Ägypten nach dem Dritten Golfkrieg

Zwischen externer Demokratisierung und innerstaatlicher Reformbewegung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vorgeschichte

3. Vom „Kairoer Frühling“ zum „Kairoer Winter“

4. Die politische Landschaft nach dem „Kairoer Winter“

5. Fazit

6. Bibliographie

1. Einleitung

Am 25. Januar 2011 gingen in Ägypten Tausende Demonstranten auf die Straßen. Auf ihren Plakaten forderten sie „Revolution und Freiheit“. Dort stand auch: „Tunesien ist die Lösung“. Und sie riefen: „Mubarak – geh, geh, wir wollen Dich nicht!“.[1] Die Proteste erreichten eine neue Ebene. Und die Proteste hielten an. Bis zu 30000 Polizisten versuchten, die Kundgebungen in Kairo und anderen Städten aufzulösen. Es kam zu Rangeleien und Polizisten wurden mit Steinen beworfen.[2] Die Wut der Bevölkerung entlud sich in diesen Tagen. Am 1. Februar waren es bis zu 2 Millionen Menschen, die nach Kairo strömten und den sofortigen Rücktritt Mubaraks forderten. Die Proteste blieben friedlich. Doch Husni Mubarak, seit 1981 Präsident Ägyptens, trat nicht zurück. Er gab lediglich bekannt, zur nächsten Präsidentschaftswahl im September nicht mehr antreten zu wollen und versprach, vor seinem Abtreten Reformen. Doch das genügte den Demonstranten nicht. Sie skandierten: „We will be here tomorrow. We will be here Thursday. We will be here Friday. We will be here until Mubarak is gone.”[3]

Einen Tag später kippte die Stimmung. Die friedlichen Proteste verwandelten sich in Straßenschlachten. Pro-Mubarak Demonstranten wurden mit Bussen in die Kairoer Innenstadt gebracht. Sie ritten auf Pferden und Kamelen in die Menge und schlugen mit Stahlrohren auf die Anti-Mubarak Demonstranten ein. Auch machten sie Jagd auf Journalisten. Mehrere Medien berichteten, bei Mubarak-Befürwortern seien Polizeiausweise gefunden worden und Spekulationen wurden laut, dass sie von der Regierung geschickt wurden.[4]

Doch wie konnte es in Ägypten so schnell so weit kommen? Zwar hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Demonstrationen gegeben, doch hatte das autokratische Regime bis zum 25. Januar immer die Kontrolle behalten. Was war also passiert?

Wenige Wochen zuvor waren auch in Tunesien die Menschen auf die Straße gegangen. Schon nach wenigen Tagen musste sich der umstrittene tunesische Präsident Zine El-Abidine Ben Ali dem öffentlichen Druck beugen: Nach 23 Jahren verließ er sein Amt und das Land. Was Tage zuvor niemand für möglich gehalten hatte, war plötzlich wahr geworden: Die Tunesier hatten sich selbst befreit.

Doch „Tunesien ist nicht Ägypten“, hörte man immer wieder, als über die Angst anderer autokratischer Staaten vor einem Ausbreiten der tunesischen Revolution berichtet wurde.

Und doch ist der revolutionäre Funke nach Ägypten übergesprungen - und so sehr sich Mubarak auch an die Macht klammert, wird es doch immer unwahrscheinlicher, dass er sich halten kann. Vor wenigen Tagen war das undenkbar. Wie konnte sich so schnell eine so starke Bewegung entwickeln?

Um sich darüber klar zu werden, ist es entscheidend, zunächst zu untersuchen, auf welche Voraussetzungen die aufkeimenden Freiheitsbestrebungen trafen. Denn noch vor ein paar Jahren hätte der „tunesische Funke“ nicht gereicht, um in Ägypten solche Massen auf die Straßen zu bringen. Doch dieser Funke traf auf eine Gesellschaft, deren Hoffnungen auf Reformen in den letzten Jahren immer wieder enttäuscht wurden. Darüber hinaus steht das Land vor einer ganzen Reihe wirtschaftlicher und sozialer Probleme: Armut und Arbeitslosigkeit sind, wie auch in Tunesien, weit verbreitet, während die Preise für Nahrungsmittel und öffentliche Leistungen seit Jahren steigen. Zudem geriet auch das Regime seit 2003 immer mehr unter Druck und konnte nicht verhindern, dass eine neue Diskussions- und Protestkultur in der ägyptischen Bevölkerung entstand.

Es kam zu einer Reihe von Reformen, die zumindest auf den ersten Blick bereits eine demokratische Öffnung Ägyptens erkennen ließen. Mubarak setzte sich an die Spitze einer allgemeinen Reformbewegung, die aufgrund von innerem, aber auch äußerem Druck entstand. Diese Hausarbeit wird veranschaulichen, welche inneren und äußeren Faktoren zu den politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre geführt haben. Desweiteren soll untersucht werden, ob tatsächlich von demokratischen Reformen gesprochen werden kann.

Zunächst soll hierzu die Vorgeschichte des „Kairoer Frühlings“[5] beleuchtet werden. Dabei steht vor allem der Strategiewechsel der US-Politik nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 im Mittelpunkt, aber auch die innerstaatlichen Probleme Ägyptens sollen näher erläutert werden.

Anschließend wird eine chronologische Darstellung der Konflikte und Annährungen zwischen Regierung und Opposition verdeutlichen, wie die Hoffnungen auf demokratische Reformen im „Kairoer Frühling“ gipfelten - und wie sich der „Kairoer Frühling“ in den „Kairoer Winter“ verwandelte.

Um eine Einordnung der aktuellen Geschehnisse zu erleichtern, wird die Hausarbeit abschließend die politische Landschaft in Ägypten beleuchten. Hier soll ein Überblick über die wichtigsten Oppositionsgruppen gegeben werden, um deren Stärken und Schwächen herausarbeiten zu können.

Im abschließenden Kapitel werden die Erkenntnisse zusammengefasst. Darauf aufbauend soll eine kurze Einordnung in die Geschehnisse zwischen dem 25. Januar und dem 3. Februar 2011 die Relevanz des Untersuchungszeitraumes verdeutlichen.

Grundlage für diese Hausarbeit werden neben sekundärwissenschaftlichen Texten und politischen Papieren auch Online-Publikationen sein.

2. Vorgeschichte

Die Terroranschläge am 11. September 2001 leiteten ein strategisches Umdenken der USA ein. Der amerikanische Präsident George W. Bush junior proklamierte kurz darauf den „Kampf gegen den Terrorismus“. Die Bush-Regierung betrachtete autoritär geführte Staaten als potenzielle Brutstätten des Terrorismus und verstärkte daher den Druck zu demokratischen Reformen auf jene Staaten.[6] Während die Beziehungen mit zuvor befreundeten Staaten, wie z.B. Ägypten „nur“ einen erhöhten Demokratisierungsdruck zu spüren bekamen, setzte Bush andere auf die Liste der „Schurkenstaaten“. Diese strebten laut Definition nach Massenvernichtungswaffen und bzw. oder unterstützten den Terrorismus. Zu diesen Schurkenstaaten gehörten unter anderem Iran, Syrien und der Irak. Diese Staaten mussten mit mehr rechnen als nur einem erhöhten Demokratisierungsdruck.

Nachdem die USA zunächst das Taliban-Regime in Afghanistan gestürzt hatten, um al-Qaida in Afghanistan bekämpfen zu können, wandte sich die Bush-Regierung dem Irak zu. Der irakische Präsident Saddam Hussein stand bereits vor den Anschlägen von 9/11 unter Verdacht, die Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu planen. So wurden im Rahmen der „Operation Desert Fox“ schon am 20. Dezember 1998 rund 100 Ziele im Irak bombardiert.

2003 berief sich Bush dann auf neue Geheimdienstinformationen, die bestätigten, dass der Irak noch immer Massenvernichtungswaffen herstelle. Obwohl Waffenkontrolleure im Irak keine entsprechenden Hinweise finden konnten und eine Resolution des UN-Sicherheitsrates ausblieb, marschierten die USA mit der „Koalition der Willigen“[7] am 20. März 2003 im Irak ein und stürzten Saddam Hussein. Der Irakkrieg rief nicht nur im Nahen Osten heftige Empörung hervor. Die fehlende Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat sorgte auch für heftige Kritik aus dem Westen. Während die USA den Angriff auf den Irak als Präventivkrieg deklamierten und ihn mit einer direkten Bedrohung durch dort hergestellte Massenvernichtungswaffen rechtfertigten, wurde er von vielen als Angriffskrieg interpretiert. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass im Irak keine Massenvernichtungswaffen hergestellt worden waren. Unklar ist, inwieweit die US-Regierung über diesen Umstand schon vor Beginn der Invasion des Iraks Bescheid wusste. Doch das ist nicht Thema dieser Hausarbeit und mögliche andere Gründe für das Vorgehen gegen Saddam Hussein wurden bereits umfassend analysiert.[8]

Wie bereits erwähnt, blieb auch die Beziehung der USA zu Ägypten von dem strategischen Kurswechsel nicht unbeeinflusst. Zum Einen forderten die Amerikaner nach 9/11 mit Nachdruck Reformen und die politische Öffnung des Landes, zum Anderen wuchsen aufgrund der Kriege in Irak und Afghanistan die Ressentiments gegen amerikanische Einflussnahme im arabischen Raum.

Dies stellte Mubarak vor eine schwierige Aufgabe. Da Ägypten auf die Unterstützung der USA angewiesen ist, konnte Mubarak nicht riskieren, die Amerikaner zu brüskieren:

„[…], since the signing of the Israeli-Egyptian peace treaty in 1979, Egypt has become the U.S.`s second largest (after Israel) recipient of foreign aid to the tune of a U.S. $ 61.7 billion.”[9]

Bisher war es Mubarak gelungen, westliche Forderungen nach Reformen zurückzuweisen. Er benutzte dabei zwei Hauptargumente:

„Firstly, economic reforms must come first. […] Secondly, the population must be prepared for pluralism and democracy before political reforms can be initiated.”[10]

Die USA hatten sich bis 9/11 mit oberflächlichen Reformen zufrieden gegeben, die sich vornehmlich auf den Wirtschaftsbereich konzentrierten. Mit dem Kampf gegen den Terrorismus wuchs allerdings auch der Druck auf Ägypten.

„After 9/11, and especially after the Iraqi War, this almost symbiotic relationship went through its heaviest crisis when the Egyptian regime became increasingly insecure as to whether its silent accord with the U.S. government (we suppress Islamic extremism and you refrain from pushing us to undertake real political reform) was still valid.”[11]

Zugleich befand sich Ägypten bereits seit 1999 in einer wirtschaftlich überaus schwierigen Situation. Rezession und Liquiditätskrise wirkten sich auf das allgemeine Preisniveau aus. Auch Nahrungsmittel und Dienstleistungen des öffentlichen Sektors wurden deutlich teurer.

„These developments came against a background of high unemployment, poverty and an ill-funded education system […].“[12]

Der Rückhalt des Regimes in der ägyptischen Bevölkerung war aus diesen Gründen ohnehin geschwunden. Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2000 erlebte die Regierungspartei National Democratic Party (NDP) eine herbe Schlappe. Die offiziellen Kandidaten gewannen nur 175 von 444 Sitzen. Obwohl die Wahlen erstmals unter richterlicher Aufsicht stattfanden – eine Maßnahme, auf die die Opposition lange hingearbeitet hatte – kam es zum Wahlbetrug. Die NDP hatte 213 „unabhängige Kandidaten“ in die Wahl geschickt, die offiziell nicht mit der Regierungspartei in Verbindung standen. Diese wurden nach dem schwachen Wahlergebnis wieder in die NDP integriert und so kam sie letztlich auf 87,7% der Stimmen.

Durch die enge Verbindung zu den USA wurde die Situation für Mubarak noch erschwert. Die amerikanische Einflussnahme im Nahen Osten war schon vor dem Irakkrieg überaus kritisch betrachtet worden. Doch der Irakkrieg markiert einen neuen Höhepunkt der Opposition gegen die USA in der ägyptischen Bevölkerung. Auch Mubarak war gegen den Irakkrieg und versuchte wiederholt, die USA zu einem Einlenken zu bewegen. Doch seine Macht reichte nicht aus. Auch das wurde ihm von seinen Gegnern als Schwäche ausgelegt. Ägypten sieht sich noch immer als Platzhirsch der Region und beansprucht auch einen entsprechenden Einfluss für sich. Dass Mubarak den Angriff auf den Irak nicht verhindern konnte, wurde ihm in den folgenden Monaten immer wieder vorgeworfen.[13]

[...]


[1] Spiegel Online, 25. Januar 2011

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,741537,00.html

[2] Spiegel Online, 25. Januar 2011

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,741584,00.html

[3] CNN Live-Übertragung vom 1. Februar.

[4] CNN Live-Übertragung vom 2. Februar.

[5] Als „Kairoer Frühling“ wird die erste Phase der Reformen bezeichnet, die Husni Mubarak 2003/2004 anstieß. In dieser Zeit reagierte das Regime ungewöhnlich tolerant auf Demonstrationen und versuchte sogar, sich selbst an die Spitze der Reformbewegung zu setzen.

[6] S. z.B. Metz, Steven, Iraq & The Evolution of American Strategy, 2008, S. 84 ff.. oder Ehteshami, Anoushiravan, The Middle East: between ideology and geo-politics, In: Buckley, Mary; Singh, Robert (Ed.), The Bush Doctrine and the War on Terrorism, 2006, S. 106 ff..

[7] Zur Zeit der Gründung: Afghanistan, Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Äthiopien, Australien, Bahrain, Bulgarien, Costa Rica, Dänemark, Dominikanische Republik, El Salvador, Eritrea, Estland, Fidschi, Georgien, Großbritannien, Honduras, Island, Italien, Japan, Jordanien, Katar, Kolumbien, Kuwait, Lettland, Litauen, Mazedonien, Mikronesien, Nicaragua, Niederlande, Norwegen, Oman, Palau, Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien, Saudi-Arabien, Singapur, Slowakei, Slowenien, Spanien, Südkorea, Thailand, Tonga, Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, Ungarn, Usbekistan und die Vereinigten Arabischen Emirate.

[8] S. Ritchie, Nick; Rogers, Paul, The Political Road to War with Iraq, 2007 und Gardner, Lloyd C., The Long Road to Baghdad, 2008.

[9] Fürtig, Henner (1), The Arab Authoritarian Regime between Reform and Persistence, 2007, S. 50.

[10] Ebd., S. 31.

[11] Fürtig (1), 2007, S. 50 f..

[12] Middle East Briefing, 30 September 2003, S. 4.

[13] Middle East Briefing, 30 September 2003, S. 6.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Ägypten nach dem Dritten Golfkrieg
Untertitel
Zwischen externer Demokratisierung und innerstaatlicher Reformbewegung
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
25
Katalognummer
V209388
ISBN (eBook)
9783656370857
ISBN (Buch)
9783656371021
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ägypten, Arabischer Frühling, Demokratisierung, Arabische Revolution, Geschichte, Naher Osten, Nahost, Neuere Geschichte, Dritter Golfkrieg, Golfkrieg, Mubarak
Arbeit zitieren
Sophie Pahl (Autor:in), 2011, Ägypten nach dem Dritten Golfkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209388

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