In der dieser Arbeit ist es mein Vorhaben, einen Vergleich zu ziehen zwischen Nietzsche und der deutschen Romantik, und zwar in einer besonderen, für beide zentralen Hinsicht – der Natur. Unter „Natur“ kann man freilich vieles verstehen, sei es die Welt, das Universum, die Gesamtheit der Dinge, die Wirklichkeit überhaupt, oder aber nur das Lebendige, vielleicht auch nur die „Natürlichkeit“ als das eigentliche, ursprüngliche Wesen der Dinge. Im Folgenden soll ein umfassender Begriff der „Natur“ verwendet werden, der einzig dem immensen Bedeutungsfeld gerecht werden kann, auf das man immer stößt, wenn man sich ebenso bei Nietzsche wie bei den Romantikern damit befassen will. Es wird sich dabei eine Viererbeziehung herausstellen, die in beide Denksysteme einbegriffen ist, nämlich die Beziehung Mensch-Leben-Natur-Geschichte. Ich werde argumentieren, dass die wesentlichen Bezugspunkte zwischen diesen vier Elementen und vor allem die Rolle, die sie in der gesamten jeweiligen Naturkonzeption innehaben, in beiden Fällen eine erstaunlich Ähnliche ist. Ich werde argumentieren, dass in beiden Fällen Natur als Geschichte begriffen wird, als lebendige, nicht festgelegte, ewig umstürzende und neuschöpfende Dynamik; dass in beiden Fällen das menschliche Leben Ausdruck dieses Lebendig-Dynamischen ist und Teilhabe daran; dass in beiden Fällen der Mensch, isoliert, außerhalb von Natur und Leben stehend, weder mit spekulativer Vernunft, noch mit empirischer Wissenschaft dieses Verhältnis durchschauen kann und dass gerade in diesen seinen Irrtümern vor ihm der Lebensprozess geheim seine Zwecke durchsetzt; dass in beiden Fällen im Anschluss daran das Bild eines Erkennenden auftaucht, welcher all dies einsieht, aber nicht daran verzweifelt, sondern bewusst das Leben mitsamt seiner Täuschungen und Irrtümer fortsetzt; dass in beiden Fällen schließlich dieser ganze Vorgang als ästhetisch lustvolles Spiel begriffen wird und die Forderung an den Menschen aufkommt, sein Leben mit diesem Spiel zu durchdringen.
Methode dieser Untersuchung ist nicht, akribisch einzelne Aussagen zu isolieren, die die behandelten Denker tun, sondern philosophische Motive herauszuarbeiten und nachzuvollziehen, die sich durch deren Systeme hindurch verfolgen lassen, sich wiederholen und in denen der Autor den Geist, die Quintessenz einer Phase des Denkens am Besten sehen und nachfühlen zu können glaubt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I Erster Teil: die Naturkonzeptionen der Romantik
- 1. Überblick über die Naturkonzeptionen der Romantik
- 2. Leitende Motive der romantischen Naturbetrachtung
- II Die Naturkonzeptionen Friedrich Nietzsches
- 1. Die Geburt der Tragödie als Systemversuch über Mensch, Kunst und Naturwahrheit
- 2. Morgenröte als zelebrierte Systemlosigkeit, Ironie, Radikal-Aufklärung
- 3. Die Fröhliche Wissenschaft als zentrales Werk
- III Vergleich
- 1. Offene Widersprüche, explizite Polemik
- 2. Entkräftungsversuch und Möglichkeit einer nicht-metaphysischen Lesart der Romantik
- 3. Erste Annäherung: Genius, Kunst, Erkenntnis des Einsamen
- 4. Zweite Annäherung: Natur, Geschichte, Mythos
- 5. Dritte Annäherung: das Leben
- 6. Philosophische Konstanten: von Herder und Goethe über die Romantik bis Nietzsche
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit einem Vergleich zwischen der Naturkonzeption Friedrich Nietzsches und der deutschen Romantik. Sie untersucht, wie beide Denksysteme das Verhältnis von Mensch, Leben, Natur und Geschichte verstehen und welche Gemeinsamkeiten in ihren Ansichten auftauchen.
- Natur als lebendige, dynamische und sich ständig verändernde Kraft
- Menschliches Leben als Ausdruck und Teilhabe an der dynamischen Natur
- Begrenztheit der Vernunft im Erfassen der komplexen Naturverhältnisse
- Rolle des Genies und der Kunst im Verstehen des Lebens und der Natur
- Das ästhetische Spiel als Ausdruck der Einheit von Leben, Natur und Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt die grundlegende Fragestellung und die zentrale Bedeutung des Begriffs „Natur“ für beide Denksysteme dar. Es wird die These aufgestellt, dass Nietzsche und die Romantik in ihren Naturkonzeptionen bemerkenswerte Ähnlichkeiten aufweisen, insbesondere im Hinblick auf die Beziehung zwischen Mensch, Leben, Natur und Geschichte.
- I. Erster Teil: die Naturkonzeptionen der Romantik: Dieser Teil liefert einen Überblick über die romantischen Ideen zur Natur, ausgehend von der Französischen Revolution und den zentralen Denkfiguren der Frühromantik. Er beleuchtet die Motive der „romantischen Ironie“ und des „Romantisierens“ und zeigt, wie sie mit einer dynamischen und nicht einsehbaren Natur verbunden sind.
- II. Die Naturkonzeptionen Friedrich Nietzsches: Dieser Teil widmet sich den Naturkonzeptionen Nietzsches, ausgehend von seinen zentralen Werken „Die Geburt der Tragödie“, „Morgenröte“ und „Fröhliche Wissenschaft“. Es wird gezeigt, wie Nietzsche die Natur als einen lebendigen und schöpferischen Prozess begreift, der der Vernunft nicht vollständig zugänglich ist.
- III. Vergleich: Dieser Teil stellt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Nietzsches und der romantischen Naturkonzeption gegenüber. Er analysiert die verschiedenen Bezugspunkte zwischen Mensch, Leben, Natur und Geschichte und zeigt, wie beide Denksysteme die Natur als ein ästhetisches Spiel begreifen, in dem der Mensch seine Rolle bewusst spielen kann.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen der deutschen Romantik und der Philosophie Friedrich Nietzsches. Zu den Schlüsselbegriffen gehören: Naturkonzeptionen, dynamische Prozesse, Leben, Geschichte, Mensch, Kunst, Genie, romantische Ironie, Romantisieren, ästhetisches Spiel, Vernunft, Erkenntnis, Mythos.
- Quote paper
- Johann Engert (Author), 2012, Natur bei Nietzsche und in der deutschen Romantik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209928