Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sulfataerosole als Geo-Engineering-Option
2.1. Bedenken
3. Das „Prinzip Verantwortung“ – Ruf einer neuen Ethik
3.1. Anforderungen an die neue Ethik
3.1.1. Der neue Imperativ
3.2. Die Ethik der Verantwortung aus der Furcht
4. Anwendung der neuen Ethik
4.1. Verantwortungsethik, Moralbegründung und Zukunftsverantwortung
4.2. Kritische Auseinandersetzung mit dem ethischen Problem der Zukunftsverantwortung
5. Schlussbetrachtung
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Dass der Klimawandel ein globales Problem darstellt, welches durch menschliche Aktivitäten (Verbrennung fossiler Energieträger, Waldvernichtung, etc.) mitverursacht wird, wirft eine ganze Reihe moralischer Fragen auf. Wer heute über Klimawandel sprechen will, darf diese Fragen nicht ausblenden. Dazu äußerst sich vorrangig der deutsche Umweltethiker Konrad Ott folgendermaßen: „Grund genug, heißt es jetzt vor allem in den USA, das drängende Problem des Klimawandels allein mit Hilfe planvoll eingesetzter Technologie zu lösen“[1], die allesamt unter dem Begriff des Geo-Engineering bzw. Climate Engineering (CE) gefasst werden. „Geo-Engineering wird gesellschaftsfähig“, so Konrad Ott, „aber welche Methoden wären auch ethisch zulässig?“[2] Diese Fragestellung gilt es nun u.a. zu klären.
Unter Geo-Engineering werden Techniken zusammengefasst, die den Kohlenstoffkreislauf beeinflussen oder die planetarische Strahlungsbilanz manipulieren. Grob lassen sich folgende Optionen eines Geo-Engineerings unterscheiden: Kohlenstoffsequestrierung z.B. durch Aufforstung, Kohlenstofffilterung der Atmosphäre oder Ozeandüngung mit Eisen sowie Veränderungen der Albedo, d.h. Erhöhung des Rückstrahlungsvermögens von Oberflächen jeglicher Art, reflektierende Spiegel im Weltall oder die Einbringung von Sufataerosolen in der Stratosphäre. Erstere Optionen werden unter dem Begriff „Carbon Dioxide Removal“ (CDR) zusammengefasst, letztere, die alle Eingriffe in den planetarischen Strahlungshaushalt darstellen, dem „Solar Radiation Management“ (SRM) zugerechnet.[3] In Anlehnung an Konrad Ott, der das Solar Radiation Management als die eigentliche ethische Herausforderung betrachtet, und dort im Besonderen mögliche Argumentationslinien zur Sulfatoption kartiert, möchte ich meine weiteren Ausführungen ebenso darauf richten.[4]
Mit der vorliegenden Arbeit unternehme ich den Versuch die ethische Perspektive der Verantwortung, bezogen auf den Klimawandel und primär auf die oben genannte Strategie des Solar Radiation Managements, zu klären und zu begründen. Diese Art von globaler Problemstellung verlangt nach einer Zukunftsverantwortung und muss neue ethische Diskurse auslösen. Der Grund für die Entwicklung einer neuen Dimension ethischen Denkens ist wohl dem technischen Fortschritt des Menschen zuzuschreiben, sodass der Philosoph Hans Jonas erst einmal mit Recht feststellt, dass viele Probleme erst durch die Technik entstanden seien. So bringt Jonas die Voraussetzung für die Notwendigkeit seiner Ethik wie folgt auf den Punkt:
„Daß die Verheißung der modernen Technik in Drohung umgeschlagen ist, oder diese sich mit jener unlösbar verbunden hat, bildet die Ausgangsthese dieses Buches.(...) Die dem Menschenglück zugedachte Unterwerfung der Natur hat im Übermaß ihres Erfolges, der sich nun auch auf die Natur des Menschen selbst erstreckt, zur größten Herausforderung geführt, die je dem menschlichen Sein aus eigenem Tun erwachsen ist.“[5]
Sich dieser Herausforderung zu stellen ist das erste Anliegen von Hans Jonas, und in gewissem Sinne auch das meine. Es gilt nun in diesem Kontext zu klären, ob, wie und inwieweit Jonas´ Ethik der Verantwortung uns ein Instrument an die Hand gibt, das uns gestattet, sich gegen die, in Fachkreisen als äußerst riskant und problematisch eingestufte, Sulfatoption[6] entscheiden zu dürfen bzw. zu müssen oder eben auch nicht. Dazu gilt es vornehmlich, neben einer kurzen aktuellen Situationsanalyse bezüglich stratosphärischer Sulfataerosole, die grundlegende Perspektive der Jonas´schen Ethik näher zu bestimmen und auf ihre Anwendbarkeit hin zu prüfen.
2 Sulfataerosole als Geo-Engineering Option
Einer der prominentesten Geoengineering Vorschläge lehnt sich an die Klimawirkung von Vulkanausbrüchen an. Vulkane emittieren große Mengen an Schwefeldioxid (SO2) in die Atmosphäre, die dann Sulfataerosole bilden. Je nach Stärke der Eruption ist die global gemittelte Temperatur an der Erdoberfläche für ein bis drei Jahre spürbar kälter, wie in dem Jahr nach der Eruption des Mt. Pinatubos (Juni 1991), als die Temperatur um 0,5°C sank. Aufgrund dieser Beobachtung schlug der Nobelpreisträger Paul Crutzen im jahr 2006 vor, sich den kühlenden Effekt von Vulkanen durch permanenten Eintrag von SO2 in die Stratosphäre zunutze zu machen. Dieser Vorschlag gab Wissenschaftlern den Anlass, das für und wider solcher Vorschläge detaillierter zu untersuchen.
Hierzu lasse ich die technischen Möglichkeiten von Sulfatinjektionen in die Stratosphäre außer Acht, und beschränke mich auf den klimatischen Einfluss. Die Abkühlung setzt i.d.R. recht schnell ein und ist umso größer je mehr Aerosol in die Stratosphäre gebracht wird. Grobe physikalische Berechnungen legen nahe, dass eine große Menge von Sulfataerosolen mindestens die Wirkung einer Verdopplung von atmosphärischer Treibhausgaskonzentration kompensieren könnte. Diese Variante des Geo-Engineering besticht vor allem durch ihre technische Machbarkeit und ihre, im Vergleich zu anderen klimapolitischen Maßnahmen, geringen Einsatzkosten. Andere Befürworter betonen mit Nachdruck, dass die Realisierung dieser Option keine Umstellung energieintensiver Lebensstile erfordert.[7]
2.1 Bedenken
Ein solches Strahlungsmanagement birgt jedoch Gefahren von kolossalem Ausmaß. Seit Jahren haben Forschungen die Auswirkungen von Vulkanen auf den Wasserhaushalt der Erde untersucht und kamen zu dem Schluss, dass auf nahezu Dreiviertel der untersuchten Vulkanausbrüche unnormal trockene Jahre folgten. Der Pinatubo sorgte schlechthin für Verwerfungen im Wasserhaushalt der Erde mittels einer Abschwächung des afrikanischen und asiatischen Monsuns, verringerten Niederschlägen und Bodenfeuchtigkeit sowie extrem niedrigen Flussständen in manchen Regionen. Weitere Zusammenhänge, etwas zwischen atmosphärischen und ozeanischen Strömungsveränderungen, sowie eine Zunahme an saurem Regen wurden ebenfalls nachgewiesen. Unstrittig sind ferner Nebenwirkungen wie die Veränderung der Farbe des Himmels, und die Verringerung der Energiegewinnung aus der Photovoltaik, um an dieser Stelle einige Beispiele zu benennen.[8]
Angesichts der hier aufgeführten Risiken ist sicherlich klar, dass dem Einsatz von Sulfataerosolen ohne eine gründliche und umfassende, an Vorsorgeaspekten orientierte Modellierung möglicher Folgen und Nebenwirkungen, nicht stattgegeben werden sollte.
3 Das „Prinzip Verantwortung“ – Ruf einer neuen Ethik
Eine Veränderung des Erdklimas lässt sich aufgrund der Schwere des Eingriffs nicht ohne eine explizite Betrachtung ethischer Aspekte bewerkstelligen. In diesem globalen Feld stellt sich zuvorderst die Frage nach der Verantwortung bzw. der möglichen Verantwortungsübernahme.
Dazu stelle ich in diesem Kapitel das von Hans Jonas postulierte Prinzip der Verantwortung ins Zentrum meiner Betrachtungen, da Jonas mit seinen Überlegungen auf Problemstellungen rekurriert, die mit der zunehmenden Technisierung der Welt aufgekommen sind, worin sich der Klimawandel problemlos einrahmen lässt, und er hierfür ethische Antwortmöglichkeiten anbietet. Dabei geht er besonders kritisch mit fatalen Fehlentscheidungen, die der Mensch im Zuge der Beherrschung der Natur unternommen hat, ins Gericht. So zeigt sich bezeichnenderweise in der enormen Ausbeutung der Natur, wie der Mensch stillschweigend Grenzverletzungen hingenommen hatte, ohne sich deren Tragweite – auch für die eigene Existenz – bewusst gemacht zu haben. Daher fordert Jonas den „Ruf einer neuen Ethik, die uns dazu veranlassen soll, nicht mehr alles zu tun, was wir können“[9], sondern es gleichwohl unsere höchste Verpflichtung ist zukunftsverantwortlich zu handeln.
Daran anknüpfend gilt es im folgenden zu diskutieren, wie und vor allem ob die Jonas´sche Argumentationslinie als ethische Rechtfertigung ausreicht die in Kapitel zwei beschriebene Sulfatoption[10], wie hierzulande von einigen Ethikern gefordert, im Sinne einer moralischen Verantwortung aus dem Portfolio legitimer klimapolitischer Maßnahmen zu streichen.[11] Um dies jedoch tun zu können, müssen wir uns zuerst mit Jonas´ Verständnis von Verantwortung und der daraus resultierenden Verantwortungsethik näher befassen.
3.1 Anforderungen an eine neue Ethik
Neue Perspektiven für eine Verantwortungsethik brachte Hans Jonas mit seinem philosophischen Hauptwerk Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation (1979) in den Diskurs der jüngeren Ethik ein. Dabei bezeichnet er den Menschen als „Entfesselten Prometheus“[12], der mittels Wissenschaft und Wirtschaft zu nie geahnten Kräften gelangt sei. Damit jener nun diese Macht nicht missbrauche, sei eine Zügelung dieser Kräfte vonnöten, und daher bedürfe der mit Technik umgehende Mensch einer adäquaten Ethik, so Jonas.[13]
[...]
[1] Ott: Die letzte Versuchung. Geo-Engineering als Ausweg aus der Klimapolitik? In: IP-Die Zeitschrift. Januar/Februar 2010, S. 58
[2] Ebd. S. 58
[3] Vgl. Ebd. S 58f
[4] Vgl. Ott: Eine ethische Betrachtung von Geo-Engineering. Die letzte Versuchung, in: Politische Ökologie. Juli_10_28. Jahrgang, S. 40ff
[5] Jonas: Das Prinzip Verantwortung, S. 7
[6] Vgl. Ott: Die letzte Versuchung. Geo-Engineering als Ausweg aus der Klimapolitik? In: IP-Die Zeitschrift. Januar/Februar 2010, S. 59ff und vgl. Umweltbundesamt: Geo-Engineering – wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn, S. 3-44
[7] Vgl. Ott: Die letzte Versuchung. Geo-Engineering als Ausweg aus der Klimapolitik? In: IP-Die Zeitschrift. Januar/Februar 2010, S. 60 und vgl. Kössler: Geo-Engineering. Gibt es wirklich einen Plan(neten) B?, S. 15
[8] Vgl. Kössler: Geo-Engineering. Gibt es wirklich einen Plan(neten) B?, S. 16f
[9] Wetz: Hans Jonas zur Einführung, S. 112
[10] Im Rahmen meiner Ausführungen betrachte ich die Sulfatoptionen im Status einer Dauerlösung
[11] Vgl. Ott: Die letzte Versuchung. Geo-Engineering als Ausweg aus der Klimapolitik? In: IP-Die Zeitschrift. Januar/Februar 2010, S. 62f
[12] Jonas: Das Prinzip Verantwortung, S. 7
[13] Vgl. Ebd. S.7