Wenn die Ostfront thematisiert wird, findet für gewöhnlich eine Assoziation mit Begriffen, Bildern und Namen statt, die sich auf den Zweiten Weltkrieg beziehen.
Dabei wird häufig vergessen, dass auch im Ersten Weltkrieg deutsche Soldaten weite Teile Osteuropas besetzten. Ab 1915 waren dies polnische Gebiete und vor allem Territorien der heutigen baltischen Staaten, Weißrusslands und der Ukraine, welche zum damaligen zaristischen Russland gehörten. Die militärischen Erfolge hatten eine Besatzung durch deutsche Truppen zur Folge, welche die dort eingesetzten Soldaten prägte und entscheidend zum Bild der Osteuropäer im Deutschen Reich beitrug.
In der vorliegenden Arbeit mit dem Thema: „Die deutsche Besatzung im Land des ‚Oberbefehlshaber Ost‘ während des Ersten Weltkrieges“, soll zuallererst auf die militärischen und politischen Umstände eingegangen werden, die zur Errichtung der Verwaltungseinheit „Ober Ost“ führten. Dazu wird neben der Ausgangslage, die unmittelbar zum Kriegsausbruch im August 1914 führte, auch chronologisch der deutsche Vormarsch an der Ostfront beschrieben. Nur anhand der Ausgangslage und dem Kriegsverlauf im Osten kann die Entwicklung der deutschen Kriegsziele nachgezeichnet werden. Die Vorstellungen und Ziele, welche für die osteuropäischen Territorien angedacht waren, entwickelten sich parallel zum Kriegsverlauf weiter und waren maßgeblich von den deutschen Erfolgsaussichten im Krieg abhängig. De facto waren zu Kriegsbeginn 1914 noch keine konkreten Kriegsziele im Deutschen Reich vorhanden und formuliert.
Erst mit dem Kriegsausbruch traten Forderungen der Politik, Wirtschaft und der Militärs auf den Plan, welche jedoch oft, aufgrund einer übersteigerten Siegeseuphorie, utopisch anmuteten oder nur die Ansichten einzelner Personen oder Verbände widerspiegelten. Während des Krieges wurde ersichtlich, dass Deutschland auf dem östlichen Kriegsschauplatz mehr Erfolg als im Westen haben würde, womit auch die Ziele und Forderungen der Regierung und vor allem der Obersten Heeresleitung wuchsen. Bestärkt wurden diese Forderungen noch dadurch, dass immer größere Gebiete im Feindesland besetzt wurden.
Gliederung
I. Einleitung
a. Darstellung des Themas
b. Forschungsstand
i. Erster Weltkrieg
ii. Das Land des „Oberbefehlshabers Ost“
II. Kriegsverlauf an der Ostfront
a. Ausgangslage
b. Deutscher Vormarsch
III. Die deutschen Kriegsziele im Baltikum
a. Politisch
b. Militärisch
c. Sonderfall Brest-Litowsk
IV. Das Land des „Oberbefehlshabers Ost“
a. Geographische Einordnung
b. Allgemein
V. Besatzung
a. Definition – Besatzung
b. Besatzungspolitik der Deutschen in „Ober Ost“
i. Verkehrspolitik
ii. Kulturprogramm
c. Alltag in „Ober Ost“
VI. Die Zukunft der baltischen Gebiete
VII. Schlussfolgerungen
VIII. Ausblick
– Die Deutsche Besatzung im Osten während des Zweiten Weltkrieges
IX. Quellenverzeichnis
X. Literaturverzeichnis
a. Internetlinks
XI. Abbildungsverzeichnis
I. Einleitung
a. Darstellung des Themas
Wenn die Ostfront thematisiert wird, findet für gewöhnlich eine Assoziation mit Begriffen, Bildern und Namen statt, die sich auf den Zweiten Weltkrieg beziehen.
Dabei wird häufig vergessen, dass auch im Ersten Weltkrieg deutsche Soldaten weite Teile Osteuropas besetzten.[1] Ab 1915 waren dies polnische Gebiete und vor allem Territorien der heutigen baltischen Staaten, Weißrusslands und der Ukraine, welche zum damaligen zaristischen Russland gehörten. Die militärischen Erfolge hatten eine Besatzung durch deutsche Truppen zur Folge, welche die dort eingesetzten Soldaten prägte und entscheidend zum Bild der Osteuropäer im Deutschen Reich beitrug.
Im Gegensatz zu den deutschen Landsern, die einen starren Stellungskrieg an der Westfront erlebten, hatten die Frontkämpfer im Osten andere Geschehnisse zu verarbeiten.[2] Der an der Ostfront geführte Bewegungskrieg führte dazu, dass riesige Territorien besetzt werden mussten. An der Front oder auch in den besetzten Gebieten im Hinterland der Hauptkampflinie, waren die deutschen Truppen mit ihnen unbekannten Gegenden, weiten, endlos erscheinenden Landschaften und fremden Völkerschaften mit unterschiedlichsten Kulturen konfrontiert. Allerdings gab es auch eine Minderheit von etwa 113.000 Baltendeutschen.[3] Die Kultur, Lebensweise und auch die deutsche Sprache dieser Deutschbalten waren keineswegs fremd für die deutschen Soldaten.[4] Vor dem Krieg hatten nur wenige Deutsche direkte Erfahrungen mit ihrem unmittelbaren östlichen Nachbarn gesammelt.[5] Der Osten war in keinster Weise mit industrialisierten und modernen Ländern, wie Belgien oder Frankreich zu vergleichen. Die dortige Situation glich einem ungeordneten und primitiven Chaos, als welches es Liulevicius bezeichnet.[6] Deutsche Ordnung, Disziplin und Arbeit sollten auf das Land, samt ihrer Bewohner übertragen werden. Ludendorff etablierte dort deshalb den Militärstaat „Ober Ost“[7], um dieser Mission einen äußeren Rahmen zu geben. Infrastrukturelle Maßnahmen und Kulturprogramme sollten diese Territorien schließlich beherrschbar machen. Bemerkenswert an diesem Umstand ist jedoch, dass diese Besatzungszeit bisher kaum erforscht ist.[8]
In der hier vorliegenden Arbeit mit dem Thema: „Die deutsche Besatzung im Land des ‚Oberbefehlshaber Ost‘ während des Ersten Weltkrieges“, soll zuallererst auf die militärischen und politischen Umstände eingegangen werden, die zur Errichtung der Verwaltungseinheit „Ober Ost“ führten. Dazu wird neben der Ausgangslage, die unmittelbar zum Kriegsausbruch im August 1914 führte, auch chronologisch der deutsche Vormarsch an der Ostfront beschrieben. Nur anhand der Ausgangslage und dem Kriegsverlauf im Osten kann die Entwicklung der deutschen Kriegsziele nachgezeichnet werden. Die Vorstellungen und Ziele, welche für die osteuropäischen Territorien angedacht waren, entwickelten sich parallel zum Kriegsverlauf weiter und waren maßgeblich von den deutschen Erfolgsaussichten im Krieg abhängig. De facto waren zu Kriegsbeginn 1914 noch keine konkreten Kriegsziele im Deutschen Reich vorhanden und formuliert.
Erst mit dem Kriegsausbruch traten Forderungen der Politik, Wirtschaft und der Militärs auf den Plan, welche jedoch oft, aufgrund einer übersteigerten Siegeseuphorie, utopisch anmuteten oder nur die Ansichten einzelner Personen oder Verbände widerspiegelten. Während des Krieges wurde ersichtlich, dass Deutschland auf dem östlichen Kriegsschauplatz mehr Erfolg als im Westen haben würde, womit auch die Ziele und Forderungen der Regierung und vor allem der Obersten Heeresleitung wuchsen. Bestärkt wurden diese Forderungen noch dadurch, dass immer größere Gebiete im Feindesland besetzt wurden. Im Kapitel, die deutschen Kriegsziele im Baltikum, wird versucht parallel zum Kriegsverlauf die Entwicklung der Kriegsziele aufzuzeigen. Unterschieden wird hier in drei Kategorien: Erstens, die politischen Vorstellungen und Forderungen im Falle eines deutschen Sieges im Osten; Zweitens, die Wünsche und Ziele der militärischen Führung des Deutschen Reiches und drittens, den Friedensverhandlungen und dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk, denen hier eine Sonderrolle zu kommt.
Nach dieser Einführung in das eigentliche Thema, folgt das Kapitel, das Land des „Oberbefehlshabers Ost“, worin nach einer geographischen Einordnung auf allgemeine Daten dieser Verwaltungseinheit eingegangen wird. Darauffolgend leitet das Kapitel Besatzung, welches einen Überblick zu diesem Begriff und seiner Bedeutung darstellt, zu dem wichtigen Thema der deutschen Besatzungspolitik in „Ober Ost“ über.
Welche Politik wurde dort betrieben, um dieses neu-entstandene Land an das Deutsche Reich zu binden? Welche Maßnahmen wurden von der deutschen Militärverwaltung erlassen um das Vertrauen der einheimischen Bevölkerung zu gewinnen? In diesem Kapitel werden die beiden Schwerpunkte der deutschen Besatzungspolitik behandelt. Zum Einen war dies eine „Verkehrspolitik“, welche zum Ziel hatte, eine Infrastruktur samt Straßen, Eisenbahnen, Telefon- und Telegraphennetzen zu errichten und zum Anderen ein „Kulturprogramm“, welches die „Missionierung“ und „Kultivierung“ der einheimischen Bevölkerung am Vorbild der deutschen Kultur und Lebensweise vorsah.
Mit Kriegsende im November 1918 folgte auch der Zusammenbruch der Militärverwaltung in „Ober Ost“, was letztendlich auch zum Scheitern der dort durchgeführten Maßnahmen führte. Diese weniger erfolgreich umgesetzte Besatzungspolitik führte bereits am 11. Dezember 1917 zur Unabhängigkeit Litauens[9], welche am 23. März 1918 offiziell von Kaiser Wilhelm II. bestätigt wurde.[10] Am 21. Januar 1918 folgte die Selbstständigkeit Estlands und schließlich am 11. November 1918, zeitgleich mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes im Wald von Compiègne[11], im Westen, zur Autonomie Lettlands.
Die unmittelbaren Geschehnisse nach Kriegsende in den baltischen Staaten werden ebenso beschrieben, wonach dann eine Schlussfolgerung resümierend auf die Fragestellung eingeht.
Abschließend bildet ein Ausblick, die Deutsche Besatzung im Osten während des Zweiten Weltkrieges, den Abschluss dieser Arbeit.
b. Forschungsstand
i. Der Erste Weltkrieg
Bereits während des Krieges begann die Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg. Die Menschen damals waren dadurch angetrieben, die „große und erhebende“[12] Zeit für die Mitlebenden und vor allem die Nachwelt zu dokumentieren. Ihnen war durchaus schon bewusst, dass dieser Krieg, der als „großer Krieg“[13], wie ihn die Engländer[14] und vor allem die Franzosen bis heute bezeichnen, als die „Urkatastrophe“[15] schlechthin des 20. Jahrhunderts in die Geschichte eingehen würde, die den Zweiten Weltkrieg erst möglich machte.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Friedensdiktat von Versailles, welches die Machtverhältnisse in Europa erschütterte und zusammengehörige Völker durch willkürliche Grenzziehungen voneinander trennte, revidiert werden würde.
Durch das Auftreten und die Anwendung neuer Medien, wie beispielsweise der Fotographie, der Entwicklung des Rotationsdruckverfahrens und dem Herstellen preiswerter Mehrfarbendrucke, trat der Krieg zunehmend in die Öffentlichkeit. Das Interesse am Krieg, speziell die Identifikation mit der eigenen Kriegsführung, gewann massenhaft an Zulauf.[16]
In nahezu allen beteiligten Ländern entstanden von 1914 bis 1918 zahlreiche Darstellungen, Chroniken und Dokumentationen, aber auch „Kriegssammlungen“ und Kriegsmuseen, wie beispielsweise das Imperial War Museum in London.
Angewiesen war die Öffentlichkeit jedoch hauptsächlich auf die Propaganda-Berichte der Obersten Heeresleitung. Ebenso verhielt es sich mit dem zensierten Bildmaterial des Bild- und Filmamtes (BUFA). Diese Berichte beinhalteten zwar auch stellenweise Passagen über Rückzüge oder Widrigkeiten in der Truppe oder der eigenen Kriegsführung, hatten jedoch einen niedrigen Informationswert.[17]
Neben zahlreichen „illustrierten Geschichten“ und anderen volkspatriotischen Abhandlungen gab es ansatzweise auch schon Schriften mit einem wissenschaftlichem Ansatz, die hier jedoch keiner Erwähnung bedürfen.
Die wichtigste Publikation zum Ersten Weltkrieg ist zweifellos diejenige des Reichsarchivs. Diese unmittelbar nach Kriegsende gegründete Einrichtung zur Sammlung aller erreichbaren amtlichen, wie auch privaten Dokumente zum Weltkrieg, stellte eine vierzehnbändige kriegsgeschichtliche Bilanz, „Der Weltkrieg 1914-1918“ zur Verfügung. Die ersten Ausgaben erschienen bereits 1925 und es wurde bis 1944 kontinuierlich weitergearbeitet. Im Jahre 1956 folgte dann eine Veröffentlichung der letzten beiden Bände, allerdings nun vom westdeutschen Bundesarchiv. Eine Anknüpfung an die Tradition alter preußischer Generalstabswerke des 19. Jahrhunderts war nicht von der Hand zu weisen. Hier wurden auch neue und innovative Methoden der Geschichtsschreibung, wie etwa die Befragung von Zeitzeugen, bei fehlenden Primärquellen oder zu deren Ergänzung, angewandt. Gleichwohl lässt sich deutlich das Bemühen erkennen, die „Ehre des deutschen Heeres, insbesondere seiner Generalität“[18] zu wahren, was jedoch in den anderen Ländern, welche am Krieg beteiligt waren, ebenso der Fall war.[19]
Somit fand der Weltkrieg weder in den 1920er noch den 1930er Jahren eine historiographische Gesamtdarstellung, welche den wissenschaftlichen Ansprüchen, vor allem derer der heutigen Zeit, genügt und neben einer militärgeschichtlichen Fragestellung auch eine andere akzeptiert hätte.[20]
Die Scheu vieler Historiker, sich nach dem Weltkrieg mit dem selbigen auseinanderzusetzen, ist aus heutiger Sichtweise unter anderem damit zu begründen, dass die unmittelbar zurückliegende Zeitgeschichte quellenmäßig noch ungesichert schien. Ein weiterer wichtiger Grund dafür ist wohl auch, dass der Krieg in Europa nach dem Friedensdiktat von Versailles nicht wirklich beendet war, sondern vor allem in Osteuropa[21] die Auseinandersetzungen fortdauerten und um nationale Grenzen gekämpft wurde.[22]
International, aber speziell in Deutschland, standen seit den 1920er Jahren bis in die 1970er Jahre hinein, die Erforschung der Ursachen, welche zum Ausbruch des Krieges führten im Fokus. Dies geschah vor allem im Interesse Deutschlands, da es von den Alliierten beschuldigt wurde die Alleinschuld[23] am Ausbruch des Krieges zu tragen. Der britische Historiker Niall Ferguson beschuldigte erst vor kurzem sogar die britische Politik als Hauptschuldigen.[24] Inzwischen ist in der internationalen Forschung auch von einem „Hineinschlittern“, wie es einst Lloyd George bezeichnete („All powers slithered over the brink into the boiling cauldron of war.“)[25], der großen Mächte nicht mehr die Rede. Hier wird deutlich wie komplex allein diese Fragestellung ist.
Allerdings ist auch anzumerken, dass der Themenkomplex der Kriegsschuld-Diskussion als erforscht gilt und mit der sogenannten Fischer-Kontroverse in den 1960er Jahren seinen Höhepunkt fand.
Seit der von der konventionellen deutschen Betrachtungsweise abweichenden Deutung Fritz Fischers, im Einleitungskapitel seines Werkes „Griff nach der Weltmacht“[26], zur Reichspolitik während der Julikrise 1914, kam es zu einem erneuten Aufleben des Themenkomplexes des Ersten Weltkrieges in der deutschen Weltkriegsforschung.[27] Dabei handelte es sich um die sogenannte Fischerkontroverse. Fischer stellte den weitgehenden Konsens über den Ersten Weltkrieg und seine Ursachen radikal in Frage und setzte somit eine neue Auseinandersetzung in Gang. Er vertrat die These, dass das Deutsche Reich seit 1911 oder zumindest seit dem sogenannten „Kriegsrat“ vom 8. Dezember 1912[28] zielbewusst auf die Herbeiführung eines europäischen Krieges hingearbeitet habe. Die deutschen Historiker, welche die Ehre Deutschlands, seiner Soldaten und der Generalität zu wahren versucht hatten, waren nun mit ihrer vertretenen „Burgsicherungs-Mentalität“, wie sie Wolfgang Jäger[29] bezeichnete[30], gescheitert. Es kam zu einem Historikerstreit, welcher dazu führte, dass sich sogar Politiker einschalteten und Fritz Fischer „wissenschaftliche und politische Verantwortungslosigkeit“ vorwarfen.[31] Zur Folge hatte diese Auseinandersetzung, dass Fischer mit seinem Werk und den nachfolgenden Studien zum Ersten Weltkrieg einen Anstoß zu einer neuen und überaus intensiven Debatte über den Ersten Weltkrieg lieferte. Auch Fischer revidierte in den nachfolgenden Jahren einige seiner Punkte und ergänzte diese. Paradoxerweise berief sich Fischer selbst in seinem Werk ausschließlich auf regierungsamtliche und andere offizielle Quellen, wonach er also auch die Vorgehensweise der von ihm kritisierten Historiker, einer klassischen Diplomatiegeschichte, verfolgte. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragestellungen waren von Fischer weitestgehend ausgeklammert oder blieben den politischen Entscheidungen untergeordnet. Erst allmählich wurde mit den Neuauflagen seines Werkes der vorangegangene politik- und diplomatiegeschichtliche Horizont Fischers erweitert.[32]
In Deutschland überwand man in Folge dieses „Historikerstreits“ die Nationalgeschichtsschreibung der alten Prägung. In den 1970er Jahren erschienen eine Reihe grundlegender Studien mit sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Fragestellungen. Dabei stand vor allem die Organisation der Kriegswirtschaft im Vordergrund, aber auch die kriegsbedingte Inflation, Beziehungen zum Arbeitssektor sowie allgemeine die politischen und ökonomischen Verwerfungen innerhalb der deutschen Gesellschaft als Folge des Krieges.
In der Mitte der 1980er Jahre wandte sich die Geschichtsschreibung Themen der mentalitäts- und Alltagshistorie zu. Kriegserlebnisse einzelner Soldaten und der Alltag der Soldaten rückten nun in das Blickfeld.[33] Private Tagebücher, Soldatenbriefe, Bild-Postkarten, Fotographien und Frontzeitung wurden näher erforscht. Vor allem Feldpostbriefe wurden jetzt als „unbekannte populäre Geschichtsquelle“ erkannt.[34]
An Überblicksdarstellungen und Sammelbänden zur Geschichte des Ersten Weltkrieges besteht kein Mangel. Diejenigen, welche vor der sogenannten Fischerkontroverse erschienen, sind jedoch aus einer eher nationalen Sichtweise geschrieben, allerdings basieren sie weitestgehend auf einem quellenmäßig gesicherten Fundament. Die darauffolgend erschienenen Werke tendieren in die exakt gegensätzliche Richtung. Hier bedarf es der Findung eines gesunden Mittelweges. Bedarf besteht weiter auch an international vergleichbaren Betrachtungen politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse während des Krieges.[35] Weitere Darstellungen zum Ersten Weltkrieg lieferten neben Fritz Fischer[36] und Wolfgang J. Mommsen[37] auch Grevelhörster[38], Binder[39], Berghahn[40] und Hillgruber[41].
ii. Das Land des „Oberbefehlshabers Ost“
Literatur, speziell zum Themenkomplex der Besatzung im Land „Ober Ost“, durch deutsche Truppen während des Ersten Weltkrieges, ist leider nicht in einem umfangreichen, aktuellen Bestand vorhanden.[42] Diese Besatzungszeit ist bisher kaum erforscht.[43] Deshalb ist bis heute noch kein klares Bild von der Bedeutung der Geschehnisse im Osten existent.[44]
Zu Begründen ist dies wohl damit, dass in der wissenschaftlichen Literatur zum Ersten Weltkrieg, der Krieg an der Ostfront nach wie vor weitgehend als der „unbekannte Krieg“, gilt. So umschrieb Winston Churchill diesen einst, im Titel seines Werkes, „The Unknown War: The Eastern Front.“[45] Nur gelegentlich wurde der Blick auf die Geschehnisse an der Ostfront gerichtet. Ein gutes Beispiel dafür liefert Norman Stone mit seinem Werk, „The Eastern Front, 1914-1917.“[46] Er geht dort unter anderem sehr detailliert auf die militärischen Ereignisse im Osten ein.[47] Leider werden der Kriegsverlauf und die Geschehnisse an der Ostfront, insbesondere dem Land „Ober Ost“, in fast jeder Darstellung zum Ersten Weltkrieg mit einigen wenigen Sätzen oder einer kurzen Passage abgespeist. Eine Ausnahme bildet hier Gerhard Hirschfelds „ Enzyklopädie Erster Weltkrieg “[48], aus dem Jahre 2009, jedoch wird das Kapitel „Ober Ost“, für meinen Geschmack, immer noch zu stiefmütterlich behandelt. Auch in den aktuellen Diskussionen, über die kulturellen Auswirkungen des Ersten Weltkrieges, werden die Ostfronterlebnisse der Soldaten sowie der mittelbar oder unmittelbar Betroffenen entweder ignoriert oder nur am Rande erwähnt. Hier besteht Nachholbedarf. Es gilt hier diese Lücke, der Vernachlässigung der Ostfront in der Historiographie, zu schließen und ein klares Bild der Begegnung der Deutschen mit dem Osten zu generieren. Dies würde helfen die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges in Russland besser deuten zu können.[49] Zu Begründen ist dieser Umstand auch damit, dass eine räumliche und zeitliche Distanz der westlichen Historiker zu diesen Ereignissen gegeben ist. Weiter wurde nach dem Zweiten Weltkrieg davon ausgegangen, dass vor allem im Potsdamer Reichsarchiv fast alle Dokumente und Bestände des früheren Heeresarchives den Bombenangriffen[50] und der Verbrennung, der noch im Besitz des Oberkommandos der Wehrmacht befindlichen Akten, beim militärischen Zusammenbruch, zum Opfer gefallen wären. Archive in der Sowjetunion hingegen waren unbekannt oder unzugänglich.[51] Desweiteren wurde umfangreiches Aktenmaterial von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges beschlagnahmt und steht auch heute noch teilweise unter Verschluss. Mit der langsamen und schrittweisen Öffnung der russischen Archive kann diesem Missstand jedoch immer mehr entgegengewirkt werden.
In besonderem Bezug zur Entwicklung der deutschen Kriegsziele für den Osten, steht der Kriegsverlauf an der Ostfront. Die deutschen Kriegsziele für diese dort eroberten Gebiete, entwickelten sich Parallel zum deutschen Vormarsch und den dortigen Ereignissen weiter. Hier ist wieder das Werk Fritz Fischers, „Griff nach der Weltmacht“[52] zu nennen, welcher darin ausführlich die deutschen Kriegsziele beschreibt. Jedoch sollte die Sicht der Dinge in diesem Werk kritisch betrachtet werden, da einige Thesen überholt sind.
Bedauerlicherweise sind zum Themenkomplex der deutschen Besatzung im Land „Ober Ost“ bisher erst zwei Gesamtdarstellungen erschienen. Kaum verwunderlich ist es daher auch, dass diese beiden Werke unumgänglich für dieses Themengebiet sind und Maßstäbe setzen. Zum Einen handelt es sich dabei um das Werk „Kriegsland im Osten; Eroberung , Kolonialisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg “, von Vejas Gabriel Liulevicius[53], aus dem Jahre 2002. Zum Andern ist Abba Strazhas` Werk, „ Deutsche Ostpolitik im Ersten Weltkrieg: Der Fall Ober Ost; 1915 - 1917 “[54], aus dem Jahre 1993, zu nennen.
Liulevicius will in seiner Arbeit vor allem deutlich machen, welche Vorstellungen die deutschen Besatzer in den osteuropäischen Gebieten von ihren eigenen Aktivitäten und ihrem eigenen Verhalten hatten. Er liefert Antworten darauf, wie auf deutscher Seite ein Bild von den osteuropäischen Territorien und seinen Bewohnern entstehen konnte, welches sich, durch das Scheitern einer „Missionierung“, im nächsten Krieg auf radikale Weise verändern sollte. Dabei geht Liulevicius detailliert auf die deutschen Kriegsziele ein und versucht darzulegen welche Gedanken der deutschen Herrschaft zu Grunde lagen. Eine Reihe methodischer Probleme, die er beschreibt, traten beim Auswerten der offiziellen deutschen Dokumente und osteuropäischen Quellen auf. Die vom deutschen Militär erstellten, offiziellen Dokumente liefern nur einen „Blick von oben“ auf die besetzten Gebiete und lassen das deutsche Handeln und die Absichten des Militärs im besten Licht erscheinen. Schwierigkeiten, innere Widersprüche und Widerstände erscheinen eher unbedeutend. Liulevicius setzt sich kritisch mit der Lektüre dieser amtlichen Quellen auseinander.
Den ergänzenden „Blick von unten“ lieferten ihm einheimische Dokumente. Dabei handelt es sich um Schriftstücke, die von der lokalen Bevölkerung verfasst wurden. Hauptsächlich entstammen diese Quellen Angehörigen der litauischen Volksgruppe. Es handelte sich um Erinnerungen, Zeugnisse und Zeugenberichte einzelner Menschen, welche allerdings zumeist erst eine gewisse Zeit nach der Besatzung schriftlich fixiert wurden. Sie schildern tägliche Erfahrungen der einheimischen Bevölkerung mit der Besatzungsmacht.[55] Liulevicius ordnet diese Quellen zwei unterschiedlichen Quellentypen zu. Zum Einen handelt es sich um offizielle Schriftstücke mit amtlichem Charakter und zum Anderen um persönliche, private Quellen, welche Erfahrungen der einheimischen Bevölkerung während der Besetzung ihres Landes aufzeigen. Liulevicius zieht beide Quellenarten heran, kombiniert diese und erzeugt somit ein kompletteres Gesamtbild.
Auch wird hierdurch die allgemeine Feststellung über den Erfolg von einigen Programmen und Initiativen der deutschen Militärverwaltung korrigiert. Der alltägliche Kontakt zwischen Besatzern und Besetzten war nach Liulevicius weniger von gutem Willen und Großzügigkeit gekennzeichnet, sondern in erster Linie von Unterordnung, Gewalt und Angst.
Die vorliegende Arbeit beginnt mit der Beschreibung der Eindrücke und Gefühle, die sich bei der Mehrheit der deutschen Landser, nach dem erstmaligen Kontakt mit dem ihnen fremden Osten einstellten. Die weiten Landschaften, abweisendes und zugleich feindliches Klima, die Vielzahl, der von Gegensätzen gezeichneten einheimischen Völkerschaften sowie deren überall konstatierte Rückständigkeit, trugen erheblich dazu bei.
Vejas Gabriel Liulevicius legt in seiner Darstellung dieses Themas das Hauptgewicht darauf, dass mit dem Krieg und der damit einhergehenden Besatzung der baltischen Gebiete eine „Kulturmission“ Deutschlands verbunden war. Deutsche Ordnung, Disziplin und Arbeit spielten dabei eine herausragende Rolle und sollten auf die dort beheimatete Bevölkerung übertragen werden. Der dort etablierte Militärstaat „Ober Ost“ bildete nach den Vorstellungen Ludendorffs den äußeren Rahmen dieser Mission. Infrastrukturelle Maßnahmen und Kulturprogramme sollten diese Territorien beherrschbar machen.
Nach dem Scheitern der in der Propaganda viel beschriebenen „Kulturmission“ Deutschlands, verankerte sich in den Köpfen der Deutschen, dass der „kulturlose Osten“ nicht zu reformieren seie. Wie Liulevicius anhand vieler Beispiele deutlich macht, stärkten die deutschen Bemühungen zur Festigung ihres Ansehens lediglich den Widerstand im Besatzungsgebiet und förderten die natürliche Identitätsfindung der Einheimischen.
Der folgenreichste Schritt jedoch, der nach dem Friedensvertrag Brest-Litowsk und dem damit verbundenen Sieg des Deutschen Reiches an der Ostfront vollzogen wurde, war die Annullierung dieses Vertrages durch die Alliierten im November 1918, was bedeutete, dass die deutsche Herrschaft über riesige Teile des Ostens, hinfällig wurde.
Insgesamt gesehen muss das Werk von Liulevicius in einer Arbeit über das Land „Ober Ost“ berücksichtigt werden.
Wichtig für diese Arbeit war ebenso das Werk, „ Deutsche Ostpolitik im Ersten Weltkrieg: Der Fall Ober Ost; 1915 - 1917 “, von Abba Strazhas, aus dem Jahre 1993.[56]
Im ersten Kapitel widmet sich Strazhas dem Charakter der deutschen Militärverwaltung „Ober Ost“ und der damit einhergehenden Verpflanzung eines preußischen Regiments auf fremden Boden. Unter anderem geht er dort auch näher auf Zwangsarbeit, das langsame Aufbegehren der einheimischen Bevölkerung, Widerstandsbewegungen nach der Einführung der Verwaltungsordnung sowie auf die russischen Angriffe 1916/1917 ein. Ein sogenanntes „Bandenwesen“ war in „Ober Ost“ ebenso vorhanden, wodurch es auch zu Partisanenkämpfen kam.[57]
Weiter erläutert er in den nächsten Kapiteln die deutschen Interessen am Gebiet des Landes „Ober Ost.“ Im Zuge dessen wird auch der politische Kontakt zur litauischen Führerschaft, die politischen Einstellungen zu den Deutschbalten und den Litauern nicht unterschlagen. Auf Grund bisher ungenutzter und unzugänglicher Archivalien liefert er außerdem neue Erkenntnisse, auf welche nun aufgebaut werden kann. Strazhas sichtete zum Einen Akten der unteren Instanzen der deutschen Militärverwaltung „Ober Ost.“, welche offensichtlich als militärisches Beutegut im litauischen Staatsarchiv Wilna verwahrt werden. Nach eingehendem Studium dieser Dokumente konnte er detaillierte und vor allem nachweisbare Angaben zur deutschen Verwaltungspraxis und oppositionellen Haltung der litauischen und kurländischen Bevölkerung, gegen die deutsche Militärverwaltung machen. Aus diesen Belegen versucht er einen Partisanenkampf und organisiertes „Bandenwesen“ gegen die deutsche Militärverwaltung nachzuweisen. Dies ist nicht unbegründet, denn nach dem Rückzug russischer Truppen im Herbst 1915, gab es zahlreiche Aktionen zurückgebliebener Kosakendetachements. Auch sammelten sich in den Wäldern Litauens aus Deutschland geflüchtete russische Kriegsgefangene, entwichene litauische Zwangsarbeiter vom Straßen- und Eisenbahnbau, oder Deserteure. Trotz der schwachen deutschen Sicherungskräfte ist es bemerkenswert, dass diese zahlreichen Gegenpole nicht in der Lage waren, die deutsche Militärverwaltung zu erschüttern.
Strazhas versucht dem Anspruch auf Vollständigkeit gerecht zu werden und schildert so detailliert und chronologisch die Abläufe in dem besetzen Gebiet.
Alles in allem gilt dieses Werk Strazhas neben dem von Liulevicius als einzige Gesamtdarstellung zum Themenkomplex „Ober Ost“ und kann folglich für diese Arbeit nicht außer Acht gelassen werden.
Wichtig für eine Arbeit zum Themenkomplex „Ober Ost“ ist es auch die Geschichte der baltischen Ostseeprovinzen genauer zu betrachten. Hier wird man sehr schnell feststellen, dass die deutsche Verbundenheit zu diesen Ländern und die damit einhergehende Legitimationsbasis für das deutsche Vorgehen im Ersten Weltkrieg, auf eine über 700jährige Geschichte der Deutschen im Baltikum zurückzuführen ist. Neben dem Engagement des Deutschen Ordens spielt vor allem die Minderheit der Deutschbalten in den Ostseeprovinzen eine entscheidende Rolle. Hilfreich waren hier vor allem die Werke Meissners[58], Lievens[59], von Rauchs[60], Hehns[61] und Ezergailis[62].
Wichtige Quellen für diese Arbeit waren, neben den Kriegserinnerungen Ludendorffs[63], die kritisch betrachtet wurden, auch die von der Militärverwaltung „Ober Ost“ herausgegebene Schrift „ Das Land Ober Ost: Deut sche Arbeit in den Verwaltungsgebieten Kurland , Litauen u nd Białystok-Grodno .“[64] Darin werden, natürlich durch die Propaganda der deutschen Militärverwaltung eingefärbt, sehr detaillierte Angaben über das Land „Ober Ost“ gemacht. Neben der Militärverwaltung an sich, wird auch die Geschichte und das dortige Volkstum beschrieben. Weiter wird auf den Verkehr, die Landeskultur, Handel und Gewerbe sowie Kirche, Schule, Kunst und Wissenschaft eingegangen. Viele statistische Erhebungen veranschaulichen diese Arbeit. Als weitere Quellen sind die Erinnerungen Friedrich von Berg‘s[65] zu erwähnen, welcher Chef des geheimen Zivilkabinetts 1918 Kaiser Wilhelm II. war und dort eine maßgebliche Rolle in der deutschen Politik gegen Ende des Ersten Weltkriegs spielte.[66]
Eine weitere Problematik beim Themenkomplex „Ober Ost“ stellt die außerordentliche Sprachenvielfalt dar, welche den Historiker zusätzlich fordert. Vor allem in Nordosteuropa wurden viele Städte und Ortschaften von einer Vielzahl von Nationen beansprucht. Somit haben diese auch eine Vielzahl von Namen in unterschiedlichen Sprachen (Litauisch, Lettisch, Estnisch, Jiddisch[67], Polnisch, Russisch, Deutsch). Im Zuge dieser Arbeit wurden jedoch die im Deutschen gebräuchlichen Benennungen verwandt, da diese Arbeit sich mit der deutschen Besatzung des Landes „Ober Ost“ beschäftigt. Auch viele Dokumente und Aufzeichnungen sind in diesen Sprachen verfasst, was oft eine Schwierigkeit darstellt.[68]
Auf weitere Literatur, die von Bedeutung für diese Arbeit war, wird in den Referenzangaben verwiesen. Insgesamt ermöglicht die genannte Literatur einen detaillierten Einblick in die Problematik.
II. Kriegsverlauf an der Ostfront
a. Ausgangslage
Nach der Schließung eines Verteidigungsbündnisses zwischen Russland und Frankreich im Jahre 1894[69], stellte Alfred Graf von Schlieffen, der preußische Generalstabschef[70], 1905 den nach ihm benannten Schlieffen-Plan[71] vor.[72] Er legte seinen Planungen eine langsame Mobilmachung der russischen Armee zugrunde.[73] Mit der Hilfe von strategisch angelegten Bahnlinien sollte Deutschland daher eine schnelle Mobilmachung durchführen können[74] und die eigenen Kräfte zügig gegen Frankreich richten. Weiter ging Schlieffen davon aus, dass Frankreich, wie bereits im Deutsch-Französischen Krieg von 1870, schnell kapitulieren würde.[75] Der Plan des Generalstabs sah vor, dass das Deutsche Reich in einem Bewegungskrieg Frankreich nach wenigen Wochen[76] besiegt haben würde.[77] Unmittelbar nach dem vermeintlichen Sieg über Frankreich sollten die deutschen Verbände das russische Zarenreich werfen. Dieser Feldzug gegen Russland sollte im Schulterschluss mit den Armeen Österreich-Ungarns ebenfalls in nur sechs Wochen beendet sein.[78]
Die Dauer der russischen Mobilmachungsphase wurde aufgrund der langen Transportwege und des geringer ausgebauten Eisenbahnsystems auf mindestens sechs Wochen geschätzt.[79] Die Beurteilung der Lage des deutschen Generalstabs sah diese Zeitspanne als ausreichend genug an, um einen Sieg im Westen zu erringen.
Nach dem Schlieffen-Plan sollte Deutschland zunächst im Westen offensiv werden. Russland hatte aber früh mit der Mobilmachung begonnen, was dafür sorgte, dass die Deutschen unter Zugzwang gerieten und möglichst schnell den Krieg beginnen mussten, um handlungsfähig zu bleiben.[80]
Das russische Zarenreich hatte bereits am 29. Juli 1914[81] 13 Armeekorps mobilisiert und stand „Gewehr bei Fuß.“ Die totale Mobilmachung Russlands erfolgte am 30. Juli 1914.[82]
Das mehrfache Drängen des deutschen Kaisers Wilhelm II., an seinen Vetter Zar Nikolaj II. von Russland, ihn vom Kriege abzubringen und die Teilmobilmachung zurückzunehmen, schien zunächst erfolgversprechend zu sein, da der Zar einlenkte. Auf Druck des russischen Außenministers und der Kriegspartei fügte sich der Zar jedoch schließlich.
Am 31. Juli sandte Kaiser Wilhelm II. einen letzten verzweifelten Aufruf an den Zaren.[83] Nachdem des Kaisers Telegramm an den Zaren unbeantwortet blieb, ließ Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg eine Depesche[84] an die deutsche Botschaft in St. Petersburg überreichen, welche die russische Regierung aufforderte binnen 12 Stunden[85] die bereits erlassenen Mobilmachungsbefehle zurückzuziehen, da das Deutsche Reich auch noch nicht mobil gemacht hätte[86], andernfalls sei der Kriegszustand zwischen Deutschland und Russland unvermeidlich. Nach Ablauf des Ultimatums, am 1. August 1914, um 19 Uhr, überreichte der deutsche Botschafter in St. Petersburg die deutsche Kriegserklärung.[87]
Deutschland verfügte zu diesem Zeitpunkt selbst nur über Defensivkräfte[88] in Ostpreußen und die eigene Mobilmachung wurde erst an diesem Tag durchgeführt.
Zeitgleich, mit dem Ablauf des Ultimatums, überschritten russische Kavallerieverbände die deutsche Grenze in Ostpreußen[89] und konnten am 19. und 20. August[90] die deutschen Truppen in der Schlacht von Gumbinnen[91] besiegen.[92]
Eine, durch die Einfälle der Russen ausgelöste Panik in Ostpreußen, hatte nun zur Folge, dass ein erheblicher Teil der dort beheimateten deutschen Zivilbevölkerung in Richtung Westen floh. Auch die in Ostpreußen verbliebenen kaiserlichen Militärverbände begannen einen planlosen Rückzug, da der Armeeoberbefehlshaber der 8. Armee von Prittwitz den Auftrag an seine Armee streng defensiv interpretierte.[93] Fast ohne Gegenwehr, denn die deutsche Hauptverteidigungslinie war im Zuge natürlicher Hindernisse, wie den Masurischen Seen errichtet[94], konnten russische Truppen[95] in Ostpreußen einfallen, da an den Grenzen nur vereinzelt deutsche Grenzsicherungstruppen vorhanden waren und dem russischen Vorstoß nicht standhalten[96] konnten. Kolonnen von Flüchtlingstrecks behinderten zu allem Übel den Vormarsch heranrückender deutscher Truppen.[97]
[...]
[1] Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht: deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941 - 1944, München 2008, S. 25
[2] Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten: Eroberung, Kolonialisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg, Hamburg 2002, S. 9
[3] Oberbefehlshaber Ost/ Presseabteilung Ober Ost: Das Land Ober Ost: Deutsche Arbeit in den Verwaltungsgebieten Kurland, Litauen und Bialystok-Grodno, Stuttgart 1917, S. 433
[4] Janßen, Karl-Heinz: Die baltische Okkupationspolitik des Deutschen Reiches, in: Hehn, Jürgen von: Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten: Beiträge zur Entstehungsgeschichte der Republiken Estland und Lettland 1917 - 1918 , Marburg 1971, S. 223, 224
[5] Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten, S. 10
[6] Ebd., S. 11
[7] sogenannt nach der Dienststellung Hindenburgs als Oberbefehlshaber Ost
[8] Lieb, Peter: Deutsche Herrschaft in der Ukraine 1918/1919: Wegweiser zum Vernichtungskrieg?, S. 10-13, In: Militärgeschichte, Zeitschrift für historische Bildung; Heft 4/2009, Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam 2009, S. 10
[9] Bereits am 29. November 1917 gab der deutsche Reichskanzler Graf Hertling im Reichstag die Unabhängigkeitserklärung für Litauen ab; siehe: Meissner, Boris: Die baltischen Nationen: Estland, Lettland, Litauen, Köln 1991, S. 30
[10] Rauch, Georg von: Geschichte der baltischen Staaten, Stuttgart 1970, S. 44, 45; Meissner, Boris: Die baltischen Nationen: Estland, Lettland, Litauen, Köln 1991, S. 31
[11] Rönnefarth, Helmuth K. G.: Konferenzen und Verträge: Vertrags-Ploetz; ein Handbuch geschichtlich bedeutsamer Zusammenkünfte und Vereinbarungen; Teil 2, Bd. 4A: Neueste Zeit, 1914-1959, Würzburg 1959, S. 36
[12] Hirschfeld, Gerhard: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2008, S. 304
[13] „la grande Guerre“
[14] Berghahn, Volker: Der Erste Weltkrieg ,München 2003, S. 7; „Great War“
[15] Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg und das Ende des Kaiserreiches: Geschichte und Wirkung, Münster 2004, S. 4; siehe auch: Mommsen, Wolfgang J.: Handbuch der deutschen Geschichte; Bd. 17; Die Urkatastrophe Deutschlands: Der Erste Weltkrieg, 1914-1918, Stuttgart 2002, S. 14
[16] Hirschfeld, Gerhard: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 304
[17] Ebd.
[18] Ebd.
[19] Hirschfeld, Gerhard: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 307
[20] Ebd., S. 305
[21] siehe vor allem Polen, die baltischen Staaten und Russland
[22] Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten, S. 11; Hirschfeld, Gerhard: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 305
[23] siehe Kriegsschuldartikel 231; Rönnefarth, Helmuth K. G., S. 44
[24] Mommsen, Wolfgang J.: Handbuch der deutschen Geschichte; Bd. 17; Die Urkatastrophe Deutschlands: Der Erste Weltkrieg, 1914-1918, Stuttgart 2002, S. 15
[25] Bernhardt, Hans: Deutschland im Kreuzfeuer großer Mächte, Preußisch Oldendorf 1988, S. 51: Erklärung Lloyd Georges am 23.12.1920: „Je mehr man die Memoiren und Bücher liest, die in den verschiedenen Ländern über das geschrieben sind, was sich vor dem 1.August 1914 zugetragen hat, desto mehr kommt man zu der Überzeugung, dass niemand, der die Staatsgeschäfte leitete, in jener Zeit den Krieg wirklich wollte. Es war etwas, in das man hineinglitt oder vielmehr hineintaumelte und stolperte, vielleicht aus Torheit, und ich bezweifele nicht, dass eine Diskussion ihn verhindert hätte.“ ; siehe auch: Hirschfeld, Gerhard: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 309
[26] Fischer, Fritz: Griff nach der Weltmacht: Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18, Düsseldorf 2004.
[27] Hillgruber, Andreas: Deutsche Großmacht- und Weltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, Düsseldorf 1977, S. 91
[28] Fiedler, Siegfried: Heerwesen der Neuzeit: Taktik und Strategie der Millionenheere, Bonn 1993, S. 185; Hillgruber, Andreas: Deutsche Großmacht- und Weltpolitik…, S. 83
[29] Wolfgang Jäger ist ein deutscher Professor für Politikwissenschaft und war von 1995 bis 2008 Rektor der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
[30] Hirschfeld, Gerhard: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 309
[31] Ebd.
[32] Hirschfeld, Gerhard: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 310
[33] Ebd.
[34] Hirschfeld, Gerhard: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 31; Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten, S. 13
[35] Hirschfeld, Gerhard: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 312
[36] Fischer, Fritz: Griff nach der Weltmacht: Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18, Düsseldorf 2004.
[37] Mommsen, Wolfgang J.: Vom Imperialismus bis zum Kalten Krieg ; Bd. 1: Das Zeitalter des Imperialismus, Frankfurt/Main 2003; Mommsen, Wolfgang J.: Handbuch der deutschen Geschichte; Bd. 17; Die Urkatastrophe Deutschlands: Der Erste Weltkrieg, 1914-1918, Stuttgart 2002.
[38] Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg und das Ende des Kaiserreiches: Geschichte und Wirkung, Münster 2004.
[39] Binder, Gerhart: Epoche der Entscheidungen: Eine Geschichte des 20. Jahrhunderts Mit Dokumenten in Text u. Bild, Stuttgart 1960.
[40] Berghahn, Volker: Der Erste Weltkrieg, München 2003.
[41] Hillgruber, Andreas: Deutsche Großmacht- und Weltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, Düsseldorf 1977.
[42] Lieb, Peter: Deutsche Herrschaft in der Ukraine 1918/1919, S. 10
[43] Ebd.
[44] Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten, S. 13
[45] Churchill, Winston S.: The Unknown War: The Eastern Front, New York 1931.
[46] Stone, Norman: The Eastern Front, 1914-1917, New York 1985.
[47] Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten, S. 11
[48] Hirschfeld, Gerhard: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2008.
[49] Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten, S. 15
[50] speziell dem vom 14. April 1945; siehe: Hürten, Heinz: Zwischen Revolution und Kapp-Putsch: Militär und Innenpolitik 1918 - 1920, Düsseldorf 1977, S. XLIII
[51] Strazhas, Abba: Deutsche Ostpolitik im Ersten Weltkrieg: Der Fall Ober Ost; 1915 - 1917, Wiesbaden 1993, S. 11
[52] Fischer, Fritz: Griff nach der Weltmacht: Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18, Düsseldorf 2004.
[53] Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten: Eroberung, Kolonialisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg, Hamburg 2002.
[54] Strazhas, Abba: Deutsche Ostpolitik im Ersten Weltkrieg: Der Fall Ober Ost; 1915 - 1917, Wiesbaden 1993.
[55] Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten, S. 7, 16
[56] Strazhas, Abba: Deutsche Ostpolitik im Ersten Weltkrieg: Der Fall Ober Ost; 1915 - 1917, Wiesbaden 1993.
[57] Ludendorff, Erich: Meine Kriegserinnerungen; Volksausgabe, 1914-1918, Berlin 1921, S. 52; Strazhas, Abba: Deutsche Ostpolitik im Ersten Weltkrieg, S. 7, 11
[58] Meissner, Boris: Die baltischen Nationen: Estland, Lettland, Litauen, Köln 1991.
[59] Lieven, Anatol: The Baltic revolution: Estonia, Latvia, Lithuania and the path to independence, New Haven Yale University Press 1993.
[60] Rauch, Georg von: Geschichte der baltischen Staaten, Stuttgart 1970.
[61] Hehn, Jürgen von: Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten: Beiträge zur Entstehungsgeschichte der Republiken Estland und Lettland 1917 - 1918 , Marburg 1971.
[62] Ezergailis, Andrew: Die baltischen Provinzen Russlands zwischen den Revolutionen von 1905 und 1917, Köln 1982.
[63] Ludendorff, Erich: Meine Kriegserinnerungen 1914-1918, Berlin 1919; Ludendorff, Erich: Meine Kriegserinnerungen; Volksausgabe, 1914-1918, Berlin 1921.
[64] Oberbefehlshaber Ost/ Presseabteilung Ober Ost: Das Land Ober Ost: Deutsche Arbeit in den Verwaltungsgebieten Kurland, Litauen und Bialystok-Grodno, Stuttgart 1917.
[65] Friedrich Wilhelm Bernhard von Berg, auch von Berg-Markienen, war ein preußisch-deutscher Offizier, Beamter und Politiker. Als Chef des Geheimen Zivilkabinetts von Kaiser Wilhelm II. spielte er eine maßgebliche Rolle in der deutschen Politik gegen Ende des Ersten Weltkriegs; * 20. November 1866 auf dem Gut Markienen, bei Bartenstein; † 9. März 1939 auf diesem Gut
[66] Potthoff, Heinrich: Friedrich v. Berg als Chef des Geheimen Zivilkabinetts 1918: Erinnerungen aus seinem Nachlass, Düsseldorf 1971.
[67] siehe beispielsweise in: Oberbefehlshaber Ost/ Presseabteilung Ober Ost: Das Land Ober Ost: Deutsche Arbeit in den Verwaltungsgebieten Kurland, Litauen und Bialystok-Grodno, Stuttgart 1917, S. 68, 69
[68] Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten, S. 17
[69] Rönnefarth, Helmuth K. G.: Konferenzen und Verträge: Vertrags-Ploetz; ein Handbuch geschichtlich bedeutsamer Zusammenkünfte und Vereinbarungen; Teil 2, Bd. 3: Neuere Zeit, 1492-1914, Würzburg 1958, S. 378-380; siehe auch: Schultze-Rhonhof, Gerd: 1939 - der Krieg, der viele Väter hatte: der lange Anlauf zum Zweiten Weltkrieg, München 2003, S. 43
[70] Cartarius, Ulrich (Hrsg.): Deutschland im Ersten Weltkrieg: Texte und Dokumente 1914-1918, München 1982, S. 26
[71] siehe auch: Geiss, Imanuel: Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, München 1978, S. 42 bis 49
[72] Fiedler, Siegfried: Heerwesen der Neuzeit: Taktik und Strategie der Millionenheere, Bonn 1993, S. 83
[73] Ebd., S. 184
[74] Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg…, S. 44; Fiedler, Siegfried: Heerwesen der Neuzeit, S. 165
[75] Fiedler, Siegfried: Heerwesen der Neuzeit, S. 179; Cartarius, Ulrich (Hrsg.): Deutschland im Ersten Weltkrieg, S. 26; Binder, Gerhart: Epoche der Entscheidungen: Eine Geschichte des 20. Jahrhunderts Mit Dokumenten in Text u. Bild, Stuttgart 1960, S. 71
[76] höchstens 42 Tage; siehe: Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg…, S. 44; siehe auch: Geiss, Imanuel: Das Deutsche Reich…, S. 28; welcher „sechs Wochen“ schreibt
[77] Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg…, S. 44
[78] Geiss, Imanuel: Das Deutsche Reich…, S. 28
[79] Fiedler, Siegfried: Heerwesen der Neuzeit, S. 184: „Bei der letzten persönlichen Unterredung in Karlsbad am 12. Mai 1914 stellte der Partner (das Deutsche Reich) resigniert fest: ‚Also mindestens sechs Wochen müssen wir unseren Rücken herhalten gegen Russland‘.“
[80] Liulevicius, Vejas Gabriel: Die deutsche Besatzung im „Land Ober Ost“ im Ersten Weltkrieg, in: Kronenbitter, Günther: Besatzung: Funktion und Gestalt militärischer Fremdherrschaft von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, Paderborn 2006, S. 94; Stone, Norman: The Eastern Front, S. 44, 45
[81] Schultze-Rhonhof, Gerd: 1939 - der Krieg, der viele Väter hatte, S. 44
[82] Ebd., S. 45; siehe auch: Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg…, S. 34
[83] Telegramm des Kaisers an den russischen Zaren, vom 31. Juli 1914, 14 Uhr: „Auf Deinen Appell an meine Freundschaft und Deine Bitte um meine Hilfe habe ich eine Vermittlungsaktion zwischen Deiner und der österreichisch-ungarischen Regierung aufgenommen. Während diese Aktion im Gange war, sind Deine Truppen gegen das mit mir verbündete Österreich-Ungarn mobilisiert worden, wodurch, wie ich Dir schon mitgeteilt habe, meine Vermittlung beinahe illusorisch gemacht worden ist. Trotzdem habe ich sie fortgesetzt. Nunmehr erhalte ich zuverlässige Nachrichten über ernste Kriegsvorbereitungen auch an meiner östlichen Grenze. Die Verantwortung für die Sicherheit meines Reiches zwingt mich zu defensiven Gegenmaßregeln. Ich bin mit meinen Bemühungen um die Erhaltung des Weltfriedens bis an die äußerste Grenze des Möglichen gegangen. Nicht ich trage die Verantwortung für das Unheil, das jetzt der ganzen zivilisierten Welt droht. Noch in diesem Augenblicke liegt es in Deiner Hand, es abzuwenden. Niemand bedroht die Ehre und die Macht Russlands, das wohl auf den Erfolg meiner Vermittlungen hätte warten können. Die mir von meinem Großvater auf dem Totenbett überkommene Freundschaft für Dich und Dein Reich ist mir immer heilig gewesen, und ich habe treu zu Russland gestanden, wenn es in schwerer Bedrängnis war, besonders in seinem letzten Kriege. Der Frieden Europas kann von Dir noch jetzt erhalten werden, wenn Russland sich entschließt, die militärischen Maßnahmen einzustellen, die Deutschland und Österreich-Ungarn bedrohen.“ siehe: Binder, Gerhart: Epoche der Entscheidungen: Eine Geschichte des 20. Jahrhunderts Mit Dokumenten in Text u. Bild, Stuttgart 1960, S. 59
[84] Depesche des Reichskanzlers von Bethmann-Hollweg, an die deutsche Botschaft in St. Petersburg, welche als „Dringend!“ eingestuft wurde: „Trotz noch schwebender Vermittlungsverhandlungen und obwohl wir bis zur Stunde keinerlei Mobilmachungsmaßnahmen getroffen haben, hat Russland seine ganze Armee und Flotte, also auch gegen uns, mobilisiert. Durch diese russischen Maßnahmen sind wir gezwungen, zur Sicherung des Reiches die drohende Kriegsgefahr auszusprechen, die noch nicht Mobilmachung bedeutet. Die Mobilmachung muss aber erfolgen, falls Russland nicht binnen 12 Stunden jede Kriegsmaßnahme gegen uns und Österreich-Ungarn einstellt und uns hierüber bestimmte Erklärungen abgibt. Bitte sofort Herr Sasonow mitteilen und Stunde der Mitteilung drahten…“ siehe: Binder, Gerhart: Epoche der Entscheidungen: Eine Geschichte des 20. Jahrhunderts Mit Dokumenten in Text u. Bild, Stuttgart 1960, S. 60
[85] Binder, Gerhart: Epoche der Entscheidungen, S. 55; Schultze-Rhonhof, Gerd: 1939 - der Krieg, der viele Väter hatte, S. 45; Berghahn, Volker: Der Erste Weltkrieg, S. 37; Berghahn schreibt jedoch 24 Stunden; auch vertritt er die These, dass in Berlin in den letzten Julitagen nichts wichtiger war, als den Russen bei der Veröffentlichung der Mobilmachungsorder den Vortritt zu lassen. Weiter hätte die Regierung es geschafft das Deutsche Reich als den Angegriffenen hinzustellen.
[86] Die deutsche Reichsregierung erklärte, wie Frankreich, am 1. August 1914 die Mobilmachung der Truppen; siehe: Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg…, S. 33
[87] Schultze-Rhonhof, Gerd: 1939 - der Krieg, der viele Väter hatte, S. 45; Mommsen, Wolfgang J.: Vom Imperialismus bis zum Kalten Krieg, S. 282
[88] Dabei handelte es sich lediglich um die 8. Armee, mit einer Stärke von 153.000 Mann unter dem Befehl des Generals von Prittwitz; siehe: Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg…, S. 48; siehe auch: Mommsen, Wolfgang J.: Vom Imperialismus bis zum Kalten Krieg, S. 294; siehe auch: Geiss, Imanuel: Das Deutsche Reich…, S. 59
[89] Schultze-Rhonhof, Gerd: 1939 - der Krieg, der viele Väter hatte, S. 45, 49
[90] Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg…, S. 49
[91] bis 1946 Gumbinnen; seit 1946 in Gussew umbenannt; Stadt im ehemaligen Ostpreußen, heute in der östlichen Hälfte der russischen Exklave Kaliningrad
[92] Binder, Gerhart: Epoche der Entscheidungen, S. 74; siehe auch: Geiss, Imanuel: Das Deutsche Reich…, S. 64
[93] Geiss, Imanuel: Das Deutsche Reich…, S. 62
[94] Ebd., S. 59
[95] zwei große russische Armeen (1. Armee und 10. Armee), mit etwa 650.000 Mann standen den deutschen Verteidigern gegenüber; siehe: Grevelhörster, Ludger: Der Erste Weltkrieg…, S. 49; siehe auch: Cartarius, Ulrich (Hrsg.): Deutschland im Ersten Weltkrieg, S. 26; Geiss, Imanuel: Das Deutsche Reich…, S. 59
[96] Der Befehlshaber des I. Armeekorps, General v. François sträubte sich gegen eine kampflose Preisgabe Ostpreußens an die Russen und stellte sich, mit seinem aus Einheimischen bestehenden Armeekorps, in einem Gefecht, am 17. August 1914, bei Stallupönen dem Feind. Auf Befehl v. Prittwitz musste jedoch auch er sich zurückziehen; siehe: Geiss, Imanuel: Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, München 1978, S. 62
[97] Liulevicius, Vejas Gabriel: Die deutsche Besatzung im „Land Ober Ost“ im Ersten Weltkrieg, S. 94
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- Master of Arts, Geschichtswissenschaften Benjamin Faust (Autor:in), 2009, Die deutsche Besatzung im Land des „Oberbefehlshaber Ost“ während des Ersten Weltkrieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209936