Betrachtung potenzieller Arbeitgeber bilden. Unternehmensimages werden vor allem durch die jeweiligen Produkte und Dienstleistungen determiniert (Süß 1996, S. 85). Das zugrunde liegende Informationsbeschaffungsverhalten ist passiver, latenter Art und nicht zielgerichtet. Informationen werden über alle möglichen Kanäle der indirekten und direkten Kommunikation erhalten, relevant sind vor allem persönliche Erfahrungen. SÜSS verweist in diesem Zusammenhang auch auf die direkte Kommunikation mit Mitarbeitern des Unternehmens (vgl. Süß 1996, S. 80). Diese Phase wird in aktuelleren Modellen in der Regel nicht mit berücksichtigt (vgl. Sponheuer 2010, S. 169), trägt aber im Rahmen der Einstellungsbildung maßgeblich zur Entscheidungsfindung mit bei.
In der zweiten Phase, der Präferenzbildungsphase, wechselt das Individuum seine Rolle vom „normalen“ Konsumenten zum Stellensuchenden, womit sich auch sein Informationsbedarf und sein Involvement ändern. Beides bedingt ein verändertes Informationsverhalten des Stellensuchenden: Zum einen stellt sich eine erhöhte Wachsamkeit gegenüber arbeitgeberspezifischen Informationen ein, zum anderen werden entsprechende Informationen aktiv gesucht (Süß 1996, S. 91). Wesentlich für die Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber in dieser Phase sind das bereits aufgenommene Unternehmensimage, das Selbstkonzept 1 sowie situative, wirtschaftliche und persönliche Umstände des Bewerbers. Nimmt ein Bewerber eine Ähnlichkeit zwischen einer Organisation und seinem Selbstkonzept wahr, fördert dies das attraktive Erscheinungsbild der Organisation (ebd., S. 93). SPONHEUER spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „Person-Organization-Fit“, das Vorteile für die Einarbeitungsdauer, das Commitment und die Verweildauer im Unternehmen hat (vgl. Sponheuer 2010, S. 270). Ergebnis der in dieser Phase ablaufenden Wahrnehmungsprozesse sind Vorstellungsbilder von potenziellen Arbeitgebern, so genannte Arbeitgeberimages. Das Arbeitgeberimage, auch als Personalimage bezeichnet, ist dem Unternehmensimage untergeordnet und wird von diesem wie auch dem Branchenimage unmittelbar beeinflusst. „Je mehr Beurteilungskriterien für das eigentliche Image als Arbeitgeber fehlen, desto mehr wird der Stellensuchende dazu neigen, andere Teilimages auf das Personalimage zu übertragen“ (Knoblauch 2001, S. 141). Das Arbeitgeberimage hat eine wesentliche Orientierungsfunktion bei der Arbeitsplatzsuche und wird zudem verwendet, um bestehende Wissensdefizite über einen Arbeitgeber zu kompensieren (vgl. Süß 1996, S. 94). Die Präferenz für einen Arbeitgeber bildet sich heraus, wenn vorliegende Informationen und Vorstellungsbilder zu den Vorstellungen des Arbeitsplatzsuchenden passen. SÜSS arbeitet die hohe Bedeutung persönlicher Kommunikation insbesondere bei Entscheidungsnähe im Unterschied zur medialen Kommunikation heraus (vgl. Süß 1996, S. 200). Die Präferenz für einen oder einige wenige Arbeitgeber führt zur Bewerbung bei diesem oder jenem.
Die Critical Contact-Phase umfasst den an die Bewerbung anschließenden Prozess. Bewerber und Organisation treten dabei in der Regel miteinander in Kontakt. Insbesondere im direkten Unternehmenskontakt hat der Bewerber nun die Möglichkeit, die vorher gewonnenen Eindrücke und bewusst oder unbewusst formulierte Anforderungen abzugleichen. „Dabei sind nicht nur alle rein sachlich mit der Arbeitsplatzwahl zusammenhängenden Informationen von Relevanz, sondern der Bewerber wird wegen seiner starken emotionalen Involviertheit auch auf sämtliche Verhaltensweisen von Unternehmensmitarbeitern äußerst sensibel reagieren“ (Knoblauch 2001, S. 136 f.).
Die Phasen lassen sich in Bezug auf das Informationsverhalten wie folgt zusammenfassen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2.1: Informationsverhalten und -bedarfe im 3-Phasen-Modell (i.A.a. Süß 1996, S. 75)
Das 3-Phasen-Modell ist durch SÜSS theoretisch abgeleitet worden, es liegt keine empirische Validierung zugrunde. Trotzdem bietet es einen nachvollziehbaren Erklärungsansatz, mit dem eine differenzierte Betrachtung der Arbeitgeberwahl für die Zielgruppe der akademischen Nachwuchskräfte bzw. der dahinter liegenden Bedürfnisse des Arbeitsplatzsuchenden möglich wird. Aufbauend auf das 3-Phasen-Modell als Prämisse ist davon auszugehen, dass auch Mitarbeiter je nach Phase eine unterschiedliche Relevanz für die Arbeitgebermarke und damit für die Arbeitgeberwahl haben.
2.2 Das Employer Branding zur Einflussnahme auf die Arbeitgeberwahl
Der Ansatz des Employer Branding ist ein recht neuer Ansatz. Er ist vor allem 1996 durch die explorative Studie von AMBLER und BARROW geprägt worden, bei der in einem Versuch mit 27 britischen Unternehmen die Disziplinen HR-Management und Markenführung in einem konzeptionellen Rahmen über die Schnittstelle Arbeitgebermarke zusammengeführt worden sind (vgl. Ambler/Barrow 1996). Die hierbei vorgenommene Übertragung von Markentheorien auf den Arbeitgeber hat zunächst vor allem in der Unternehmenspraxis großes Interesse gefunden und seitdem vor allem im anglo-amerikanischen und europäischen Wirtschaftsraum eine starke Verbreitung und vielfältige Formen der Umsetzung erfahren. Der Praxis folgend hat Employer Branding auch nach und nach Einzug in die wissenschaftliche Auseinandersetzung gefunden (vgl. Oechsler 2011, S. 158).
Als Begriff sind dem Employer Branding damit zwei Bedeutungen beizumessen: Zum einen der in der Praxis verankerte, strategisch ausgerichtete, konzeptionell und operativ ausgestaltete Prozess zu Aufbau und Steuerung einer Arbeitgebermarke mit dem Ziel der Unternehmenspositionierung als attraktiver Arbeitgeber (vgl. Lukasczyk 2008, S. 80; Petkovic 2008, S. 84). Zum anderen die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Arbeitgebermarke. Man kann auch von einer entstehenden Unterdisziplin des Personalmanagements sprechen, allerdings „sind die meisten Veröffentlichungen eher populärwissenschaftlicher Natur, eine intensivere Auseinandersetzung und empirische Fundierung in der Wissenschaft hat gerade erst begonnen“ (Sponheuer 2010, S. 5, vgl. dazu auch Stotz/Wedel 2009, S. 27).
Grundannahme des Employer Brandings ist, dass Arbeitgeber – ähnlich Produkten und Dienstleistungen – als Marke „gebrandet“ werden können, die gezielt aufgebaut und gesteuert werden kann (vgl. Oechsler 2011, S. 158 f.). Dazu wird angenommen, dass klassische Markentheorien auf den Arbeitgeber übertragen werden können. Diesbezügliche Transferprüfungen sind von verschiedenen Autoren vorgenommen worden (vgl. Petkovic 2008, S. 52; Ambler/Barrow 1996). Vor allem unter Abstützung des wissenschaftlich umfassender geprüften Transfers des Produktmarken-Ansatzes auf Dienstleistungen konnte auch eine Übertragbarkeit auf Arbeitgeber bestätigt werden.
Arbeitgeber bzw. Arbeitsplätze entsprechen in ihrer Ausprägung häufig eher den Merkmalen einer Dienstleistung als einem Produkt. Während Produkte grundsätzlich fassbar sind und damit einen sichtbaren Vergleich untereinander und eine Bewertung vor Kauf zulassen, ist dies bei Dienstleistungen nur eingeschränkt möglich. Ähnlich wie Dienstleistungen sind Arbeitsplätze vielmehr das Ergebnis von Vorstellungen über den Arbeitsplatz und dem daraus resultierenden Verhalten der Mitarbeiter. Eine Bewertung vor dem Kauf erfolgt in der Regel auf der Basis vorangehender Erfahrungen und von Vertrauen (vgl. Petkovic 2008, S. 52).
Die Arbeitgebermarke bildet den Kern des Employer Brandings. Eine einheitliche wissenschaftliche Definition liegt bislang nicht vor. Nachfolgend werden drei Definitionen in Tab. 2.2 vorgestellt, die auf unterschiedliche Markentheorien zurückgreifen und damit das weite Feld der Definitionen in Teilen umreißen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2.2: Überblick über verschiedene Ansätze des Employer Brandings (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Definition von AMBLER und BARROW stellt den Ausgangspunkt für die Diskussion um die Definition der Arbeitgebermarke dar. Darauf aufbauend haben sich in den letzten Jahren mehrheitlich Employer Branding-Ansätze entwickelt, die sich auf den identitätsorientierten Markenansatz stützen (vgl. Sponheuer 2010, S. 17; Grobe 2003, S. 7, Müller/Fauth/Straatmann 2011, S. 20). Eine Ausnahme diesbezüglich stellt PETKOVIC dar, der die isolierte Betrachtung von nur einem klassischen Markenansatz ablehnt und im Sinne eines ganzheitlichen Markenmanagements für einen breit angelegten, integrativen Ansatz plädiert, der die Erkenntnisse aller fundierten Markentheorien integriert (vgl. Petkovic 2008, S. 73). Die Argumentation von PETKOVIC ist nachvollziehbar, allerdings zeigen MEFFERT und BURMANN (2005, S. 20 f.) eine Art evolutionäre Entwicklung der Markentheorien im Zeitablauf. Die identitätsorientierte Markentheorie ist die zeitlich aktuellste und integriert Erkenntnisse der vorangegangenen Markentheorien.
Die identitätsorientierte Markenführung ist zur Erklärung der Kaufverhaltensrelevanz entwickelt worden und greift dazu auf das zentrale Konstrukt der Identität zurück. „Eine konsistente und relevante Markenidentität bildet dabei die Voraussetzung für das Vertrauen der Nachfrager in die Marke“ (vgl. Meffert/ Burmann 2005, S. 30). Die Markenidentität ist das Verständnis oder auch Bild der Organisation von sich selbst und wird auch als Selbstbild bezeichnet. Markenidentität wird nach ZEPLIN definiert „als eine in sich widerspruchsfreie, geschlossene Ganzheit von Merkmalen einer Marke, die aus Sicht der internen Zielgruppen in nachhaltiger Weise den Charakter einer Marke prägen“ (Zeplin 2005, S. 14). Das Selbstbild steht wie in Abb. 2.2 dargestellt im dauerhaften Wechselspiel zum Fremdbild.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2: Grundidee des identitätsbasierten Markenmanagements (Quelle: Burmann/Zeplin 2006, S. 6)
Das Fremdbild ist das Image, das das Produkt bzw. die Marke bei anderen hat und wird dementsprechend auch als Markenimage bezeichnet. Das Fremdbild wird definiert als das in der Psyche relevanter externer Zielgruppen fest verankerte, verdichtete, wertende Vorstellungsbild von einer Marke" (Burmann/Blinda/Nitschke 2003, S. 6). Markenidentität und Markenimage beeinflussen sich gegenseitig, maßgeblich über Direktkontakte der Mitarbeiter mit den Kunden (vgl. Burmann/Meffert 2005, S. 65). Die Marke wird nach der identitätsorientierten Markentheorie damit wesentlich durch die Mitarbeiter bestimmt, die nach innen gerichtete Markenführung hat demzufolge eine besondere Relevanz.
Die Übertragung der identitätsorientierten Markentheorie auf Arbeitgeber im Rahmen des Employer Brandings wurde durch SPONHEUER und weitere Autoren erfolgreich vorgenommen, so dass bei Rückgriff nur auf diesen theoretischen Ansatz von einer ausreichenden theoretischen Fundierung ausgegangen werden kann. Die von PETKOVIC vorgenommene Integration weiterer Markentheorien ist allerdings auch nicht als falsch zu bewerten. Die umfangreiche theoretische Fundierung seiner Annahmen bietet einen erheblichen Erkenntnisgewinn, so dass auch im Folgenden immer wieder Rückgriffe auf sein Arbeitgebermodell erfolgen. Die identitätsorientierte Markentheorie bietet hingegen für die in dieser Arbeit untersuchte Fragestellung einen komplexen Erklärungsansatz, der deshalb im Folgenden als theoretische Grundlage herangezogen wird.
Ziel einer Arbeitgebermarke ist es, eine Präferenz für die mit ihr verbundenen Leistungen eines Arbeitgebers zu schaffen. Ordnet man diese Erkenntnisse zur Marke bzw. Arbeitgebermarke in das 3-Phasen-Modell von SÜSS (vgl. Kapitel 2.1) ein, dann wird deutlich, dass die Arbeitgebermarke vor allem in der Präferenzbildungs- und Critical-Contact-Phase relevant ist. Erst in diesen Phasen sind die Entscheidungen zur Bewerbung und dem Arbeitsvertrag zu treffen, bei denen die Arbeitgebermarke präferenzwirksam zum Tragen kommt. Erst in diesen Phasen bieten Involvement und Informationslage die Möglichkeit, dass sich eine Arbeitgebermarke überhaupt entwickeln kann. Vertrauensbildung, Wiedererkennbarkeit und eine positive oder zumindest neutrale Grundeinstellung zum Arbeitgeber setzen allerdings entsprechende Anknüpfungspunkte voraus, die sich bereits in der ersten Phase, der Low-Involvement-Phase entwickeln sollten. Wie noch genauer zu betrachten sein wird, ist davon auszugehen, dass die Unternehmensmarke in dem Zusammenhang von besonderer Relevanz ist.
2.3 Der Mitarbeiter im Spannungsfeld verschiedener Marken des Unternehmens
Unternehmen haben in ihrem Handeln stets die Anforderungen verschiedener Anspruchsgruppen zu erfüllen, um langfristig erfolgreich sein zu können. Dementsprechend ist die Arbeitgebermarke auch nicht die einzige Marke, die in einem Unternehmen, das mit Marken arbeitet, zu beachten ist. Neben der Arbeitgebermarke liegen weiterhin Produkt- und bzw. oder Dienstleistungsmarken vor, die im Folgenden unter dem Begriff der Konsumentenmarke zusammengefasst werden. Weiterhin liegt zumindest eine Unternehmensmarke vor, bei Großunternehmen und Konzernen können das ebenfalls mehrere sein. Zur vereinfachten Darstellung wird im Folgenden mit den Begriffen Unternehmensmarke, Konsumentenmarke und Arbeitgebermarke gearbeitet.
Die Unternehmensmarke ist die „übergreifende Klammer“ (Sponheuer 2010, S. 133), der die Konsumenten- und Arbeitgebermarke untergeordnet ist. In Bezug zur Arbeitgebermarke stellt die Unternehmensmarke eine Rückfallposition dar. Liegen Informationsdefizite bei der Arbeitsplatzsuche vor, wird auf die Informationen zur Unternehmensmarke zurückgegriffen. „Wenn einer Nachwuchskraft kaum Informationen über ein Unternehmen als Arbeitgeber vorliegen, werden daher die Eigenschaften des Unternehmens auf die Arbeitsbedingungen projiziert“ (Petkovic 2008, S. 150)
Mit der Konsumentenmarke wird das Ziel der Absatzerhöhung verfolgt. „Zwischen dem Image der Employer Brand eines Unternehmens und dem Ruf, den es aufgrund seiner Produkte oder Dienstleistungen genießt, besteht oft ein enger Zusammenhang“ (Barrow/Mosley 2006, S. 192). Trotzdem arbeitet SPONHEUER (2010, S. 133) zwischen beiden Marken einen Wahrnehmungs- und Rollenkonflikt heraus. Mitarbeiter stellen Markenbotschafter gegenüber Kunden wie auch gegenüber potenziellen Mitarbeitern dar. Beide Zielgruppen sind in der Regel nur in Teilbereichen deckungsgleich, ebenso wie auch die Marken nur in Teilaspekten Schnittmengen aufweisen.
Abbildung 2 stellt die von SPONHEUER herausgearbeiteten Interdependenzen heraus, auf Grundlage derer sie die Notwendigkeit zu einem koordinierten Vorgehen bei Gestaltung und Führung der Arbeitgebermarke entwickelt. Diese Argumentation wird von GROBE unterstützt, die das Risiko von Zielkonflikten betont. „Solche Konflikte schwächen die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber und wirken sich nach Stuart negativ auf deren Fähigkeit und Bereitschaft aus, ihre Arbeit im Sinne des Arbeitgebers durchzuführen“ (Grobe 2003, S. 75 f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.3: Interdependenzen zwischen konsumentengerichteter und mitarbeitergerichteter Markenführung (Quelle: Sponheuer 2010, S. 134)
Zielkonflikte verhindern dementsprechend markenförderndes Verhalten, unabhängig davon, ob für die Konsumenten- oder die Arbeitgebermarke. Umgekehrt müssen bei der Formulierung von Anforderungen an das Mitarbeiterverhalten für eine der Marken dementsprechend immer auch Anforderungen der anderen Marke sowie die Umsetzbarkeit durch den jeweiligen Mitarbeiter beachtet werden.
2.4 Die Relevanz der Mitarbeiter im Employer Branding
2.4.1 Die Wahrnehmung der Mitarbeiter
Aufbauend auf die zur Arbeitgebermarke gewonnenen Erkenntnisse soll im Folgenden untersucht werden, welche Relevanz Mitarbeiter für die Arbeitgebermarke aus Sicht der Arbeitsplatzsuchenden haben. Aus analytischen Gründen wird dabei der Einfluss anderer Marken bzw. Arbeitgeber hierbei bewusst ausgeblendet. Zunächst erfolgt eine kurze Definition des Mitarbeiterbegriffs.
Unter Rückgriff auf die Rechtswissenschaften werden unter dem Begriff Mitarbeiter die Gruppen Arbeitnehmer und Fremdpersonal subsumiert. Arbeitnehmer erbringen ihre Leistung für einen Arbeitgeber im Rahmen eines regulären Arbeitsverhältnisses, das durch einen Arbeitsvertrag gemäß §§ 611-630 BGB als Unterfall des Dienstvertrags begründet ist. Hierunter fallen Praktikanten, Auszubildenden, Arbeiter, Angestellte und Leitende Angestellte. Die Gruppe der Arbeitnehmer kann in der Regel ihre Zugehörigkeit zu einem Unternehmen eindeutig zuordnen und auch von außen ist diese Zugehörigkeit gewöhnlich deutlich zu erkennen.
Die Gruppe des Fremdpersonals kann in freie Mitarbeiter und Leiharbeitnehmer unterschieden werden und hat u.a. angesichts des Trends zu projektbezogener Arbeit an Bedeutung gewonnen (vgl. Bröckermann 2009, S. 33). Freier Mitarbeiter ist, wer als selbständige Person für Unternehmen eine bestimmte Leistung erbringt. Leiharbeitnehmer ist, wer mit einem selbständigen Unternehmer einen regulären Arbeitsvertrag geschlossen hat und von diesem an einen Dritten zur Erbringung von Arbeitsleistungen entliehen wird. Der Leiharbeitnehmer arbeitet also direkt für das eine Unternehmen, hat aber mit dem anderen Unternehmen den Arbeitsvertrag geschlossen.
Für Fremdpersonal ist die Unternehmenszugehörigkeit zwar vertragsrechtlich klar geregelt, die individuelle Wahrnehmung kann sich aber aufgrund der unmittelbar einwirkenden Arbeitsverhältnisse verschieben. In der Wahrnehmung von außen ist bei Fremdpersonal von einer unterschiedlichen Zugehörigkeitszuweisung auszugehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Beschreibung macht deutlich, dass Fremdpersonal in Bezug auf dessen Bedeutung für die Arbeitgebermarke eine differenzierte und vermutlich auch fallbezogene Betrachtung erfordert, die an dieser Stelle nicht erfolgen kann. Es wird deshalb im Folgenden mit dem Begriff des Mitarbeiters auf den klassischen Arbeitnehmer abgehoben.
Abb. 2.4: Schematische Darstellung der Beziehung Arbeitsplatzsuchender, Mitarbeiter und Arbeitgebermarke (Quelle: Eigene Darstellung)
Abbildung 3 stellt schematisch das entstehende Beziehungskonstrukt dar. Mitarbeiter werden grundsätzlich als Teil der Arbeitgebermarke gesehen (vgl. Semle 2011). Aus Sicht der identitätsorientierten Markenforschung stellen sie die zentrale Größe bei der Schaffung einer Markenidentität dar (vgl. Sackmann 2010, S. 50; Petkovic 2008, S. 236; Burmann/Zeplin 2005, S. 282; Ind 2003, S. 394). „Widersprüche der offiziellen Berichterstattung sowie von Marketing und Werbung zu dem tatsächlichen Mitarbeiterverhalten können wiederum zu negativen Konsequenzen für die Marke führen. Die Mitarbeiter liefern durch ihr Verhalten den Kunden die Garantie über die Wahrheit der wahrgenommenen Markenidentität“ (Sackmann 2010, S. 50). Gestützt auf empirische Untersuchungen gehen viele Experten inzwischen sogar davon aus, dass das Verhalten der Mitarbeiter einen stärkeren Einfluss auf die Markenwahrnehmung Externer ausübt als gezielte Kommunikationsmaßnahmen (vgl. Sponheuer 2010, S. 136).
Darüber hinaus verfügen Mitarbeiter aber auch über eine eigene Identität und Individualität, die über die Marke hinausgeht oder aus ihr herausfällt. Auch dieses wird durch Arbeitsplatzsuchende wahrgenommen. Als Teil der Arbeitgebermarke repräsentieren sie diese und füllen sie mit Inhalt. In ihren Einstellungen steckt die Markenidentität, durch ihr Verhalten wird das Markenversprechen lebendig und nachvollziehbar.
Auch wenn Mitarbeiter in vielen Untersuchungen mit der Marke sogar gleichgesetzt werden, besteht umgekehrt ein Einfluss der Arbeitgebermarke auf Mitarbeiter (vgl. Wenzel/ Groeger 2011, S. 77). Sie stellt ihrerseits Orientierungspunkt und Anker dar. Mitarbeiter konsumieren die Arbeitgebermarke, richten sich an ihren Werten aus, gewinnen Sicherheit durch das mit ihr verbundene Prestige und generieren Arbeitszufriedenheit. Mitarbeiter sind damit sowohl Empfänger als auch Sender der Markenkommunikation (vgl. Kernstock 2009, S. 23): Zum einen nehmen Mitarbeiter die Arbeitgebermarke selbst in einer bestimmten Art und Weise wahr und entwickeln ein bestimmtes Bild von ihr, zum anderen repräsentieren sie die Arbeitgebermarke nach außen und bilden damit die Arbeitgebermarke in der Außenwahrnehmung potenzieller Mitarbeiter ab (vgl. Oechsler 2011, S. 158). Mit anderen Worten ist die Marke Vorgabe und erhält gleichzeitig zumindest einen Teil ihrer Ausprägung erst durch das Verhalten der Mitarbeiter.
Mitarbeiter sind damit zugleich Konsumenten und Repräsentanten der Arbeitgebermarke und werden als solche von Arbeitsplatzsuchenden wahrgenommen. THOMSON geht davon aus, dass dabei von außen nicht oder nur eingeschränkt bei dem Status der Mitarbeiterschaft differenziert wird und grundsätzlich jeder, der für ein Unternehmen arbeitet als Repräsentant des Unternehmens wahrgenommen wird. „Everyone in an organization, if they are living its values and delivering its message, is a corporate communicator“ (Thomson 2001, S. 91).
Zu ihrer Funktion als Repräsentanten und Konsumenten der Arbeitgebermarke sind in verschiedenen Forschungsarbeiten unterschiedliche Effekte auf Arbeitsplatzsuchende festgestellt worden:
- Effekt des Bezugsgruppen-Konzepts
- Effekte durch die persönliche Erfahrung
WALTER, HENKEL und HEIDIG (2009, S. 302) arbeiten heraus, wie ausgehend von Erkenntnissen der Bezugsgruppen-Forschung Mitarbeiter eine von Mitgliedern der Zielgruppe angestrebte oder gemiedene Zielgruppe darstellen können. Grundlage für die Bewertung, ob angestrebt oder gemieden, sind so genannte Mitarbeiterassoziationen. Dies sind „alle Arten von Vorstellungen eines Jobsuchenden von den gegenwärtigen Mitarbeitern eines Unternehmens bzw. von möglichen zukünftigen Arbeitskollegen“ (a.a.O., S. 298). Diese Vorstellungen können demographische Merkmale wie Geschlecht oder Alter, psychografische Merkmale wie Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungen sowie den Lebensstil betreffende Annahmen umfassen. Sie basieren entweder auf direktem Kontakt mit Mitarbeitern eines Unternehmen oder haben sich durch indirekten Kontakt, wie z.B. über die Darstellung in Image-Produkten des Unternehmens entwickelt (a.a.O., S. 303). Die Entscheidung für oder gegen eine Bezugsgruppe findet wiederum im Abgleich mit dem Selbstkonzept des potenziellen Mitarbeiters statt. Ausgehend davon, dass Menschen nach Selbstbestätigung streben und deshalb im Widerspruch zum Selbstkonzept stehende Verhaltensweisen und Situationen vermeiden, ist davon auszugehen, dass eine gemiedene Bezugsgruppe auch nicht als Arbeitsplatz in Frage kommt. Umgekehrt kann man auch sagen, dass „ein Jobsucher, der das Gefühl hat, zu den Mitarbeitern eines Unternehmens zu passen, sich vermutlich eher vorstellen kann, für das Unternehmen zu arbeiten und es deshalb als attraktiver empfindet“ (a.a.O., S. 301).
Es ist davon auszugehen, dass dieser Effekt vorrangig die ersten zwei Phasen beeinflusst und eine Bewerbung auf Grund der vorherrschenden Mitarbeiterassoziationen u.U. gar nicht mehr erfolgt (vgl. von Walter/Henkel/Heidig 2009, S. 306). Auch hier geht es wie bei der Arbeitgebermarke um ein Vorstellungsbild, das in den Köpfen der Zielgruppe entsteht und Einfluss auf die Arbeitgeberwahl nimmt. Dieses Vorstellungsbild kann, abhängig von den Kontakten zwischen Zielgruppe und Mitarbeiterschaft, identisch mit der Realität sein, aber auch vollkommen anders aussehen. Je weniger Informationen oder Involvement vorliegen, desto eher wird mit vereinfachenden Stereotypen gearbeitet (vgl. Fröhlich 2000, S. 418). VON WALTER, HENKEL und HEIDIG (2009, S. 297) gehen sogar davon aus, „dass Jobsucher bereits in einem frühen Stadium des Rekrutierungsprozesses konkrete Vorstellungen von den Mitarbeitern eines Unternehmens entwickelt haben, die über den Erfolg einer Arbeitgebermarke mitentscheiden“.
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[1] Aufgrund der verbesserten Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet, es sind grundsätzlich beide Geschlechter gleichermaßen angesprochen.
- Arbeit zitieren
- M.A. Dirk Mertins (Autor:in), 2011, Mitarbeiter als Markenbotschafter der Employer Brand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209385