Klientenwirksame Verbesserung der Fachberatung durch systemische und organisationspsychologische Aspekte


Bachelorarbeit, 2012

63 Seiten


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Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zentrale Fragen
1.3 Ziel der Arbeit
1.4 Methode und Vorgangsweise

2 Integrativ beraten
2.1 Warum Beratungsprojekte scheitern
2.2 Das systemische Organisationsverständnis
2.3 Das Berater-Klienten-System
2.4 Die systemische Schleife
2.5 Fachberatung und Prozessberatung im Vergleich
2.6 Das komplementäre Beratungsmodell
2.7 Beratung als Anstoß für Veränderungen

3 Veränderung gestalten
3.1 Voraussetzung für erfolgreiche Veränderung
3.2 Zwei Veränderungsmodelle
3.2.1 Die acht Schritte der Veränderung nach Kotter
3.2.2 Das Graves Value System
3.3 Herausforderung Kulturwandel
3.4 Führen in Veränderungsprozessen
3.4.1 Umgang mit Emotionen
3.4.2 Situative bzw. kongruente Führung

4 Gehirngerecht führen
4.1 Aspekte aus der Psychologie und Hirnforschung
4.2 Die Wirkung des Stress- und des Motivationssystems
4.3 Beziehungsgestaltung durch emotionale Intelligenz
4.4 Begeisterung als Grundlage des Lernens und Veränderns
4.5 Regeln für gehirngerechte Führung

5 Fachberatung verbessern
5.1 Die Schwächen der Fachberatung
5.2 Das adaptiv-kollaborative Beratungsmodell
5.2.1 Dimensionen des adaptiv-kollaborativen Beratungsmodells
5.2.2 Anwendung des adaptiv-kollaborativen Beratungsmodells
5.3 Neue Anforderungen an Fachberater
5.4 Komplexität und Herausforderungen des Ansatzes

6 Umsetzung einleiten
6.1 Der Veränderungskontext
6.2 Prüfung der Veränderungsvoraussetzungen
6.3 Einleiten der Veränderung
6.4 Persönliche Auswirkungen

7 Zusammenfassung und Ausblick

8 Literaturverzeichnis

9 Eidesstattliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: ״Thank God! A panel of experts!“, Quelle: (Simon, 2009, s. 319)

Abbildung 2: Das Berater-Klienten-System, Quelle: (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 36)

Abbildung 3: Prozessmodell "systemische Schleife", modifiziert nach (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 46)

Abbildung 4: Fach- und Prozessberatung, Quelle: (Ellebracht, Lenz, Osterhold, & Schäfer, 2004, s. 28)

Abbildung 5: Das komplementäre Beratungsmodell, modifiziert nach (http://www.koenigswieser.net/komplementaerberatung/modell.html)

Abbildung 6: Eight steps to Transforming your Organization, Quelle: (http://hbr.org/hb/article_assets/hbr/9503/95204_A.gif)

Abbildung 7: Das Graves Value System, modifiziert nach (http://www.gravesvaluesystem.de/4.html)

Abbildung 8: Organisatorische Gestaltungselemente eines Unternehmens, modifiziert nach (Bär, Krumm, &Wiehle, 2010, s. 59)

Abbildung 9: Die Veränderungskurve, modifiziert nach (Frantz-Kovacs, 2011, s. 44)

Abbildung 10: Situatives Führens im Graves System, modifiziert nach (Bär, Krumm, & Wiehle, 2010, s. 85)

Abbildung 11: Botenstoffe als Treibstoff der Motivationssysteme, modifiziert nach (Binder- Kissel, 2008, s. 1)

Abbildung 12: Keine Motivation ohne Beziehung, modifiziert nach (Binder-Kissel, 2008, s. 2)

Abbildung 13: Das adaptiv-kollaborative Beratungsmodell, (eigene Darstellung)

Abbildung 14: Zweidimensionale Verbesserungsmöglichkeiten, modifiziert nach (Claßen & von Kyaw, 2010, s. 101)

Abbildung 15: Ansatzpunkte der Unternehmensentwicklung, Quelle: (Rüegg-Stürm, 2003, s. 85)

Abbildung 16: Aktuelle Veränderungsvorhaben im eigenen Unternehmen (eigene Darstellung)

Abbildung 17: Entwicklung des persönlichen Arbeitsumfeldes (eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Vergleich mechanistisches und systemisches Weltbild, modifiziert nach (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 28)

Tabelle 2: Veränderungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft, Quelle: (Bär, Krumm, & Wiehle, 2010, s. 47)

Tabelle 3: Die Beschreibung der Ebenen im Graves Value System, Quelle: (http://www.9levels.de/level-1-9.html)

Tabelle 4: Emotionale Intelligenz, Quelle: (Golemann, 1999, s. 36 ff)

Tabelle 5: Beurteilung der Veränderungsvoraussetzungen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Im Frühjahr dieses Jahres habe ich mich entschieden, den Lehrgang ״Management, Psychologie und Leadership“ am Management Center in Innsbruck zu absolvieren. Mein Ziel ist es, zu meiner technischen Grundausbildung und meinem betriebswirtschaftlichen Studium ergänzendes Wissen im sozialwissenschaftlichen Aspekt der Betriebswirtschaftslehre zu erwerben.

Das Motiv für die Wahl dieses Themas zur Abschlussarbeit liegt in meinem beruflichen Umfeld, der Fachberatung im Bereich der Logistik und des Supply Chain Managements. Dabei zeigt sich, dass der ausschließliche Ansatz der Fachberatung nicht oder nur teilweise zufriedenstellende Ergebnisse in Beratungsprojekten liefert. Im Rahmen der Arbeit soll daher aufgezeigt werden, inwiefern die Fachberatung weiter entwickelt werden kann.

An dieser stelle möchte ich mich bei meinem Arbeitgeber für die aktive Unterstützung und Finanzierung des Lehrgangs am Management Center Innsbruck bedanken.

Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei meinem Betreuer der Abschlussarbeit, Herrn Dipl. Psych. Ulrich Schoop, MBA, Senior Consultant bei Köhninger PME in Augsburg, für die spannende Lehrveranstaltung zum Thema Organisationspsychologie sowie für die Betreuung und Evaluierung der Abschlussarbeit.

Zu guter Letzt gebührt ein herzlicher Dank an meine Partnerin Carmen Abbrederis, Leiterin des Kindergartens in Dornbirn-Rohrbach, für die Korrekturarbeiten sowie insbesondere für die inspirierenden Diskussionen zu psychologischen und pädagogischen Fragestellungen.

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Die Logistik und das Supply Chain Management in Unternehmen sind sehr starken Wandlungen unterworfen. Gesetzliche Rahmenbedingungen verändern sich, neue Märkte werden erschlossen, Outsourcing und Kollaboration gewinnen an Bedeutung. Die Unternehmen, vor allem aber die Menschen in diesen Unternehmen, sind daher permanent mit Neuigkeiten konfrontiert. Als Fachberater für Logistik und Supply Chain Management erlebe ich oft, dass Veränderungen sehr technisch angegangen werden. Faktenbezogene Aspekte wie Tools oder Prozesse sind leicht zu verändern. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Mitarbeiter diese Umgestaltungen auch akzeptieren und ihr Verhalten anpassen. Nur die wenigsten Change-Projekte laufen erfolgreich, da Menschen nicht immer das tun, was ihnen gesagt wird (Kieslinger, 2012).

Darüber hinaus ist in der Fachberatung immer wieder zu beobachten, dass Kunden die Beratungsergebnisse nicht oder nur teilweise Umsetzen können, Konzepte sprichwörtlich in der Schublade landen oder Mitarbeiter und Organisation nach einer Optimierung bzw. Reorganisation in alte Verhaltensmuster zurück fallen. Dieses Phänomen zeigt sich insbesondere bei Projekten mit hohem Veränderungscharakter, also immer dann, wenn einzelne Mitarbeiter oder Organisationen als Ganzes von der Veränderung betroffen sind.

Zudem ist in den Akquisitionsgesprächen vermehrt ein gewisses Misstrauen von Kunden gegenüber Fachberatern wahrzunehmen. Diese Skepsis rührt häufig aus schlechten oder enttäuschenden Beratungsprojekten aus der Vergangenheit her. Und obwohl es aus inhaltlicher Sicht Beratungsbedarf gibt und Beratung auch ökonomisch Sinn machen würde, kommt eine Beauftragung aufgrund der gemachten schlechten Erfahrungen nicht zustande.

1.2 Zentrale Fragen

Fachberater sind Experten in einem spezifischen Themengebiet. Unternehmen beauftragen einen Fachberater, weil ihnen zu einem gewissen Zeitpunkt spezifisches Fachwissen fehlt oder eigene Ressourcenträger, die dieses Know-how hätten, nicht verfügbar sind.

Der Erfolg eines Fachberatungsprojektes ist aber oft nicht die Lösung des fachlichen Problems an sich. Diese ist sozusagen lediglich die Mindestanforderung an einen Fachberater. Der Erfolgsfaktor, für den Kunden als auch für den Berater, ist die nachhaltige Implementierung der erarbeiteten Lösung in der Kundenorganisation.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit der zentralen Frage, inwiefern Ergebnisse aus der Fachberatung besser und nachhaltiger umgesetzt werden können.

1.3 Ziel der Arbeit

Meine persönliche Zielsetzung als Fachberater im Umfeld des Supply Chain Management bzw. der Logistik im Rahmen dieser Arbeit ist es, Verbesserungsmöglichkeiten in Bezug auf die Interaktion im Beratungssystem zu entwickeln. Dies hat eine vertriebsorientierte Komponente, welche in der Arbeit aber nicht näher betrachtet werden soll. Im Fokus steht die Betrachtung der Beratungsphase, also vom Zeitpunkt des Projektstarts bis zum formellen Abschluss. Auf die fachlichen Rahmenbedingungen aus dem Supply Chain Management und der Logistik wird in der weiteren Folge der Arbeit nicht mehr näher eingegangen, da diese für die Zielsetzung der Arbeit nicht relevant sind. Daher können die Erkenntnisse der Arbeit auch für Fachberater mit anderen thematischen Schwerpunkten nützlich sein.

Ziel der Arbeit ist es, den Einfluss systemischer und psychologischer Aspekte in der Fachberatung aufzuzeigen. Darauf aufbauend sollen konkrete Handlungsoptionen für den Berater, das Beratungssystem bzw. das Beratungsunternehmen erarbeitet werden, um eine für den Kunden nachhaltigere Ergebnissicherung bei Geschäftsprozess­Optimierungen zu erreichen.

1.4 Methode und Vorgangsweise

Im ersten Teil der Arbeit wird auf die Beratung im Allgemeinen sowie auf die systemische Sicht in der Beratung im Besonderen eingegangen. Dabei wird aufgezeigt, warum Fachberatungsprojekte oft scheitern. Weiters wird das Berater-Klienten-System und die systemische Schleife in ihren Grundzügen beschrieben. Darüber hinaus werden die unterschiedlichen Ansätze der Fachberatung und der systemischen Beratung näher dargestellt und im integrativen Consulting-Ansatz zusammengeführt. Da Beratung meist Anstoß für Veränderung ist, wird abschließend dieser Aspekt beleuchtet.

Im zweiten Abschnitt werden Voraussetzungen für Change-Vorhaben geklärt sowie die Modelle von Kotter sowie Graves beschrieben. Ein Kernelement der Veränderung ist die Ebene der Verhaltens- und Kulturveränderung, welche im Anschluss näher dargestellt wird. Der Aspekt der Führung in Veränderungsprozessen, insbesondere im Kontext von Verhaltens- und Kulturveränderungen, bildet den Abschluss dieses Teils der Arbeit.

Im dritten Kapitel wird auf den psychologischen Aspekt bei Veränderungen und in der Führung eingegangen. Dabei werden fördernde und hemmende Elemente des organisationalen Lernens präsentiert und auf der Grundlage von aktuellen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen Regeln für ״gehirngerechtes“ Führen vorgestellt.

Im vierten Teil der Arbeit wird ein neues Beratungsmodell entwickelt, um die Fachberatung mit den dargestellten Erkenntnissen aus der Systemtheorie, aus dem Veränderungsmanagement sowie aus der Führung zu verbessern. Dabei geht es um eine Innen- sowie Außensicht. Die Innensicht beschreibt, welche neuen Anforderungen an Fachberater daraus abzuleiten sind und beschäftigt sich darüber hinaus mit Fragen der internen Organisation des Beratungsunternehmens. Die Außensicht handelt insbesondere davon, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um Veränderungen wirksamer und nachhaltiger in der Kundenorganisation zu implementieren. Zum Abschluss werden der Nutzen und die Herausforderungen des Ansatzes aufgezeigt

Im letzten Kapitel wird ein Ausblick auf die Umsetzung des Modelles im eigenen Unternehmen gegeben. Darüber hinaus werden persönliche Aspekte der Veränderung durch die Einführung des neuen Beratungsmodells aufgezeigt.

2 Integrativ beraten

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Ansätzen der Fach- sowie der systemischen Prozessberatung. Dabei werden eingangs die Schwächen der Fachberatung aufgezeigt und anschließend die Grundzüge der systemischen Beratung beleuchtet. Dieser Abschnitt endet mit der Zusammenführung der Ansätze der Fach- und Prozessberatung im integrativen bzw. komplementären Beratungsansatz.

2.1 Warum Beratungsprojekte scheitern

Wenn Unternehmen vor Problemen oder Fragen stehen, für die sie keine vergleichbaren Lösungen, keine Erfahrungen oder kein Wissen verfügbar haben, werden sie bei Beratern Hilfe suchen. Sie suchen üblicherweise nach einem Experten, der ihnen bei ihrem Problem helfen kann und der für die jeweilige Fragestellung das beste, neueste, wissenschaftlichste oder ״sonst wie“ Wissen hat. Dies schafft eine asymetrische Beziehung, in welcher der Berater in die Expertenrolle gelangt, während sein Kunde in die unterlegende Nichtexpertenposition gerät (Simon, 2009, s. 319).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: ״Thank God! A panel of experts!“, Quelle: (Simon, 2009, s. 319)

Grundlegendes Geschäftsmodell vieler Beratungsunternehmen ist eine mehr oder weniger ausgeprägte Standardisierung der Tools und Methoden, damit auch junge, neue Fachberater möglichst schnell in den ״Produktiveinsatz“ beim Kunden übergehen können. Eine der Konsequenzen diese Ansatzes ist, dass die Probleme des zu beratenden

Unternehmens so umgedeutet werden müssen, dass sie zu den Methoden des Beraters passen (Simon, 2009, s. 320).

Daher landen Konzepte oder Maßnahmenlisten oft in der Schublade. Die Verbesserungsmaßnahmen führen nicht zu den geplanten und versprochenen Resultaten oder können nicht implementiert werden. Die Mitarbeiter machen nicht das, was man ihnen sagt, sondern das was sie für sinnvoll erachten (Simon, 2009, s. 321).

Nach Mohe & Seidl gibt es vier zentrale Gründe für das Scheitern von Beratungsprojekten (Mohe & Seidl, 2008):

1. Fehlende Fachkompetenz der Berater und mangelndes Interesse der Klienten

Gründe für das Scheitern liegen teilweise in den persönlichen Charakteristika von Beratern und Klienten begründet. Den Consultants wird seitens der Klienten häufig fehlende Fachkompetenz attestiert. Die Klienten haben dagegen nicht selten wenig Interesse an den Projekten, wodurch ihre notwendige Unterstützung gegenüber den Beratern ausbleibt. Von den Beratern wird in solchen Fällen häufig ein ״heiliger Gral“ erwartet. Ohne, dass die eingeschlagenen Pfade des Unternehmens verlassen werden müssen, soll die Beratung den Ist-Zustand verbessern. In derartigen Situationen ist das Scheitern kaum vermeidbar.

2. Schlechtes Projektmanagement und fehlende Ressourcen

Ein weiterer wichtiger Grund ist die unzureichende Bereitstellung von Ressourcen. Weder die Berater noch die Klienten sind bereit, die benötigten Mittel und Informationen zur Verfügung zu stellen. Auch ein vernachlässigtes Projektmanagement seitens der Berater und deren fachliche Ausführungsmängel bei der Umsetzung haben negative Auswirkungen.

3. Unklare Erwartungen und ungenügende Kommunikation

Erschwert wird die Zusammenarbeit zwischen Beratern und Klienten durch eine dysfunktionale Beziehung zueinander. Diese Beziehung ist durch unklare Erwartungen und eine ungenügende Informationsübermittlung gekennzeichnet. Im schlimmsten Falle führt dies dazu, dass die beiden Parteien, die eigentlich miteinander arbeiten sollen, am Ende gegeneinander arbeiten.

4. Interne Widerstände werden unterschätzt

Letztlich werden die sozio-politischen Aspekte einer Organisation von den Beratern oftmals unterbewertet. Diese Fehleinschätzung kann dazu führen, dass die Relevanz von internen Widerstandspotenzialen unterschätzt wird. Daher ist es umso wichtiger, die betroffenen Unternehmensteile frühzeitig in den Beratungsprozess zu integrieren.

Die erläuterten vier Eckpunkte sind keine Alleinstellungsmerkmale. Häufig treten sie bei gescheiterten Beratungen als komplexes Ursachenbündel auf. Eine Analyse ihrer Relevanz für den Beratungsmisserfolg ist daher erforderlich. Nach den vorangegangenen Ausführungen könnte man meinen, dass sich das Scheitern von Beratungen durch möglichst gutes Entgegenwirken der Defizite vermeiden lässt. Betrachtet man die unterschiedlichen Denk- und Verfahrensmuster, sowohl auf Berater- als auch auf Klientenseite, wird das Informationsdefizit des Beraters deutlich. Da die angeführten Handlungsparadigma zwischen den beiden Geschäftspartnern verschieden sind, kann sich der Berater nur ein sehr vages Bild von der Organisationsstruktur des Klienten machen. Dieses Gerüst muss aber nicht einmal der Realität entsprechen. Durch die Differenz der internen Muster kann dieses Defizit auch nur schwer durch die interaktive Kommunikation ausgeglichen werden. Daher entstehen zwangsläufig Missverständnisse, die den Beratungsprozess mehr oder weniger stark beeinträchtigen (Müller, Heinze, & Wewezow, 2008).

Aus der systemtheoretischen Perspektive lässt sich dies damit erklären, dass der Unterschied zwischen trivialen und nichttrivialen Systemen deutlich wird. Unternehmen als nichttriviale Systeme sind lernfähig, sie können aufgrund eines Inputs ihre internen Strukturen verändern. Sie funktionieren daher in einer Weise, die es dem Beobachter prinzipiell nicht erlaubt, aufgrund der Analyse von Input-Output-Korrelationen das Verhalten des Systems vorherzusagen. Was immer ein Manager oder ein Berater sagt oder tut, er hat nie die Kontrolle über das System, er hat es nie ״im Griff“ (Simon, 2009, s. 318 ff).

2.2 Das systemische Organisationsverständnis

Bevor auf die systemische Organisationssicht eingegangen wird, soll in nachstehendem Vergleich das mechanistische dem systemischen Weltbild gegenüber gestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Vergleich mechanistisches und systemisches Weltbild, modifiziert nach (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 28)

Grundlage für das systemische Organisationsverständnis ist das Verständnis der Wirtschaftswissenschaft als Sozialwissenschaft. Sie sehen Unternehmen als nichttriviale, soziale Systeme, d.h. als Kommunikationssysteme. Das Unternehmen als

selbsterhaltendes, autopoietisches System folgt dabei charakteristischen Organisationsprinzipien in der Logik seiner Prozesse. Das Wissen der Organisation ist dabei nicht in den Köpfen der Mitarbeiter gelagert, sondern es ist implizit in den Prozessen lokalisiert, die das Unternehmen als abgegrenzte Überlebenseinheit erhalten. Und eine lernende Organisation ist keine Organisation, in der ihre Mitarbeiter lernen, sondern eine, die in der Lage ist, ihre Spielregeln, ihre Kommunikationsmuster und Strukturen zu verändern, um Ziele zu erreichen (Simon, 2009, s. 321 f).

Nachstehend eine Zusammenfassung der Grundannahmen der systemischen Organisationssicht, die in späterer Folge für die systemische Beratung von Bedeutung sind (Königswieser, Hillebrand, &Ortner, 2009, s. 35 f):

- Organisationen funktionieren nicht wie triviale Maschinen. Sie führen ein mehr oder weniger autonomes Eigenleben und sind daher nicht direkt beeinflussbar und auch nicht gänzlich durchschaubar.
- Sie reproduzieren sich mittels Kommunikation ständig selbst, sind in permanenter Veränderung begriffen und schaffen immer neue Ordnungsgefüge in Form von erinnerter Geschichte, strukturell festgehaltenen Erfolgen und abgestimmten Wahrnehmungsmustern und Erwartungshaltungen.
- Dieses ״Selbstverständnis“ verdichtet sich in Sinnkonstruktionen und Weltbildern, die aus der Innensicht als Leitbilder in die Umwelt projiziert werden. Interne Ordnungsstrukturen, Sinnkonstrukte und Weltbilder verleihen innerhalb der Organisation Sicherheit und Stabilität, behindern aber gleichzeitig das Reagieren auf Veränderungen in einer dynamischen, sich verändernden Umwelt.
- Organisationen können nicht nur aus Not und auf Druck von außen lernen, sondern auch proaktiv, in dem sich sie selbst und ihre jeweiligen Umwelten aktiv und kreativ umgestalten.

Aufbauend auf dieser Grundlage wird nachfolgend auf die systemische Beratung im eigentlichen Sinn eingegangen.

2.3 Das Berater-Klienten-System

ln einem Beratungsverhältnis stehen sich zwei soziale Systeme gegenüber bzw. kommunizieren miteinander: Die um Beratung anfragende Organisation als das Klientensystem (KS) und die Beraterorganisation als das Beratersystem (BS). Durch die für die Zeitdauer des Beratungsprojektes entstehende Interaktion zwischen KS und BS etabliert sich ein drittes System, das Berater-Klienten-System (BKS) (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 36).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Das Berater-Klienten-System, Quelle: (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, S. 36)

Durch den Abschluss eines Beratungsvertrages erklären beide Systeme das jeweils andere System als relevante Umwelt. Erst damit können die Berater in ihren Rollen und entsprechend den damit verbundenen Erwartungen wirksam werden (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 36).

Unter Intervention versteht man die zielgerichtete Kommunikation zwischen zwei Systemen mit beabsichtigten Wirkungen innerhalb des KS. Für das BS sind die Mitglieder des KS die eigentlichen Experten für ihre Aufgaben und sie können daher auch nicht einfach ״belehrt“ werden. Das BS bringt in erster Linie Prozess-Know-how und kontextbezogenes Fach-Know-how ein, vor allem aber die wichtige Außensicht. Systemische Beratung lässt sich zusammenfassend von folgenden Prinzipien leiten (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 36 f):

- Begrenztheit Interventionen können nur Impulse sein, aus denen das KS macht, was es machen kann. Die Möglichkeit des Einflusses auf das Systemgeschehen von außen ist sehr begrenzt.
- Balance zwischen Verändern und Bewahren: Das BS kann dem KS nur die Spannung zwischen Verändern und Bewahren sichtbar machen und für eine Bearbeitung öffnen. Das KS allein trifft die Entscheidung, wie es damit umgeht.
- Mobileeffekt Wo Energie vorhanden ist, sollte angefangen werden. Wie bei einem Mobile haben Interventionen an jeder stelle Auswirkungen auf andere Bereiche.
- Integration׳. Harte und weiche Faktoren sind nicht voneinander zu trennen. Vision, Strategie, Struktur und Kultur stehen in Wechselwirkung.
- Maßschneiderei, Prozessorientierung. Anschlussfähige Interventionen müssen kontextabhängig geplant und im Prozess immer wieder angepasst werden.
- Reflexion: Um seiner Rolle und Aufgabe gerecht zu werden, muss das BS ständig Reflexionsschleifen durchlaufen.
- Anschlussfähigkeit Die Berater müssen sich bemühen, die hinter den agierenden Personen wirksamen Strukturen und Logik des Systems zu erkennen und anschlussfähig intervenieren.
- Partnerschaft: Das BS muss ein stabiles System sein und die Nähe-Distanz­Regelung bezüglich des KS bewusst gestalten und sich wieder überflüssig machen.
- Mehrbrillenprinzip, d. h. Arbeit mit Perspektivenwechsel und mit Sichtweisen verschiedener, widersprüchlicher Strömungen.
- Umsetzungsorientierung. Implementierung ist von Beginn an integrales Prozesselement.

2.4 Die systemische Schleife

Das Modell der systemischen Schleife stellt den Denk- und Prozessansatz dar, welcher die systemische Haltung zum Ausdruck bringt: ״Ich möchte verstehen, was läuft. Wir müssen zuerst Hypothesen bilden, reflektieren, nicht gleich agieren“ (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 45).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Prozessmodell "systemische Schleife", modifiziert nach (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, S. 46)

Der Berater macht sich nicht einfach ein Bild von der Organisation und der Problemlage wie mit einem Fotoapparat, sondern erzeugt über diesen Denkzirkel gemeinsam mit den Befragten die ״Wirklichkeit“, die dann Gegenstand weiterer Überlegungen zur Vorgehensweise ist. Aber es ist eine Illusion zu glauben, man müsste nur genug Fragen stellen und Information sammeln, dann würde das Bild komplett werden. Daher wird Reflexionsarbeit zwar auch mit dem Kunden gestaltet, aber das Beraterteam bzw. das Beratersystem ist das eigentliche Zentrum dieser Arbeit (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 47).

2.5 Fachberatung und Prozessberatung im Vergleich

Beratung als Unterstützung von Organisationen kann in der Praxis sehr unterschiedliche Formen annehmen. Zur Darstellung der verschiedenen Vorgehensweisen ist daher die Unterscheidung zwischen der Experten- oder Fachberatung und der (systemischen) Prozessberatung hilfreich.

Fachberatung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kunde ein Problem an einen Berater delegiert und dann einen Lösungsvorschlag erwartet. In vielen Fällen erwarten Kunden Expertenberatung, etwa zur Analyse von Prozessen oder zur Überprüfung von Strategien (Ellebracht, Lenz, Osterhold, & Schäfer, 2004, s. 27). Grundannahme dabei ist, dass dem Fachberater in der jeweiligen Frage mehr Wissen, Erfahrung oder Kompetenz zugeschrieben wird als dem Auftraggeber bzw. seiner Organisation.

Ausgangspunkt für Prozessberatung sind ebenfalls Probleme innerhalb eines Kundensystems. Hier liefert der Berater nach der Analyse jedoch keine fertige Lösung. Vielmehr wird ein Lösungsvorschlag innerhalb des Kundensystems erarbeitet. Aufgabe des Beraters ist es dabei, den Prozess zu begleiten und zu unterstützen. Systemische Organisationsberatung geht davon aus, dass die Kompetenz des Kundensystems grundsätzlich die Kompetenz externer Experten übersteigt, weil erst im System über die Wirkung bestimmter Maßnahmen entschieden wird. Daher ist systemische Beratung zuerst einmal Prozessberatung. Der Kunde wird dabei unterstützt, die für sich passenden Lösungswege zu finden. Dabei können je nach Thematik in einem Beratungsprozess die Anteile von Prozess- und Fachberatung unterschiedlich sein, wie nachstehende Grafik erläutert (Ellebracht, Lenz, Osterhold, & Schäfer, 2004, s. 27 f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Fach- und Prozessberatung,

Quelle: (Ellebracht, Lenz, Osterhold, & Schäfer, 2004, s. 28)

2.6 Das komplementäre Beratungsmodell

Beratung zielt grundsätzlich auf eine Steigerung der Wertschöpfung oder der Produktivität ab. Jedoch unterscheiden sich die Zugänge hierzu in der Fach- bzw. Prozessberatung. Das Nacheinander oder Nebeneinander von Beratungsansätzen ist aus Kundensicht nicht mehr zielführend. Der Ansatz der Komplementärberatung bzw. der integrativen Beratung stellen den Nutzen des Kunden in den Mittelpunkt und greifen den scheinbaren Widerspruch von harten und weichen Faktoren in spezieller Weise auf (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 119 f).

Die nachfolgende Grafik veranschaulicht das komplementäre Beratungsmodell:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Das komplementäre Beratungsmodell, modifiziert nach (http./Avww.koenigswieser.net/komplementaerberatung/modell.html)

Dabei stehen vier Elemente im Fokus (Königswieser, Hillebrand, & Ortner, 2009, s. 120):

- Komplementarität bedeutet die Ergänzung des unterschiedlichen Beraterwissens im Hinblick auf Fachberatung und Prozessberatung.
- Durch das zweite Element, der Kompensation, wird im Kundensystem das fehlende Wissen zur Verfügung gestellt.
- Weiters ist das integrierte Erlebnis zentraler Bestandteil. Die Integration von Prozess- und Fach-Know-how stellt eine Balance zwischen zu Beginn klar formulierten Zielen und sich im Projektverlauf veränderten Ergebniserwartungen her.
- Das vierte Element ist die Haltung. Diese ist keine Mischung aus der Haltung von Fach- und Prozessberatung, sondern erschließt vielmehr eine neue Dimension, wie in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt.

Nähe und Distanz haben aus der Sicht der beiden Beratungsansätze eine unterschiedliche Funktion, die aber durchaus beide ihre Berechtigung haben. Fachberater sind im operativen Geschäft involviert und müssen im Geschäftsalltag dem Klienten beratend zur Seite stehen, weshalb ihre Anwesenheit erforderlich ist. Prozessberater hingegen erfüllen ihre Aufgabe nur, wenn sie Distanz wahren, beobachten, hypothetisch Schlüsse ziehen und diese ins Unternehmen rückmelden, temporär intervenieren und coachen, solange und so oft, bis sie sich zurückziehen können, um dem Klientensystem die Möglichkeit einzuräumen, aus eigener Kraft und selbstverantwortlich die für eine Weiterentwicklung sinnvoll erscheinenden Schritte zu setzen (Sonuç, Gebhardt, & Königswieser, 2006, s. 9).

Daraus ergibt sich für eine integrierte Beratung im Tandem bzw. Team ein erheblicher zeitlicher Koordinierungsbedarf und vor allem die Notwendigkeit, außerhalb der Beratungsarbeit vor Ort viel Zeit gemeinsamer Reflexion zu verwenden. Diese und die oben erwähnten Anforderungen an die Berater setzen auch ein entsprechendes Beraterprofil voraus (Sonuç, Gebhardt, & Königswieser, 2006, s. 9).

Auf die erforderlichen Beraterqualifikationen sowie auf die Grenzen dieses Modells wird in Kapitel 5.3 näher eingegangen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 63 Seiten

Details

Titel
Klientenwirksame Verbesserung der Fachberatung durch systemische und organisationspsychologische Aspekte
Autor
Jahr
2012
Seiten
63
Katalognummer
V209597
ISBN (eBook)
9783668778061
ISBN (Buch)
9783668778078
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Klient, Fachberatung, Psychologie, Management, Leadership
Arbeit zitieren
Alexander Kieslinger (Autor:in), 2012, Klientenwirksame Verbesserung der Fachberatung durch systemische und organisationspsychologische Aspekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209597

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