In einigen Kulturkreisen gilt selbstverletzendes Verhalten ( kurz:SVV) beispielsweise als Ausdruck von Trauer, als Mutprobe oder Zeichen der Ekstase.In Deutschland jedoch wurden psychische Krankheiten wie Depression und Schizophrenie in den psychiatrischen Kliniken statistisch längst von Patientinnen , die sich selbst verletzen, abgelöst. Häufig sieht man junge Menschen mit vernarbten oder verkratzen Unterarmen. Bei den Betroffenen handelt es sich meist um Jugendliche zwischen dem 13. und 18. Lebensjahr und zu ca. ¾ ( Angaben dazu variieren) um Frauen bzw. adoleszente Mädchen. Diese besonders erschreckend hohe Zahl der weiblichen Betroffenen hat mich dazu bewegt in meiner Hausarbeit nicht nur auf selbstverletzendes Verhalten im Allgemeinen einzugehen. Auch die Adoleszenz der jungen Frau und die weibliche Körperlichkeit , sowie ihre Empfindungen und Ängste sind ebenfalls Themen, mit denen ich mich beschäftigt habe und welche zum Schwerpunkt meiner Arbeit geworden sind. Das die Wunden der Betroffenen oft noch viel tiefer sitzen, als die Narben zeigen, kann man nur mutmaßen.Da dieses Thema auch für uns als zukünftige Sozialarbeiter von Relevanz ist,werde ich in meiner Hausarbeit auf die Ätiologie und die interpersonellen Gründe für selbstverletzendes Verhalten eingehen. Dies scheint mir wichtig um Zusammenhänge zu verstehen und beispielsweise bei beratenden Tätigkeiten die richtigen Ansätze zu finden.Die Gründe für SVV haben ihren Ursprung meist in der Kindheit oder Adoleszenz und sind oft verursacht durch unterschiedliche Traumata.Ein Abschnitt meiner Hausarbeit beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Formen von selbstverletzendem Verhalten.Es ist nicht immer nur das allgemein bekannte „sich Ritzen“ was der Kategorie von SVV zugeordnet wird. Einige Formen wie Essstörungen mögen äußerlich weniger sichtbar sein, aber dennoch sitzen die Wunden nicht weniger tief. Menschen die sich selbst verletzen erleben während dieses Akts positive, euphorische Gefühle. Für Betroffene ist der Körper allerdings oftmals nicht zugehörig zu dem übrigen Menschen. Traumata und Missbrauch verleihen den Betroffenen häufig die Fähigkeit den eigenen Körper vom Selbst abzuspalten. Eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit SVV spielt die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Diese weißt eine ungemein hohe Prävalenz an selbstverletzendem Verhalten auf. Dennoch ist die Diagnosevergabe von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter umstritten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Selbstverletzendes Verhalten: Begriff und Definition
2.1. Der eigene Körper als Objekt
3. Ätiologie selbstverletzenden Verhaltens
3.1. Das Trauma
4. Erscheinungsformen selbstverletzenden Verhaltens
4.1. Artefaktbegriff: Das Münchhausen- und Münchhausen- by proxy- Syndrom
4.2. Essstörungen: Anorexia nervosa und Bulimia nervosa
4.3. Selbstverletzendes Verhalten und Komorbidität
4.4. Die Borderline- Persönlichkeitsstörung
4.4.1. Zur Abgrenzung der BPS von schweren Adoleszenzkrisen
5. Differenzierungen: Jugend, Pubertät und Adoleszenz
6. Weibliche Körperlichkeit
6.1. Frauen und selbstverletzendes Verhalten
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In einigen Kulturkreisen gilt selbstverletzendes Verhalten ( kurz:SW) beispielsweise als Ausdruck von Trauer, als Mutprobe oder Zeichen der Ekstase.ln Deutschland jedoch wurden psychische Krankheiten wie Depression und Schizophrenie in den psychiatrischen Kliniken statistisch längst von Patientinnen , die sich selbst verletzen, abgelöst. Häufig sieht man junge Menschen mit vernarbten oder verkratzen Unterarmen. Bei den Betroffenen handelt es sich meist um Jugendliche zwischen dem 13. und 18. Lebensjahr und zu ca. % ( Angaben dazu variieren) um Frauen bzw. adoleszente Mädchen. Diese besonders erschreckend hohe Zahl derweiblichen Betroffenen hat mich dazu bewegt in meiner Hausarbeit nicht nur auf selbstverletzendes Verhalten im Allgemeinen einzugehen.
Auch die Adoleszenz derjungen Frau und die weibliche Körperlichkeit, sowie ihre Empfindungen und Ängste sind ebenfalls Themen, mit denen ich mich beschäftigt habe und welche zum Schwerpunkt meiner Arbeit geworden sind. Das die Wunden der Betroffenen oft noch viel tiefer sitzen, als die Narben zeigen, kann man nur mutmaßen.Da dieses Thema auch für uns als zukünftige Sozialarbeiter von Relevanz ist,werde ich in meiner Hausarbeit auf die Ätiologie und die interpersonellen Gründe für selbstverletzendes Verhalten eingehen. Dies scheint mirwichtig um Zusammenhänge zu verstehen und beispielsweise bei beratenden Tätigkeiten die richtigen Ansätze zu finden.Die Gründe für SW haben ihren Ursprung meist in der Kindheit oder Adoleszenz und sind oft verursacht durch unterschiedliche Traumata.Ein Abschnitt meiner Hausarbeit beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Formen von selbstverletzendem Verhalten.Es ist nicht immer nur das allgemein bekannte „sich Ritzen“ was der Kategorie von SVV zugeordnet wird. Einige Formen wie Essstörungen mögen äußerlich weniger sichtbar sein, aber dennoch sitzen die Wunden nicht weniger tief. Menschen die sich selbst verletzen erleben während dieses Akts positive, euphorische Gefühle. Für Betroffene ist der Körper allerdings oftmals nicht zugehörig zu dem übrigen Menschen. Traumata und Missbrauch verleihen den Betroffenen häufig die Fähigkeit den eigenen Körper vom Selbst abzuspalten. Eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit SVV spielt die Borderline- Persönlichkeitsstörung. Diese weißt eine ungemein hohe Prävalenz an selbstverletzendem Verhalten auf. Dennoch ist die Diagnosevergabe von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter umstritten. Auf Grund der neuronalen Umstrukturierung bei Jugendlichen ist es oftmals unmöglich Diagnosen über Persönlichkeitsstörungen abzugeben, da es sich oftmals nur um temporäre Störungen auf Grund von krisenhaften Verläufen in der Adoleszenz handelt. Ein Kapitel meiner Hausarbeit befasst sich genau mit dieser „ Schwierigkeit der Abgrenzung von Borderline-Persönlichkeitsstörung und schweren Adoleszenzkrisen“.Selten leiden Betroffene unter nur einer Form von selbstverletzendem Verhalten. Da ich auch dies für ein erwähnenswertes Phänomen halte, habe ich einen Punkt meiner Hausarbeit dem Thema,, SW und Komorbidität“ gewidmet.Publikationen des Ulrich Sachsse habe ich als wichtige Quelle für meine Beschreibungen zu SW, insbesondere im Bezug auf traumatische Ereignisse verwenden können. Das Buch der Herausgeber Romuald Brunner und Franz Resch lieferte mir Informationen zu selbstverletzendem Verhalten bei Jugendlichen im Kontext der Borderline- Persönlichkeitsstörung. Die Betrachtung des Körpers als Objekt, sowie die unterschiedlichen Erscheinungsformen konnte ich der Publikation von Mathias Hirsch als Herausgeber entnehmen und die Bezüge zur weiblichen Adoleszenz stellte ich letztlich durch ein Buch von Karin Flaake her.
Meine Hausarbeit soll grundlegendes Wissen über SVV vermitteln und dabei immerwieder den Bezug zur weiblichen Adoleszenz hersteilen.
2. SelbstverletzendesVerhalten: Begriff und Definition:
Selbstverletzendes Verhalten kurz: SW, oder auch Autoaggression, wird von Sachse als zentrale und oftmals einzige Möglichkeit der Selbstfürsorge beschrieben. Ebenso bezeichnet er SW als ein Ventil für inneren Druck und als ein Antidepressivum, welches für die Betroffenen besser wirkt als jedes Medikament.
Zu erkennen ist also, dass der Akt der Selbstverletzung für die Betroffenen in diesem Moment als eine Art der Hilfe aus der Not gilt.
Meist finden sie in diesem Moment keinen anderen Ausweg, als sich selbst zu verletzen (vgl. Sachsse 2002).
2.1. Der eigene Körper als Objekt
Der eigene Körper ist für uns ein stiller, unaufdringlicher Begleiter, den man bei sportlichen Aktivitäten, der Körperpflege oder bei Übungen wie z.B. Yoga oder autogenem Training in angenehmer Weise auch seelisch spürt. Er ist für uns aber immer ein Teil unseres Ganzen und wird nicht gesondert betrachtet.
Erst wenn zum Beispiel Schmerz auftritt, oder unsere Haut beginnt zu jucken, macht er sich als etwas Unangenehmes bemerkbar und scheint nicht mehr diese selbstverständliche Zugehörigkeit zu uns zu haben.Traumatisierte Menschen, sind in der Lage ihren Körper von sich abzuspalten und dadurch wie ein Gegenüber oder äußeres Objekt wahrzunehmen und auch dementsprechend zu agieren. Viele Betroffene schilderten während der Selbstverletzung „neben sich gestanden zu haben“ oder den „Körper verlassen zu haben“ (Zitat:Hirsch 2000,S.7.).
Ein Beispiel für das Betrachten des Körpers als Objekt möchte ich anhand der Essstörungen verdeutlichen. Bulimische Anfälle sind meist ausgelöst durch Einsamkeit und Trennungen. Auch das Gefühl von nahestehenden Menschen, häufig auch den Eltern, „bevormundet, bedrängt und behindert“
(Zitat:Hirsch 2000,S. 221) zu werden, können Auslöser sein.
Der bulimische Mensch wechselt zwischen äußerem Objekt und Körper, bzw. der Nahrung als Objekt. „Die äußere Nahrung verwandelt sich in ein fremdes Objekt im inneren Selbst“ (Boris, 1984, zit. nach Hirsch 2000, S. 221). Die Bedrohung durch ein äußeres Objekt wird nach dem Fressanfall also von der Gefahr abgelöst, die von dem durch die einverleibte Nahrung veränderten Körper ausgeht. Die Anorexie im Gegensatz zur Bulimie ist eine Reaktion auf ein traumatisches Ereignis oder ein Gefühl von Angst, Leere und Spannung, welche konstant durchgehalten wird. Die ängstliche Aufmerksamkeit wird voll und ganz aufdas Körpergewicht bzw. eine Körpergewichtsgrenze projiziert,
„ [,..]der sich zu nähern Panik macht und deren Überschreitung[...]als undenkbare Katastrophe befürchtet wird ,,.(Zitat:Hirsch 2000,S.222) Bei Patientinnen mit einem gestörten Verhältnis zur Mutter (beispielsweise durch Missbrauch, emotionale Verwahrlosung) kann der eigene Körper, der plötzlich weibliche Formen annimmt, als böses Objekt angesehen werden. Der Körper einer anorektischen Jugendlichen ist also ein böses Objekt, solange er Überoder normalgewichtig ist. Der untergewichtige Körper wird zu einem guten, idealisierten Mutterobjekt. Diejunge Frau hat folglich positive Gefühle, solange sie die Kontrolle über ihren Körper hat, welches sich aber bei Gewichtszunahme in Spannung und Leere verwandelt, da die Verschmelzung mit der Mutter, dem bösen Objekt, droht. Bei der Anorexie wird also der eigene Körper als Objekt angesehen. Als ein Negatives, sobald er zu dick und schwer- also muttergleich wird und als ein Positives, Kontrolliertes, solange er unter einer bestimmten Gewichtsgrenze bleibt. Bei der Bulimie ist nicht der Körper selbst das Objekt, sondern die eingenommen Nahrungsmittel- die sobald sie verschlungen sind, zum bösen Objekt im Körper werden, und schnellst möglich wieder ausgeschieden werden müssen, um ein positives Gefühl zu erhalten (vgl. Hirsch 2000).
3. Ätiologie selbstverletzenden Verhaltens
Für selbstverletzendes Verhalten bei Jugendlichen kann es verschiedene Gründe geben. Sachsse benennt beispielsweise Missbrauchserfahrungen in der Kindheit und Jugend als Auslöser dafür, sich selbst zu verletzen. Auch andere negativ- Erfahrungen im Bezug auf den eigenen Körper, oftmals zurückzuführen auf die Zeit der stärksten körperlichen Entwicklungen, also bei Frauen dem Einsetzen der Menstruation- derVeränderung vom kindlichen zum weiblichen Körper, können Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle auslösen. Die dadurch bei Jugendlichen aufkommenden unkontrollierbaren Affekte, können durch Selbstverletzung reguliert werden. Häufig sind extrem interpretierte Konfliktsituationen mit nahestehenden Personen, wie Eltern, Freunden oder dem Partner, der Auslöserfür SW. Ob Menschen zu SSV neigen hängt somit auch stark mit der Wahrnehmung und Interpretation der eigenen Emotionen zusammen.Besteht bei bei den Jugendlichen nun ein als unerträglich negativ empfundenerZustand der Spannung, überkommt ihn das Gefühl, diesen nur durch Selbstverletzung regulieren oder lösen zu können. Während dann beispielsweise das Blut fließt, überkommt den Jugendlichen ein positives Gefühl, welches von Erleichterung bis hin zur Euphorie reichen kann (vgl. Brunner/Resch 2001). Dieses positive Gefühl ist allerdings nur von kurzer Dauer. Unmittelbar nach der Selbstverletzung treten bei dem Jugendlichen Gefühle von Scham und Ekel auf. Diese gehen einher mit dem schlechten Gewissen, der Selbstverletzung nachgegeben zu haben und der Angst davor, dass diese nach außen, durch Narben o.Ä. sichtbar werden könnte (vgl. Brunner/Resch 2001 und Sachsse 2002).
3.1 Das Trauma
Das Wort „Trauma“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Wunde“.
Wie bereits erwähnt, sagt Sachsse,dass er einen Zusammenhang zwischen (sexuellem) Missbrauch und der Überzahl von weiblichen Patientinnen mit SVV sieht. Deprivationserfahrungen (Deprivation: Zustand der Entbehrung, des Entzuges, des Verlustes ) oder sexueller Missbrauch, können bei Kindern zu einer Abspaltung des eigenen Körpers vom Selbst führen.
Wenn der Körper einer jungen Frau beispielsweise in der Adoleszenz der Triebbefriedigung des Vaters dient, sieht sie ihren Körper nicht mehr als zugehörig zu sich selbst. Somit kann man auch bei Prostituierten, die ihren unabhängigen Körper verkaufen, möglicherweise darauf schließen, dass sie in ihrer Kindheit Opfer sexuellen Missbrauchs wurden (vgl. Sachsse 2002) .
Es besteht also ein offensichtlicher Zusammenhang, zwischen frühen Traumata, Missbrauchserfahrung und dem späteren Körperempfinden. Statistisch wurde belegt, dass Patientinnen mit einer BPS in ihrer Kindheit oder Jugend zwei bis dreimal so häufig durch Misshandlung oder sexuellen Missbrauch traumatisiertwurden, als Frauen der Allgemeinbevölkerung (vgl. Sachsse 2002). Bei einem traumatisierenden Erlebnis, wird der Mensch “ [...] überflutet von Affektstürmen [...]“, (Zitat:Sachsse 2002 S.46) die auf ihn durcheinander, undifferenziert oder extrem widersprüchlich wirken. In diesem Moment durchlebt der Mensch Gefühle wie Ekel, Schmerz, Verzweiflung, Demütigung, etc. gleichzeitig oder in einem ständigem, schnellen Wechsel. Bereits währenddessen oder unmittelbar danach, entwickelt der traumatisierte Mensch coping- Mechanismen, also Bewältigungsstrategien. Die wichtigste Mechanisme ist dabei die Fähigkeit zur Dissoziation („Dissoziation wird als Prozess definiert, durch den logisch und emotional unvereinbare Erfahrungen in ihrer Relation zur übrigen Persönlichkeit abgespalten werden und so mehr oder weniger unabhängig funktionieren.“ Zitat:Schmeisser2000, S.59)
Als Beispiel für eine Dissoziation nennt Sachse ein Kind, welches von seinem Vater geschlagen wird und trotzdem unter Tränen sagt „Papa ist gut“.
[...]
- Arbeit zitieren
- Marie-C. Most (Autor:in), 2012, Selbstverletzendes Verhalten im Kontext weiblicher Adoleszenz , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209715