Einleitung
Die wenigsten Deutschen haben eine genaue Vorstellung von Argentinien
oder haben sich jemals über dieses Land Gedanken gemacht. Man kennt es als Herkunftsland des Tango und als große Fußballnation mit Diego Maradona an der Spitze, weiß aber ansonsten nur, daß es „irgendwo“ im Süden Lateinamerikas liegt. Warum ist es also angebracht, sich mit der argentinischen Kultur auseinanderzusetzen, wenn Argentinien im öffentlichen Bewußtsein Deutschlands nur eine so geringe Rolle spielt?
Zum einen war Argentinien ein Einwanderungsland für viele Deutsche und es sind dort immer noch erstaunliche Spuren deutscher Kultur zu finden. Man würde beispielsweise kein deutsches Oktoberfest mit Trachtenumzügen erwarten, wie es alljährlich in einem kleinen deutschen Ort mitten in der argentinischen Provinz stattfindet. Bis 1949 waren weit über 200 000 Deutsche in Argentinien eingewandert und heute leben noch etwa 50 000 bis 60 000 Deutsche dort
(Statistisches Bundesamt, 1992). Für die meisten eingewanderten Deutschen bestand weiterhin ein starker Bezug zum Ursprungsland, sie hielten an ihrer Sprache und Tradition fest und führten ein Leben „in deutscher Umgebung“, mit deutschen Banken, Ärzten und Versicherungen. Der enge Zusammenhalt der Deutschsprachigen bewirkte eine Abgrenzung von der argentinischen Gesellschaft. So konstatierte Newton (1977, zit. nach Bünstorf) Anfang des 20. Jahrhunderts ein „gestörtes Verhältnis zum Einwanderungsland und seiner Gesellschaft: das Gefühl kultureller Überlegenheit, verbunden mit einem gewissen
Selbstmitleid“. Nach den großen Einwanderungwellen Anfang des 20.
Jahrhunderts war in den 30er Jahren mit 237 000 Deutschsprachigen, 203 deutschen Schulen und 300 deutschen Vereinen ein Höhepunkt deutschen Gemeinschaftslebens in Argentinien erreicht.Obwohl der Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung nie über 1% der Gesamtbevölkerung lag, hatte sie einen maßgeblichen Einfluß in den Bereichen der Wissenschaft, des Militärwesens und der Technik (Schönwald, 1998, S. 26). Besondere Aufmerksamkeit erhielt die illegale Einwanderung von führenden Nationalsozialisten wie Adolf Eichmann, Josef Mengele oder Erich Priebke nach dem Zweiten Weltkrieg in das „deutschfreundliche“ Argentinien. Sie war jedoch
beschränkt auf höchstens 40-60 Personen (Schönwald, 1998, S. 358), die sich auf diese Weise einem Kriegsverbrecherprozeß entzogen, während die Mehrheit der Auswanderer aus anderen Gründen bessere Lebensbedingungen suchte.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Grundlagen
- Kultur
- Definition des Kulturbegriffs
- Subjektive Kultur
- Kulturstandardkonzept
- Was versteht man unter Kulturstandards?
- Ermittlung von Kulturstandards durch kritische Interaktionssituationen
- Unterschiedliche Zeitperspektiven als ein Aspekt in der Begegnung von Argentiniern und Deutschen
- Das Phänomen Zeit
- Organisation der Zeit: Monochroner und polychroner Umgang mit Zeit nach Hall
- Unterschiedliche Zeitperspektiven: Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsorientierung
- Auswirkungen der unterschiedlichen Zeitauffassungen auf die Interaktion zwischen Argentiniern und Deutschen
- Kultur
- Erhebung relevanter argentinischer Kulturstandards
- Ermittlung kritischer Interaktionssituationen
- Die Interviewmethode
- Auswahl der Interviewteilnehmer
- Ablauf der Interviews
- Auffälligkeiten bei der Befragung
- Transkription der Interviews
- Strukturierung und Reduktion der kritischen Interaktionssituationen
- Journalistische Fassung der kritischen Interaktionssituationen
- Expertenbefragung zur Ermittlung kulturadäquater Verhaltensattributionen und kulturhistorischer Erklärungen
- Experten
- Aufgabe der Experten
- Auffälligkeiten bei der Befragung
- Auswertung der Expertenkommentare
- Inhaltsanalyse
- Kategorisierung der kritischen Interaktionssituationen
- Ermittlung kritischer Interaktionssituationen
- Darstellung und Diskussion der Ergebnisse
- Zentrale argentinische Kulturstandards
- Vergleich mit bestehenden Konzepten
- Argentinische Kulturstandards im Vergleich zu kulturellen Dimensionen von Hofstede
- Das Konzept der High-Context-Kommunikation nach Hall
- Vergleich mit Mustern lateinamerikanischer Kulturen nach Albert
- Vergleich mit spanischen Kulturstandards
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit der Erhebung relevanter Kulturstandards von Argentinien. Das Ziel der Arbeit ist es, eine Grundlage für die Entwicklung eines Culture Assimilators zu schaffen, welcher den kulturellen Austausch zwischen Argentiniern und Deutschen verbessern soll.
- Definition des Kulturbegriffs und die Rolle subjektiver Kultur
- Das Konzept der Kulturstandards und deren Ermittlung durch kritische Interaktionssituationen
- Unterschiede in der Zeitperspektive als ein Aspekt in der Begegnung von Argentiniern und Deutschen
- Erhebung relevanter argentinischer Kulturstandards durch Interviews und Expertenbefragungen
- Vergleich der ermittelten Kulturstandards mit bestehenden Konzepten und Modellen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Relevanz der argentinischen Kultur für Deutschland beleuchtet und den Fokus auf den kulturellen Austausch zwischen beiden Ländern legt.
Das zweite Kapitel widmet sich den theoretischen Grundlagen. Es wird eine Definition des Kulturbegriffs vorgestellt, die Bedeutung subjektiver Kultur erläutert und das Konzept der Kulturstandards sowie deren Ermittlung durch kritische Interaktionssituationen dargestellt. Weiterhin wird die Rolle unterschiedlicher Zeitperspektiven in der Begegnung von Argentiniern und Deutschen beleuchtet, wobei die Konzepte des monochronen und polychronen Umgangs mit Zeit sowie die unterschiedliche Orientierung an Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft diskutiert werden.
Kapitel drei beschreibt die Erhebung relevanter argentinischer Kulturstandards. Hierbei werden die Methodik der Interviewdurchführung, die Auswahl der Interviewteilnehmer und der Ablauf der Interviews detailliert dargestellt.
In Kapitel vier werden die Ergebnisse der Untersuchung präsentiert und diskutiert. Die zentralen argentinischen Kulturstandards werden herausgearbeitet und mit bestehenden Konzepten wie den kulturellen Dimensionen von Hofstede, dem Konzept der High-Context-Kommunikation nach Hall, Mustern lateinamerikanischer Kulturen nach Albert und spanischen Kulturstandards verglichen.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter der Arbeit sind: Kulturstandards, Kulturvergleich, Argentinien, Deutschland, Interkulturelle Kommunikation, Zeitperspektive, High-Context-Kommunikation, Culture Assimilator, Interviewforschung, Expertenbefragung.
- Arbeit zitieren
- Katharina Rottenaicher (Autor:in), 2000, Erhebung der relevanten Kulturstandards von Argentinien als Grundlage zur Entwicklung eines Culture Assimilators, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210